Warum Löhne nicht automatisch steigen dürfen – aber Diäten schon?

Was waren die Argumente in den beklatschten Wutreden der grünen Befürworter der automatischen Diätenerhöhung? Das populärste "Argument" war dieses: Die AfD ist dagegen, also muss es gut sein.

© Carsten Koall/Getty Images

Normalerweise gehört es ja für einen Sozialdemokraten oder Grünen zum guten Ton, sich über Besserverdiener aufzuregen. Aber in den vergangenen Wochen gab es ein eigenartiges Schauspiel: Auf einmal war jeder ein übler Populist, der die klassische sozialdemokratische Position einnahm und etwas gegen hohe Löhne sagte. Auf einmal waren es die Grünen und die Sozialdemokraten, die Seite an Seite mit der CDU und der FDP kämpften, um Besserverdiener-Löhne namens Diäten automatisch zu erhöhen.

Der Grund dafür: Es ging ums eigene Geld. Um die Diäten der Abgeordneten.

Selbstbedienungsladen
Diätenerhöhung im Bundestag – Instinktlosigkeit pur
Was waren die Argumente in den beklatschten Wutreden der grünen Befürworter der automatischen Diäten-Erhöhung? Das populärste Argument war dieses: Die AfD ist dagegen, also muss es gut sein. Das zeigt den Zustand unserer öffentlichen Diskussion. Man braucht über nichts mehr inhaltlich zu diskutieren, wenn man es nur schafft, eine Position als AfD oder nah darzustellen. Damit erübrigt sich jede Sachdiskussion.

Führen wir sie dennoch kurz in Form einer einfachen Frage: Wenn sich der Bundestag so einig ist, dass eine Koppelung staatlicher Zahlungen an die allgemeine Lohnentwicklung eine so großartige Sache ist, wieso führen wir sie dann nicht auch an anderen Stellen ein? Wieso sind Hartz IV, Mindestlohn, Renten und Beamtenbesoldungen nicht mit dem gleichen Automatismus ausgestattet?

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Natürlich, weil es gute Argumente gegen solche Lohngleitklauseln gibt. Da Löhne aus politischen Gründen in der Regel nur nominal steigen können, werden Anpassungen in der Lohnstruktur nur dadurch möglich, dass ein Inflationsausgleich im Einzelfall ausgehandelt werden muss. Dieses Aushandeln ist ein wichtiges Instrument in einer Volkswirtschaft, um nicht in die klassische Sozialismusfalle zu tappen, in der noch ein Kohlenschaufler im ICE nach seinem Produktivbeitrag des Jahres 1948 bezahlt werden müsste. Genau diesen Prozess des Aushandels wollen die Damen und Herren Abgeordneten gern für alle Bevölkerungsgruppen aufrechterhalten (was auch sinnvoll ist) – nur nicht für sich selbst (was nicht sinnvoll ist). Sie verhindern gern die öffentliche Diskussion darüber, wenn es ums eigene Geld geht. Und deshalb wurde diese Diskussion auch jetzt nicht geführt, weil es ja das schöne Populismusargument gibt, mit dem man jede Diskussion beenden kann.

Hätten wir sie geführt, wäre aufgefallen, dass zu Zeiten der D-Mark ein solcher Automatismus sogar verboten gewesen wäre. Es gab damals im §3 des Währungsgesetzes ein Indexierungsverbot. Die Koppelung nominaler Zahlungen an andere Größen hätte damals von der Bundesbank genehmigt werden müssen. Damit sollte verhindert werden, dass die berüchtigte Lohn-Preis-Spirale entsteht, die Italien ewig geplagt hat. (Wieso dieses Indexierungsverbot mit dem Euro abgeschafft wurde, wäre noch einmal eine ganz eigene Frage, aber lassen wir die hier einmal aus.)

Abgeordneten-Diäten nach Lohnindex
Linke und AfD beim „Nein“ Seit‘ an Seit‘
Vermutlich gab es auch den einen oder anderen Experten in den Gremien, der diese alte Regelung noch kannte und deshalb schlauerweise die Diätenerhöhung etwas anders indexierte, als man damals gedacht hätte: Die automatischen Diätenerhöhungen richten sich nicht nach der Preisentwicklung, sondern nach der Lohnentwicklung.

Dennoch könnten sich die Parlamentarier genau damit einen Bärendienst erwiesen haben. Durch die Digitalisierung dürfte in den kommenden Jahren die Lohnentwicklung deutlich geringer ausfallen als die allgemeine Produktivitätsentwicklung, weil die Einkommen voraussichtlich immer mehr in Richtung Kapitaleinkommen verschoben werden. Das haben die Parlamentarier nicht bedacht, weil ihnen diese verheerende Wirkung der Digitalisierung schlichtweg nicht bewusst ist. Würde der beschlossene Automatismus nun über lange Zeit so beibehalten, dann werden sie sich irgendwann erstaunt die Augen reiben, wie wenig Erhöhung der Diäten noch herausspringt.

