Deutschland im Sinkflug – Volume 4

Die Meldungen über Arbeitsplatzverluste und Industrieabbau gehen weiter.

© Thomas Kienzle/AFP/Getty Images
Employees of German carmaker Porsche AG work on sports cars on the production line at the company's factory site in Stuttgart, southwestern Germany

Rüsselsheim. Opel meldet Kurzarbeit an. Für die nächsten sechs Monate wird im Stammwerk Rüsselsheim die Spätschicht gestrichen. Der Autohersteller, der seit August 2017 zum französischen Autokonzern Groupe PSA (unter anderem Peugeot, Citroën und Vauxhall Motors) gehört, kürzt für einen Großteil der rund 2.600 Beschäftigten die Arbeitszeit. Als Ersatz für den Lohnausfall erhalten die Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld und einen Zuschlag von Opel.

Bei Opel, der als erster deutscher Autohersteller seine Produktion mit Fließbändern wirtschaftlicher machte und in den 1960er und 1970er Jahren nach Volkswagen zweitgrößter deutscher Automobilhersteller war, sind betriebsbedingte Kündigungen bis Sommer 2023 ausgeschlossen. Das Unternehmen betont, dass es die Beschäftigten im Unternehmen halten will.

München. Bei BMW erfasst die Mitarbeiter erhebliche Sorgen um ihre Arbeitsplätze und Einkommen. Oliver Zipse, der neue Chef, kündigte auf einer Betriebsversammlung »Umstrukturierungen« an. Die Rede ist von einem Abbau von 5.000 bis 6.000 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2022. Vorbei sein könnte es auch mit den relativ hohen Jahresprämien. Desaströs sind diese Meldungen für die rund 10.000 bei BMW beschäftigten Leiharbeiter, die wohl nicht übernommen werden dürften. Im Dezember soll BMW die genauen Pläne öffentlich verkünden. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 2025 ausgeschlossen.

Der Münchner Autohersteller, dessen größtes Werk bereits in den USA steht, musste seine Führungsposition bei Premiumklassefahrzeugen an Mercedes abtreten, die Rendite brach ein.

Saarbrücken. Bild beschreibt das Drama in aller Deutlichkeit: »Das Saarland in der Krise«, formuliert Bild und ergänzt: »4-700 Jobs weg, 11.600 wackeln« und resümiert: »Es ist die größte Wirtschaftskrise seit dem Ende des Bergbaus im Juni 2012.«

Bild listet die Schreckensmeldungen aus dem Stahl- und Autoland auf:

  • Getriebehersteller ZF: 2.000 Stellen
  • Gusswerke Saarbrücken: 200 Mitarbeiter mussten gehen, die restlichen 1000 Jobs sind in Gefahr.
  • Ford in Saarlouis: 1600 Stellen weg. Ford will den Standort schliessen, das kostet noch einmal 4600 Stellen.
  • Bosch: 400 Stellen abgebaut, 4000 wackeln.
  • Festo: verringert die Arbeitszeit pro Woche um 1,5 Stunden mit entsprechenden Gehaltskürzungen.
  • Saarstahl und Dillinger: Kurzarbeit und zusätzlich 1500 Stellen weg. 1000 weitere sollen ausgelagert werden.

Fazit von Bild: »Das Stahl- und Autoland fährt gegen die Wand. Doch die Saar-Politiker sehen den Bund in der Pflicht.«

Düsseldorf. Hunderte von Arbeitsplätzen will der Anlagenbauer GEA Group AG streichen. Der neue Chef der früheren Metallgesellschaft, Stefan Klebert, ist mit der Profitabilität nicht zufrieden und will deswegen rund 800 der weltweit 18.500 Stellen streichen. Er will sich ferner auf Komponenten für die Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie konzentrieren und prognostiziert moderate Einbußen beim Umsatz.

