Donald Trump will aufräumen, überall auf der Welt, auch an Schulen, Akademien und Universitäten. Forscher und Lehrer blicken mit Sorge in die Zukunft, der eine oder andere soll sogar erwägen, nicht nur den Beruf, sondern auch das Land zu verlassen, vielleicht sogar in Richtung Deutschland. Das klingt nach Panik, und die ist selten ein guter Ratgeber. Bevor sie losfahren, sollten sich die Ausreisewilligen darüber klarwerden, was sie in Deutschland erwartet. Beispiele gibt es ja genug.
Das letzte stammt aus Würzburg. Dort hat es den Historiker Peter Hoeres erwischt, einen mutigen, unabhängigen und produktiven Mann, der eben deshalb bei den Sprücheklopfern, die im Studentenrat der Universität den Ton angeben, schlecht ankam. Hoeres steht damit freilich längst nicht mehr allein, seinem Berliner Kollegen Jörg Baberowski, der Biologin Marie-Louise Vollbrecht, dem Hamburger Ökonomen Bernd Lucke oder Michael Meyen, dem Medienwissenschaftler aus München, ist Ähnliches widerfahren. Sie alle sind Opfer des linken Mobs geworden.
Inzwischen kann es jeden treffen. Die deutschen Universitäten, seinerzeit Muster für alle Welt, sind zurück auf dem Weg ins Jahr 1933, als Martin Heidegger, damals Rektor der Universität Freiburg, gegen die negative, die bloß verneinende Freiheit vom Leder zog und für die neue, die positive, die Freiheit, Ja zu sagen, warb. Was damit gemeint war, hat wenig später einer seiner Schüler ausgesprochen, indem er das Glück pries, nun endlich von der Freiheit frei zu sein. „Heidegger weiß nicht, was Freiheit ist“, bemerkte Karl Jaspers damals lapidar; Jusos und Grüne Jugend wissen das auch nicht.
Damals, im Dritten Reich, beschränkte sich die Freiheit aufs Nachplappern von Schlagwörtern; heute auch. Es reicht, irgendjemandem, den man nicht mag, Etiketten wie sexistisch, rassistisch oder populistisch an den Rock zu heften; ihn rechts, neurechts oder rechtsextrem zu nennen; ihm prae- oder postfaschistische Tendenzen nachzusagen, und schon ist es um ihn geschehen. Er wird so lange denunziert und schikaniert, bis er einknickt; wenn nicht, wird kurzer Prozess gemacht. Dann folgen deutsche Studenten ihren französischen Vorbildern, den Jakobinern, die seinerzeit dekretiert hatten: Die bloße Anschuldigung genügt. Wer in Verdacht gerät, ist auch schon schuldig.
Die Obrigkeit macht nicht nur mit, sie geht voran. Um die akademische Freiheit nicht nur zu fördern, sondern aktiv zu fördern, hat sie sich eine Reihe von Schutzmaßnahmen ausgedacht, die von Lehrverboten und Kontaktsperren bis hin zum Verlust des Anspruchs reichen, an den Wahlen zur akademischen Selbstverwaltung aktiv oder passiv teilzunehmen, also zu wählen und gewählt zu werden. Dabei verlässt sich die Behörde auf die Arbeit von Zuträgern, die sich von ihren Vorgängern im nationalsozialistischen Studentenbund vor allem dadurch unterscheiden, dass sie verwaschene Jeans statt gestärkter Breeches tragen.
Die Jeansträger verlangen ein alternatives Lehrangebot und kritische Forschung – der Wissenschaftler soll Partei ergreifen, Haltung zeigen, Zeichen setzen und so weiter. Was damit gemeint ist, hat Hans-Ulrich Wehler, das Schulhaupt der Bielefelder Sozialhistoriker, vorgerechnet, als er seine Skizze über den Gang der deutschen Nachkriegswissenschaft mit der fröhlichen Bemerkung schloss, dass die Parteigänger der sozialliberalen Koalition nun endlich die knappe Hälfte aller Lehrstühle erobert hätten. Es geht um Geld und Stellen – und davon erhält die eine Partei natürlich umso mehr, je weniger die andere davon erhält.
