Merkel schmeichelt Bauern: Die Landwirtschaftspolitik aber bleibt

Die Kanzlerin hatte geladen - und die Bauernvertreter kamen. Merkel seifte sie mit politischem Kitsch ein. Dass dabei Handfestes herauskommt, war wohl ohnehin nicht vorgesehen. Denn die Richtung der Landwirtschaftspolitik geben andere vor.

ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images

Mehr Einseifen geht kaum. Umweltschutz gehe nur mit den Landwirten und nicht gegen sie. »Wir« müssten neue Wege finden, die »Zukunft und Berechenbarkeit geben«, mehr Wertschätzung der landwirtschaftlichen Arbeit und derlei Sprüche mehr fielen beim großen Agrargipfel am Dienstag bei Kanzlers in Berlin.

Eine illustre Runde hatte sich zum großen Kaffeekränzchen im Kanzleramt getroffen. Abgesandte von 40 Verbänden und Organisationen vom »Bund Deutscher Pfadfinder«, vom »Evangelischen Jugendwerk in Württemberg« waren dort ebenso wie Vertreter des Landschafts- und Sportplatzbaus, Gartenbau, Raiffeisen und Agrarhandel, von Bildungszentren sowie Landwirt Wilhelm Kremer Schillings, der als »Bauer Willi« einen weithin beachteten Blog rund um Landwirtschaft betreibt. Viele Vertreter vieler unterschiedlicher Gruppen – so war sichergestellt, dass nichts dabei herauskommen konnte. Was die Vertreter einer Reihe von Gruppierungen wie Pfadfinder dabei sollten, blieb bis zum Schluss offen.

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Im Grunde genommen war das Treffen überflüssig. Denn die Bundeskanzlerin hatte vor dem Treffen bereits vehement einen Kurswechsel in der Agrarpolitik ausgeschlossen. Das bedeutet: Die Linie steht fest, die weiteren Einschränkungen der landwirtschaftlichen Betriebe werden fortgesetzt. Lediglich die Kommunikation wird verbessert.

Die Positionen in der Agrarpolitik der Koalition bestimmt nicht die CDU, sondern die SPD mitsamt ihren NGOs. Die haben neben dem individuellen Autoverkehr die Landwirtschaft als Lieblingsfeind ausgemacht und bekämpfen sie nach Kräften. Die CDU ist Ja-Sager und schaut zu, Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner verteidigt diese Politik, versucht lediglich, mehr Geld für die Landwirte herauszuholen.

Merkel jedenfalls begrüßte die Vertreter im Internationalen Konferenzsaal. »Das sehen Sie daran, dass Dolmetscherkabinen vorhanden sind«, wollte sie wohl Eindruck vor dem herangereisten Volk aus der Provinz schinden. 

»Der Dialog ist mir sehr wichtig«, meinte Merkel: »Wir wissen, dass Sie unter großen Druck stehen.« Sie redete von »großem Respekt für Ihre Arbeit«. Und: »Ich will zum Ausdruck bringen, dass Sie ein ganz wichtiger Teil der Gesellschaft sind.« Doch: »Wir müssen in vielen Bereichen neue Antworten finden.« 

Der Klimawandel muss als Knüppel für die landwirtschaftsfeindliche Politik herhalten: »Wir haben hohe Auflagen für Sie! Wir haben aber auch ein dramatisches Problem bei der Artenvielfalt. Ich sage ausdrücklich, dass wir nicht der Meinung sind, Sie sind nicht die einzigen Verursacher, von dem, was sich in der Natur ändert.«

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Merkel plauscht mit den Landwirten, schließt jedoch einen Kurswechsel ausdrücklich aus. Das bedeutet zum Beispiel, dass Landwirte entsprechend der jüngsten Fassung der Düngeverordnung weniger düngen sollen. Der Grund: die angeblich zu hohen Nitratwerte im Grundwasser. Doch die Folgen für die Landwirtschaft sind beträchtlich: Die Bauern müssen Stickstoffmengen ausbringen, die unter dem Bedarf der Pflanzen liegen. Das bedeutet eine Mangelversorgung und damit Ernteeinbußen der Bauern. Als längerfristige Folge werden die Böden ausgebeutet und für die nächsten Generationen unbrauchbar gemacht.

Doch Grundwasser solle nicht mit erhöhten Nitratwerten verunreinigt werden, meinte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und pochte auf die neue Düngeverordnung. Da besteht auch keine Bereitschaft zu korrigieren geschweige denn, unter Hinweis auf die falschen Nitratmesswerte die angekündigten Strafzahlungen Brüssels zu reklamieren.

