Politisch korrekter Konsum

"Linke" und "grüne" Gruppen fordern zum Boykott auf für Bücher, Bier und bedrohen Hotels: Politische Gesinnung wird zum Kaufargument. Aber Konsumenten wehren sich gegen die totale Bevormundung. Auf jeden Boykott folgt ein Gegenboykott.

© Felix Kayser / EyeEm

„Das Private ist politisch“ – diese Forderung der Studentenbewegung hat sich mittlerweile tief in die Gesellschaft eingefressen. Es gibt keinen Schutzraum mehr. Bislang getrennte Sphären des Privatlebens, der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens durchdringen sich. Nach der politisch korrekten Sprache kommt jetzt der politisierte Konsum. Der Boykott, die schärfste wirtschaftliche Waffe, wird zur politischen Waffe. Der wirtschaftliche Boykott zerfrisst die politische Freiheit.

Am Anfang stand eine ebenso simple wie einleuchtende Idee: Die Konsumenten bestimmen mit ihrer Kaufkraft, was produziert wird und zu welchen Bedingungen. Klingt vernünftig, bekanntlich ist der Kunde König und der soll auch bestimmen oder zumindest darüber informiert werden, wie Produkte entstehen. Der Kunde wird zur Gewerbeaufsicht in eigener Sache. Er erzwingt mit seiner Kaufentscheidung, was Behörden nicht vermögen oder global nicht durchsetzbar erscheint. Der ethische Konsum war geboren, der die Nutzenentscheidung überhöht. Normative Werte werden in das Produkt gewissermaßen eingeschweißt.

Schnell wurde es zu weltanschaulichen Frage, ethischer Konsum zur neuen Norm. Es wurde schick, „fair“ gehandelten Kaffee zu brühen statt fein duftenden. Nicht mehr die Bohne stand im Zentrum, sondern der ausgebeutete Bauer. Jedenfalls im Modell. Was beim Kaffee funktionierte und dann bei Schokolade, verbreitete sich schnell. Wer „grünen Strom“ verbrauchen will, ist dazu herzlich eingeladen; gleichgültigen Stromkonsumenten darf gern der graue geliefert werden. Noch. Noch ist die Stromrechnung kein Ausweis für korrektes Verhalten. Die Grenzen beginnen zu verfließen – und die neue Konsumentscheidung wurde aus dem Dritte-Welt-Laden in das allgemeine Leben und politische Entscheidungen exportiert.

Politisch korrekter Konsum

Denn seit einiger Zeit beginnt eine neue Phase: Aus dem ökologisch korrekten Einkauf wird der politische korrekte Konsum. Es wird boykottiert, was das Zeug hält. Zeitungskioske werden von Aktivisten bedroht, wenn sie „falsche“ Medien führen. Meinungsfreiheit gilt neuerdings nur für die eigene, und Aktivisten entscheiden darüber. Hotels sollen die politisch korrekte Grundhaltung ihrer Gäste aufdecken, ehe die sich zudecken dürfen.

Grüner wird's nimmer
Brandenburg, Spargel und Grüne - oh weh
Lange galten politisch motivierte Werbeboykotts als tabu. Heute brüsten sich Genossen damit, dass sie offen oder heimlich „Schwarze Listen“ politisch nicht genehmer Medien führen. Jahrzehntelang verbündeten sich Journalisten über Parteigrenzen hinweg gegen Werbeboykotte und gegen Werbeagenturen, die versuchten, ihre Meinung per Anzeigenschaltung durchzusetzen. Frühere Journalisten wussten: Meinungsfreiheit zählt mehr als Meinungsübereinstimmung.

Nicht mehr Meinungsfreiheit zählt, sondern Konformität. Der neue Zwang allerdings beginnt, seine Kinder zu fressen und nimmt längst lächerliche Züge an. „Glatzen“, also „Rechte“ sollen in der früher für ihre Weltoffenheit bekannten Stadt Köln kein Bier mehr an der Theke trinken dürfen; wird vor die Bestellung ein Treueid zu einem Parteibuch gestellt? Die Botschaft ist eine andere: Wanderer, kommst du nach Köln, trink dein Bier lieber anderswo, nicht in der Stadt der Spießer.

