Volkswagen: Vollständige Überwachung durch US-amerikanische Bewährungshelfer

Die USA als Weltrichter und Globalstaatsanwalt. VW, aber auch Daimler, Siemens, die Commerzbank und die Deutsche Bank standen bzw. stehen unter der Aufsicht eines verharmlosend Monitoring genannten Kontrolleurs.

© Justin Sullivan/Getty Images

Die NSA stand lange unter Verdacht, in Deutschland Wirtschaftsspionage zu betreiben, auch das Handy der Bundeskanzlerin wurde ausgespäht. Nun stellt sich allerdings am Beispiel Volkswagen heraus: Es geht auch anders, offizieller und noch viel massiver, umfangreicher und einflussreicher, wenn Washington deutsche Unternehmen mit Aufpassern „drangsaliert“, wie es die Wirtschaftswoche schon im Mai vergangenen Jahres aufschrieb.

Namentlich sorgt bei Volkswagen schon seit Monaten der US-Topjurist Larry Thompson für insgesamt zunächst drei Jahre als eine Art Bewährungshelfer im Auftrag des US-Justizministeriums dafür, dass der Autobauer nach dem Dieselskandal auf den Weg der Tugend findet. Die USA als Weltrichter und -staatanwalt. Auch Daimler, Siemens oder Banken wie die Commerzbank und die Deutsche Bank standen bzw. stehen unter der aktiven Kontrolle so eines verharmlosend Monitoring genannten Kontrolleurs. Vertrauensschaffende Kontrollen? Nein, denn die Manager der betroffenen Unternehmen zeigen sich offen oder unter vorgehaltender Hand besorgt, dass vertrauliche Daten in die falschen Hände geraten, nicht erst seit der Präsident Donald Trump heißt und seine Agenda „America first“.

Der Trick ist so einfach wie simpel: Die USA drohen Unternehmen mit langwierigen Prozessen, die allerdings vermieden werden können, wenn man ein Team von Bewährungshelfern ins Haus lässt, ausgestattet mit allen erdenklich Rechten und Vollmachten. Im Prinzip darf dabei kein Büro und kein Aktenschrank verschlossen bleiben. Nun auch bei Volkswagen.

Rechtlich ist das in der Bundesrepublik keineswegs so einfach, weiß die Wirtschaftswoche. Alles läuft über Umwege. „Da US-Behörden in Deutschland formal nichts zu melden haben, beauftragen Konzerne bei Konflikten mit der US-Justiz auf eigene Kosten Kanzleien, die bei ihnen recherchieren und Ergebnisse in die USA melden.“

Der Jurist Thompson arbeitete in der Amtszeit von Präsident George W. Bush von 2001 bis 2003 im Justizministerium, war aber auch schon als Berater für Pepsi Cola zuständig. Das Handelsblatt empfängt er standesgemäß im besten Hotel am Platz: „‚Hello Larry’, ruft der Mann an der Rezeption Larry Thompson zu. Nach einem halben Jahr gehört der Volkswagen-Monitor zu den Stammgästen im einzigen Wolfsburger Luxushotel, dem Ritz-Carlton.“ Und den staunenden Journalisten fast er kurz zusammen, was seine Aufgabe bei Volkswagen ist: „Meine Aufgabe ist, darauf hinzuarbeiten, dass Volkswagen ein effizientes und leistungsfähiges Compliance- und Ethik-System aufbaut. Außerdem muss ich dafür sorgen, dass sich die strafrechtlichen Probleme im Zusammenhang mit der Dieselaffäre nicht wiederholen. Kurz genug?“

Er ist natürlich nicht alleine gekommen, sondern arbeitet mit seiner „Mannschaft“ zusammen. Und er betrachtet es – offensichtlich mit Billigung des Konzerns – als seine Aufgabe, US-amerikanisches Rechtsverständnis nicht nur für VW in den USA geltend zu machen, sondern es gleich für den gesamten Konzern zu implantieren: „Aufgrund seines kriminellen Verhaltens hat der Konzern viele Umweltvorschriften in den USA nicht eingehalten. Wir müssen nun darauf achten, dass Volkswagen diese Vorgaben einhält.“

Wie kompliziert seine Aufgabe ist, belegt die Tatsache, dass viele Verfahren zum „Dieselskandal“ überhaupt noch nicht abgeschlossen sind. So betrachtet hat also ein US-amerikanischer ehemaliger hochrangiger Mitarbeiter des Justizministeriums Zugang auch zu Unterlagen, die potentiell gegen den Angeklagten verwendet werden könnten. Das weiß auch Larry Thompson, wenn er erklärt: „Wir müssen garantieren, dass diese Informationen nicht in den laufenden Verfahren verwendet werden.“ Aber wer bei Volkswagen oder gar von Staats wegen kontrolliert den Kontrolleur?