Nahrungsmittel seien zu billig, verkündet sie und kommt gleich zur Frage nach dem Insektenschutz: »Ich kenne keinen Landwirt, der gegen Insektenschutz ist.«

Sie redet von Wertschätzungskampagnen und runden Tischen, die Diskussionen weitertreiben sollen. Doch von Diskussion allein kann die Landwirtschaft nicht leben und auch nicht von Klöckners Reden: »Ohne Landwirtschaft ist kein Land zu machen.« 

Derweil macht draussen stellvertretend für viele Bauern Christian Lohmeyer seiner Wut Luft: »Wir werden für dumm verkauft von der Politik!«

»Das Einzige, was die Berliner Politik in Angst versetzt, ist dieser unglaubliche Zusammenhalt der Landwirte.« Es gebe, so Landwirt Lohmeyer weiter, nichts mehr, was die Politik nicht weiss. »Frau Merkel, Frau Klöckner – die wissen alles, was sie wissen müssen.«

40.000 Bürger aus dem ganzen Land
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Für besondere Empörung sorgen auch bei Lohmeyer die falschen Nitratmesswerte, die Deutschland nach Brüssel gemeldet hat. »Und wenn das, was unsere Landwirtschaftsministerin von Niedersachsen zusammen mit dem Ministerpräsidenten dort vor uns Bauern berichtet hat, nämlich dass falsche Daten gemeldet wurden, auf dessen Basis jetzt diese Strafzahlungen drohen – wenn das so richtig ist, dann erwarte ich, das die Politik den Arsch in der Hose hat zu sagen, da haben wir einen Fehler gemacht, und dafür können wir die Bauern nicht in Schutzhaft nehmen.«

»Es ist ein Unterschied, ob wir die Strafzahlungen tätigen müssen, weil wir Bauern uns nicht an Gesetze gehalten haben, oder weil man innerhalb der Bundesregierung bewusst falsche Daten geschickt hat.«

»Die EU sagt: Wenn die Deutschen uns solche Daten schicken, dann können wir nicht anders.«

»Dieses Spiel ist durchschaut! Es geht uns nur noch auf den Senkel. Wir sind nicht länger bereit, für dieses alberne Spiel unseren Kopf herzuhalten.«

Mit einer Politik, die für die NGOs gemacht wird und für die Verwaltung, werde es bald keine Landwirtschaft mehr geben. Und die Weidetierhaltung werde auch bald eingestellt werden. Lohmeyer hätte es nicht für möglich gehalten, dass aufgrund der Wolfspolitik die Weidetierhaltung abgeschafft werden muss.

Die Landwirte erwarten, wie sie auch wieder in Berlin deutlich machten, dass sie als Fachleute gefragt werden. Doch wie die Landwirtschaft hierzulande in Zukunft aussehen soll, haben bereits grüne Umweltpolitiker, NGOs und andere Organisationen entschieden. Ohne weitere massive Proteste dürfte sich für die Landwirte daran eher nichts mehr ändern.

Unrealistisch erscheinen die Erwartungen der Landwirte, dass in der aktuellen Koalition das Agrarpaket überdacht werden wird, wie sie es fordern. Klöckner entsann sich der alten Weisheit: Wer nicht mehr weiter weiß, gründet einen Arbeitskreis. So soll im Januar parallel zur Grünen Woche ein »Nationales Dialogforum« gestartet werden, in dem Umweltverbände und Verbraucher mit Landwirten reden sollen.

Ferner soll eine Zukunftskommission Landwirtschaft eingerichtet werden, ein Treffen von Bundeskanzlerin und Landwirtschaftsministerin mit dem Handel stattfinden. An den soll appelliert werden, fairer mit den Bauern umzugehen. Eine weitere Kommission soll Vorschläge mit Finanzierung für einen »Umbau der Tierhaltung« erarbeiten und ein weiterer Runder Tisch »Landwirtschaft und Insektenschutz« Bauern und Umweltministerium zusammenrücken lassen. Und das Bild der Bauern soll in den Schullesebüchern verändert werden. Deshalb will die Bundesregierung auf die Kultusministerkonferenz zugehen, um Schulbücher zu mehr Realität in Sachen Landwirtschaft verhelfen.

Merkel jedenfalls lud leutselig die Bauern zu einer weiteren Runde ein: »Das wird nicht die abschließende Sitzung sein, deshalb habe ich mich mit der Landwirtschaftsministerin darauf verständigt, dass wir verschiedene Dialogforen besprechen werden wo wir weiter arbeiten.« Termin: Herbst kommenden Jahres. Ob sie glaubt, dann noch im Amt zu sein, sagte sie nicht.

