Düsseldorf: Verkehrschaos und kilometerlange Staus durch Umweltspur

Volkserziehung: Auf einer eigenen Fahrspur sollen Busse und Elektroautos fahren dürfen oder auch Autos, in denen mindestens drei Personen sitzen.

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Die Grünen sind zufrieden: »Längere Staus als vor dem Versuch sind an sich kein Grund, ihn zu beenden.« Die Autofahrer das Gegenteil: stinksauer. Von der Abfahrt der Autobahn A 46 am Dreieck Düsseldorf-Süd in die Innenstadt Riesenstaus. Busse haben nach Auskunft der Düsseldorfer Rheinbahn bis zu einer halben Stunde Verspätung. In der Innenstadt dagegen floss der Verkehr.

Der Düsseldorfer Kult-DJ Theo Fitsos verteilte sogar zur Beruhigung Bierflaschen an genervte Autofahrer im Dauerstau – von einer Pferde-Kutsche aus. Symbol für die Zukunft des Verkehrs in Deutschland?

Der Grund für die Verkehrsstaus: eine neue »Erfindung« zum Schutze der Umwelt. »Umweltspuren« sind bei Stadtverwaltungen gerade »in«. Auf einer eigenen Fahrspur sollen Busse und Elektroautos fahren dürfen oder auch Autos, in denen mindestens drei Personen sitzen.

Die anderen Autofahrer stehen im Stau, kommen zu spät zur Arbeit, sehen Elektroautos mit ihrer miesen Umweltbilanz auf der Umweltspur vorbeirauschen und sollen gezwungen werden, ihre Autos stehen zu lassen.

»Wenig bis nichts Positives kann NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) der Düsseldorfer Umweltspur abgewinnen. Im Gegenteil. Er wütete regelrecht: „Pendler wie Störenfriede zu behandeln, ist nicht in Ordnung“, sagte er laut seinem Ministerium. Pendler erarbeiteten „die wirtschaftliche Stärke der Stadt. Die fahren ja nicht aus Jux und Dollerei.“«, schreibt der Express.

Vom Düsseldorfer OB Thomas Geisel hört sich das so an: »Wir wollen die Verkehrswende schaffen. Darum möchten wir den Düsseldorferinnen und Düsseldorfern wie auch den Pendlern Alternativen aufzeigen, wie sie komfortabel ohne Auto oder mittels einer Fahrgemeinschaft in die Stadt kommen.«

Das Verkehrschaos ist auch auf das ungehemmte Treiben des dubiosen Abmahnvereins Deutsche Umwelthilfe e.V. zurückzuführen. Der hat auch gegen die Stadt Düsseldorf geklagt und will Fahrverbote zunächst für Dieselfahrzeuge erreichen. Hinter diesem Verein steht die internationale NGO ClientEarth und sorgt auch für eine aggressivere Gangart.

Ein Blick in die Karten zum Beispiel für die Corneliusstrasse dagegen zeigt: keine Überschreitung des NO2-Stundenmittelwertes. Der darf nicht öfter als 200 µg/m3 No2 pro Luft überschritten werden.

Für das Jahr 2018 gibt das Umweltbundesamt einen Wert für NO2 von 54 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft an. Offizieller Grenzwert: 40 µg/m3.

Das Amt sagt allerdings nicht der Vollständigkeit halber dazu, dass die Messgenauigkeit der Chemiluminiszenzverfahren, mit denen der NO2-Gehalt gemessen wird, mit 15 Prozent angegeben wird. Das bedeutet, dass solch geringe Werte nicht mehr sicher messbar sind. In den USA gelten 100 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft als Grenzwert, am Arbeitsplatz hierzulande sind übrigens 950 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft erlaubt und ein Gasherd in der Küche kann beim Kochen den Wert locker auf 1500 bis 2000 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft hinauftreiben. Von Tausenden von vorzeitigen Toten beim Kochen ist bisher nicht viel bekannt. Dies bedeutet: Von einer Gefahr für die Gesundheit kann aufgrund dieser Werte nicht gesprochen werden.

