Tichys Einblick
Grüne lieben Verbote

Stuttgart: das erste Fahrverbot in einer ganzen Stadt

In Stuttgart will die grüne Politik ganze Sache machen und zieht die Grenzen für das Fahrverbot bis in die Außenbezirke, also auch dort, wo die Luft rein ist.

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Ab Ortseingangsschild »Stuttgart« ist Schluss. Bis hierhin und nicht weiter heißt es offiziell für Diesel-Fahrzeuge nach der Euro Norm 4 und früher. Das gilt jetzt erstmalig für das gesamte Stadtgebiet einer deutschen Großstadt. In Hamburg sind nur zwei Straßenteile betroffen, der Verkehr wälzt sich durch Umleitungen. Die Messwerte haben sich dort übrigens nicht geändert.

In Stuttgart will die grüne Politik ganze Sache machen und zieht die Grenzen für das Fahrverbot bis in die Außenbezirke, also auch dort, wo die Luft rein ist. Von Sillenbuch bis Botnang gilt seit 1. Januar das Fahrverbot für Diesel nach der Norm Euro-4 und abwärts, das der dubiose Abmahnverein »Deutsche Umwelthilfe e.V.« erklagt hatte. Es dürfen auch keine Laster mehr den Trollinger Rotwein von den Winzern in Uhlbach abfahren.

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In der vergangenen Woche kontrollierten Polizeibeamte die wenigen Autos, die vorbeifuhren. Es war noch Ferienwoche, der Verkehr entsprechend gering. Ab heute wird wieder gearbeitet, der Berufsverkehr kommt wieder in Gang. Allerdings langsam, denn viele haben noch Urlaub, der Verkehr verlief in der Stadt ruhig. In den ersten vier Wochen sollen die Autofahrer in einem Gespräch über das Fahrverbot »belehrt« werden, danach zur Kasse gebeten werden.

Deutschland verfügt zwar über kaum Fachleute zum Schutz vor Cyberangriffen, dafür aber über genügend Personal fürs »Knöllchen schreiben«. Diese Trupps sollen in Stuttgart bei Falschparkern die Zulassungsdaten abgleichen, aus denen auch die Euro-Norm des Fahrzeuges hervorgeht, und einen Bußgeldbescheid für den Verstoß gegen das Fahrverbot ausschreiben.

Die Kraftfahrzeuginnung Stuttgart will prüfen, wo der Luftreinhalteplan, den die grünschwarze Landesregierung Ende vergangenen Jahres erlassen hat, rechtlich angreifbar ist. Die Innung bezweifelt unter anderem, ob aufgrund der Überschreitungen der Grenzwerte an einigen Stellen über ein großes Gebiet ein Fahrverbot ausgerufen werden darf. Diesel Euro-4 dürfen jetzt noch nicht einmal mehr die Werkstätten in der Stadt anfahren. Zudem plane der Bund ein Gesetz, das Euro-4 und Euro-5 Diesel von Fahrverboten ausnimmt, wenn deren NO2-Emmissionen unter 270 mg /km liegen. Jede Opferkerze im Kölner Dom produziert mehr NOx.

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Dies, obwohl die Messwerte in Stuttgart großenteils noch unter den extrem engen Grenzwerten liegen. Die Schadstoffwerte sinken wie in allen Städten auch in Stuttgart seit langem. Die Stadt ist zwar aufgrund ihrer Lage in einem Talkessel ungünstiger dran. Dennoch zeigt ein Blick auf die aktuellen Werte: Die Luft ist auch an Deutschlands »gefährlichster« Messstation Neckartor rein. Die Messwerte liegen auch im Einstunden-Mittelwert deutlich unter dem sehr engen Grenzwert. Fahrverbot – vollkommener Unsinn zumindest aus Gründen der Luftreinhaltung.

