Tichys Einblick
Einstieg in die Räterepublik

Ampel hält sich Bürgerrat, um in die Ernährung der Bürger hinein zu regieren

SPD, Grüne und FDP beschließen einen Bürgerrat, der sich damit beschäftigt, wie die Deutschen künftig essen sollen. Dieses Gremium soll den Politikern den Willen des Volkes vermitteln - doch diese instrumentalisieren den Rat bereits vor seiner Gründung.

Plenarsaal während der Sitzung des Deutschen Bundestags am 17.03.2023 in Berlin

IMAGO / Christian Spicker

Was gibt’s zum Abendessen? Stullen, den Rest vom Nudelauflauf oder doch lieber eine Nulldiät? Wer das für seine private Entscheidung hält, liegt falsch. An diesem Mittwoch setzt die Ampel einen „Bürgerrat“ ein. Schon dessen Titel ist vielsagend: „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“. Das klingt so, als ob die Referentin des Pfarramtes den Chefredakteur der Aktuellen Kamera geheiratet hätte und ihr Sohn entwirft jetzt Namen für die Ampel.

Die Bürgerräte sind eine Idee der Grünen. Folglich kommt auch der erste von dreien, die alleine dieses Jahr an den Start gehen sollen, von Ernährungsminister Cem Özdemir. Die Räte sollen den Politikern vermitteln, was sich die Bevölkerung tatsächlich wünscht. Damit sie repräsentativ und unabhängig sind, sollen sie ausgelost werden.

Nun berichtet das Recherchenetzwerk Deutschland über den Einsetzungsbeschluss. Der liege der Redaktion vor. Das ist eine Formulierung, die nach investigativem Journalismus klingt, nach einem Reporter, der sich in mühevoller Kleinarbeit an Informationen herangekämpft hat. In Wirklichkeit hat ihm ein Politiker oder ein Mitarbeiter des Ministeriums diesen Entwurf geschickt – damit der Reporter in seinem Sinn darüber berichtet. Noch bevor der Bürgerrat eingesetzt ist, wird er also von der Politik instrumentalisiert.

Das RND berichtet zudem darüber, dass speziell dieser Rat in der SPD kritisch gesehen wird. Nicht wegen seines pastoral-sozialistischen Namens, sondern weil sich der Rat mit einem Thema beschäftigt, zu dem die Regierung bereits arbeite, etwa indem sie eigene Gesetze verabschiedet. Das werfe die Frage auf, was passiere, wenn der Rat Forderungen aufstelle, die im deutlichen Gegensatz zu eben diesen Gesetzesvorhaben stehen. Schließlich habe ja schon noch das demokratisch gewählte Parlament das Vorrecht auf Gesetzgebung und nicht der ausgeloste Bürgerrat.

Das führt zu den Befürchtungen, die ein Gremium wie der Bürgerrat auslöst: Nämlich, dass sich die Regierung über ein nicht öffentlich ausgelöstes Gremium ein alternatives, nicht demokratisch gewähltes Parlament schafft. Eines, das Maximalforderungen aufstellt, die der Regierung ohnehin gut ins Konzept passe. Und die diese dann mit dem moralischen Argument durchsetzen kann, sie halte sich ja nur an den Bürgerwillen. In diesem Sinne wäre es dann durchaus folgerichtig, dass die Bürgerräte mit einem Themenfeld beginnen, in dem die Grünen regieren und zu dem die Bundesregierung bereits arbeitet. Essen Sie heute Abend also was sie wollen, solange sie noch dürfen – Verbote wären ja Bürgerwille und müssten folglich umgesetzt werden.

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