Zu bieten hat die vereinigte Linke, bestehend aus Jusos, Grüner Jugend und GEW, inzwischen nicht mehr viel. Nach der Lehre ist auch die Forschung zum Massenartikel geworden, langweilig, routiniert und plakativ. An die Frauen-, die Küchen- und die Abfallforschung haben wir uns gewöhnt, aber das reicht nicht hin, um jedes Kind mit einem Steckenpferd zu versorgen. Inzwischen genügt es, jedem beliebigen Wort das Suffix -forschung anzuhängen, und schon ist man ein Wissenschaftler, hat sogar eine neue Disziplin erfunden. Aus dem Narrativ ergibt sich die Narrativforschung, aus dem Diskurs die Diskursforschung, aus beiden gemeinsam die narrativ fokussierte Diskursforschung, und aus der Wissenschaft die Wissenschaftsforschung. Der Fortschritt kennt eben keine Grenzen.
Große Forschungsförderungsorganisationen wie die Max-Planck-Gesellschaft oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft bekümmert das. Sie haben versucht, dem Fortschritt Grenzen zu setzen, ihn zu lenken und zu domestizieren. In umfangreichen Zielvereinbarungen haben sie ihre Mitarbeiter daran erinnert, dass Wissenschaft mit Wahrheit zu tun hat (oder hatte), und ihre Stipendiaten dazu angehalten, selbst zu forschen, ehrlich zu sein, vollständig zu berichten und nicht zu schummeln – lauter gute Vorsätze, aus denen aber nichts geworden ist, weil sie die Rechnung ohne die Wirtin gemacht hatten.
Die Wirtin, das war die Regierung, vertreten durch Annette Schavan. Als Doktorandin hatte sie geschummelt, es später dann aber zur Ministerin gebracht, zuständig für Forschung und Lehre. In dieser Eigenschaft hat sie ihr Amt dazu benutzt, die Wissenschaft ans Schummeln zu gewöhnen; durchaus erfolgreich sogar. Nachdem ihr die Universität Düsseldorf den Doktorgrad entzogen hatte, wurde sie umgehend für diesen schmerzlichen Verlust von einer anderen Universität, der Medizinischen Hochschule in Lübeck, mit einem Ehrendoktortitel entschädigt. Lübeck, eine klamme Neugründung, war von Schavan gepuscht worden. Dafür erzeigte sie sich nun erkenntlich.
Neulich hat diese Universität ihre Dankbarkeit noch einmal bezeugt, indem sie einen anderen aus Merkels Stall, den abgehalfterten Kanzleramtsminister Helge Braun, zum Präsidenten wählte. Die organisierte Wissenschaft benimmt sich wie ein Hofhund, der auf Kommando apportiert und cancelt, ja nach dem, was der Herr will. Damit das auch so bleibt, hat Frau Merkel die ehemals hochangesehene Gesellschaft der Naturforscher in Halle, die Leopoldina, zur Nationalen Akademie der Wissenschaften erhoben. Gestützt auf die grandiose Zahl von 1.700 Mitgliedern in aller Welt, hat sie die Aufgabe, die Regierung in heiklen Fragen zu beraten, im Zweifel also rauszuhauen. Was ihr mit ihren haarsträubenden Empfehlungen zur Corona-Politik auch fast gelungen wäre.
Die Regierung kümmert sich um alles, auch um die Forschung. Sie plant und lenkt und prüft, greift aus und ein; und ziemlich oft daneben. Südlich von Bonn, in Bad Godesberg, wo die Forschungsgemeinschaft und andere Wissenschaftsorganisationen bis heute ihren Sitz haben, hat sie ihr Denkmal aufgestellt, ein fünfzig Jahre altes Exemplar des Transrapid. Die Magnetschwebebahn ist in Deutschland entwickelt und gebaut, aber nie eingesetzt worden. Sie verkehrt nur in China, ist aber auch dort durch die bewährte Rad-Schiene-Technik ersetzt worden. Ein angestaubtes Museumsstück wirbt für den Wissenschaftsstandort Deutschland – was passt, weil diese Zukunft mittlerweile ziemlich weit zurückliegt.
Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.