Wenn Thompsons und sein Team, die übrigens Zugriff auf die gesamte IT des Hauses haben, mit Volkswagen-Mitarbeitern spricht, nennt er diese Gespräche vorsichtshalber „Meetings“, denn für ihn als US-Amerikaner seien Interviews „Teil einer strafrechtlichen Untersuchung.“ Man will es kaum glauben, aber Thompson, der aus einem Land kommt, für das deutsche gewerkschaftliche Betriebsorganisationen böhmische Dörfer sein müssen, möchte dem Konzern und den Mitarbeitern beibringen, wie man bei Volkswagen „ein hohes Niveau bei Kultur, Integrität und Compliance erreichen kann.“

Nun gehört die bestehende Unternehmenskultur bei Volkswagen, sogar unabhängig von „Dieselgate“, zweifellos mit zum Erfolgsrezept des Global-Players im Automobilbau. Was passiert aber mit einem Konzern, wenn US-amerikanisches Monitoring hier nun neue Programme nach US-Vorbild installiert?

Die USA als Lehrmeister in Sachen Unternehmenskultur, weil Volkswagen sich damit zeit- und kostenintensive Prozesse in den USA ersparen kann. Was soll das sein? Erpressung? Thompson stellt im Interview mit dem Handelsblatt eindeutig und unmissverständlich klar, was passieren würde, wenn es im Unternehmen Konflikte rund um seine Arbeit geben sollte: „Sollte es dennoch größere Auseinandersetzungen geben, wird am Ende das Justizministerium in Washington entscheiden.“

Und selbstverständlich gibt es auch einen saftigen Sanktionskatalog für die Wolfsburger Autobauer: „Für jede neue Lüge in den abgegebenen Berichten muss das Unternehmen eine Million Dollar zahlen. Die Vernichtung von Datenmaterial muss der Konzern der US-Justiz 90 Tage im Voraus ankündigen; bei einem Widerspruch von US-Seite darf nichts vernichtet werden. Diese Regeln gelten für drei Jahre, danach kann VW den Antrag stellen, davon befreit zu werden. Die Entscheidung darüber liegt bei den US-Behörden.“

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Kommentare ( 65 )

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Hugo C Meier
6 Jahre her

Die Chancen, dass sich Deutschland emanzipiert und sich solche Dinge von den Amerikanern aufzwingen läßt, ist schon sehr erstaunlich. Das Selbstbewusstsein des Staates solche Machenschaften zuzulassen erinnert ehr an eine Klickerbude als an einen Staat mit Staatsoberhaupt und Regierung. Es mag sein, dass Unternehmen in den USA verurteilt werden, es kann aber nicht sein, dass es Auswirkungen auf deutsches Recht hat, da muss man von Seiten des Staates einigen amerikanischen Richtern einemal auf die Finger klopfen, wenn sie versuchen unser Rechtssystem auszuhebeln.

Hugo C Meier
6 Jahre her

Vielleicht kurzfristig gesehen der einfachste Weg, langfristig ist es ein Alimentieren einer New Yorker Anwaltsfirma. Wer dabei auf an Fairness oder an Loyalität glaubt, der ist mit dem berühmten Klammerbeutel gepudert. Wir bezahlen die Wirtschaftsspionage auch noch, die hinterher gegen uns Verwendung findet.
Bei einem reinen Privatunternehmen mag das rechtlich noch in Ordnung sein, bei einer börsengelisteten AG ist das sehr problematisch, ich denke da an gesellschaftsrechtliche Untreue.

