Was kommt nach der kleinen Dreier-Gro-Ko? Die noch kleinere grün-schwarz-rote Vierer-Ko.

Die runderneuerte GroKo wäre wohl nur eine Übergangslösung hin zu einer schwarz-rot-grünen (oder schwarz-grün-roten) Bundesregierung.

© Sean Gallup/Getty Images

Der nach längerem Tauziehen inzwischen getroffene Kompromiss zur Fortführung der Große Koalition (Gro-Ko) genannten Verlierer-Koalition aus CDU, SPD und CSU ist die logische, um nicht zu sagen zwingende Folge von folgenden Umständen:

1. der Herausbildung eines christ-sozialdemokratischen Grundkonsenses, der nicht nur von den jeweiligen Parteiführungen, sondern auch von einem erheblichen Teil ihrer Mitglieder, Anhänger und Wähler getragen wird. Er hat sich zwar nicht erst, dafür aber maßgeblich während der letzten Legislaturperiode herausgebildet und zeichnet sich hauptsächlich durch folgende Merkmale aus:

  • Ausbau des globalen Freihandels zur Förderung der Exportwirtschaft
  • Ausbau des EU-Binnenmarktes durch zusätzliche Mitglieder
  • Öffnung der Arbeitsmärkte für Zuwanderer aus Europa und der ganzen Welt
  • Nutzung des Asylrechts als Instrument der Zuwanderung
  • Anwendung des Bail-out-Prinzips in der EURO-Zone
  • Schrittweiser Ausbau der EURO-Zone zu einer Transferunion
  • Schrittweise Aufgabe der nationalen Souveränität zugunsten supranationaler Institutionen
  • Drosselung der Staatsverschuldung
  • Weiterer Ausbau des Sozialstaats unter Einschluss von Zuwanderern
  • Umstieg auf erneuerbare Energien
  • Gleichstellung von Frauen und Förderung von Minderheiten

Diese Auflistung, die sich problemlos noch um zahlreiche Punkte erweitern ließe, macht deutlich, dass CDU, SPD und CSU in grundlegenden politischen Fragen weitaus mehr übereinstimmen als auseinanderliegen.

2. Der christ-sozialdemokratische Grundkonsens hat somit zwar eine breite inhaltliche wie auch gesellschaftliche Basis; er hat bei der letzten Bundestagswahl von den Wählern trotzdem nur noch eine knappe Mehrheit von etwas mehr als 53 Prozent erhalten. Nicht nur an den Rändern des politischen Spektrums, sondern auch in dessen Mitte gewinnen alte und neue Parteien Zuspruch, die den herrschenden Grundkonsens nur eingeschränkt oder auch gar nicht teilen. Schon jetzt haben sowohl die bisherigen Volksparteien deswegen ihre Fähigkeit verloren, alleine oder mit einem kleineren Partner eine Regierung zu stellen. Gefordert sind inzwischen Dreier- bzw. (bei getrennter Betrachtung von CDU und CSU) Viererbündnisse, um rechnerisch noch ohne die jeweils andere „Volkspartei“ regierungsfähig zu sein.

Augen zu ist keine Strategie
Von der Staatsverwahrlosung in die Verfassungskrise
In einer solchen Situation bleiben den bisherigen Koalitionären nur drei Möglichkeiten. Entweder verzichten sie auf eine Regierungsbeteiligung oder sie suchen sich zwei andere Partner oder sie führen ihre bisherige Koalition fort, solange dies rechnerisch noch möglich ist. Da die Christdemokraten für sich die erste Option von vornherein ausschlossen, während die Sozialdemokraten sie für sich zunächst vorzogen, mussten sich CDU und CSU auf die Suche nach zwei neuen Partnern machen. In Gestalt der Grünen und der FDP wurden sie zunächst auch fündig. Die avisierte Jamaika-Koalition scheiterte dann aber daran, dass die FDP sich aus gutem Grund dem Ansinnen von CDU und CSU verweigerte, das Land auf Basis des geschilderten Grundkonsenses, ergänzt um einige grüne Punkte, weiter zu regieren. Die FDP forderte schon im Wahlkampf „Trendwenden“ in wichtigen Politikfeldern, die mit den Christdemokraten und den Grünen offenkundig nicht zu realisieren sind.