Noch in den 70er-Jahren schüttelte jeder „Fortschrittliche“ den Kopf über Willy Brandts Radikalenerlass, der für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, und nur für die, das nachweisbare Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung einforderte. Von Gesinnungsschnüffelei bei Lehrern war ständig die Rede. Heute ist es die neue Norm: Nur wer müffelt wie der abgestandene „rot-grüne“ Mainstream darf Bier trinken?

Wehe, wer der falschen Mode folgt: neue Codes des Äußerlichen entscheiden über das genehme Durstlöschen. Immer neue Gruppen und Konsumentscheidungen werden politisiert, gerade wie die Aktivisten und ihre diensteifrigen Medien es sich wünschen: Darf man noch guten Gewissens den Diesel fahren, der noch vor wenigen Jahren wegen seines niedrigen Klimagasausstoßes empfohlen wurde – damals war Feinstaub noch nicht so in Mode, auch „Nudging“, das neue Wort für Verhaltenslenkung, war unbekannt.

Gewerkschaftsauftrag verfehlt
ver.di: die Checkliste
Eine Gewerkschaft verteilt Anleitungen, wie man die Kündigung politisch unliebsamer Kollegen betreibt oder Mieter mit „falscher“ Gesinnung auf die Straße wirft. Das ist neu: Ver.di schützt Kollegen nicht mehr vor Kündigung, sondern betreibt diese – wegen unerwünschter Gesinnung. Solidarität wurde früher anders buchstabiert; wer will so einer Gewerkschaft der Schande noch angehören und Beitrag zahlen? Der Widerstand war so gewaltig, dass Ver.di-Chef Bsirske sich von seinen Genossen im Geiste distanzieren musste. Es geht nicht alles, was geht.

Selbst Buchverlage haben sich aus der Spannung des offenen Diskurses verabschiedet. Random-House, der globale Großverlag aus Gütersloh, verlegt  Katzenromane „Felidae“ von Akif Pirinçci nicht mehr. „Von ihm kann man halten, was man will, aber er hat ein Recht auf seine Meinung. Die großen Medienhäuser mussten vor Gericht zugeben, dass sie ihn falsch zitiert haben. Boykottiert wird er immer noch. Random House hat den Vertrag mit ihm aufgelöst, selbst seine Katzenromane kann man nicht mehr kaufen“, formuliert Tuvia Tenenbom ausgerechnet in Spiegel-Online.  Aber es hilft ihm nichts mehr. Auch seine sensiblen, liebenswerten, harmlosen Romane aus vergangenen Tagen müssen vom Büchertisch verschwinden, seine schriftstellerische Existenz muss vernichtet werden. Besonders bedrückend: In der DDR brauchte man dafür einen gelenkten Schriftstellerverband und Zensurbehörden; in Gütersloh folgt man vorauseilend dem, was man für die Mehrheitsmeinung hält. Aber klar ist auch: Ein Verlag steht nicht mehr für Denkfreiheit, sondern für Gefälligkeitsentscheidungen und Konformismus. Bücher können auch andere verlegen.  Der Journalist und Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton, schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts: „Wir brauchen keine Zensur der Presse. Wir haben eine Zensur DURCH die Presse.“ Er hat die neuen global-konformen Buchverlage noch nicht gekannt.

Jedem Boykott folgt Gegenboykott

So geht es immer weiter. Ich halte nichts von Boykott, die Politik soll in der politischen Sphäre bleiben und der Konsum in der Wirtschaft. Das ist gesellschaftlich friedensstiftend und spaltet nicht entlang der Frage, ob wir es schaffen oder nicht, was wir denken, welcher Partei wir angehören, welchem Glauben und welcher Überzeugung wir folgen.

Zurück nach 1900
Von der Energie- zur Ernährungswende
Außerdem sollten die Markenverantwortlichen nicht glauben, dass Lautstärke und Grobheit auf Twitter auch auf Kaufkraft und Kaufbereitschaft einzahlen – viele Bürger und Konsumenten empfinden politisch korrekten Konsum als eine unerträgliche Steigerung der ohnehin schon unerträglichen Bevormundung. Auf jeden Boykott folgt mittlerweile ein noch größerer Gegenboykott, und der ist wahrscheinlich kaufkräftiger als der von brüllenden Polit-Aktivisten mit Bafög – mittlerweile wächst die Wut auf diese Art von totalitärem Verhalten.