Strukturkrise
Industrie-Arbeitsplätze: Deutschland im Sinkflug
Der GEA-Vorläufer »Metallgesellschaft« gehörte zu den weltweit führenden Unternehmen im Rohstoffhandel, Metallurgie und Anlagenbau und diente wegen seiner vielfältigen Beteiligungen in allen wichtigen Industrieländern einst Lenin als Paradebeispiel für den »Monopolkapitalismus«. Die GEA selbst wurde 1920 als GEA Gesellschaft für Entstaubungsanlagen gegründet. Nach einer sehr wechselvollen Geschichte wurden der Metallgesellschaft-Nachfolger mg-technologies und GEA in Global Engineering Alliance umbenannt. Weltweit gehören heute rund 250 Tochtergesellschaften zum Konzern.

Stuttgart. Bosch-Chef Volkmar Denner verkündet währenddessen »Revolutionäres«. Bis zum Jahr 2025 werde die Autoindustrie nicht mehr wachsen, sagte er in einem Exklusiv-Interview mit dem Branchenblatt Automobilwoche. Die Automobilproduktion werde in diesem Jahr nach seiner Einschätzung um fünf Prozent schrumpfen.

Er rechne mit einer längeren »Phase des Stillstandes in der Autoindustrie«. Überrascht ist der Bosch-Chef, dass der Druck auf die Autoindustrie so rasch zugenommen hat: »Wir brauchen einen gesellschaftlichen Diskurs, der ein Dreieck aus Ökonomie, Ökologie und sozialen Aspekten ausbalanciert. Es ist also wenig zielführend, wenn sich Interessengruppen nur einzelne Aspekte herausgreifen und optimieren wollen, denn dann kippt das Ganze.«

Etwas realistischer klingt er, wenn er sagt: »Andererseits muss man die Entwicklung abwarten. Aktuell ist der Dieselanteil bei Neufahrzeugen in Deutschland eineinhalb Prozentpunkte höher als im vergangenen Jahr.« Das klingt nicht nach unangefochtenem Siegeszug »der Elektromobilität«.

Wegfallende Arbeitsplätze im Dieselbereich will er durch Arbeitsplätze in der Produktion von Brennstoffzellen ersetzen. Ein Markt ist hier nicht absehbar. Denner antwortet auf die skeptische Frage: Taugt die Brennstoffzelle als Ersatz? Mit der Antwort: »Was wir hier machen ist revolutionär.«

Berlin. Einen neuen Weg wählt Burkhard Weller, der sechstgrößte deutsche Autohändler. Er will Mitglied bei Bündnis90/die Grünen werden. Weller zur Automobilwoche: »Ich bin derzeit auf der Suche nach einem passenden Ortsverband und zuversichtlich, in einigen Wochen Vollzug melden zu können.«

Seine Autohandelsgruppe Wellergruppe ist in mehreren Bundesländern aktiv und hat im Jahr 2018 insgesamt 34.280 neue und gebrauchte Fahrzeuge verkauft. »Ich bin ein politischer Mensch«, begründete er sein Engagement und verortete sich selbst unter »Mitte-links«. Es sei unglaublich, wie viele Ressourcen gespart werden könnten.

Lauchhammer. Das große Jobwunder durch regenerative Energien ist offenbar schon wieder vorbei, ehe es richtig angefangen hatte. Ausgerechnet der Windanlagenhersteller Vestas streicht 500 Stellen, ausgerechnet im ohnehin von der Energiewende gebeutelten Braunkohlerevier Lausitz .

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Kommentare ( 85 )

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85 Comments
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K. Sander
4 Jahre her

Nicht nur die Industrie ist direkt vom Abbau betroffen. Auchg deren Zulieferer bauen schon weiter ab. Das habe ich nun mehrfach von Bekannten erfahren. Einer hat jahrelang in Frühschicht und Spätschicht gearbeitet. Dann wurde dieses Jahr die Spätschicht abgeschafft. Im September wurde die Arbeit noch weiter reduziert. Deshalb wurde ein Verwandter und viele andere Mitarbeiter zu Teilzeitarbeitern. Wieviel Stunden arbeiten die täglich? Null Stunden. Nur wenn die Firma anruft, dass mal etwas zu tun ist, dürfen die mal wieder vorbeikommen und arbeiten. Deshalb waren jetzt 4 Wochen Ruhe und vergangene Woche ging es mal wieder ein Stück los. Aber die… Mehr

Son of Bezzerk
4 Jahre her

Fusionsenergie funktioniert im Weltall aber hier auf der Erde ehrlich gesagt nie mit den Technischen Mitteln die wir zu verfügung haben

Mertens
4 Jahre her

Volume 4…. Teil 4 ist wohl nicht sophisticated genug ?

