Merkel bei Trump: Der Brei ist heiß

Dieser Trump bringt alles durcheinander. Gerade waren noch alle gegen Freihandel und jetzt fiebern sie, ob die Kanzlerin den Freihandel retten kann. Was kann Merkel bei Trump gewinnen? Die jüngste Zinsentscheidung der FED verschärft das Missverhältnis.

Deutsche Exporte: Abendsonne?

„Deutschland beutet weiter andere Länder in der EU und die USA mit einer ,impliziten Deutschen Mark‘ aus, die stark unterbewertet ist“, und habe deshalb im Handel mit anderen Eurostaaten und dem Rest der Welt ungerechte Vorteile, sagte Peter Navarro, neuer Chef des National Trade Council der Financial Times. Damit ist klar, dass sich die protektionistische Handelspolitik unter Trump nicht nur gegen Länder wie Mexiko und China, sondern auch gegen Deutschland richten wird.

Navarro trifft zwei mal den wunden Punkt

Navarro trifft einen wunden Punkt, und zwar zwei mal. 2016 hat die Bundesrepublik nach vorläufigen Zahlen für 310 Milliarden Dollar mehr Waren und Dienstleistungen aus- als eingeführt.

Gesund ist etwas anderes. Im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, einer dieser Ruinen der Schmidt/Schiller-Zeit, wird als einer der vier Eckpunkte guten Regierens das Außenhandelsgleichgewicht genannt, also der Ausgleich von Importen und Exporten. Wie immer erreicht man es mal und dann auch wieder nicht, aber notorisch und in solcher Höhe dagegen zu verstoßen, ist schon abenteuerlich.

Eigentlich waren es gerade viele „links“ gestrickte Ökonomen, die diesen Leistungsbilanzüberschuss kritisierten. Ihr Rezept dagegen lautet – vereinfacht: höhere Löhne, höhere Sozialleistungen, und deutsche Produkte werden beim Export so teuer, dass es zum Ausgleich kommt. Der Leistungsbilanzüberschuss wurde als Beweis für das deutsche Dumping-Lohnsystem ins Feld geführt. Ganz falsch ist die Theorie ja nicht. Derzeit leiht Deutschland den USA Geld, damit Amerikaner BMW und Mercedes billig einkaufen können. Davon haben deutsche Arbeitnehmer zunächst rein gar nichts. Aber davon hört man neuerdings nichts mehr. Jetzt sind es die Leistungsbilanzüberschüsse, die verteidigt werden, als habe Merkel den richtigen Knopf gedrückt und bestellt.

Dabei liegt der Hund woanders begraben.

In einer freien Marktwirtschaft mit eigener Währung käme es über den Wechselkurs zum Ausgleich: Die Deutsche Mark hätte, gäbe es sie noch, so lange aufgewertet, die Exporte so verteuert, bis es tendenziell zum Ausgleich der Handelsüberschüsse gekommen wäre. Arbeitnehmer wären indirekt Profiteure des Systems: Sie könnten mit ihrer in harter Mark ausgezahlten Löhne noch preiswertere Importe kaufen, die USA als Billigreiseland erkunden, bei Benzin und Heizöl, das in Dollar abgerechnet wird, jede Menge Kaufkraft sparen.

Wenn jetzt Navarro darauf hinweist, dass das Leistungsbilanzdefizit und der gegenteilige deutsche Überschuss nicht ewig tragbar sind, trifft er einen Punkt, der seit zwei Jahrzehnten virulent ist und auch immer wieder thematisiert wurde – insofern lutscht Trump nur olle Kamellen. Und mit der Währungsmanipulation trifft er gleich noch mal.

Währungsmanipulation als Wunderheilmittel

Denn auch der Vorwurf der Währungsmanipulation ist nicht aus der Luft gegriffen: „Deutschland ist im Euro unterbewertet, und der Euro selbst ist unterbewertet. Das macht deutsche Produkte im Ausland extrem billig“, sagt der langjährige Chef des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn: Um jeweils 20 Prozent im Verhältnis zum Dollar und innerhalb Europas sei Deutschland zu billig. Der Euro als Einheitswährung überdeckt die unterschiedliche Leistungsfähigkeit: unterschiedlich hohe Lohnniveaus, unterschiedliche Produktivität und Infrastruktur. Gemessen daran müssten Länder wie Griechenland und Italien abwerten, die Deutschen aufwerten. Weil dies im Euroraum nicht geschieht, panzern deutsche Exporteure ihre europäische Konkurrenz nieder. Selbst brutalstmögliche Lohnsenkungen in diesen Ländern würden der Wirtschaft nicht mehr aufhelfen – so schnell kann man Fabriken nicht aufbauen, wie sie mit dem Eurosprengstoff weggeschossen werden.

