Gott mit Dir, Du CSU!

Eine Stimmung des Abwartens liegt über dem Land. Die Deutschen sind erschöpft von der Politik. Aber die regierungsamtliche Hoffnung auf ein Weiter-So trügt. Unter der Oberfläche brodelt es.

Aufbruchstimmung hat das x-te Kabinett Merkel nicht ausgelöst; der vierfach aufgebrühte Tee beutel zieht keinen Geschmack mehr.Ein Teil der Bürger ist zufrieden damit; das Leben geht weiter und meist ja für sie persönlich nicht schlecht.

Abwählen geht nicht

Ansonsten herrscht eine seltsame Müdigkeit: Eine Regierung wird abgewählt, aber regiert immer weiter und vor allem weiter wie bisher – auch das ist eben Demokratie nach deutschem Muster. Und die Bundesregierung setzt auf diese Kombination von Ermüdung und Gewöhnung: Die Deutschen haben eine besondere Begabung, sich anzupassen. Während Franzosen und Italiener, ja, selbst die Niederländer Veränderung erzwingen, sitzt bei den Deutschen tief drin die Maxime: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Und so sind sie ruhig, versuchen das Leben zu gestalten. Das fällt leichter, weil die wirtschaftliche Lage oberflächlich betrachtet ja noch gut ist. Erst kommt das Fressen, dann die Demokratie.

Ein Blick auf die Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts wird zur demokratischen Existenzfrage und zur zentralen Angst der linksliberalen Mitte, die derzeit Deutschland beherrscht.  Noch kann die Bundesregierung die politischen Rahmenbedingungen schrittweise zu ihrem Vorteil verschlimmbessern: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wirkt gegen allzu harsche Kritik außerhalb des offiziösen Mediensystems. Wer gegen Merkel demonstriert, dem setzt die Antifa zu. Man erinnert sich fast sehnsüchtig an die freie Stimmung unter Gerhard Schröder, in der jeden Montag in fast jeder größeren Stadt demonstriert werden durfte. „Schröder muss weg“.

Ablehnung von Merkels Linksstaat

Aber es brodelt weiter. Besonders Hartgesottene demonstrieren, riskieren dafür Prügel und eingeworfene Fensterscheiben, immer in Frage gestellt: Es könnte ja ein richtiger Rechtsradikaler alles verderben. Eine Frage, die übrigens bei Linksradikalen nicht gestellt wird; hier ist das Gute daheim, und wenn es mit Mordbereitschaft daher kommt. Trotz der staatlich finanzierten Schlägerbanden entsteht eine Art bürgerliche Gegenkultur; biedere Bürgersleut‘ lernen sich zu organsieren, zu vernetzen, Medien zu entwickeln und zu demonstrieren. Es ist eine Art Umkehrung: Während Jahrzehntelang der Protest von Links gegen das „Establishment“ und gegen den Staat Usus war, sind es jetzt Konservative, die gegen einen umgestülpten Staat des linken Establishments demonstrieren, der aus ihrer Sicht vom demokratischen Rechtsstaat zum Linksstaat mit verordneter Einheitsmeinung und ständigen Umerziehungsprogrammen degenerierte. Es ist fast paradox: Rot-Grün hat gesiegt, und sieht sich plötzlich einer Gegenbewegung ausgesetzt, die sich der Mittel bedient, die eigentlich rot-grün im ständigen Kampf gegen den Staat entwickelt hat. Die linke Regierung wünscht sich ein neues Volk, das vorhandene stört.

Mediale Blockwartmentalität

Dabei verwischen die Grenzen: Weil jeder, der gegen Merkels Einwanderungspolitik auch nur leiseste Kritik übt, sofort als „Rechts“ gebrandmarkt und ausgegrenzt wurde, vergrößert sich das Potential derer, die nicht mehr zu diesem Linksstaat gehören möchten und sich auch nicht mehr zugehörig fühlen. Hinterlassen Personen, denen das unheimlich wird, bei Veranstaltungen Lücken, werden sie von weiter rechts aufgefüllt. Damit vollzieht sich eine leise Radikalisierung und echte Radikale schwimmen wie einst Maos Revolutionäre im Volk mit. Aber es werden nicht weniger, im Gegenteil.

Der Nachschub funktioniert und wird täglich weiter betrieben; Medien wie die taz fordern zur Jagd auf vermeintliche Rechte auf, veröffentlichen Listen von verdächtigen Schriftstellern oder fordern zur Denunziation von Lehrern auf, denen ein unvorsichtiges Wort entschlüpft ist.

