Tichys Einblick
Senat im Widerstand?

Aus Deutschlands Wohnungswirtschaft wird eine Planwirtschaft

Das „Neue Deutschland“, das ehemalige Zentralorgan der SED, schreibt: „Die politische Lehre ist: Widerstand zahlt sich aus, wenn Senat und außerparlamentarische Bewegung zusammen handeln.“ Der Senat im Widerstand? Wie geht das?

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Planwirtschaftliche Ideen gewinnen in Deutschland immer mehr an Zustimmung. Das aktuellste Beispiel ist die Wohnungswirtschaft. Die Ursachen für die steigenden Mieten in deutschen Metropolen sind vielfältig, haben aber mit einem „Marktversagen“ allesamt nichts zu tun. Immer mehr Menschen sind in die Großstädte gezogen: Ostdeutsche, die es in westdeutsche Großstädte zog ebenso wie Menschen aus anderen europäischen Ländern und schließlich Zuwanderer, die im Rahmen von Merkels „Willkommenskultur“ Aufnahme fanden. Das Angebot an Wohnraum hielt nicht Schritt, was vor allem mit langwierigen Genehmigungsprozessen und mit zahlreichen Ökovorschriften zu tun hat, die das Bauen zu teuer machten.

Bauverhinderungssenatorin: Haltet den Dieb!

In der Hauptstadt Berlin wird die Wohnungspolitik von der Partei „Die Linke“ bestimmt, der ehemaligen SED, die sich mehrfach umbenannt hat. Die Zahl der Bebauungspläne, die unter der Ägide der Berliner Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) aufgestellt wurden, hat sich halbiert, so dass sich die Wohnungsknappheit weiter verstärken wird. Auch die Baugenehmigungen sind rückläufig, Investoren wird das Leben schwer gemacht. Steigende Mieten sind eine logische Folge.

Lompscher trat bereits 1981 in die kommunistische SED ein. Als eine ihrer ersten Amtshandlungen, nachdem sie als Senatorin in die Berliner Regierung eintrat, berief sie Andrej Holm zu ihrem Staatssekretär. Holm pries in zahlreichen Vorträgen und Veröffentlichungen die Wohnungspolitik von Hugo Chávez in Venezuela als vorbildlich. Er hatte jedoch verschwiegen, dass er früher für den berüchtigten Staatssicherheitsdienst der DDR (Stasi) tätig war. Nachdem das bekannt wurde, musste er als Staatssekretär gehen, war aber danach immer noch als Berater von Lompscher tätig.

Von Lompscher und ihren Beratern werden Investoren in der deutschen Hauptstadt als Feinde gesehen. Schon vor einigen Jahren wunderte sich die „Süddeutsche Zeitung“ über die Investorenfeindlichkeit in der Hauptstadt. „In Berlin wird der Wohnraum knapp“, so titelte sie und setzte hinzu: „Doch wer neu baut, wird bekämpft. Über eine Stadt, die Krieg gegen Investoren und Zugezogene führt.“ In dem Artikel hieß es: „Die Wut über steigende Mieten und über den Wandel der Stadt hat ein konkretes Ziel gefunden: Neubauprojekte. Sie werden zum Symbol für all das erklärt, was vielen Bewohnern der Hauptstadt Angst macht.“

Doch die Wut richtet sich nicht nur gegen den Neubau. Eine Berliner Initiative zur Enteignung von privaten Immobilienunternehmen hat drei Mal mehr Unterschriften gesammelt als zur Einleitung eines Volksbegehrens notwendig gewesen wären. Der Sprecher der Initiative erklärte offen: „Wir wollen die Investoren aus der Stadt vertreiben.“ Die Initiative tritt dafür ein, alle Immobilienunternehmen, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen, zu enteignen. Die Entschädigungssumme soll weit unter dem Verkehrswert liegen – es wird über Abschläge von etwa 70 Prozent diskutiert. Faktisch würde dies auf eine entschädigungslose Enteignung herauslaufen, da die Bankverbindlichkeiten der betroffenen Unternehmen höher sind als die Entschädigungssumme.

Der große und der kleine Miethai

Doch es soll nicht bei den großen Wohnungsunternehmen bleiben. Auf der Website der Enteignungsinitiative wird klargestellt: „Die kleinen Miethaie schauen auf den großen Miethai und nehmen ihn als Vorbild. So wird auch eine Niederlage des großen Miethais für die Kleineren eine Lehre sein. Deutsche Wohnen das Handwerk zu legen, nützt allen Mieterinnen und Mietern in Berlin, die vom Mietenwahnsinn betroffen sind.“ Also: Auch der „kleine Miethai“ (= kleiner Privatvermieter) soll nicht ungeschoren davon kommen, er kommt als nächstes dran. Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert hat gefordert, dass es ganz grundsätzlich Privatleuten verboten werden soll, Wohnungen zu vermieten. Die Grundideen der Antikapitalisten ist: Nur Staatswohnungen sind gute Wohnungen und Mietenstopp hilft den Mietern.

Adolf Hitlers Geschenk – Mietenstopp

Im Juni wurden die Eckpunkte für einen Mietenstopp vom Berliner Senat beschlossen: Danach sollen die Mieten für fünf Jahre eingefroren werden. Zudem sollen Vermieter gezwungen werden, Mieten zu senken, wenn diese eine – noch zu definierende – Größe überschritten haben.

Die Anhänger dieser planwirtschaftlichen Ideen reagieren empfindlich, wenn man darauf verweist, dass all dies bereits in der DDR probiert wurde, und zwar mit katastrophalem Ergebnis. Der Mietenstopp wurde in Deutschland am 20. April 1936 beschlossen: Ein Geschenk der NSDAP an die „Volksgenossen“ zum 47. Geburtstag Adolf Hitlers. In der DDR wurde der nationalsozialistische Mietendeckel durch die Preisanordnung Nr. 415 vom 6. Mai 1955 zu sozialistischem Recht – und blieb es bis zu ihrem Untergang.