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Das ist, anders als Wirtschaftsvertreter neuerdings in den Medien behaupten dürfen, nicht allein die (unbestrittene) Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Der Exporterfolg hat einen Namen: Mario Draghi. Seine Niedrigzinspolitik ist es, die den Euro abstürzen lässt und die grandiose Exportsiege der Deutschen pampert. Und Mario Draghi gesteht diese Art der Währungsmanipulation offen ein: Null-Zinsen und Euro-Flut durch den Ankauf von Schrottpapieren begründet er damit, dass er die schwächelnde Südwirtschaft aufpäppeln will. Draghis Medizin wirkt – und wie: Sie macht die Schwachen etwas weniger schwach, aber die Starken noch stärker. Und das sind die Deutschen.

Wachsende Wut in Europa

EU-Europa spielt dabei für Deutschland eine wichtige Rolle: Tschechien, die Slowakei und Polen sind heute billige Zulieferer für Deutschlands Endmontage und das wertsteigernde Label „Made in Germany“. Audis Motoren werden günstig in Győr, Ungarn, gefertigt; Skoda-Ingenieure kassieren nur ein Drittel von dem, was vergleichbar gut ausgebildete VW-Werker in Wolfsburg verdienen – und das in völlig vereinheitlichten, weltweit normierten Fabriken gleicher Produktivität: Im Supermarkt in Prag aber gelten Europreise, sogar höher als in Deutschland, und im Zweifel ist es eine Filiale von Lidl oder Aldi.

Es klingt nicht freundlich – aber mit dem Euro hat sich Deutschland ein billiges Reich der Zulieferindustrien im Hinterland organisiert, wo die Löhne billig, die Arbeitskräfte noch willig und die Gewerkschaften nicht vorhanden sind. Mit den billigen Zuliefer-Importen unter der Haube sind Deutschlands Autos unschlagbar. Für die USA sieht die Gleichung anders aus: Seit Jahrzehnten wandert industrielle Produktion aus den USA ab – zunächst nach Deutschland, dann Japan, dann Korea, schließlich China. Die USA haben ihren Markt geöffnet, um die freie Welt aufzupäppeln und ihre Verbraucher zu verwöhnen. Billige Importprodukte – das war das Paradies der amerikanischen Verbraucher. Dummerweise gingen aber damit auch die Arbeitsplätze verloren; und die Verschuldung der USA in China und Deutschland übersteigt auch jedes vorstellbare Maß.

Wenn Trump wirklich Ernst macht? Dann bricht das deutsche Modell des Wirtschaftswachstums zusammen. Denn wenn eine Deutsche Mark 20 Prozent aufwertet, wäre die Frage in New York nicht: BMW oder Audi? Sondern wieder: Chevy oder Ford? Griechenland und Portugal ziehen den Wert der Währung in den Keller – und von dort aus werden die Deutschen zum Exportweltmeister. Aber dieses Modell hat Donald Trump gerade zur Disposition gestellt, und auch in Europa wächst der Widerstand gegen den „Eurokolonialismus“. Es gibt einfach zu wenig Gewinner außer der deutschen Industrie.

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Außerdem gibt es auch in Deutschland nicht nur Gewinner. Eine Währung, die so dramatisch unterbewertet ist wie der deutsche Euro, bedeutet ja nichts anderes, als dass Arbeitnehmer und Konsumenten die Zeche zahlen. Importe könnten deutlich billiger sein: sowohl Autos und Champagner aus Frankreich als auch Laptops aus Taiwan oder griechischer Joghurt, der Urlaub außerhalb der Eurozone sowieso. Nicht nur Donald Trump hat den Exporttrick der Deutschen durchschaut, die Europäische Zentralbank sieht das ganz ähnlich. Sie muss mit ihrer Einheitswährung ein Einheitsdach bauen – für die deutschen Autofabriken und die griechischen Ziegenställe, italienischen Familienbetriebe und slowenischen Garagen. Auf deutschen Druck hat die EZB versucht, Italien und Griechenland zur inneren Abwertung zu zwingen – Löhne runter, Renten beschneiden, Staatsausgaben kürzen, Preise senken. Damit sollten die ständig wachsenden deutschen Wettbewerbsvorteile aufgefangen werden. Gerne wird dieses Argument damit gekontert, dass Europa insgesamt mit den USA ja eine hinreichend ausgeglichene Handelsbilanz aufweise. Allerdings wird das Trump nicht beruhigen, wenn die Deutschen beim Deal als Deutsche auftreten und sich beim Abrechnen hinter Griechenland und den notorisch defizitären Südländern verstecken.

