Tichys Einblick
»Nichts geregelt!«

Ahrtal-Katastrophe im Untersuchungsausschuss

Im Untersuchungssausschuss geht es nicht um irgendwelche Papiere und Dokumente oder übliche politische Fehlleistungen, sondern um eine der größten Katastrophen der Nachkriegszeit - verantwortet von einer mehr als hanebüchen unfähigen Landesregierung.

IMAGO

Große Mängel beim Katastrophenschutz, kein funktionierendes Führungssystem und fatale Fehlleistungen der Landesregierung. Menschenleben hätten gerettet werden können. Das ist die Bilanz des Gutachters Dominic Gißler, der in Mainz bei der Sitzung des Untersuchungsausschusses des Landtages zur Flutkatastrophe im Ahrtal sein Gutachten vorstellte. Der Berliner Professor für Führung im Bevölkerungsschutz: Die Technische Einsatzleitung der Kreisverwaltung Ahrweiler war den Herausforderungen der Flutkatastrophe im Juli 2021 nicht gewachsen. Somit sei es nicht möglich gewesen, der Flutkatastrophe angemessen zu begegnen.

Das Gutachten hatte die Staatsanwaltschaft Koblenz in Auftrag gegeben. Sie ermittelt weiterhin gegen den damaligen Landrat Jürgen Pöhler (CDU) und ein Mitglied der Einsatzleitung, ob beide beim Schutz der Bevölkerung versagt haben und Menschenleben geret-tet werden könnten.

Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass der Katastrophenschutz im Kreis Ahrweiler zum Zeitpunkt der Flut schlecht organisiert war. Es habe ebensowenig einen Verwaltungsstab wie eine Führung gegeben. Auch das Land Rheinland-Pfalz habe die Kreise beim Katastrophenschutz zu wenig unterstützt, so der Gutachter. Gißler betonte, dass dies allerdings nicht heiße, dass sie schuld seien.

Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses, der eigentlich schon im Dezember vorliegen sollte, wird sich verzögern. Die AfD und die Freien Wähler wollen weitere Beweisanträge stellen. Bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 waren 136 Menschen ums Leben gekommen, einer gilt weiterhin als vermisst.

Auf dem Weg zur Sitzung des Untersuchungsausschusses mussten die Abgeordneten an einer Mahnwache vorbei und erhielten so noch einmal einen nachdrücklichen Eindruck davon, dass es in dem Untersuchungssausschuss nicht um irgendwelche Papiere und Dokumente oder übliche politische Fehlleistungen geht, sondern um eine der größten Katastrophen der Nachkriegszeit – verantwortet von einer mehr als hanebüchen unfähigen Landesregierung.

Die Eltern einer jungen Frau, die in der Flutnacht ums Leben kam, hielten vor dem Landtag in Mainz eine Mahnwache für die Opfer ab. 135 Kreuze hatten sie mit Bildern der Opfer und Kerzen niedergelegt. Sie kritisieren, dass nicht hinreichend der Opfer gedacht werde. Bis zum heutigen Tage gibt es kein offizielles Denkmal in Bad Neuenahr Ahrweiler.

Dafür Blech mit stark abfallendem Wert für Marie-Luise Dreyer. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und maßgeblich verantwortlich für die Katastrophe diesen Ausmaßes, bekam von Frank Walter Steinmeier das Große Verdienstkreuz verliehen. Wofür? »Für ihre herausragenden Verdienste um die Bundesrepublik Deutschland«, wie es heißt. Der SPD-Landesverband Rheinland-Pfalz applaudierte.

»Selbst mehr als hundert Ertrunkene sollen applaudiert haben«, kommentierte Autor Alexander Wendt auf »X«. Diesem ganzen Schmierentheater lässt sich auch nur noch mit der größtmöglichen Zynismus begegnen.

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