Tichys Einblick
Auswärtiges Amt

Affäre Soykan: Denkfehler im Umgang mit Islamisten

Nach viel öffentlicher Kritik hat das Auswärtige Amt die Berufung von Nurhan Soykan in ein religionspolitisches Gremium zurückgezogen. Sie ist eng mit den türkischen Nationalisten von den Grauen Wölfen verbunden. War diese Berufung Torheit oder Taktik? Von Sebastian Sasse

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Als die Kritik immer größer geworden ist, hat das Außenministerium endlich die Reißleine gezogen. Vorgestern wurde die Entscheidung bekanntgegeben, dass Nurhan Soykan nun doch noch nicht in das Beraterteam „Religion und Außenpolitik“ des Ministeriums aufgenommen wird. Soykan ist Generalsekretärin des Zentralrates der Muslime. Zu diesem Dachverband verschiedener muslimischer Organisationen gehören auch die Türkisch-Islamischen Kulturvereine Europas. Diese Gruppe pflegt enge Verbindungen zu den Grauen Wölfen, einer türkisch-nationalistischen Organisation, deren Ideologie auf ein homogenes Großreich der Turkvölker von Zentralasien bis zur Türkei abzielt. Wie sehr Soykan selbst von dieser Ideologie geprägt ist, konnte man etwa sehen, als sie die Resolution des Bundestages zum Völkermord an den Armeniern 2016 massiv kritisiert hat.

Diese Zusammenhänge dürften eigentlich auch nicht für das Bundesaußenministerium überraschend gewesen sein, sind sie doch sogar teilweise in den Berichten der Verfassungsschutz-Ämter dokumentiert worden. Dass das Ministerium erst nach tagelanger Kritik reagiert hat, ist viel zu spät. Dieser Fall wirft auch ein Schatten auf das Auswärtige Amt insgesamt. Ein peinlicher Vorgang für Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).

Torheit oder Taktik

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Trotzdem bleibt die Frage: Was stand hinter der Idee, Soykan in dieses Gremium zu berufen? War es Torheit oder doch Taktik? Es ist wohl eine Mischung von beidem. Wobei die Naivität, die hier deutlich wird, besonders gefährlich ist. Diejenigen, die ihr aufgesessen sind, fühlen sich nämlich besonders schlau. Sie glauben, man könne die Erfahrungen, die der Staat im Umgang mit den christlichen Kirchen gemacht hat, einfach auf den Islam übertragen. Im Islam gibt es bekanntlich keine kirchliche Struktur. Der Staat braucht aber einen Ansprechpartner, eine Institution, mit der er etwa die Lehrpläne für islamischen Religionsunterricht ausarbeiten kann. Also werden islamische Verbände wie der Zentralrat der Muslime entsprechend aufgewertet. Zentralrat klingt schließlich nach allumfassender Repräsentanz. Dass aber tatsächlich nur ein Bruchteil der Muslime in Deutschland überhaupt in solchen Gruppen organisiert ist, wird dabei ignoriert. Kurz: Hier siegt die Behördenmentalität über die politische Realität. Gewiss, für die Regelung administrativer Abläufe mag die Kooperation mit einem klar identifizierbaren Ansprechpartner einfacher sein. Aber man kann deswegen nicht die politischen Hintergründe der Gruppen ausblenden, die von sich behaupten, so ein Ansprechpartner sein zu können.

Der Vorfall unterstreicht: Es ist an der Zeit, grundlegende Denkfehler im Umgang mit Islamisten zu korrigieren. Ein erster Schritt wäre zu begreifen, dass Islamverbände zwar Interessen vertreten, aber nicht die Interessen der Muslime in Deutschland. Sie nehmen die Mehrzahl für ihre ideologischen Vorstellungen in Geiselhaft. Dass das nicht dem gesellschaftlichen Frieden dient, sollten auch Behörden und Ministerien verstehen.


Dieser Beitrag von Sebastian Sasse erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.