Aber machen Sie sich keine Sorgen um unsere Mitglieder des Bundestages. Sie werden eines Tages endlich bemerken, dass die Löhne in Zukunft langfristig real sinken. Und dann werden sie zu Anfang einer Legislaturperiode großherzig mit einer Zweidrittel-Mehrheit auf ihre eigene automatische Angleichung an die allgemeinen Löhne verzichten und sie für die anderen staatlichen Zahlungen einführen.

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Kommentare ( 45 )

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jackhot
6 Jahre her

„Das populärste Argument war dieses: Die AfD ist dagegen, also muss es gut sein. Das zeigt den Zustand unserer öffentlichen Diskussion. Man braucht über nichts mehr inhaltlich zu diskutieren, wenn man es nur schafft, eine Position als AfD oder nah darzustellen. Damit erübrigt sich jede Sachdiskussion.“
Das gleiche spielt sich bei der „Regierungsbildung“ oder eher Nichtregierungsbildung ab. Das Einzige, was alle „demokratischen Volksparteien“ egal, wie klein – „Wir“ gegen die AfD. Einziger erbärmlicher Kindergarten. Ach nee: Demokratie!

ordo ab chao
6 Jahre her

Abgeordente sollen doch einen Querschnitt der Gesellschaft darstellen. Logisch, daß sie auch nur den Durchschnittslohn iHv 36.000,- erhalten müssten, soziale Gerechtigkeit usw 😉
Zudem fordere ich einen Drogentest eines jeden Abgeordneten pro Halbjahr. Zudem persönliche Haftung für angerichtete Schäden, wie zB Steuergeldverschwendung/Untreue, illegale Parteienfinanzierung, …

Pit
6 Jahre her

Herr Rieck, die Abgeordneten waren gar nicht so dumm, als die Diäten an die Entwicklung der Einkommen der Bundesrichter gekoppelt wurden. Diese werden nämlich vom Bundestag im Bundesbesoldungsgesetz festgesetzt.
Und finden sie einmal einen Frosch, der den Sumpf trockenlegt…

Duke
6 Jahre her

Abgeordnete sollten nicht selbst über die Höhe ihrer Diäten abstimmen dürfen. Das System ist sonst für sie ein Selbstbedienungsladen ohne Limit noch oben. Wer sollte darüber dann abstimmen? Vielleicht das Volk selbst in Volksabstimmungen (dann wäre der Job der Kanzlerin wohl bald ein Ehrenamt) oder die Beamten in den untergeordneten Ministerien, die den ganzen Laden tatsächlich am Laufen halten.

rüdiger blohm
6 Jahre her

In jeden Unrechtsregime werden Politiker zuerst durch Geld gekauft, bei guter Kooperation mit bestimmten Interessengruppen stehen auch in weiter Ferne noch andere Belohnungen in Aussicht. Rechtsverletzungen und Machtmißbrauch wird in undemokratisierten Ländern hauptsächlich durch Korruption, Betrug und Bestechung bewirkt. In einer deutschen Vorzeige- Demokratie sind gut angepasste Diäten eine weniger anrüchige Lösung Politikern die schwere Last ihrer Verantwortung im Dienst des Volkes zu erleichtern.
Und deutsche Regierungsjahre zeigen es, es funktioniert bisher sehr gut.

rüdiger blohm
6 Jahre her

Auch Deutschland liefert den Beweis, heutige Demokratie ist nur der notwendige Weg zur Durchsetzung anrüchiger Machtstrukturen mit schleichender bis skrupelloser Entmündigung des Volkes.

Karl Gross
6 Jahre her

700 unterbeschäftigte Vollzeitvertreter wrhalten für das Nichtstun 2,5% mehr. Wo ist da die Gerechtigkeit?

kostas
6 Jahre her

Politiker interessieren sich nur für die eigene Tasche. Das Volk verachten sie. Haben nur Vorteile, Steuererleichterungen, Verantwortung praktisch nicht vorhanden.
Die paar Groschen der Armen, wollen sie wegnehnen. Die „Presse“ ist die 5. Phalanx dieses Projektes und verachtet auch das Volk. Presse und Politik haben immer Hand in Hand, Kriege angezettelt, die das Volk ausbaden darf.

Peter Gramm
6 Jahre her

…“Wieso sind Hartz IV, Mindestlohn, Renten und Beamtenbesoldungen nicht mit dem gleichen Automatismus ausgestattet?“…ganz einfach die Politikergier steht dem entgegen. Von den andeen, dem Steuerzahler vorenthaltenen Steuergeschenken mal ganz abgesehen. Warum bekommen eigentlich Selbständige keine steuerfreie Kostenpauschale. Die Gier hat den Politikern das Hirn zerfressen. Die Lebensbedingungen die sie den Menschen zumuten darunter wollten sie selbst niemals leben. Das zeigt die Verlogenheit dieser Zeitgenossen.