Brücken: 13 Prozent schwer geschädigt und baufällig

Rund 120.000 Brücken gibt es in Deutschland, davon auf Bundesstraßen und Autobahnen 39.500. Zwölf Prozent werden sehr gut bis gut eingestuft, 40 Prozent als befriedigend, 32 Prozent als ausreichend und 13 Prozent als ungenügend.

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Symbolbild

Die neueste Brücke Deutschlands soll nie einstürzen können. Das sagen jedenfalls deren Erbauer: »Sie ist absolut sicher.« Die Hochmoselbrücke zwischen Ürzig und Rachtig wird an diesem Freitag fertig – zumindest im Rohbau. Heute werden die letzten Zentimeter geschlossen, der letzte Teil des Stahlüberbaus zum Bodenschluss auf der Eifeler Seite verschoben.

Die bis zu 160 Meter hohe und 1,7 km lange Brücke – höher als der Kölner Dom – überspannt das Tal der Mosel bei Ürzig und soll ab 2019 eine direkte Straßenverbindung zwischen den Benelux-Staaten und dem Rhein-Main-Gebiet schaffen.

Die Brücke stand, wie fast alle neuen Bauwerke in Deutschland heftig unter Beschuss. Der Betonkoloss würde das Landschaftsbild des Moseltals zerstören, einige der besten Weinlagen massiv beeinträchtigen. Sogar internationale Weinkritiker kritisierten die »Verschandelung der Landschaft«.

Die Brücke sollte ursprünglich knapp 330 Millionen Euro kosten und innerhalb von 54 Monaten fertiggestellt sein. Doch – wie üblich – dauerte die Bauzeit doppelt so lange und die Kosten schossen auf mindestens 483 Millionen Euro hoch.

Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat sich angesagt, das ergibt ein paar gute Bilder in Zeitungen und Fernsehen. Ein paar wärmende Nachrichten kann Scheuer gut gebrauchen. Als zu autoindustriefreundlich gescholten, legt er jetzt einen Zahn zu und versucht sich mit heftigem Poltern gegen die Autohersteller zu profilieren.

Doch hatte er Mühe, von der verrottenden Infrastruktur abzulenken. Die Bahn liegt darnieder, mehr Güterverkehr passt nicht auf die überfüllten Schienenstrecken, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene geht also nicht.

Teil 1
Brückeneinsturz in Genua: alle Fragen offen
Straßen und Brücken sind marode. Rund 120.000 Brücken gibt es laut Verkehrsministerium in Deutschland, davon auf Bundesstraßen und Autobahnen 39.500. Nur zwölf Prozent werden sehr gut bis gut eingestuft, 40 Prozent als befriedigend und 32 Prozent als ausreichend und 13 Prozent als ungenügend. Mehr als die Hälfte erreicht also nicht mehr die Note befriedigend.

13 Prozent sind schwer geschädigt und baufällig. Allein dafür sind mehr als zehn Milliarden allein für Sanierung oder Neubau notwendig. 80.000 Brücken auf den unteren Ebenen, deren Zustand meist noch schlechter ist, müssten ebenfalls saniert werden.

Fachleute urteilen: »Eine ungeheure Vernichtung von Volksvermögen bahnt sich an und Deutschlands Infrastruktur ist in Gefahr zusammenzubrechen.«

Brücken müssen nach der einschlägigen DIN 1076 in regelmäßigen Abständen geprüft werden. Alle sechs Jahre in einer Hauptprüfung und alle drei Jahre in einer einfachen Prüfung oder nach Unfällen, wenn etwa ein LKW gegen eine Brücke gekracht ist.