Eine Hotel-Kette erfährt das gerade: Kunden meiden Maritim-Hotels, weil sie ihre politische Meinung nicht offenbaren wollen, wenn sie ein Zimmer für die Nacht suchen; Veranstalter meiden die Konferenzräume. Boykott kann auch zurück schlagen. Und tut es regelmäßig.

Aber es geht nicht nur um den schnöden Mammon. Waren wir nicht gerade dabei, Diskriminierung zu bekämpfen und führen sie hinterrücks wieder ein?

Leider erhält die „linke“ Konsumlenkung gerade Unterstützung von „rechts“. Auch der neue US-Präsident Donald Trump fordert politisch korrekten Konsum: Autos, die in den USA zusammengeschraubt werden, sind gute Autos; solche aus Mexiko scheitern am neuen Zollzaun. BMW und Siemens rechnen flugs vor, wie viele Jobs sie in den USA geschaffen haben und künftig schaffen wollen. Mittelständler berichten, dass sie ihre Produktionsstätten in den USA ausbauen.

Das ist keine gute Entwicklung. Unternehmen sollten strikt Politik und Wirtschaft trennen können und dürfen. Das ist eine kulturelle Errungenschaft demokratischer Gesellschaften. Den Rückfall in die Barbarei des Sozialismus in der DDR, der Schulbesuch, Wohnung und Karriere an das Parteibuch knüpfte, genau das sollten wir vermeiden. Und Freihandel ist nicht nur dazu da, alle Beteiligten über globale Arbeitsteilung wohlhabender zu machen – es ist auch der Versuch, die Welt für Alle offen zuhalten, die Konsumenten entscheiden zu lassen und nicht irgendwelche Politiker nach Tages-Opportunität. „My Home is my Castle“ – das war lange die Zauberformel, mit der sich die Bürger gegen die Allmacht des Staates wehrten.

„Ich konsumiere, wie ich will“, steht gegen die neue politische Bevormundung. Wenn fair gehandelt für unfair handeln steht, kommt mir dieser Kaffee nicht mehr ins Haus.

Erscheint gekürzt im PR-Magazin.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 139 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

139 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Amtseid
6 Jahre her

„Politisch korrekt“ und „demokratisch“ stehen im Widerspruch zueinander. Dass wir in diesen Zeiten so oft von politischer Korrektheit lesen, sagt einiges über den inzwischen erreichten Zustand unserer Demokratie aus.

Caleb Stone
6 Jahre her

Niedlicher Artikel.
Dem Autor sei ans Herz gelegt mal den Untiefen des GamerGate hinterher zu tauchen.

Gerald
6 Jahre her

Nun ja, da passt es ja, dass das Maritim der AFD jetzt komplett Hausverbot erteilt hat: http://www.express.de/koeln/hausverbot-erteilt-maritim-chef-mit-klarer-ansage—nie-wieder-afd—26753214

Wasichnochsagenwollte
6 Jahre her

Das geht ja mittlerweile weiter. Unternehmen sollen ihre gesamte Lieferkette offenlegen mit Adressen und Anzahl der Beschäftigten auch noch im letzten Winkel der Welt. Dieses würde selbsternannten Menschenrechtsaktivisten erlauben zu überprüfen, ob irendwo eines der vielen Arbeitnehmerrechte verletzt wurde. Wohlgemerkt nicht ducrh das Unternehmen, sondern durch den Arbeitgeber vor Ort. Die eingeforderte Transparenz dient letztlich dazu die Unternehmensentscheidungen in Zukunft auf Fairness und politische Korrektheit abzuprüfen bevor Waren geordert werden dürfen. Natürlich nur bei politisch korrekten Betrieben weltweit, die durch selbsternannte Vertreter der Zivilgesellschaft ausgesucht und für zulässig erklärt werden. Geht irgendwo etwas schief, soll das westliche Unternehmen den Betroffenen… Mehr

hasenfurz
6 Jahre her

Da hätten Sie jetzt aber wirklich bessere Argumente anbringen können als die üblichen Totschlagbegriffe und Reizwörter von System-Propagandatrollen, mit denen nur Bereiche nicht erlaubter Diskussion für denkbegrenzte Meinungsschafe markiert werden sollen, määäh…

