Schweden: Unternehmen ohne Strom

Schweden wäre für deutsche Unternehmen eine Reise wert. Wie fühlt sich Strommangel an? Da will eine Industrie in einem scheinbar so fortschrittlichen Industrieland produzieren – und erhält keinen Strom mehr.

© Getty Images

Vielleicht könnte ein Blick nach Schweden helfen. Dort machen Unternehmen seltsame Erfahrungen und Investoren fliehen bereits aus der Provinz Skåne (Schonen) in Südschweden. Die Region hat bereits Investitionen in Milliardenhöhe verloren.

Der Grund: Stromknappheit. Nein, nicht in Kuba oder Venezuela, sondern im Industrieland Schweden. Wie Per Tryding, stellvertretender Geschäftsführer der Handelskammer Sydsvenska schreibt, stehen hinter dieser misslichen Lage eine Reihe von politischen Misserfolgen, die »für den Rest Schwedens eine Warnung sein sollten«.

Tryding erinnert: »Die Tatsache, dass sich Unternehmen auf stabile Lieferungen zu wettbewerbsfähigen Preisen verlassen können, war eine der Geheimwaffen der Exportindustrie.« Er verweist darauf, dass Unternehmen eine stabile Stromversorgung benötigen, um produzieren zu können. Das wäre früher als alberner Allgemeinplatz kritisiert worden. Doch Tryding erwähnt ausdrücklich, dass »gerade Industrien mit hohem Stromverbrauch wie die Holzpapier Stahl und Autoindustrie … eine stabile Stromversorgung (benötigen), um produzieren zu können.«

Doch heute bekommt eine Reihe von Unternehmen einfach keinen Strom mehr.

Zwei Dinge haben nach seiner Auffassung zu der Situation geführt. Einmal wächst die Metropolregion Skåne, schafft viele neue Arbeitsplätze und damit auch einen großen Zustrom von Unternehmen und Mitarbeitern. »Das bedeutet, dass die Energieversorgung dringend hochgefahrener werden muss.«

Doch gleichzeitig wurde die Energieversorgung der Region mit einem mittlerweile gescheiterten Experiment geprüft. Das begann mit der Abschaltung des Kernkraftwerkes Barsebäck in der Region. Schweden versprach zwar, durch den Bau großer Übertragungsleitungen aus dem Norden Strom in den Südwesten zu liefern. Doch noch immer steht diese Verbindung nicht, und Experten fürchten, dass es auch noch viele weitere Jahre dauern wird, bis die Leitung steht.

Folge: Die Energieversorgung ist zusehends angespannt. Außerdem erhöhte der Staat Energiesteuern. Weitere Folge: Die beiden einzigen großen KWK-Anlagen der Region wurden abgeschaltet, da sie unrentabel wurden.

Der Geschäftsführer der südschwedischen Handelskammer beschwert sich noch über einen weiteren Faktor: »Südschweden ist ein separater Elektrizitätssektor, den der Staat mit Unterproduktion und damit mit höheren Preisen als das übrige Schweden belegt hat. Somit besteht in der Region bereits ein fester Preisnachteil.« Nach dem sozialistischen Motto: Dort steckt das Geld, holen wir es.

Schweden wäre für deutsche Unternehmen eine Reise wert. Wie fühlt sich Strommangel an? Da will eine Industrie in einem scheinbar so fortschrittlichen Industrieland produzieren – und erhält keinen Strom mehr. Tryding: »Was jetzt in Skåne passiert, verdient keine der fortschrittlichsten Volkswirtschaften der Welt. Und es besteht Grund zur Befürchtung, dass sich die Situation nach Norden ausbreitet.«

Einer solchen Bildungsreise könnten sich deutsche Politiker anschliessen, zum Beispiel aus Baden-Württemberg. 

Dort, in der Landeshauptstadt Stuttgart bekommen sie in der Regierung schon weiche Knie angesichts des Desasters, dass sich in der Energieversorgung zum Jahreswechsel abzeichnet. Nur noch zwei Kernkraftwerke sorgen für genügend Strom im (noch) Industrieland Baden-Württemberg. Kernkraftwerk Philippsburg zwei wird bereits heruntergefahren und soll am Ende des Jahres vollkommen abgeschaltet werden. Bislang liefert dieses Kraftwerk 30 Prozent der elektrischen Energie für Baden-Württemberg. Woher die gewaltige Menge im nächsten Jahr kommen soll, ist völlig offen. Kein Mensch im Kabinett Kretschmann hat eine genaue Vorstellung davon. Das Nachbarland Frankreich hat auch teilweise mit Engpässen in der Elektrizitätserzeugung zu kämpfen.

