Tichys Einblick
Mehr Interessen als Wissenschaft

Drei Elektroauto-Studien, deren Ergebnisse nicht zusammen passen

Ist das Elektroauto nun bereits preiswerter, effizienter und klimafreundlicher als Verbrenner, oder nicht? Drei Studien mit kaum miteinander zu vereinbarenden Ergebnissen zeigen vor allem eins: dass hinter ihnen möglicherweise weniger Wissenschaft als Interessen stehen.

Ladestation für E-Autos

Agron Beqiri/NurPhoto via Getty Images

Ja was denn nun? Auch im gerade angebrochenen Jahr 2020 stellt sich die Frage: Welcher Studie soll der Bürger glauben? Denn es gibt Jahr für Jahr eine Flut von angeblich wissenschaftlichen Arbeiten zu beinahe jedem Thema. Diesmal will es der Zufall, dass es im Abstand von wenigen Wochen gleich drei einigermaßen neue Studienergebnisse zum großen und politisch-ideologisch hart umkämpften Bereich Diesel/Elektroauto/Abgas gibt. Aus unterschiedlichen Quellen und vermutlich auch mit unterschiedlichen Absichten.

• Da wäre die Arbeit des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, Berlin, die am 30. Dezember 2019 den Weg in die Öffentlichkeit fand. Ergebnis: Entgegen verbreiteten Vorurteilen sind Elektroautos schon mit dem heutigen deutschen Strommix nach etwa drei bis vier Jahren klimafreundlicher als Verbrenner. 2030 könnte dieser Punkt schon nach zwei Jahren erreicht sein (Agora Verkehrswende 2019; Forschungsstelle für Energiewirtschaft o.J.; Fraunhofer ISI 2019). Auch wird die Elektromobilität zunehmend finanziell attraktiv. Die Analyse zeigt, dass Elektroautos unter den jetzigen Förderbedingungen (inklusive erhöhtem Umweltbonus ab 2020) in allen Fahrzeugklassen schon heute preislich mit vergleichbaren Verbrennern mithalten können und oft günstiger sind, wenn die Gesamtkosten für Anschaffung, Betrieb und Unterhalt berücksichtigt werden. Teilweise noch höhere Anschaffungskosten der Elektroautos werden bei allen Autopaaren durch geringere Betriebs-, Werkstatt- und/oder Fixkosten mehr als wettgemacht. Für die betrachteten Elektrofahrzeuge beträgt der absolute Kostenvorteil zwischen 720 (BMW i3s) und 24540 Euro (Tesla Model 3) über fünf Jahre (Durchschnitt: 6940 Euro), bzw. zwischen zwölf und 409 Euro monatlich (Durchschnitt: 116 Euro). Dies entspricht einem relativen Kostenvorteil von knapp zwei bis gut 33 Prozent (Durchschnitt: 11,72 Prozent). Aufgrund des zu erwartenden Fortschritts bei Batterietechnologien, sowie Lern- und Skaleneffekten bei zunehmender Verbreitung von Elektrofahrzeugen, kann zudem davon ausgegangen werden, dass sich die Anschaffungspreise von Elektroautos mittelfristig weiter verringern werden.

• Drei Tage vorher, am 27. Dezember 2019, ließ Hans-Werner Sinn, der ehemalige und langjährige Leiter des Münchener Ifo-Instituts über das Handelsblatt mitteilen, dass er den Hype ums Elektroauto „für einen großen Schwindel hält“. Weitere Details daraus in Auszügen: „Die Formel der EU ist nichts als ein großer Schwindel, denn auch E-Autos emittieren in erheblichem Umfang CO2. Nur liegt der Auspuff ein bisschen weiter entfernt im Kraftwerk. Solange noch Kohle- oder Gaskraftwerke am Netz sind, fahren auch E-Autos mit Kohlenstoff. Das tun sie auch schon deshalb, weil bei der Batterieproduktion viel fossile Energie eingesetzt wird, was die CO2-Bilanz verhagelt.“ …. „Dass das E- Auto beim deutschen Energiemix etwas mehr CO2 ausstößt als ein moderner Diesel, obwohl seine Batterie kaum mehr als die Hälfte der Reichweite des Dieseltanks hat.“ … „Dass ein Elektro-Golf in Deutschland 219000 km fahren muss, bis er … mit dem Diesel gleichzieht. Pkws halten aber im europäischen Durchschnitt nicht länger als 180000 km. Auch halten die Batterien … nicht lange genug. Sie machen viel früher schlapp als vielfach angenommen, weil die Reichweitenangst die Fahrer veranlasst, ihre Batterien bei jeder Gelegenheit häufig und mit hohem Tempo voll zu tanken. An diesem verheerenden Ergebnis ändert auch die neue „Schweden-Studie“ zu den Batterien nichts, die niedrigere CO2-Werte bei der Batterieproduktion in Ansatz bringt, als sie bei diesen Rechnungen unterstellt wurden. Dabei handelt es sich aber zum einen nicht um eine Darstellung des Istzustandes, sondern nur um eine Prognose für die Zukunft, und zum anderen um eine etwas eigenartige Rechnung, bei der der grüne Strom für die Batterieproduktion reserviert wird, statt ihn ins Netz einzuspeisen. Die rechnerische Reservierung des grünen Stroms für die E-Autos bedeutet, dass andere Stromverbraucher dementsprechend schmutzigeren Strom bekommen, doch davon hat das Klima leider gar nichts.“

