Tichys Einblick
Korrupte Kommunen

Aufenthaltstitel gegen Geld: Schleuserverdacht auch in Verwaltung

Nachdem die Polizei Mitte April Razzien bei einer Schleuserbande durchgeführt hatte, wird nun bekannt, dass sich auch Politiker von SPD und CDU unter den verdächtigen Beteiligten befinden. Der Verdacht: Sie verkauften Aufenthaltstitel an Wohlhabende in der ganzen Welt.

Nach Deutschland kommen ist nicht leicht. Die Schlepperrouten sind gefährlich. Man muss sich mit dubiosen, teils hochgefährlichen Individuen und Banden arrangieren, um so nach Deutschland zu gelangen. Erhält man dann in Deutschland Sozialleistungen, muss man diesen Schleppern oft noch jahrelang einen Teil dieses Geldes abgeben. Frauen und Kinder kommen oft gar nicht an. Komfortabler gestaltet es sich hingegen, wann man bereits über Kapital verfügt. Zwischen 30.0000 und 360.000 Euro pro Person soll ein Schlepperring, der Mitte April zerschlagen wurde, verlangt haben. In acht Bundesländern waren mehr als 1.000 Beamte der Bundespolizei und Staatsanwaltschaft über zwei Tage lang mit Razzien im Einsatz.

Die Schlepper organisierten Aufenthaltserlaubnisse für Wohlhabende – vor allem aus China, aber auch Südafrika, Indien und dem Oman. Sie arrangierten Scheinfirmen, Beschäftigungsverhältnisse und Mietwohnungen. Die Bande schleuste so wohl 147 Personen nach Deutschland. Einschließlich Familiennachzüglern sind so insgesamt ca. 350 Personen vermutlich widerrechtlich nach Deutschland gekommen.

Auch Politiker verhaftet

Unter den Beschuldigten befinden sich auch zwei CDU-Politiker aus Nordrhein-Westfalen, darunter Werner Stump. Stump war von 1999-2013 Landrat im Rhein-Erft-Kreis. Heute ist er Geschäftsführer des Hotels Villa Sophienhöhe, das auch im Visier der Ermittler steht, wie der Kölner Stadtanzeiger meldet.

Auch ein Politiker der SPD wird beschuldigt – Jens Bröker – in der Vergangenheit Geschäftsführer für die Unterbezirke Heinsberg und Euskirchen. Aktuell führt er die Geschäfte des Kreis Düren. Bis Montag war Bröker außerdem Geschäftsführer des kommunalen Unternehmens indeland, welches den Strukturwandel der Tagebauregion um die Gemeinde Inden koordinieren soll. Von diesem Amt wurde er nun abberufen. Bröker befindet sich in Untersuchungshaft.

Stump und Bröker sind dabei aber nicht die einzigen Verdächtigten. Gegen 38 Personen wird ermittelt, zehn wurden verhaftet. Unter ihnen befinden sich neben den genannten Politikern auch zwei Rechtsanwälte. Weitere Medienberichte melden, dass auch ein „Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes“ verdächtigt werde. Ob es sich dabei um Bröker handelt, ist nicht klar.

Korrupte Lokalverwaltungen

Auf Ebene der Lokalverwaltungen fehlt Kontrolle. Das Muster aus Nordrhein-Westfalen ist nicht einzigartig: Aktive und ehemalige Lokalpolitiker nutzen ihre Verbindungen in die Verwaltungen, um sich selbst zu bereichern.

Gerade die Arbeiterwohlfahrt (AWO) trat in diesem Zusammenhang ausufernd und überbordend in Erscheinung. SPD-Lokalpolitiker in verschiedensten Bundesländern schanzten der AWO lukrative Aufträge zu – und profitieren von Beratungsverträgen oder lukrativen Folgebeschäftigungen. Die Korruption geschah in der Vergangenheit oft, indem der Betrieb von Flüchtlingsunterkünften oder anderen Asylsuchenden-Dienstleistungen zu Fantasiepreisen vergeben wurde. Oder es wurden Überkapazitäten eingekauft, die nie abgerufen wurden. Da mag es für manche Sinn machen, den Zwischenschritt zu überspringen und Aufenthaltstitel direkt zu verkaufen. Den „Kunden“ stellte die Schleuserbande Zugang zum deutschen Bildungs- und Gesundheitssystem in Aussicht. Auch eine deutsche Staatsbürgerschaft kann so erworben werden – das Staatsbürgerschaftsrecht ermöglichte schon vor den diesjährigen Änderungen einen Erwerb nach acht Jahren Aufenthalt im Land.

Der Skandal ist bisher einmalig in Deutschland: aber nicht in Europa. Im vergangenen Jahr wurde bekannt, das polnische Konsulate in Afrika tausende Schengen-Visa verkauft haben. Viele der Käufer sollen darüber auch nach Deutschland gekommen sein. Malta und Zypern gehen subtiler vor: Wer in den Inselstaaten investiert und gegebenenfalls Eigentum erwirbt, kann sich über „goldene Pässe“ freuen. In Zypern muss ein Investor zwei Millionen Euro in ein Unternehmen investieren, das mindesten fünf Mitarbeiter beschäftigt oder eine Immobilie für 500.000 Euro erwerben. Als EU-Bürger können die Investoren dann Freizügigkeit in ganz Europa genießen.

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