Eine mediale Blockwartmentalität ist entstanden, Journalisten verstehen sich wieder als gnadenlose Vollstrecker und schreibende Führungsoffiziere der vermeintlichen Regierungslinie, als ob es nie die unheilvolle Geschichte des Journalismus in DDR und im 3. Reich gegeben hätte. Weil die Zahl der gläubigen Leser trotz gefinkelter Doppelzählungen von Quartal zu Quartal sinkt und die Rentabilität leidet, wird der Ruf nach öffentlich-rechtlichen Printmedien immer lauter. Wenn erst alle schreiben, wie ARD und ZDF senden, wird alles wieder gut, so lautet die Hoffnung. Aber die Spaltung vertieft sich.

Irgendwie ist das sogar in das abgeschottete Regierungssystem vorgedrungen.

Das Heimatministerium für entheimatete Wähler

Hilflos rudern Kanzlerin und Präsident mit Begriffen wie „Spaltung überwinden“ herum. Der Bundesinnenminister wird wg. CSU zum „Heimatministerium“ aufgewertet, zu einem Minister, der begrifflich das Verlorengegangene wieder herstellen soll. Während Merkels Politik mit gewaltigen Hammerschlägen die alte Bundesrepublik zertrümmert, soll Seehofer die weiße Salbe jenen Bewohnern applizieren, die die gewollte Heimatlosigkeit und Vertreibung aus einem funktionierenden Gemeinschaftsleben nicht mehr ertragen wollen.

Tatsächlich kommt Seehofer eine wichtige Rolle zu. Er hat gleich zu Beginn gebrüllt; eine Durchsetzung des Rechts wieder eingefordert, er will die sich ausbreitenden Flickenteppiche wuchernder No-Go-Areas mit dem Rechtsstaat wiedervereinigen. Das soll gegen die AfD wirken – die große Herausforderung für 2018.

„2017 ist die AfD zu einer gewaltigen politischen Kraft angeschwollen, die auf dem Resonanzboden der ‚Flüchtlingskrise’ Anhängerschaft gewinnt und beginnt, die Politik zu bestimmen“, so Markus Vahlefeld. Um wieder Boden gutzumachen, müsste „die politische Klasse ihr Vorhaben von jährlich 200.000(plus) neuen ‚Flüchtlingen’ auf Eis legen, Einreisen durch den Bau von Auffanglagern verhindern, eine Null-Toleranz-Politik gegenüber jedem Migranten, der sich nicht an deutsche Gesetze hält, fahren, Ausschaffungen extrem forcieren, aufhören vom Islam zu reden, der zu Deutschland gehören soll, und sich beim deutschen Volk für die begangenen Rechtsbrüche und Lügen in aller Form entschuldigen. Ist das mit einer Kanzlerin Merkel zu erwarten?“ 

Schafft Seehofer es, seinen bisher starken Worten Taten folgen zu lassen? Bis zum Herbst will er ein erstes Rückführungszentrum für Flüchtlinge in Betrieb gehen lassen – also etwa bis zur Landtagswahl in Bayern. Das Vorhaben werde „höchst prioritär betrieben“, sagte Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU). 

Tatsächlich wird die Landtagswahl im Oktober vermutlich der Prüfungstermin für Seehofer und damit zur wirklichen Frage der weiteren politischen Existenz von Angela Merkel. Hat Seehofer bis dahin auch gegen den massiven Widerstand der Kanzlerin und ihrer Getreuen seiner neuen Politik nicht Geltung verschafft – dann Gott mit Dir, Du CSU. Denn die derzeitige Ruhe rührt daher, dass viele Wähler Seehofer Glauben schenken. Gerne kehren sie wieder zurück in den sicheren Schoß der Union, wollen ja gar nicht so weit rechts wählen wie sie faktisch gezwungen werden. Das macht die derzeitige Stabilität der Umfragen zu Gunsten der CDU sichtbar. Aber es ist kein Beton mehr, sondern Flugsand. Die derzeitige Stille ist nur geliehen.

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Kommentare ( 311 )

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b.bauernhirn
6 Jahre her

Ich kenne in Bayern niemand mehr, der Seehofer auch nur ein Wort glaubt. Zu offensichtlich das erneute Wahlkampfmanöver.Es mag sicher Leute geben die jetzt auf Söder hoffen, der aber als reiner Karrierist nur das tun wird, was ihm nützt. Wer in der derzeitigen Lage auf die CSU setzt glaubt auch an Marsmännchen.