Herbert
4 Jahre her

Unsere Politdarsteller, die Freitags-Hüpfer und die übrigen Klimahysteriker sägen mit masochistischer Lust am Ast auf dem sie, die jeder wertschöpfenden Arbeit stets geschickt aus dem Weg gehen, sitzen.
Bald haben sie‘s geschafft.
Der unvermeidbare, harte und äußerst schmerzhafte Aufschlag wird ihnen bald ein für sie bisher unbekanntes Lebensgefühl verschaffen. Dann kommt erst das Fressen und danach die Moral!

daldner
4 Jahre her

Brotsuppe und Brennesseltee tuns doch auch .Die Rate der Diabetespatienten wird schlagartig sinken.

Jan Meier
4 Jahre her

Merkel wirkt!

Wolf
4 Jahre her

MOMENT – fällt jetzt das von Zetsche 2015 vorhergesagte neue Wirtschafswunder etwa aus ?

Paul Pimmel - der Herr des Kosmos
4 Jahre her
Antworten an  Wolf

Ja nee, is schon klar: Wegen der AFD kommen nicht anäherungsweise so viele afrikanische Ingenieure und arabische Wissenschaftler nach Deutschland, wie gebraucht würden.

daldner
4 Jahre her
Antworten an  Wolf

Herr Zetsche ist inzwischen wohlbestallt verabschiedet worden. Das ist das Wunder, das er gemeint hat.

Edu
4 Jahre her

„Es kommt wie es kommen musste…“ bei Achgut gerade eine Liste von Städten mit deutlich geringeren Gewerbeeinnahmen gelesen – es fängt also bereits an, obwohl es doch laut Altmayer kein Problem gibt. Und Moers hat ein probates Mittel gefunden „Moers will sparen – und die Grundsteuer B erhöhen“. Rat an Sindelfingen wäre, kurz mal in Essen nach RWE Dividendenkürzung nachfragen, wie man es machen könnte. Sindelfingen ganz in Grüner und Linke Logik: „Dass wir ganz radikale Sparmaßnahmen mittragen, glaube ich nicht“, sagte Sabine Kober für die Grünen, der Gangls Zahlen grundsätzlich missfielen: „Die Benennung des Defizits von 100 Millionen Euro… Mehr

AnSi
4 Jahre her

Ja, Deutschland hat fertig. Dank an die DUH, die Klimakinder und nicht zu vergessen an die Gewerkschaften! Die alle haben das zu verantworten. Auch die Manager der großen Konzerne haben nicht die Cojones, der Politik zu widersprechen. Lassen alles mit sich machen, lassen sich alles gefallen. Jetzt wundern sie sich bzw. gaukeln sich und dem du**en deutschen Volk vor, wie gut wir es doch haben und dass kein Grund zur Beunruhigung besteht. Ich erlebe es tagtäglich bei der Arbeit. Man weiß es, sagt aber nichts. Ähnlich den 3 Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Das geht nicht mehr lange… Mehr

Ernst-Friedrich Behr
4 Jahre her

Hoffentlich hört als Folge dieser desaströsen Entwicklung die Leisetreterei der Industrie gegenüber der links-grünen Politik aller Parteien jetzt auf. Wir brauchen Wirtschaftskapitäne, die endlich mit der Politik Schlitten fahren und deutlich sagen, dass die Traumtänzerei um das Klima ein Gespensterglaube ist, der Wirtschaft und Wohlstand zerstört. Nachhaltig.