Merkels untaugliche Rettungsversuche

Und jetzt also Trump, und Merkel, die zu retten versucht, was zu retten ist. Der erste Befund: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Die transatlantische Freihandelszone, kurz TTIP, war ein Obama-Projekt. TTIP wurde (auch) in Deutschland verschleppt. Wäre TTIP unterzeichnet, hätte es Trump schwerer, den Deutschen auf die Finger zu klopfen.

Zweiter Befund: Der Verweis darauf, dass Siemens und BMW in den USA produzieren, ist ja richtig. Aber reicht halt nicht. Fakt bleibt der Leistungs-Bilanzüberschuß von 310 Milliarden. Und ehrlich: Die duale Berufsausbildung! Das ist halt kein Exportschlager, sondern ein Konkurrenzprodukt. Deutschland hat es historisch aus seiner Geschichte von Zünften und Meistern entwickelt. Die USA setzten auf das Fließband, an dem Angelernte schufteten. Der Facharbeiter ist eine deutsche Erfindung, die Massenproduktion die amerikanische Antwort. Zudem würde eine Übertragung Jahrzehnte dauern – aber das Leistungsbilanzdefizit der USA wird täglich errechnet: Rund eine Milliarde pro Tag müssen wir den USA leihen, damit sie ihre Rechnung bezahlen können. Heute, gestern und morgen. Willkommen im Land der Träume!

Wie auf Befehl haben viele deutsche Medien jetzt auf die Verteidigung der deutschen Interessen umgeschaltet. Das Leistungsbilanzdefizit wird in den Zeitungsspalten und ARD/ZDF-Sendungen relativiert, die gottgleiche Überlegenheit deutscher Autos gepriesen, obwohl man sie daheim in Stuttgart, München und Berlin mit Fahrverbot belegen will und wie die Grünen ab 2030 gleich ganz verbieten. Und alle schütteln bedauernd den Kopf, dass Draghi leider, leider ganz unabhängig die Währung manipuliert, grad so, wie er es sich wünscht.

Auch damit wird Merkel nicht davon kommen.

Die Unabhängigkeit der EZB ist eine Schimäre. Sie führt aus das, was sich die Politiker wünschen: Den Euro versucht sie zu retten, in dem sie Geld von den Sparern des Nordens in den Süden transferiert. Ihre Instrumente dabei sind Null-Zinsen, Anleihekauf, und Abwertungsdruck auf den Euro. Der Euro soll billig sein, damit die Exporteure was verkaufen können. Das wollte die Politik so und das will sie weiter. Und dieses Problem wird gerade größer statt kleiner: Die jüngste Zinserhöhung der FED, getroffen während der Schneesturmverzögerung der Kanzlerinnenreise, schwächt den Euro noch weiter. Also wird auch die Zins-Politik der EZB im Gespräch zwischen Trump und Merkel eine Rolle spielen: Langsam bewegen sich die USA wieder in eine Normal-Zinsphase hinein – wäre es da nicht an der Zeit, auch in Europa wieder zu einer soliden Zinspolitik zurückzukehren?

Meine Prognose lautet: Könnte sein, dass Trump sie nicht so leicht vom Haken lässt, wie sie sich das so vorstellt. Es geht ans Eingemachte. Natürlich wird die Globalisierung neu verhandelt, wie Roland Koch das sagt. Und natürlich steht die seltsame Konstruktion des Euro zur Debatte, unter dessen Einheitsdach so seltsame Verwerfungen erst entstehen können.

