Tichys Einblick
„De-Growth“ wird spürbar

BASF will große Betriebsteile in Ludwigshafen schließen

Jetzt kommt es knüppeldick: BASF in Ludwigshafen will wesentliche Betriebsteile und Werke schließen. Neuinvestitionen in Deutschland gibt es nicht mehr, jetzt erfolgen Abbau und Verlagerung bestehender Anlagen.

BASF-Schild am Eingang des Stammwerks in Ludwigshafen am Rhein

picture alliance / CHROMORANGE | Udo Herrmann

Um angesichts steigender Energiepreise Kosten zu sparen, plant die BASF den Verkauf von Ammoniak-, Methanol- und Melaminanlagen am Stammwerk. Dieser Schritt soll dem Unternehmen „nachhaltige“ und wirtschaftliche Vorteile bringen, wie es in einer Mitteilung heißt. Das Wort „Nachhaltigkeit“ steht dabei für „dauerhaft“.

Tschüss, Ludwigshafen, es ist nett gewesen hier

Der Chemie-Riese plant, ganze Anlagen an seinem Hauptsitz in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) zu verkaufen. Dies betrifft speziell die Produktionsstätten für Ammoniak, Methanol und Melamin, die aufgrund von strukturellen Anpassungen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Markt nicht mehr betrieben werden. Bereits im Februar 2023 wurden diese Maßnahmen als Teil einer umfassenden Strategie zur Kostensenkung eingeführt. BASF will insgesamt 11 Anlagen am Stammwerk verkaufen und umsiedeln. Wohin, wurde noch nicht mitgeteilt. Mit dem Verkauf und der Verlagerung wurde ein dafür spezialisiertes Unternehmen beauftragt: „International Process Plants (IPP)“, ein führendes globales Unternehmen im Bereich der Vermarktung von Prozessanlagen.

IPP wird die Produktionsstätten für qualifizierte Käufer anbieten, die nach effizienten Lösungen mit geringeren Kapitalausgaben und kürzeren Projektlaufzeiten suchen. Denn hier geht es nicht um alte, sondern um hochmoderne Anlagen. Sie sind besonders für ihren hohen Grad an Energie- und Rohstoffeffizienz bekannt. Daher bieten sie eine aussichtsreiche Möglichkeit für Unternehmen, die ihre Produktionskapazitäten erweitern wollen – und kostengünstigere Standorte suchen.

„Wir freuen uns, diese Weltklasse-Anlagen in unser Portfolio aufzunehmen“, erklärt Ronald Gale, Präsident von International Process Plants. „Sie bieten signifikante Chancen für Firmen, die bestehende Produktionskapazitäten mit hocheffizienten Anlagen ausbauen möchten.“ Die neuen Standorte sollen dafür sorgen, dass die Anlagen entweder im Rahmen von umweltfreundlichen Ammoniak- oder Methanolprojekten oder an Orten mit kosteneffektiver sowie ausreichender Gasversorgung weiterhin produktiv genutzt werden können. Das bedeutet: Die Werke werden buchstäblich abgebaut, verpackt und umgesetzt.

Grünes „De-Growth“ gewinnt an Fahrt

Der Jubel von IPP und BASF hinterlässt einen bitteren Beigeschmack. Was stattfindet, ist ein Ausverkauf von vergleichsweise umweltverträglicher Produktion, die notwendig wird, weil Gas- und Energieversorgung in Deutschland nicht mehr sichergestellt sind. Bereits mehrfach in den vergangenen Monaten hatte BASF seinen Rückzug aus Deutschland erklärt und will Investitionen nicht mehr in Deutschland vornehmen. Derzeit investiert das Unternehmen 10 Milliarden Euro im Süden Chinas. In Deutschland schrumpft die Belegschaft von derzeit 38.500; zum Jahreswechsel waren es noch 39.000.

Besonders bedrückend ist, dass derartige Anlagen am Beginn einer langen Prozesskette stehen und nachgelagerte Unternehmen diese Vorprodukte verarbeiten. Für das Unternehmen ist es ein profitabler Vorgang. Für den Standort Deutschland je nach Sichtweise eine Katastrophe – oder Erfolg: Jetzt wird „De-Growth“ spürbar, also die Abwicklung des Industriestandorts, wie ihn viele Politiker der Grünen und SPD verfolgen. Allerdings sind es im Weltmaßstab Anlagen, die höchsten Umweltstandards entsprechen. Das grüne Wirtschaftswunder wird damit abgewickelt.

„Der Verkauf dieser Anlagen bietet eine nachhaltigere und wirtschaftlichere Lösung für den Einsatz dieser Produktionsmittel und bringt der globalen Prozessindustrie erhebliche Vorteile“, so Rüdiger von Watzdorf, Senior Vice President Technology bei BASF. Erst vor Kurzem berichtete der Chemie-Riese von Umsatzeinbrüchen, einem harten Sparkurs und dem Rücktritt des langjährigen Chefs Dr. Martin Brudermüller. Er hatte sich mehrfach kritisch über die Politik der Ampel geäußert. BASF arbeite überall profitabel, nur in Deutschland wegen hoher Energiekosten und Überbürokratisierung nicht.

BASF erklärt dazu:

„BASF wird weiter in Erhalt, Modernisierung und Ausbau des Standorts Ludwigshafen investieren – in den nächsten Jahren etwa 2 Mrd. Euro jährlich. Beispiele für Investitionen sind die Erweiterung des Vitamin-A-Verbunds und der Ausbau der Citral-Wert-schöpfungskette mit zwei neuen Anlagen. Zudem investieren wir kontinuierlich in die grüne Transformation des Standorts Ludwigshafen und entwickeln ihn zum führenden emissionsarmen Chemiestandort in und für Europa. Wie im Februar 2023 angekündigt, sind durch die Anpassung der Verbundstrukturen am Standort Ludwigshafen rund 700 Stellen in der Produktion betroffen. Aufgrund vieler offener Stellen in diesem Berufsfeld bei der BASF SE und der demografischen Entwicklung gehen wir davon aus, dass wir den Großteil der betroffenen Mitarbeiter auf andere Stellen in Produktion und Technik vermitteln können. Für diejenigen, deren Arbeitsplätze bereits im Jahr 2023 entfallen sind, bestätigt sich diese Einschätzung, und wir konnten der überwiegenden Zahl der Betroffenen bereits eine neue Perspektive bieten.“

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