Tichys Einblick
Nobelpreis für Äthiopiens Regierungschef

Asfa-Wossen Asserate im Interview: „Auf Abiy Ahmed ruhen die Hoffnungen“

Der Schriftsteller und Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers begrüßt den Friedensnobelpreis für Äthiopiens Ministerpräsidenten Abiy Ahmed. Europa müsse jetzt dort investieren, statt weiter Almosen zu geben.

Mahmoud Hjaj/Anadolu Agency via Getty Images

TE: Prinz Asfa-Wossen Asserate, Sie hatten schon im vergangenen Jahr den jungen äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed als Figur der Hoffnung für ganz Afrika gelobt und für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Was empfinden Sie heute, da Abiy den Preis tatsächlich bekommen hat?

Asfa-Wossen Asserate: Natürlich Freude und Stolz. Die Preisverleihung ist eine große Ehre für Äthiopien. Er ist der erste Nobelpreisträger des Landes.

TE: Worin liegt das wichtigste Verdienst Abiys?

Asfa-Wossen Asserate: Er hat Frieden mit Eritrea geschlossen, der bis heute hält. Zum ersten Mal seit Jahrzenten lebt Äthiopien im Frieden mit seinen Nachbarn. Und er ist angetreten, das Land im Inneren zu versöhnen. Er hat politische Gefangene freigelassen und zur Einheit des Landes aufgerufen. Für mich ist er die Personifizierung dessen, was ich mir unter einem befriedeten Äthiopien vorstelle: Er ist Christ, sein Vater Muslim, seine Mutter orthodoxe äthiopische Christin. Damit steht er für das, was das Land ausmachen sollte: Einheit in Verschiedenheit und Verschiedenheit in Einheit.

TE: Wie ist diese innere Versöhnung der Ethnien und Religionen vorangekommen?

Asfa-Wossen Asserate: Nicht schnell genug. Aber niemand kann die Sünden von 30 Jahren in so kurzer Zeit heilen. Leider gibt es nach wie vor Radikale in allen Lagern, die die ethnischen Spannungen aufrechterhalten wollen. Das Hauptproblem Äthiopiens ist die Verfassung, die das Land als „ethnische Förderation“ definiert. Das ist nur ein anderes Wort für Apartheid. In den Akten der Meldebehörden und in den Ausweisen steht nach wie vor die ethnische Zugehörigkeit jedes Bürgers. Dieses Denken in Rassekategorien ist das größte Problem.

TE: Wie sollte dieses Problem gelöst werden?

Asfa-Wossen Asserate: Durch eine Änderung in der Verfassung. In der Verfassung Namibias steht der Satz, dass kein Polizist und kein anderer Vertreter des Staates das Recht hat, einen Bürger nach dessen ethnischer Zugehörigkeit zu fragen. Diese Regelung ist vorbildlich.

TE: Was wird die Preisverleihung an Abiy praktisch bewirken?

Asfa-Wossen Asserate: Sie ist für ihn eine große Verpflichtung, auf seinem Weg der Versöhnung zu bleiben. Er ist die Person, die den Wandel zum besseren schaffen kann.

TE: Was kann Deutschland tun, um ihn dabei zu unterstützen?

Asfa-Wossen Asserate: In Deutschland haben einige Politiker schon erkannt, wie wichtig die von Abiy eingeleitete Politik für Äthiopien und Afrika ist. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder zum Beispiel hat seine erste große Auslandsreise nach Äthiopien unternommen. Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes geht deutlich voran.

TE: Sie gehören allerdings zu den beharrlichen Kritikern der Entwicklungshilfe.

Asfa-Wossen Asserate: Ich halte die bisherige Entwicklungshilfepolitik der europäischen Länder in der Tat für gescheitert. Die afrikanischen Länder brauchen keine Almosen, sondern Investitionen. Die Zukunft der jungen Generation in Afrika kann auch nicht darin liegen, nach Europa auszuwandern. Die Menschen brauchen eine Perspektive in ihrer Heimat.

TE: Haben Sie Abiy Ahmet schon einmal getroffen?

Asfa-Wossen Asserate: Persönlich getroffen noch nicht, aber gesehen, und zwar bei seinem Besuch hier in meiner Heimatstadt Frankfurt. Ihm jubelten im vergangenen Jahr 35.000 Äthiopier zu, die in der Diaspora leben. Ihre Hoffnungen ruhen auf ihm.


Prinz Asfa-Wossen Asserate, 70, Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie, lebt seit über 30 Jahren in Frankfurt als Unternehmensberater, politischer Analyst und Autor. Bekannt wurde er durch sein Buch „Manieren“. Zuletzt erschien von ihm: „Die neue Völkerwanderung. Wer Europa bewahren will, muss Afrika helfen“ 

Anzeige