Die bisherigen Koalitionäre kehrten angesichts dieser Sachlage zum Naheliegendsten zurück und entschieden sich mittlerweile zur Fortsetzung ihrer bisherigen Politik auf Basis ihres christ-sozialdemokratischen Grundkonsenses. Da dadurch das Risiko eines zunehmenden Stimmenverlustes für alle drei beteiligten Parteien weiter steigt, waren insbesondere die SPD und die CSU während der Verhandlungen enorm bemüht, ihren Mitgliedern und Wählern jeweils zu zeigen, wieviel sie von ihren Wahlversprechen in den neuen Koalitionsvertrag reinverhandeln konnten. Die CDU verzichtete hingegen von vornherein auf irgendwelche inhaltliche Festlegungen und begnügte sich mit der Botschaft, weiterhin die Kanzlerin zu stellen, deren christ-sozialdemokratische Grundausrichtung und Flexibilität inzwischen ja allseits bekannt ist. Dafür war sie schließlich auch bereit, der SPD die Schlüsselressorts Finanzen, Außenpolitik sowie Arbeit und Soziales zu überlassen, wodurch die neuaufgelegte GroKo einen noch stärkeren sozialdemokratischen Anstrich erhält als die alte.

Es war einmal
Die Alternativlose 0.4
Die CDU-Führung nimmt damit in Kauf, bei der nächsten regulären (oder vorgezogenen) Bundestagswahl unter die 30-Prozent-Marke zu fallen und so ihren Charakter als große Volkspartei zu verlieren. Eine erneute Fortführung der Gro-Ko mit der SPD wäre dann rechnerisch nicht mehr möglich, da diese ihrerseits mit weiteren Stimmenverlusten unter die 20-Prozent-Marke zu rechnen hat. Sie hätte in diesem Fall ihre Fähigkeit, eine Regierung anzuführen, endgültig verloren und wäre dauerhaft auf die Rolle des (für soziale Gerechtigkeit zuständigen) Juniorpartners reduziert. Dieses sehr wahrscheinliche Szenario scheint die derzeitige CDU-Führung allerdings nicht sonderlich zu kümmern. Sie will zwar mit Hilfe eines CSU-Innenministers an die AfD (und die FDP) verloren gegangene Wähler wieder für sich zurückgewinnen; sollte dies indes nicht gelingen und sich im Gegenteil der schon eingetretene Wählerschwund weiter fortsetzen, wird die CDU vermutlich erneut die Option eines Dreierbündnisses ziehen. Das wäre für die derzeitige Führung der Partei unter Merkel vorzugsweise wohl nicht Jamaika, sondern eine Koalition mit der CSU, der SPD und den Grünen. Mit ihr ließe sich das Land auf Basis des christ-sozialdemokratischen Grundkonsenses so lange weiterregieren, bis es auch hierfür bei den Wählern keine Mehrheiten mehr gibt. Die runderneuerte Gro-Ko ist insofern wohl nur eine Übergangslösung hin zu einer schwarz-rot-grünen-Ko oder schwarz-grün-roten Ko.

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Kommentare ( 91 )

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Reinhard Aschenbrenner
6 Jahre her

Ich muss dem Autor insofern widersprechen, als dass es für Massenzuwanderung aus den gescheiterten Gesellschaften dieser Welt und Massenauswanderung unseres Geldes in die gescheiterten Gesellschaften Europas unter den CDU-Anhängern sicher keine Mehrheit gibt. Das konnte ich bei einer öffentlichen Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung selbst sehen. Ich schließe mich da eher der Haltung des Autors Thomas Spahn an, der gut erklärt hat, dass die Mehrheit der Christdemokraten nicht zur Revolution neigt, inzwischen aber außer dem totalen Rückzug kaum eine andere Wahl hat. Das Merkel hingegen keine Skrupel hätte, mit Grünen und SPD eine außen- und migrationspolitisch linksradikale Regierung zu bilden, ist hingegen… Mehr

Roland Springer
6 Jahre her

Lieber Herr von Riegen, die von mir skizzierte Prognose ist nur eines von mehreren, in der gegenwärtigen Lage nach meinem Dafürhalten allerdings wahrscheinlichste Szenario. Sollte sich die wirtschaftliche Situation verschlechtern, entsteht eine neue Lage. Die politischen Karten werden dann ebenfalls neu gemischt.

Viktor Wallenstein
6 Jahre her

Läuft also doch alles auf ein Zweiparteien-System hinaus…
die vereinigte Volkskammer gegen die AfD 😉
Obwohl ich eine zukünftige Fusion von Rot Rot Grün als wahrscheinlicher halte, aus der reinen Notwenigkeit heraus.