Derzeit müssen viele Brücken repariert und saniert werden. Ganz Deutschland ist eine einzige Autobahnbaustelle, Brücken über den Rhein sind zum großen Teil für den Lastwagenverkehr gesperrt, Spediteure stehen am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Da mag sie trösten, dass Bundesverkehrsminister Scheuer vor Panikmache wegen des Zustands der Autobrücken in Deutschland warnt: »Wir haben wieder eine sehr typisch deutsche Diskussion – was in Deutschland als marode oder nicht ausreichend gilt, ist anderswo in einem guten Zustand eingestuft.« Er verwies auf aufwändige Überwachungsmechanismen: »Wir haben unsere Brücken im Griff.« Der Verfall also fest im Griff. Gut zu wissen.

Akute Ignoranz
Politisch gewollte Staatsverwahrlosung
Die Autofahrer in Nordrhein-Westfalen sehen das ein wenig anders. Pendler kämpfen sich über marode Straßen und nur teilweise befahrbare Brücken. Vor allem Lastwagenfahrer müssen sich weite Umwege aussuchen. Der ehemalige Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen, Michael Groschek (SPD) war immerhin so ehrlich, den Zustand der Rheinbrücke bei Leverkusen öffentlich als »Mahnmal für den katastrophalen Zustand der deutschen Infrastruktur« zu bezeichnen.

Doch eine Brücke baut man nicht in ein paar Monaten neu auf. Sie muss geplant und der Bau organisiert werden. Der Beton muss härten – ohne Vibrationsbelastungen. Das kostet Zeit und bedingt sorgfältige Vorarbeiten. Über alldem steht allerdings das Versagen der Politik. Ohne politische Entscheidung wird keine Brücke gebaut.

Ingenieure können noch so gut der Politik vorrechnen, wann eine Brücke einstürzen wird – wenn die sich nicht darum kümmert, verfällt die Infrastruktur. So geschehen am legendären Beispiel der Schiersteiner Brücke in Wiesbaden. Vor etwa zwölf Jahren rechneten Brückenfachleute vor, dass die stark belastete Brücke bis allerspätestens zum Jahre 2015 halten werde. »Gewaltbruchgefährdung ohne Vorankündigung«, ihr Urteil im Prüfbericht für die Verkehrsbehörde. Die nicht sanierungsfähige Schrottbrücke müsse so schnell wie möglich abgerissen werden. Passiert ist – wieder nichts.

Avanti ignoranti
Infrastruktur hat für die GroKo keine Priorität
Im Februar 2015 schlugen die Fachleute Alarm, der die halbe Republik in Schrecken versetzte. Sie stellten erhebliche Schäden an der Brücke fest, ein Pfeiler hatte sich um 20 cm geneigt, die Fahrbahn sich um etwa 30 cm abgesenkt. Die Brücke wurde sofort gesperrt. Immerhin – nicht wie in Genua – noch kurz vor dem kompletten Kollaps. Die Folge: ein dramatisches Verkehrschaos im gesamten Rhein-Main-Gebiet. Die Schäden für die Wirtschaft hat nie jemand ausgerechnet, dafür gab das hessische Innenministerium bekannt, dass die Brückenwache durch die hessische Polizei rund 110.000 € im Monat kostet. Vier Beamte bewachten rund um die Uhr die Brücke. Ein Gerücht, dass sie jeden Morgen ins Ministerium melden mussten: Sie steht noch.

Die Ingenieure hatten ziemlich genau gerechnet, die Politik ist in Hessen und Rheinland-Pfalz gescheitert. Der Neubau hätte übrigens schon viel früher beginnen können. Doch die »Sozen« unter SPD-Ministerpräsidentin Dreyer mit den Grünen in Rheinland-Pfalz stritten lange mit den schwarz-gelben in Wiesbaden, ob die neue Brücke vier- oder sechsspurig gebaut werden sollte.

Geld ist im Prinzip da, die Politik zu dumm, es für die Infrastruktur auszugeben. Die Bilanz des Parteienstaats: Versagen auf jedem Gebiet außer der Selbstbedienung.