Stefan Lanz
6 Jahre her

Angela hat die CDU zerstört, Horst die CSU (mal abgesehen davon, haben beide das Land in den Abgrund gefahren).

Darüber hinaus sollte man nicht vergessen, dass die willigen Beihelfer hierzu fast alle CDU/CSU Parlamentarier waren.

An diesem Faktum ändert auch die LTW in Bayern nichts, der komplette Absturz wird höchstens bis zur nächsten BTW hinausgezögert…

H.J.Zerc
6 Jahre her

Wann machen eigentlich die Medien der Blockade gegen die AfD ein Ende? Thüringen und Sachsen lassen sich ohne die AfD nicht mehr regieren. Da die CDU keine Chancen
auf Zustimmung hat, hat keiner eine Chance. Die Etablierten haben ihr Volk verachtet.
Jetzt werden sie Massen an Jobs verlieren. Das ist deren Höchststrafe. Die der AfD ist, schnell genügend Leute zu finden, die ihren, für sie neuen Aufgaben professionell gerecht werden. Wieviele Mitarbeiter werden die Büros–wie in Berlin–wechseln wollen?

hassoxyz
6 Jahre her

Jedem Wähler in Bayern sollte längst klar geworden sein, wie Seehofer tickt. Der Possenspieler aus Ingolstadt hat seinen scharfen Worten nie Taten folgen lassen, sondern ist immer in Merkels Schoß gelandet, typisch für den Kurs dieser wachsweichen CSU. So wird es auch diesmal sein. Seehofer ist kein Konservativer im Sinne von FJS, sondern ein Christlich-Sozialer, also eher ein Linker. Er steht einem Trittin näher als einem Gauland oder Gauweiler. Seine Ankündigung von der Errichtung eines Abschiebelagers in Bayern – und dann erst kurz vor der Wahl – hat nur den Zweck, CSU-Wähler vom Wählen der AfD abzuhalten. Sonst nichts. Ich… Mehr

H.J.Zerc
6 Jahre her
Antworten an  hassoxyz

Jetzt kann S. nicht zurück, sonst kommt die CSU in Bayern unter die Räder. Bayern ist ihr
einziges Bundesland, aller ihrer Politik Basis. S. muss sich durchsetzen oder die Koalition
platzen lassen. Lieber das als Bayern –und damit alles– verlieren.

Odette
6 Jahre her
Antworten an  hassoxyz

Die Abstrafung der CSU im bayerischen Landtag hat keinerlei Wirkung auf die Politik der Bundesregierung. Ich denke Angela Merkel würde es sogar freuen wenn die CSU ihre Mehrheit im Landtag verliert und eine Koalition mit einer der anderen Versagerparteien eingehen müsste. Die bayerische SPD reibt sich bereits die Hände und hofft auf eine Regierungsbeteiligung. (Was für ein Albtraum!) Die kurze Genugtuung der CSU eins auszuwischen müsste von uns teuer erkauft werden. Ich glaube auch für Deutschland ist ein CSU regiertes Bayern besser.

Steuerzahler7766552
6 Jahre her

Die AfD ist jetzt die CSU in Bayern und bundesweit ersetzt sie die CDU.
Der Zug ist abgefahren.
Die CSU hat unter Merkel jede Schweinerei gegen die deutsche Bevölkerung mitgemacht.
Ob Extrembesteuerung, Überfremdung, extreme Bürokratie mit einhergehender überbordender Staatsquote oder widerrechtliche Steuergeldpumpen nach Südeuropa usw. usf., damit sie dort weiter massiv über ihre Verhältnisse leben können-die CSU hat immer mitgemacht.
Das ist in meinen Augen alles nicht zu vergeben.
Die gerechte Strafe folgt im Herbst.

Der Ketzer
6 Jahre her

Der erste „Schuss vor den Bug“ wird wohl die „Gemeinsame Erklärung 2018“ sein (https://www.erklaerung2018.de/), die als Petition in den Bundestag eingebracht werden wird. Nachdem mittlerweile über 100.000 Unterzeichner erreicht sind, wird die Union in aller Öffentlichkeit zeigen können, wie ernst alle neueren Absichtserklärungen und das „Konservative Manifest“ gemeint sind. Ich bin gespannt, wer die Petenten im Bundestag vertreten wird und wie sich die Debatte darüber entwickelt.