Der baden-württembergischen Umweltminister Franz Untersteller wird zitiert, dass er intern geäußert habe, sich Laufzeitverlängerungen der beiden Kernkraftwerke vorstellen zu können. 

Jetzt legt Landwirtschaftsminister Peter Hauck (CDU) mit dem Spruch nach, die Kernkraftwerke Neckarwestheim und Philippsburg zehn Jahre länger am Netz zu lassen als bisher geplant. Ihn treibt allerdings weniger die Sorge um eine funktionierende Stromversorgung um als vielmehr um einen noch schnelleren Ausstieg aus den Kohlekraftwerken. Hauck zitierte die Werteunion, jene konservative Gruppierung von CDU und CSU: »Man sollte zumindest darüber diskutieren, ob wir zehn Jahre früher aus der Kohle aussteigen und die ‚Braunkohleschleudern‘ abschalten«. 

Die Elektrizitätserzeuger allerdings lehnten bereits entsprechende Überlegungen der Werteunion ab. Die EnBW betreibt Neckarwestheim zwei und Philippsburg zwei. Ob der Energiekonzern sich auf eine Abkehr der Vereinbarung mit der Politik »Ausstieg aus der Kernkraftwerk gegen Ruhe an der Entsorgungsfront« einlassen würde, dürfte sehr zweifelhaft sein.

Zumal Hauck alles andere als glaubwürdig erscheint; er trieb als glühender Anhänger Merkels die Vergrünung der baden-württembergischen CDU voran. Gern will er vermutlich auch die Werteunion vorführen. Er beruft sich außerdem auf die aktuelle Klimahysterie und führt den Unsinn CO2-Minderung an und wirft diese Ökoideologie nicht über den Haufen.

Wie beschreibt der schwedische Handelskammermann Tryding die Reaktion der Betriebe auf die Stromknappheit? »Daher ist das Gefühl der Unwirklichkeit groß, wenn schwedischen Unternehmen bei Investitionen der Anschluss an das Stromnetz verweigert wird.«

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Kommentare ( 117 )

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teanopos
4 Jahre her

Nun, früher da war der Industrieboss auch schon mal Parteifunktionär, mit entspechendem Wissen/Kenntniss zur Realität, die er in die Politik getragen hatten.
Heute dagegen ist der Hintergrund des gemeinen Poltikers eher jener aus Omis Märchenbuch.

Die Industrie hat die vergangenen Jahre gebrummt, es wurde Geld verdient, das heißt die Leute mit entsprechender Kenntnis/Ausbildung(zur Realität) blieben der Politik fern, auch zunehmend mit bekanntem Augang. Der politische Betrieb ist zur lächerlichen Ahnungslosigkeit verkommen, die politischen Aktuere sind die reinsten Dilettant*innen, offenbar nicht nur in Deutschland.

Pau-W.
4 Jahre her

Das wird so manchen Klein-und Mittelständler auch noch blühen, wenn die Energiekosten weiter so rasant steigen. Im Gegenzug sinkt das Wirtschaftswachstum . Die Preise diktieren die Kunden, die in der Regel zu den Globalplayern zählen. Damit gehen die
Gewinne runter, denn unser Staat bläht den Sozialhaushalt auf. Da muss ich nicht nach Schweden reisen. Mir reicht unsere unfähige Regierung und Opposition.

Wolfgang M
4 Jahre her

Solche Blackouts erwarte ich für Deutschland auch. Die CO2-neutrale Stromversorgung ohne Atomkraftwerke wird zukünftig den Strom in Deutschland zusammenbrechen lassen. Die FFF- und die XT-Bewegung wollen es so und die Bevölkerung nickt es ab. Ich werde mir jedenfalls rechtzeitig einen Generator zulegen. Deutschland sinkt auf den Stand eines Entwicklungslandes. Große Teile der Medien, der Politik und der Bevölkerung in Deutschland wollen es so.
Ein Punkt am Ende: Bei den EU-Wahlen bekamen die Grünen in Deutschland 20%, in der EU 9%. Umgerechnet bekamen die Grünen in der EU ohne Deutschland 7%. Kein anderes EU-Land ist so verrückt wie Deutschland.

Timur Andre
4 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M

Deutsche machen alles Ganz oder Gar-nicht. Immer Extreme, ob Nationalismus oder wie heute, egal welches Thema man sich anschaut. Das Ergebnis ist aber immer am Ende ein Kollaps, wobei der Michel wie zu Weihnachten an der Wolga an den Endsieg glaubt, „Kanzlerin haut uns raus“.

Es ist eine dt Psychose, uns fehlt es an „gesundem“ Selbstbewusstsein.