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Kommentare ( 65 )

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Johann Thiel
4 Jahre her

Die Bauern sind ja auch doof. Das haben sie mit den Autofahrern gemein und den Arbeitnehmern und den Unternehmern und den Rentnern und den Sparern und den Immobbilienbesitzern und mit den vielen, vielen anderen, die hier im Land für allen Blödsinn aufkommen, Tag und Nacht schachten und sich ausplündern lassen. Diese Treckerbetteltour zur Kanzlerin ist einfach nur erbärmlich. Was die Kanzlerin von den Bauern hält, hat sie damit deutlich gemacht irgendwelche Pfadfinder an den Tisch zu holen. Anständige Bauern hätten ihr daraufhin das Mobiliar ihres „Internationalen Konferenzsaals“ überarbeitet. Aber geladen sind ja nur die üblichen wohlgenährten Verbandsnetzwerker und Absahner. Da… Mehr

Gambrinus
4 Jahre her

Merkel möchte die Höfe und Landwirte bundesweit dezimieren! Sie will alles zentralisieren, übersichtlich machen… nur noch 2-3 große Staatshöfe, Kolchiosen.

Maja Schneider
4 Jahre her

Bei so viel Taktik und Scheinheiligkeit wird einem ganz übel, hoffentlich lassen sich die Landwirte nicht „einseifen“.

AGHamburg
4 Jahre her

Bei Merkel haben nur noch die Schelln-Wichtighuber und NGOs das sagen.

Thorsten
4 Jahre her

**

Die Demonstrationen haben schon Eindruck hinterlassen, nur dürfen sie jetzt den Druck nicht wieder entweichen lassen…

Lesterkwelle
4 Jahre her

Ja, überaus leutselig, diese Dame, der schönste Spruch war der: “ Ich weiss, dass sie ja alle gern Trecker fahren…“ Die Bauern nahmen zum Teil weite unbequeme Fahrten in Kauf, und rauschten dann auf ihren Ungetümen gegen 18:00 über Bundes- und Landstrassen in Dunkelheit wieder heimwärts. Macht so grossen Spass, das Treckerfahren. Sie sollte sich auch einen zulegen, wenn sie auf ihrer Uckermärker Datsche in Rente geht….

Dr. Kari Koester-Loesche
4 Jahre her

Liebe Bauern, wehrt euch auf politischem Weg. Es ist völlig sinnlos, traditionell CDU zu wählen, um dann zu entdecken, dass Frau Merkel gegen euch arbeitet. Insbesondere auch hier in Schleswig-Holstein, wo Ministerpräsident Günther sich zwar für die CDU wählen ließ, seitdem aber eine linke Politik betreibt.

Thorsten
4 Jahre her

Dieser Günther würde auch bei Grünen oder Linken nicht weiter auffallen….

grauer wolf
4 Jahre her

Hoffentlich werden die Bauern jetzt mal ihr Wahlverhalten zu den Bundestagswahlen ändern.
Ich denke das würde helfen.

Kassandra
4 Jahre her
Antworten an  grauer wolf

Was gerade geschieht ist für die mit Verstand jedenfalls unglaublich lehrreich.
Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.

H. Hoffmeister
4 Jahre her

Wir wickeln also ab:
1) Sichere und bezahlbare Stromversorgung
2) den grössten industriellen Sektor des Landes, nämlich Automobilindustrie
3) die Chemieindustrie
4) die pharmazeutische Industrie
5) die marktwirtschaftlich geprägte Leistungsgesellschaft
6) echte Eliten
7) unsere Versorgung mit sicheren und preiswerten Nahrungsmitteln
8) privat finanzierten Wohnungsbau
Was bleibt ?

jwe
4 Jahre her

Eigentlich verstehe ich unsere Politik nicht. Man will mit Gewalt Öko-Strom auch aus Bio-Gas-Anlagen. Die werden mit Gülle oder Mais befeuert. Gülle lässt sich am besten auf Mais aufbringen. Will man Bio-Gas, ist Gülle aus Schweinezucht und vermaiste Monokultur vorprogrammiert. Warum steht unsere Links/Grüne Regierung nicht dazu? Einerseits die Bauern dazu bringen, Bio-Gas-Anlagen zu betreiben und gleichzeitig das nötige Umfeld verteufeln. Hoffentlich lassen die Bauern mal richtig die Sa raus.

Kassandra
4 Jahre her
Antworten an  jwe

Suchen sie in Merkels Schritten nicht nach Sinn. Und in ihren Sätzen wie dem eins weiter unten schon 3x nicht. Wenn es einen Plan gibt, dann scheint der ein zerstörerischer – aber da muss man auch mal erst drauf kommen, dass da jemand thront, der nicht zum Wohle des Wahlvolkes agiert sondern eine ganz andere Agenda verfolgt.