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Kommentare ( 28 )

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28 Comments
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Markus Hlubek
5 Jahre her

Was zeichnet eigentlich einen gefallenen Staat aus ?
Marode Infrastruktur, verrottende Schulen, Ausfall der Landesverteidigung, Verfall der inneren Sicherheit, kollabieren des Rentensystems etc, das alles bei steigenden Steuern und Abgaben. Das Demokratiedefizit schreitet voran durch nichtlegitimierte Machtverschiebung zugunsten eines EU-Zentralismus.
Das alles ist Deutschland ?

WolfgangZ
5 Jahre her

Angesichts der Lage im Allgemeinen und der verkehrstechnischen Infrastruktur im Besonderen bleibt in Deutschland nur eine individuelle Lösung übrig, und zwar ohne Alternative: In zwei Wochen werden die Zwiebacks nach einem Jahr Vorbereitung das letzte Mal in ihrem Leben über deutsche Brücken fahren.

benali
5 Jahre her

Die neueste Brücke Deutschlands soll nie einstürzen können. Eine Aussage von Titanic-hafter Größe.

Aus der Aussage „Ohne politische Entscheidung wird keine Brücke gebaut“ schließe ich, dass auch der Zustandsbericht der bestehenden Brücken das Ergebnis politischer Entscheidungen ist.

Die Aussagen über die Sicherheit der Titanic und den Zustand unserer Brücken lassen Gemeinsamkeiten erkennen…

giesemann
5 Jahre her

Und eine Stimme sprach aus dem Chaos: Sei staad, beruhige dich, es könnte schlimmer kommen. Und ich beruhigte mich, blieb staad – und es kam schlimmer.

Peter Gramm
5 Jahre her

ich glaube wir haben ein grundsätzliches Problem. Überall wird nachgefragt wie dieses oder jenes finanziert werden kann, nur bei einem gibt es diese Fragen nicht. Wie und woher sollen die finanziellen Mittel für den Pensionstsunami kommen der in absehbarer Zeit auf uns zurollt. Der öffentliche Dienst und die Politik ist von Leuten besetzt die in erster Linie ein pekuniäres Interesse als Motivation ihrer Entscheidung zu grunde legten. Die Frage wie und/oder woher all diese Mittel eigentlich kommen sollen wurde nie nachgedacht. Alle Ansprüche wurden vertraglich fest gelegt. Die ökonomische Basis und Erfüllbarkeit dieser Forderungen war unerheblich. Keinem Unternehmer würde bei… Mehr

Alf
5 Jahre her

Politisch gewollte Staatsverwahrlosung – so ist es. Geld ist im Prinzip da, die Politik zu dumm, es für die Infrastruktur auszugeben. Die Bilanz des Parteienstaats: Versagen auf jedem Gebiet außer der Selbstbedienung. Die Politik ist nicht zu dumm, die Politik will nichts für die Infrastruktur ausgeben. Das steht so nicht im Plan des Niedergangs. Auch habe ich meine Zweifel, ob überhaupt Geld da ist. Dann bräuchten wir bei den aktuellen Mehreinnahmen doch keine Steuererhöhung. Oder kann die SPD nicht rechnen? Oder soll das Geld aktuell für die Selbstbedienung herhalten? Kann die SPD ihre Versprechungen an die Renter gar nicht einlösen,… Mehr

PsychoChicken
5 Jahre her

„Was in Deutschland als marode oder nicht ausreichend gilt, ist anderswo in einem guten Zustand eingestuft.“ Ich hoffe, daß das jetzt nicht pietätlos gegenüber den Opfern ist, aber wenn die Genueser Brücke als in gutem Zustand eingestuft wurde, scheint die deutsche Beurteilung doch realistischer zu sein. SPOILER ALERT: Die physische Realität läßt sich weder wegdiskutieren noch durch Quoten, Gleichstellungserlasse etc. wegbefehlen.

Thorsten
5 Jahre her
Antworten an  PsychoChicken

Mit dieser Begründung kann Hartz 4 ERSATZLOS gestrichen werden und Bedürftige können sich dann Essen bei Suppenküchen abholen. Ärztliceh Versorgung gäbe es nur bei Amtsärzten, bei denen die ID-Karte per Fingerabdruck geprüft wird.