Medienfluechtling
4 Jahre her

neulich konnte ich in einem Betrieb im Hafen keine erreichen, weil für eine Stunde der Strom ausgefallen war. NICHT NUR TELEFON sondern auch in der Produktion…

Thorsten
4 Jahre her

Schweden hat ganz andere Probleme: in den ersten 9 Monaten wurden 138 Bombenanschläge gezählt.

Das Land ist im Griff der organisierten Kriminalität und wohl am Rande des Bürgerkrieges. Und das sind sicherlich keine Wikinger-Banden…

Leif
4 Jahre her

Rostock KTC, 17.10. 3x Stromausfall zwischen 9:00 und 10:00…

Pau-W.
4 Jahre her
Antworten an  Leif

Ihr Kommentar…Wir denken schon seit Monaten darüber nach, ob wir nicht ein Notstromaggregat zulegen.

Aufgewachter
4 Jahre her
Antworten an  Pau-W.

Hab ich schon seit 2015…

Old-Man
4 Jahre her

Wer ist da noch an der Regierung in Schweden??
Welche Regierung droht uns im Bund?,welche Regierungen auf Länderebene??

Das ist in etwa so wie bei VW : der betrogene jault,kauft aber voller Zuversicht weiter beim Betrüger!
Wer also für Rot-Rot-Grün ist,oder für Schwarz-Grün im Bund,der lässt sich doch von Fakten nicht abhalten,der macht es wie die VW-Käufer!!

Es wird schon bald aus Schweden eine Wanderbewegung bestimmter Firmen geben,Polen und andere werden sich darüber freuen.
Und bei uns fangen bestimmte Firmen auch schon mit der Daseinsvorsorge an,aber wen juckt das? Rote oder Grüne oder Schwarze??

Hadrian17
4 Jahre her

Wer Kraftwerke abschaltet ohne für den nötigen Entsatz zu sorgen, agiert mitnichten „ohne genaue Vorstellung“ denn er weiss es ja.

Und nimmt er es trotz besseren Wissens in Kauf, dann bleibt nur der Schluss, dass er es „will“.

Dann bleibt nur noch zu fragen, warum er es will … „Cui bono?“ …

Contra Merkl
4 Jahre her
Antworten an  Hadrian17

Hat doch Scholz gesagt, weil wir es können.
Das muss Ihnen und mir reichen.

mr.kruck
4 Jahre her

Früher kamen neue Trends aus Übersee, heute kann man sich die eher furchteinflößende sozialdemokratische Zukunft mit maroden Sozialsystemen, dafür explodierenden Kriminalitätsstatistiken und unzureichender Stromversorgung quasi vor der Haustür in Schweden ansehen.
Und die Geschichte mit abschalten der AKW und KKW im Süden und fehlender Transferleitungen aus dem Norden kommt auch bekannt vor.
Nicht nur in Deutschland gibt es also diese völlig unfähigen Politiker.

Petra-Karin
4 Jahre her
Antworten an  mr.kruck

Wie sollen die Sieger der – v. Klimathema stark beeinflussten – Kandidatenkür der SPD wieder vom eingeschlagenen Kurs herunterkommen, wenn die Fakten über die zu erwartende Katastrophe des industriellen Niedergangs und der Naturzerstörung auch in ihren Köpfen angekommen ist? Rot-Grün bis zum bitteren Ende? Oder gleich Rot-Rot-Grün für ein militantes Protestpotential – aber gegen wen? Wenn es nichts mehr zu verteilen gibt.
Aber man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben.

Contra Merkl
4 Jahre her
Antworten an  mr.kruck

Gucken Sie sich diese Strickrunde die Schweden regiert an.
Hauptsache die Frauenquote stimmt, selbst wenn das Land in den Bürgerkrieg rauscht. Ich hoffe für die Wiederaufbauarbeiten gibt es auch eine Frauenquote, in selbiger Prozentzahl. Da haben die Damen die Ergebnisse ihrer Politik direkt vor Augen.

Ostfale
4 Jahre her

Wie beschreibt der schwedische Handelskammermann Tryding die Reaktion der Betriebe auf die Stromknappheit? »Daher ist das Gefühl der Unwirklichkeit groß, wenn schwedischen Unternehmen bei Investitionen der Anschluss an das Stromnetz verweigert wird“. Und was soll diese ‚Reaktion‘ ausdrücken oder ist das nur schlecht aus dem schwedischen übersetzt worden?
Die Aufsätze des Autors lassen seit geraumer Zeit in ihrer Qualität, wohlgemerkt, nicht in der Quantität, in jeder Hinsicht nach. Alles hat ein Ende.

Silverager
4 Jahre her
Antworten an  Ostfale

Also ich habe den Satz sehr wohl verstanden, sogar beim ersten Lesen. Ich verstehe allerdings diese alberne Mäkelei nicht.