H.J.Zerc
6 Jahre her
Antworten an  Der Ketzer

Es gab meineswissens keine schärfere Demarche. als die „Gemeinsame Erklärung 2018“.
Sie zerstört den Mythus, dass alle Opposition von Abgehängten und Rechten ausgeht. Es
wird im Bundestag ein regelrechtes Schlachtfest geben, wenn die Spitzenredner aufein-
ander prallen. Das wird die Szene, zurecht, ändern und jede Menge Argumente stellen.

KUNO
6 Jahre her

Dsas ist schon richtig, Herr Tichy, dass der regierende Linksliberalismus die allgemeine Situation nur noch „verschlimmbessern“ kann. Aber geoplitisch gesehen, läuft den beiden sozialdemokratischen Parteien die Zeit ab. Die dumme Anbiederung an den plumpen Versuch des britischen M16 die Beziehungen zu Russland noch weiter zu schädigen, nützt noch nicht einmal den Briten und am wenigsten dem Exportland Deutschland. Mahnende Worte zum Thema gibt es inzwischen nicht nur aus China, sondern auch aus eher neutralen Ländern. Herr Putin hatte doch schon vor Jahren die Frage gestellt, ob die EU Ländern überhaupt eine eigene Meinung haben würden, oder blos Satelliten der USA… Mehr

Saskia
6 Jahre her

Sehr schön ist das Foto zum Artikel. Auf dem Plakat steht „Für eine neue Linkspartei“ und „Linksruck“.
Hilde Mattheis vom linken Flügel der SPD scheint diesen Kurs mit grossem Einsatz fortzufahren. In den Medien gab sie in den letzten Tagen interessante Aussagen zum Thema „Geschwisterkinder“ zum Besten.

Nach dem Motto: „Warum sollten 10 Geschwisterkinder in Afghanistan nicht das Recht haben, zur Familie in Deutschland (nach)zuziehen, wenn ein Kind bereits in Deutschland ist?“

Der entsprechende Gesetzesentwurf in der SPD-Fraktion wird wohl „GesNaGes“ heissen, „GeschwisterkinderNachzugsGesetz“.

Viele fragen sich: Seitwann vertritt die SPD die Interessen von Geschwisterkindern in Afghanistan??

walter w e r n e r
6 Jahre her
Antworten an  Saskia

an Saskia; …schon immer !

Old-Man
6 Jahre her

Die Bayernwahl wird für die CSU zur Qual,denn wie will der Drehhofer Horst bis zur Wahl Ergebnisse erreichen?In der Berlin hocken die beisammen,die in Bayern gewählt wollen werden,und die Roten werden alles daran setzen,das der Horst kein Land sieht in Berlin! Die absolute Mehrheit ist wohl für die CSU nur noch eine Fata Morgana,nicht mehr,denn womit wollen sie den Aufstieg der AfD in Bayern denn noch bremsen? Mit den „markigen“Worten von Nazis werden sie keinem Blumentopf mehr gewinnen,die Zeit ist vorbei,Ich meine auch die Zeit der CSU als Maßstab der Politik im konservativen Sinn,dazu hat der Horst die Partei zu… Mehr

DavidGoldstein
6 Jahre her

Wer dem Horst noch 1 Wort glaubt, ist selber einer. Grade in der Bildzeitung gelesen: „Seehofer macht beim Familiennachzug Ernst!” Von Massenabschiebungen 100.000er ist keine Rede mehr. Naja, ist ja eh schon zu spät. Ich bereite dann mal die Auswanderung meiner Familie vor…

Leviathan
6 Jahre her
Antworten an  DavidGoldstein

Ich bereite auch die Auswanderung vor. Merkelland ist bald abgebrannt!

Wolfgang Schuckmann
6 Jahre her
Antworten an  Leviathan

Wie gerne würde ich mich Ihnen anschließen.Bedauerlicher Weise lässt das mein Alter nicht mehr zu. Hoffe nur dass das Messer noch nicht gefertigt ist, um einen alten „Mitesser“ dann zu beseitigen, wenn man in diesem Land die Oberhand gewonnen hat.

Steuerzahler7766552
6 Jahre her
Antworten an  Leviathan

Wir wandern auch aus.

walter w e r n e r
6 Jahre her
Antworten an  DavidGoldstein

warum den ? Gerade jetzt ist Standfestigkeit und dagegenhalten angesagt !