Die wesentlichen Merkmale der Wohnungswirtschaft in der DDR waren: Staatseigentum und Mietenstopp. Die Mieten waren zwar sehr günstig, aber Bürger mussten viele Jahre warten, bis sie eine der begehrten Plattenbauwohnungen zugeteilt bekamen. Die Altbausubstanz in Mehrfamilienhäusern in Leipzig, Dresden, Ostberlin, Erfurt und anderen ostdeutschen Städten zerfiel zunehmend. Am Ende der DDR waren 40 Prozent der Mehrfamilienhäuser schwer geschädigt, elf Prozent waren gänzlich unbewohnbar. Insgesamt waren 200 Altstadtkerne in Ostdeutschland akut gefährdet. Noch im Jahr 1989 wurden 65 Prozent aller DDR-Wohnungen mit Kohleöfen beheizt, jede vierte hatte keine eigene Toilette.

Nach der Wiedervereinigung wurde die Sanierung der zerfallenen Bestände mit einem gigantischen Steuerprogramm finanziert. Zusätzlich war ein erheblicher Neubau notwendig, um den Wohnungsmangel in Ostdeutschland zu beseitigen. Insgesamt wurden in den 90er-Jahren mithilfe steuerlicher Förderungen 838.638 Wohnungen in den neuen Bundesländern und Ost-Berlin fertig gestellt. Die Kosten beliefen sich auf 84 Milliarden Euro.

Der nächste Schlag: Novelle von § 5 Wirtschaftsstrafgesetz

Nicht nur in Berlin ist man der Überzeugung, dass der Markt in der Wohnungswirtschaft versagt hat und die Lösung in massiver staatlicher Regulierung liege. Im Jahr 2015 wurde deutschlandweit eine „Mietpreisbremse“ beschlossen, nach der Vermieter von Bestandswohnungen bei der Neuvermietung keine Miete verlangen dürfen, die mehr als 10 Prozent über der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ liegt. Das Gesetz blieb jedoch weitgehend wirkungslos, zumal es zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe enthielt, die zu einer Vielzahl von Prozessen führten. Mit Wirkung zum 1. Januar 2019 wurde das Gesetz abermals verschärft. Weitere Verschärfungen werden diskutiert.

Das Bundesjustizministerin hat einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Wirtschaftsstrafrechtes vorgelegt, der gravierende Auswirkungen für den Wohnungsneubau hätte. In der Mietpreisbremsen-Gesetzgebung war der Neubau noch bewusst ausgenommen worden. In dem aktuellen Gesetzesentwurf, eine Novelle von § 5 des Wirtschaftsstrafrechtes, wird dagegen auch der Neubau einbezogen, und zwar für alle Städte, in denen der Wohnungsmarkt angespannt ist. Wenn eine Wohnung neu gebaut wird, soll die Miete zwar zunächst frei vereinbart werden können. Aber das gilt nur für die ersten fünf Jahre. Zieht der Mieter aus, dann darf der Vermieter nach Ablauf dieser „Schonfrist“ nur noch die ortsübliche Miete plus 20 Prozent nehmen. Wer eine höhere Miete verlangt, wird kriminalisiert. Weitere Gesetzesentwürfe, die zu einer Begrenzung der Mieten führen sollen – so etwa ein Mietspiegel-Gesetz – sind in Vorbereitung.

Appeasement-Politik von Wohnungsunternehmen

Die Wohnungswirtschaft reagiert defensiv und trägt damit eine Mitschuld. Obwohl sie über erhebliche finanzielle Mittel verfügt, hat sie es bisher nicht fertig gebracht, die Öffentlichkeit über die wirklichen Ursachen für steigende Mieten aufzuklären. Die großen Wohnungsunternehmen sind eingeschüchtert und reagieren mit Appeasement, was die Antikapitalisten aber nur darin bestärkt, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Michael Zahn, Chef der Deutschen Wohnen, kann nur noch unter dem Schutz von Leibwächtern seine Wohnung verlassen. Autos des Unternehmens wurden „abgefackelt“. Noch Monatelangem Trommelfeuer kündigte er nun an, „freiwillig“ die Mieten zu begrenzen: Ab 1. Juli würden Mieterhöhungen so begrenzt, dass ein Haushalt maximal 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Nettokaltmiete aufwenden müsse. Gleichzeitig schlug er ein Alternativkonzept vor, landesgesetzlich eine einkommensabhängige Mietsteigerung in einem „Solidarmodell“ von Vermietern, Mietern und Politik zu verankern. Ein absurdes Modell, zu dessen Umsetzung man eine gigantische Mieterdatei bräuchte, in der alle Mieter ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegen.

Mit solchen Vorschlägen zeigt die Wohnungswirtschaft, dass sie die Rolle des Sündenbocks für die Probleme bereitwillig angenommen hat und die Argumente ihrer linken Gegner akzeptiert, dass Marktwirtschaft im Wohnungswesen nicht funktioniert.

Das „Neue Deutschland“, das ehemalige Zentralorgan der SED, schrieb am Tag nach der Verkündung der Zugeständnisse der Deutschen Wohnen: „Der Fall Deutsche Wohnen zeigt zudem, dass die stadtpolitische Debatte Wirkung zeigt. Der Mietendeckel und das Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« haben für den nötigen Druck gesorgt. Die politische Lehre ist: Widerstand zahlt sich aus, wenn Senat und außerparlamentarische Bewegung zusammen handeln.“

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