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Kommentare ( 73 )

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73 Comments
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KritischeStimme
7 Jahre her

Natuerlich stimmt es das Deutschland Handelsvorteile gegenueber den Suedeuropaeischen Laendern hat,deshalb befinden sich all diese Laender in der Krise.Was die Amerikaner fuer die USA behaupten stimmt auch weil Deutschland muesste eine viel hoehere Waehrung haben,was durch die EuroEinheitswaehrung verhindert wird.Die Politik der Bundesbank+EZB hat hiermit nichts zu tun weil die sich richtet nach dem ganzen Euroraum.Uebrigens haben die USA auch Waehrungsvorteile durch die international Rolle des Dollars und die Groesse ihres Geldmarkts.

Testostheron1963
7 Jahre her

„Merkel ist doch längst Vergangenheit“

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben …

Kaoya
7 Jahre her

Was hier fehlt, ist ein Lösungsvorschlag. Dieser besteht offensichtlich nur in der Auflösung des Euro. Aber auch hier sollten sich weder die USA noch die europäischen Ramschländer Illusionen hingeben. Auch mit einer starken DM war Deutschland exportstark, da diese in einer soliden Wirtschaft zu erzwungenen Effizienzsteigerung führt. Wenn die Drachme schwach wäre, können die Griechen immer noch keinen Audi bauen.

Ghost
7 Jahre her

„Wachsende Wut in Europa“
Auch der Euro begünstigt die Wahlchancen des Front National in Frankreich. Es heisst, diese Kunstwährung sei eine Zwangsjacke made in Germany. Dabei wird verschwiegen, dass Mitterand den Euro unbedingt wollte. Aber damals gab es noch mehr Hoffnung in die Zukunft. Die welkt jetzt dahin.

KUNO
7 Jahre her

Die USA waren Jahrzehnte lang der Motor des liberalen Freihandels. Aber da dieser Freihandel nicht fair war und auch nicht sein konnte, gab es Verlierer. Und der größte Verlierer sind die USA, ablesbar am Außenhandelsdefizit. Seit 2001 haben die USA allein an China über zwei Millionen Arbeitsplätze verloren. Da hat Trump und seine Mitstreiter erkannt: so kann es nicht weitergehen! Was will denn Merkel an Neuigkeiten ausplaudern, was die US Regierung nicht schon wüsste? Allerdings hatten die USA vor Jahrzehnten die Vereinbarungen der WTO unterschrieben- und dieses setzt Alleingängen dieser Regierung enge Grenzen. Darauf wird Merkel vielleicht hinweisen, obwohl auch… Mehr

Anthea
7 Jahre her

„Die Migration ist ein Privileg, kein Recht “ Nur für diesen Satz hätte ich ihn schon gewählt. Und für seinen Humor ?

Pherrmann
7 Jahre her

Ein Tichy mag Argumente gegen den Euro. Aber wenn es so wäre, wie beschrieben, Deutschland hat einen Außenhandelsüberschuss, WEIL die Währung unterbewertet ist…. Wieso haben Italien und Portugal ebenfalls einen Außenhandelsüberschuss, wo doch deren Währung überbewertet ist? Wenn Deutschland nur erfolgreich ist, WEIL Arbeit von Tschechien, Ungarn und Rumänien übernommen wird? Wieso gilt das für die USA nicht, wenn Arbeit von Mexiko übernommen wird? Da ist Mexiko kein günstiger Zulieferer, sondern sorgt für die Deindustrialisierung. Wenn Deutschland eine Währung hätte, die aufwertet und damit die Produktivität sinkt, würden die Arbeiter, die in Kronen, Forint und Leu bezahlt werden nicht NOCH… Mehr

kostanix
7 Jahre her

Es gab nur noch einen, neben Merkel, der es in 12 Jahren schaffte, ein katastrophaleres Ergebis für Deutschland zu hinterlassen.
Der damalige Vorteil war, man konnte von vorn anfangen. Diese Dame hinterlässt somit ein noch fataleres Erbe.

Obongos Ohr
7 Jahre her

Trump: „At least we have one thing in common.“
Mein Gott-was habe ich gelacht!

Anthea
7 Jahre her

Schauen Sie sich das bitte an….Die bilaterale Kooperation ist keine Trump Idee. Die Aufnahme ist von 2015. Es lohnt sich. .. Wo ist der Unterschied zum Trumps Politik?

https://youtu.be/9fNnZaTyk3M