Die »Umweltspuren« sind in den Luftreinhalteplan aufgenommen worden, mit dem die Stadt weitere Fahrverbote verhindern will. Auch in vielen anderen Städte liebäugeln die Planer mit solchen Spuren. Essen will eine einrichten; in Stuttgart hat man schon vor ein paar Jahren an solche Spuren gedacht. Das Land Baden-Württemberg hat die Stadt angewiesen, eine Fahrspur am Neckartor als Busspur einzurichten.

Die DUH scheiterte vor einem Jahr mit ihrer Klage gegen das Land NRW auf unmittelbare Durchsetzung eines Dieselfahrverbotes. Sie wollte einen vollstreckungsfähigen Titel erreichen, um sofort ein Dieselfahrverbot durchsetzen zu können. Das wäre aus Sicht des Abmahnvereines der maximale Propaganda-Erfolg gewesen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte seinerzeit einen entsprechenden Antrag abgewiesen und dem Land einen Ermessensspielraum zugestanden.

Der Verkehr trägt nur zu einem Teil zur Luftsituation bei. Deswegen ist bereits jetzt absehbar, dass selbst mit einem Dieselfahrverbot für die Abschnitte Corneliusstraße, Merowingerstraße und Kaiserstraße die extrem niedrig angesetzten gesetzlichen Grenzwerte zur Luftqualität bis 2020 nicht eingehalten werden können.

Daher hatten der Ordnungs- und Verkehrsausschuss (OVA) sowie die betroffenen Bezirksvertretungen im Januar in einer Sondersitzung diese »Sonderfahrstreifen« beschlossen. In den Osterferien wurden für einen einjährigen Testbetrieb zwei Umweltspuren auf der Merowingerstraße stadteinwärts und auf der Prinz-Georg-Straße in beide Fahrtrichtungen eingerichtet. Im August schließlich beschloss der Ausschuss die dritte »Umweltspur«, die jetzt zum Verkehrschaos führte.

»Umweltspuren«, die zu endlosen Staus führen, dürften wohl kaum zu noch besserer Luft führen. Aus der Erklärung von Verkehrsdezernentin Cornelia Zuschke geht auch hervor, dass es mit dem »Verkehrsmanagement« wohl nicht so ganz geklappt hat, obgleich dafür ein eigenes »Amt für Verkehrsmanagement« zuständig ist: »Mit dem groß angelegten Versuch der Umweltspuren, die zu Einschränkungen führen, verbinden wir sukzessive Kompensationsmaßnahmen, sowohl in der Stadt, wie Shuttles, P+R-Plätze, als auch die Bemühungen, mit den Nachbargemeinden, beim Thema P+R weiterzukommen, um die Pendler dadurch zu entlasten. Das ist kein einfaches Geschäft, aber die Luftreinhaltungspläne fordern die Verkehrswende und dafür müssen wir gemeinsam nach Lösungen suchen.«

Erst sperren und dann nach Alternativen für die düpierten Pendler suchen ist vermutlich die verkehrte Reihenfolge. Jetzt sollen von der Stadt »Projekte erarbeitet und gefördert (werden), die den Umstieg vom Auto auf andere Verkehrsmittel oder den Zusammenschluss zu Fahrgemeinschaften fördern«, heisst es bei der Stadt.
OB Geisel weiss nicht so Recht, warum es überhaupt Beschwerden gibt: »Die dritte Umweltspur wurde auf Betreiben des Landes von Umweltministerin Ursula Heinen Esser in den Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt Düsseldorf aufgenommen – auf der Grundlage einer Übereinkunft mit der Bezirksregierung und der Landeshauptstadt.«

NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) will Düsseldorf genau auf die Finger schauen: »Pendler wie Störenfriede zu behandeln, ist nicht in Ordnung.« Er fordert von der Stadtverwaltung erst einmal Berichte über die Ergebnisse der Umweltspuren an. Die Haltung seines Hauses sei, dass eine Verbesserung des Angebotes im ÖPNV sowie für Radfahrer Priorität haben.

Das lässt sich in der kommenden winterlichen Jahreszeit einmal besonders gut ausprobieren. Da entscheidet sich, wer klimaschützender Hardcore-Radler oder erdwärmungsförderndes Weichei ist.