PsychoChicken
5 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Helfen Sie mir bitte, den Zusammenhang zu meinem Posting zu sehen? Ich verstehe nämlich nicht, was Sie ausdrücken wollen, bzw. wie Sie zu dieser Behauptung kommen.

EURO fighter
5 Jahre her

Das Grundproblem im Öffentlichen Dienst ist doch, dass keiner zur Verantwortung gezogen werden kann, wer er ein unzureichend dimensioniertes Bauwerk hinstellen lässt.
Jede Brücke kann man so gestalten, dass sie vor dem Eindringen von (Salz-)Wasser geschützt ist. Jede Brücke kann man durch die Verwendung von Tilgern und Dämpfungselementen so konstruieren, dass nur geringe Belastungsspitzen auftreten. Die Mehrkosten wären gut angelegtes Geld.
Allein, man macht es nicht.
Eine bekannte Brücke der Bahnlinie Glacier-Express (Name ist mir entfallen) musste nach 100 (!) Jahren zum ersten Mal gewartet werden. Die Schweizer machen uns auf vielen Gebieten einiges vor.

benali
5 Jahre her
Antworten an  EURO fighter

Ich möchte hier keine Lanze für den Öffentlichen Dienst brechen. Das Problem liegt weiter oben. Herr Douglas hat es so beschrieben: „Ohne politische Entscheidung wird keine Brücke gebaut.“

Parteien und Politiker haben alle Bereiche des Staatswesens fest im Griff. Ihr Einfluss reicht bis in alle Amtsstuben. Bei Parteien und Politikern finden Sie auch die Verantwortlichen.

Harry Charles
5 Jahre her

IN DIESEM ANGEBLICH SO REICHEN LAND -ist kein Geld da um Brücken und Straßen zu sanieren. In der Gegend wo ich wohne kann man viele Nahverkehrsstraßen gar nicht mehr als Verkehrsweg bezeichnen. So kaputt, dass selbst ein Panzer (und die funktionieren bei uns ja auch nicht mehr) sich die Ketten beschädigt. Der hart arbeitende Bürger muss also nicht nur mit ansehen, wie seine Steuergelder für alles mögliche verschwendet werden, während er sich auf rumpeligen Schlaglochstraßen sein Rückgrat ruiniert und durch den Verschleiß an seinem Fahrzeug hohe Folgekosten hat. -ist kein Geld da um marode Schulgebäude zu sanieren. Das Schulsystem wird… Mehr

Philipp Tertuete
5 Jahre her
Antworten an  Harry Charles

„So kaputt, dass selbst ein Panzer (und die funktionieren bei uns ja auch nicht mehr) sich die Ketten beschädigt.“
Köstlich, ich lach‘ mich scheckig!

benali
5 Jahre her
Antworten an  Harry Charles

Satire ein: das Land, in dem man gut und gerne leben kann, hat mehr als eine Million Menschen wertvoller als Gold geschenkt bekommen, es hat die mächtigste Frau der Welt, und jetzt kommen noch Brücken dazu, die nicht mehr einstürzen können. Ist das immer noch nicht gut genug? Satire aus…

Claudia Meier
5 Jahre her

Herr Douglas, vielen Dank für diesen weiteren Brückenzustandsbericht Deutschland. Doch ändern wird er an der katastrophalen Lage leider wenig. Das interessiert doch keinen hier, dumme Sportnachrichten sind da den Deutschen doch viel wichtiger ! Ich biete schon die makabere Wette an, wann und wo in Deutschland das passiert, wie jüngst in Italien. Dort hat das Gesundbeten baufälliger Brücken ja nun schon tote Menschen eingebracht. Und wen juckt es ? Das eine Brücke mit Mann und Maus einstürtzt wird auch hier in Deutschland passiern, da wette ich. Lübeck hat dabei sehr gute Chancen diesen „Brücken-Tote-Preis“ zu beommen. Und was Unfähigkeit beim… Mehr