In den vergangenen beiden Jahren 2017 und 2018 wurden die Grenzwerte für Überschreitungsstunden für NO2 nicht überschritten. Die Werte blieben deutlich darunter. Eine kurzfristige Überschreitung ist zulässig, weil es zu den Stoßzeiten im Berufsverkehr kurz die Grenzen überschritten werden können. Aber auch das ist nicht mehr geschehen. (Siehe: hier)

Zu Silvester stieg die Feinstaubbelastung für etwa eine Stunde an, bereits zwei Stunden später lagen die Werte wieder auf den niedrigen vorherigen Werten.
Immerhin kritisiert jetzt die Junge Union Stuttgart das Diesel-Fahrverbot, fordert aber nicht ein Ende des gesamten Unsinns, sondern fordert weitere Ausnahmen für Autos, in denen mehr als ein Insasse sitzt.

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Der einzige Politiker, der sich vehement gegen die Fahrverbote ausspricht, ist Dr. Dirk Spaniel, Autoingenieur bei Daimler und derzeit verkehrspolitischer Sprecher der AfD Bundestagsfraktion: »Die willkürlich festgelegten EU-Grenzwerte bilden das Grundübel der jetzigen Misere. Auf dieser Basis konnte der dubiose Abmahnverein ›Deutsche Umwelthilfe‹ überhaupt aktiv werden. Dessen skrupellose Initiative führt nun zu immer zahlreicheren Fahrverboten in deutschen Städten. Hier ist ein Schneeball ins Rollen gekommen, der sich zu einer Lawine auswachsen wird und die individuelle Mobilität in den Abgrund ziehen wird.«

Es gibt nur einen sinnvollen Ausweg aus der Misere: Über die Grenzwerte muss neu verhandelt werden. Fritz Kuhn (Grüne), der den großen Sessel des Stuttgarter Oberbürgermeisters auszufüllen versucht und es geschafft hat, in der Stadt, in der das erste Auto der Welt fuhr, Autos teilweise lahmzulegen, stampft mit dem Fuß auf: »Fakt ist, das Fahrverbot gilt.« Sein privates Auto hat er abgeschafft, seitdem er Dienstwagen fahren darf. »Ich bin eher der Car-Sharing-Typ«.

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Immer wieder gab es im Gemeinderat Vorstöße, die berüchtigte Messstation Neckartor zu korrigieren und sie den Vorschriften entsprechend aufzustellen. Sie steht falsch, wie wir hier immer wieder berichtet haben. Doch die Grünen im Gemeinderat verhinderten, dass die Position korrigiert wird. Wäre doch dann ihr schönes Argument für Fahrverbot zerstört worden. Das ist ein Ansatz für betroffene Autofahrer, sich gegen den Unsinn der Fahrverbote zu wehren.

»Ich empfehle Betroffenen, sich gegen die Fahrverbote zur Wehr zu setzen«, sagt der Heidelberger Rechtsanwalt und Verkehrsrechtsexperte Axel Widmaier.
»Das können aber nur diejenigen, die von einem innerstädtischen Fahrverbot betroffen sind, und gegen die ein Bußgeld wegen eines Verstoßes dagegen verhängt wurde. Das Verfahren sieht dann so aus, dass ein Bußgeldbescheid ins Haus flattert, welcher in etwa in der Regel bei ca. 80,00 EUR liegen dürfte. Bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Fahrverbot kann die Geldbuße durchaus erhöht werden.«

Widmaier: »Dagegen kann man ein Rechtsmittel einlegen und in einer Verhandlung überprüfen lassen, ob das Fahrverbot korrekt ist. Insbesondere sollte man die Richtigkeit der Messergebnisse, auf denen das Fahrverbot beruht, anzweifeln. Diese müssten dann gegebenenfalls durch ein Gutachten überprüft werden. Je nachdem, wie ein Urteil ausfällt, kann hiergegen unter bestimmten Voraussetzungen ein Rechtsmittel eingelegt werden. Ein solches Verfahren kostet jedoch Geld und eine Verhandlung lohnt sich gegebenenfalls nur dann, wenn eine Rechtsschutzversicherung das Risiko abdeckt, beziehungsweise wenn ein wirtschaftlicher Schaden für den Betroffenen so groß ist, dass die Kosten sich auch dann noch rechnen, unter anderem zum Beispiel für Pendler, die ihren Arbeitsplatz dauerhaft erreichen müssen«, meint Widmaier.

Auf die Gerichte dürfte also eine Flut von neuen Verfahren zurollen.