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Kommentare ( 48 )

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Medienfluechtling
4 Jahre her

richtig, ein Schreibtisch muss nicht unbedingt in Düsseldorf stehen…

Medienfluechtling
4 Jahre her

Hamburg, München, Berlin… überall werden die Strassen mit Hindernissen zugebaut und Fahhrbahnen gekappt. Im Radio hat ein Verkehrsökonom heute über ein Mautmodel in Norwegen gesprochen. Ganz Norwegen hat soviel Einwohner wie der Großraum Berlin. Und es widerspricht keiner! Kopenhagen ist auch immer gut für Vergleiche, obwohl da nur 1/3 der Einwohner Hamburgs leben und die Stadt von der Anlage als Residenzstadt nicht mit den mittelalterlichen Enge der dt. Städte verglichen werden kann. Man macht es trotzdem und keiner stellt Fragen. Wenn das Blutführende System eines Köpers mit sovielen Blockaden zugebaut werden würde wie das der Straßen, würde der Patient umkippen.… Mehr

ludwig67
4 Jahre her

Egal wo ich in Düsseldorf gerade hingehe: Die Verachtung für den „Sicherer Hafen-OB“ ist grenzenlos. kein Taxifahrer der nicht sofort auf das Thema kommt. Die Radfahrer fahren übrigens weiter auf dem Bürgersteig, die groß und breit (im Wortsinn) eingerichtete Fahrradspur leer. Dafür wurde der Verkehr aus Nord kommend von 3 auf eine Spur verengt. So produziert man den maximal möglichen Stau. niemand wird dadurch mehr mit ÖV fahren und keiner im Winter mit dem Rad. Egal, Hauptsache was gemacht….

U.M.
4 Jahre her

Mit dem deutschen Michel kann man das ja durchaus machen. Er bedankt sich nicht nur für eine CO2 Steuer, er verlangt noch eine Erhöhung dieser. Warum regen wir uns eigentlich darüber auf, dass ein großer Teil der Steuernzahlenden daran gehindert wird pünklich zur Arbeit zu gelangen? Die, die das zu verantworten haben, sind doch mehrheitliche auch von den Bertroffenen gewählt worden. Also das Gewählte genießen.

Eloman
4 Jahre her

Der bis weit auf die A 46 reichende Rückstau hat ein nicht unerhebliches Unfallrisiko zur Folge. Ich möchte nicht an Herrn OB Geisels Stelle sein, wenn es dort den ersten schweren Unfall mit Schwerverletzten oder gar Toten gibt. Mindestens ein Mal pro Woche liest man doch von LKW-Fahrern, die ein Stauende übersehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sowas in Düsseldorf passiert. Dann kann Geisel den Hinterbliebenen sagen dass ihre Lieben für die Umwelt gestorben sind.

ugartner
4 Jahre her

Mal nebenbei bemerkt: Jedes E-Auto ist im Grunde eine Sondermülldeponie auf Rädern.

von Kullmann
4 Jahre her

Wer Auto fährt, arbeitet. Wer mit dem Auto steht, kommt zu spät zur Arbeit oder zu seinen Kindern. Das ist rotgrüne Familienpolitik. Mit Arbeit und Wirtschaft haben sie nicht viel zu tun, mit Unfreiheit und Steuern um so mehr. Die Autofahrer an die Macht!

dubium
4 Jahre her

Im Strafgesetz gibt es für so etwas einen Straftatbestand: Nötigung.

jopa
4 Jahre her

Solange wie Pendler und Unternehmer diese Politiker wählen/sponsorn kann ich nur sagen: Selber schuld, geliefert wie bestellt. Und auch die Unternehmer muß man fragen: Warum wollt ihr mitten in die Stadt, mit allen Nachteilen wie fehlende Parkplätze, Staus, hohe Grundsteuern und quertreibenden Politikern? Auch hier gilt: geliefert wie bestellt.

Andreas aus E.
4 Jahre her

Inkonsequent.
Es müsste bei dreispurigen Fahrbahnen eine Spur ausschließlich für Radfahrer reserviert sein.
Auf die Umweltspur mit den vollbesetzten PKW kämen dann die ganzen E-Scooter und elektrische Rollstühle.
Verbietet man dann noch die anderen Autos und LKW komplett, könnte die dritte Spur für Fußgänger und Lastenträger frei sein.

Es ist doch nur engstirniges, gestriges Denken reaktionärer Transportfaschisten, welche modernem Stadtverkehr im Weg stehen. Die gehören allesamt mal geschult, im Umerziehungslager!