Roland Springer
6 Jahre her
Antworten an  Viktor Wallenstein

Für Rot-Rot-Grün wird es angesichts des Niedergangs der SPD wohl nicht mehr reichen.

Dr No
6 Jahre her

Es muss eben noch VIEL schlimmer kommen, bevor der Michel aufwacht.
Schwarz-Rot-Grün-Ko(hl) wird ihm definitiv den Magen verderben: ungebremmste Masseneinwanderung in die soziale Hängematte auf Kosten arbeitender deutscher Bevölkerung, kaputte Straßen, Brücken und Schulen, hochkriminelle no-go-areas sowie ein in sich zusammenbrechendes und unbezahlbares Energiesystem, während für Deutsche weder (Sozial)Wohnungen noch eine auskömmliche Rente übrig bleiben.

Heinz Stiller
6 Jahre her

Der Schluss von Herrn Springer, dass die GroKo bei Stimmenerosion die Grünen mit ins Boot holen wird, ist politisch logisch. Ich habe das hier schon gelegentlich gesagt. Bei der gegenwärtigen Umfragelage ergäbe das eine bequeme Mehrheit – theoretisch. Allerdings müssen wir berücksichtigen, dass grosse Koalitionen die an der Koalition beteiligten Parteien schrumpfen lassen, u.a. weil die politischen Konturen der Regierungsparteien verwischt werden. Es kommt bei der Regierungspolitik eine schwer zuzuordnende, meist politisch inkohärente Mischung heraus, die wenig sinnhaft oder attraktiv erscheint. – Wie Herr Goergen hier schon zutreffend aufgrund der Umfragedaten festgestellt hat, sind SPD und CDU im langfristigen Abwärtstrend,… Mehr

Roland Springer
6 Jahre her
Antworten an  Heinz Stiller

Damit es für Schwarz-Rot-Grün oder Schwarz-Grün-Rot nicht mehr reicht, müssen noch ziemlich viele CDU- und SPD-Wähler zur AfD, FDP und Linken überlaufen. Aktuell verfügen CDU/CSU, SPD und Grüne zusammen noch über ca. 60 Prozent.

Johann Vetter
6 Jahre her

GroKo?
ViererKo?

Nein : „K.o.“. Einfach nur fertig. Am Boden.

Koko Lores
6 Jahre her

Ich fürchte es ist völlig egal welche Bündnisse und Koalitionen sich in zwei, vier oder mehr Jahren herausbilden werden. Es wird jetzt dermaßen auf das Gaspedal getreten um das EU und Bevölkerungsprojekt in kürzester Zeit soweit zu bringen das es kein zurück mehr geben kann. Wenn von den im Text beschriebenen Punkten auch nur ein Teil in den nächsten Jahren realisiert wird, war es das für Deutschland. Es wird dieses Land so wir wir es kennen in ein paar Jahren nicht mehr geben. Deutschland wird eine verblassende Randnotiz im untergehenden EU-Sozialismusgebilde. Aber die Mehrheit der Deutschen will das so. Da… Mehr

Humerd
6 Jahre her

Deutsche Polituker und mainstream Journalisten sind meilenweit von echter Dmokratie entfernt. Sie können nur in Koalitionen denken.
Eine Minderheitenregierung kommt erst gar nicht in Betracht. Die wäre zwar für die Kanzlerin unbequem, müsste sie sich doch für ihre Vorhaben Mehrheitn such und mal argumentativ unterwegs sein, gäbe aber den Oppositionspartei die Gelegenheit sich einzubringen.
Die Angst vor der AfD aber verhindert echte Demokratie.

Dieter Doerr
6 Jahre her

„Die runderneuerte Gro-Ko ist insofern wohl nur eine Übergangslösung hin zu einer schwarz-rot-grünen-Ko oder schwarz-grün-roten Ko.“ –

Oder eben hin zu einer einzigen schwarz-gelb-dunkelrot-rot-grünen Blockpartei! Wenn die AfD nicht 50%+x schafft, wird genau das als Regierung kommen – falls es nicht schon vorher einen Bürgerkrieg gibt!

antipodean
6 Jahre her

Wenn man betrachtet, wie viele der genannten 11 Themen starke Opposition in der Bevoelkerung ausloesen, dann sieht man für die Demokratie in Deutschland schwarz. Selbst wenn es für die meisten Themen eine Mehrheit im Bundestag oder sogar in der Bevölkerung gibt: wer die Demokratie als die Diktatur der Mehrheit versteht, wird letztlich vom Volkszorn weggefegt.