Scipio Americanus
6 Jahre her
Antworten an  Hugo C Meier

Genau. Bei Volkswagen traute sich (wieder einmal) niemand, die Grundfrage anzusprechen: für wen agierten die von Volkswagen für die Verfahren in den USA für viel Geld bestellten Anwaltsfirmen WIRKLICH? Man führe sich die Position eines mittleren Anwalts einer x-beliebigen Firma in Washington vor Augen. Erstens will er/sie den Volkswagenfall so lange wie möglich ausdehnen, z.B. durch einen Monitorprozess, welcher wiederum täglich neue Probleme mit sich bringt. Viel profitabler als eine einmalige Lösung! Zweitens will sie/er vielleicht irgendwann einmal selbst (wieder) im Justizministerium oder einer der zahllosen Bundes- oder Staatsbehörden eine wohldotierte Stelle bekommen. Oder denkt man daran, sich für eine… Mehr

Blindleistungsträger
6 Jahre her

Und Trump spricht immer von Fairness. Lächerlich. Erpressen und ausplündern nenne ich das.

Annegret Holzapfel
6 Jahre her

Es ist ein altes Geheimnis, dass die Abhöranlagen in Bad Aibling schon vor der Wende auch zur Industriespionage genutzt wurden.

Jens Sf
6 Jahre her
Antworten an  karma

Was hat das jetzt mit dem Artikel zu tun?

Schwarzseher
6 Jahre her

Stimmt. Verräter benutzt man gern, aber man verachtet sie.

patriot
6 Jahre her

das wissen die sicher nicht, aber wir wissen es.
Aber noch viel mehr: Wir bedauern das amerikanische Volk wegen eines Präsidenten, den man nicht mal mehr verachten kann – der ist nur lächerlich, wenn auch gefährlich.

Andie Theke
6 Jahre her

Die NSA hört auch heute noch JEDES Telefonat ab, mit Wissen der Bundesregierung. Ich wußte das schon 10 Jahre bevor Merkels Handy ein Thema war. Als Merkel sich hinstellte und sagte“Ausspionieren unter Freunden, das geht gar nicht.“ haben alle Mitarbeiter der Telekom vor Lachen auf dem Boden gelegen. Wirklich jeder wußte das , jeder wußte das der Splitter in Frankfurt am Main ist, wirklich jeder. Und dann weiß das auch der CEO der Telekom, der Innenminister von Hessen , der Bundesinnenminister und das jeweilige Bundeskanzlersurrogatextrakt. Wir sind einfach kein souveräner Staat, das haben auch schon Mitglieder der Regierung so gesagt.… Mehr

clemens hofmeister
6 Jahre her

Warum machen wir das nicht auch bei amazon, google und co? Oder machen wir es eh schon? Also Gemach, Gemach.

ichmalwieder
6 Jahre her

Nach dem WK II wurden extrem viele deutsche Patente von unseren amerikanischen „Freunden“ gestohlen, was zu einem langjährigen Wissensvorsprung zb. in der Telekommunikation, Raketentechnik usw. führte. Nachzulesen bei Bruno Bandulet.
Jetzt da die Amis ausser Waffentechnik nichts auf die Reihe bringen stehlen sie wieder die Ideen der deutschen Ingenieure. Der BND hat selbst auf Nachfrage zugegeben, das die Deutsche Wirtschaft die meist ausspionierteste in Europas ist. Ein Freund von mir arbeitet bei Siemens in München, dort ist sogar das telefonieren in den Gängen in bestimmten Sektionen verboten.

Michael Sander
6 Jahre her
Antworten an  ichmalwieder

Die USA liegen bei der Anzahl der jährlich eingereichten Patente regelmäßig mit großem Abstand auf Platz 1. Erst dann kommt Deutschland.

Der Ketzer
6 Jahre her
Antworten an  Michael Sander

Der wesentliche Unterschied:
US-Firmen verstehen es besser, die Patente zu vermarkten.

Scipio Americanus
6 Jahre her
Antworten an  Michael Sander

Nicht jedes Patent stellt eine wirkliche Erfindung dar. Viele Patent sind einfach nur einfache Kombinationen von lange bekanntem Material ohne Eigenwert, um einem ähnlichen Patentanspruch der Konkurrenz vorherzukommen.

Franz Rieger
6 Jahre her
Antworten an  ichmalwieder

Hoffentlich kommen die Amis nicht dahinter wie wir den BER, Stuttgart 21 und die Elbphilharmonie bauen. Denn da sind wir Weltspitze!

Schwarzseher
6 Jahre her
Antworten an  Franz Rieger

Doch! Die Pläne für solche Unternehmungen sollte man als streng geheim einstufen, dann würden sie von den USA garantiert gestohlen und verwendet werden. Vielleicht macht das VW ja gerade. Genial!