• Die Studie, die Hans-Werner Sinn kritisiert, ist jene des schwedischen Umweltforschungsinstituts IVL von Anfang Dezember 2019. Nachdem das IVL in einer Untersuchung zwei Jahre zuvor zunächst feststellte, dass Elektroautos gar nicht so umweltfreundlich sind, weil die Herstellung ihrer Batterien sehr viel Energie verschlingt, machten die Forscher in einer neuen Ausarbeitung jetzt eine volle Rolle rückwärts. Nicht auszuschließen, dass die Erkenntniswende auf Druck von Umweltschutzorganisationen geschah, die nämlich an der alten Studie kritisierten, dass deren Ergebnisse vor allem der Benzin-Branche zupass gekommen sind. Hauptsächlich geht es in beiden Werken um den sogenannten CO2-Fußabdruck der Batterieproduktion. Die 2017er-These lautete: Stromer schneiden über die gesamte Nutzungsdauer kaum besser ab als Benziner oder Diesel. Nun hat das IVL neue Berechnungen vorgelegt, wonach den batteriebetriebenen E-Autos ein deutlich besseres Umweltzeugnis ausgestellt wird. Springender Punkt ist dabei der Fachbegriff „CO2-Äquivalent“, mit dem die Wissenschaftler hantieren.

Das Klima-Desaster
Warum CO2-Sparen das Gegenteil bewirkt
Diese eigens geschaffene Maßeinheit dient der Vereinheitlichung der Klimawirkung unterschiedlicher Treibhausgase und drückt die Erwärmungswirkung einer bestimmten Menge eines Treibhausgases über einen festgelegten Zeitraum (meist 100 Jahre) im Vergleich zu derjenigen von CO2 aus. So hat Methan eine 28mal größere Klimawirkung als CO2, bleibt aber weniger lange in der Atmosphäre; die Klimawirkung von Lachgas hingegen, das im Stickstoffdünger in der Landwirtschaft vorkommt, übersteigt die von CO2 sogar um beinahe das 300fache. Die wichtigsten Ergebnisse der neuen IVL-Studie: Wurden die E-Auto-Emissionen 2017 noch mit 150 bis 200 Kilogramm CO2-Äquivalenten pro Kilowattstunde (kWh) Batteriekapazität beziffert, kommen die Forscher nun nur noch auf 61 bis 106 Kilogramm – je nachdem, wie viel fossile Energien bei der Herstellung eingesetzt werden. Die Produktion eines 41-kWh-Akkus, wie er etwa im Renault Zoe eingebaut wird, führt nach der neuen Studie zu Treibhausgasemissionen von 2500 bis 4300 Kilogramm. Bei einer Gesamtfahrleistung von 100 000 Kilometern entspräche das maximal 43 Gramm CO2 pro Kilometer – bei längerer Nutzung entsprechend weniger. Nach diesen Berechnungen wären Verbrenner deutlich abgehängt. Ob es in der Realität allerdings wirklich so einträte, weiß niemand. Das IVL-Institut führt die bessere Ökobilanz in der aktuellen Studie auf verbesserte Produktionsmethoden zurück, aber auch auf das Vorliegen genauerer Daten und den steigenden Einsatz regenerativer Energien in den Batteriefabriken.

Macht man einen Strich unter dieses Studien-Bombardement, dann stellt sich unweigerlich der Eindruck ein, dass auf dem Feld offenbar ein gesteuerter Krieg stattfindet, bei dem derjenige die alleinige Wahrheit zu verkünden scheint, der am lautesten schreit und der die Mehrzahl der veröffentlichten Meinung hinter sich versammelt. Jeweils für sich genommen könnte man zwar noch annehmen, dass diese Ergebnisse Seriosität und Glaubwürdigkeit verströmen. Doch in ihrer Massierung und im Vergleich miteinander können einem erhebliche Zweifel an der Wissenschaftlichkeit dieser Arbeiten kommen.

Und es taucht die Frage auf, ob dies nichts weiter sind als Interessen gesteuerte Fake-News mit der kalkulierten Absicht, all jenen Sand in die Augen zu streuen, denen das komplexe Thema Elektroauto zu unübersichtlich ist? Motto: Es wird alles gut, vertraut uns! Man stelle sich dabei nur Lieschen und Fritz Müller vor, die sich überlegen, auf ein Elektroauto umzusteigen, aber wie die allermeisten von uns sachlich keine oder nur wenig Ahnung haben und deswegen auf sogenannte Experten vertrauen wollen oder müssen. Gar nicht zu reden von jenen Politikern, die oftmals nur so tun, als hätten sie die Problematik erfasst. Nicht zuletzt auch um ihre eigene Wählbarkeit zu erhalten oder zu erhöhen.

Und angesichts dieses allgemeinen Studien-Hypes kann man auch kaum glauben, dass es sich in anderen Bereichen des Lebens anders verhielte. Etwa bei der Frage nach dem idealen Cholesterinspiegel, der des richtigen Blutdrucks, jener nach den Auswirkungen eines Tempolimits auf Autobahnen oder bei der alljährlich wieder aufkeimenden Diskussion um die gesundheitlichen Aspekte der Sommerzeit. Jedes Mal werden Studienergebnisse vorgelegt und kritiklos von den meisten Medien verbreitet, die entweder der Untermauerung politischer Ziele, womöglich der Steigerung von Verkäufen bestimmter Produkte oder der Erlangung staatlicher Fördergelder dienen sollen. Bleibt die kitzlige Frage, wie sich solche Forschungen finanzieren?


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