Eloman
6 Jahre her
Antworten an  hasenfurz

Ho Ho Ho. Sie sind mir ja ein richtiger Querdenker. Da fällt mir doch was aus der Hose. Sind die bei Ihnen in der Klinik alle so drauf?

hasenfurz
6 Jahre her
Antworten an  Eloman

Ich hab wieder einen Troll gefunden, ich darf mir was wünschen!

kostanix
6 Jahre her

Und alle Kritiker der Blockparteien Politik müssen demnächst wieder einen Stern tragen. Imitiert von den linksgrünen Meinungsterroristen. Wetten?

My View
6 Jahre her

Warum gibt es keine Blacklist von Adressen die diesen Meinungsterror unterstützen?
Ich erinnere an die Aktionen um „Scholz and Friends“ und dem Restaurant „Nobelhart und Schmutzig“, der pauschal AfD Wähler ausgrenzt, sowie Läden, die beim Israel Boykott mitmachen?

My View
6 Jahre her

Hab mich vor Kurzem als Kulturschaffende losgesagt von jahrelangen Freunden, ebenfalls Kulturschaffende in Köln, die den Maritim Boykott mit verbreitet haben. Mit denen werde ich nichts mehr organisieren oder unternehmen. Da weht ein linksradikaler antidemokratischer unliberaler Geist in der Szene

kostanix
6 Jahre her
Antworten an  My View

Dieser unliberale Geist setzt sich in den Kneipen fort, mit dem Spruch: Kein Kölsch den Nazis.
Na, da werden aber jetzt die ganzen Muselmannen in die Kneipen einfallen und vor lauter Solidarität die Hütte trockenstanden.
Das ist Populismus pur. Bei deren Denke sind ja schon Bürger der Mitte als Nazis einzustufen.
Ich werde mein Bier in den Kneipen trinken, die diesen Schwachsinn nicht mitmachen.
Mein Motto : Keinen Euro für Linksfaschisten.

Harm Zerc
6 Jahre her

GRÜNE sind eine amerkanische Nachahmung aus den Sechzigern. Diese waren eine Gegenpartei zur enormen Umwelt-Vergewaltigung amerianischer Industrien.
Es ging weniger um Atomwirtschaft als um Dreck und Staub. Deutsche GRÜNE
entfremdeten sich vom Zweck. Sie wollten Karrieren durch Themensetzung und
scheinbare Abarbeitung daran. Damit kam die politische Aufmerksamkeit. Ich wundere mich, dass das „Arbeitsprinzip“ der GRÜNEN nie diskutiert wurde. Sie
wurden nie wirklich gebraucht. Keins der gesetzten Themen wäre nicht bei ande- ren genauso anzusiedeln. Man hat ihnen –künstlich– Platz gelassen. Brauchte
jemand eine 4. Partei, um der ewigen Koalition Schwarz-Gelb Herr zu werden?

Harry James mit Armbrust
6 Jahre her

Meine „große“ Schwester ist recht grün. Auch sie verlor ab und an jegliches Maß. Erst seit Sie selbst auf dem Land lebt, hat sie erkannt, dass ihre Vorstellungen schlicht nicht umzusetzen sind. Das dürfte das Problem der meisten Grünen sein. Sie haben überhaupt keine Ahnung davon, wie Früchte (Gemüse Obst) tatsächlich gezogen werden. Wieviel Arbeit man da rein stecken muss um genug zu bekommen und wie viel Land dafür verbraucht wird. Das gleiche bei der Viehhaltung. Klar, Kühe sind sicherlich glücklicher, wenn sie auf der Wiese herum laufen dürfen. Nur, auf diesen Wiesen, die man bräuchte um alle Kühe laufen… Mehr