Warum Tönnies beim Thema Afrika nicht falsch liegt

Der Schalke-Boss geißelt sich für seine angeblich rassistischen Aussagen. Dabei hatte er – wenn auch rhetorisch grob – einen wichtigen Punkt getroffen.

Lars Baron/Bongarts/Getty Images

Der Fleisch-Unternehmer und Schalke-Aufsichtsrats-Chef Clemens Tönnies betrat kürzlich beim Tag des Handwerks in Paderborn ein vermintes Diskursgelände: Afrika und Demografie. Ob in der Migrationsfrage, in der Debatte um die Rückständigkeit vieler afrikanischer Länder oder in der Klimadiskussion – das Thema wird in aller Regel sorgfältig ausgespart. Tönnies formulierte seinen Satz ziemlich flapsig: Man solle lieber zwanzig Kraftwerke in Afrika finanzieren, statt in Deutschland höhere Steuern auf CO2 zu planen. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn es dunkel ist, Kinder zu produzieren.“ 

Wahrscheinlich hätte der Wurstfabrikant sich intellektuell anspruchsvoller ausdrücken können. Aber auch das hätte ihn nicht vor der medialen Verurteilung geschützt. „Wer mit solchen Stammtisch-Parolen öffentlich auftritt, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem“, wetterte die Neue Westfälische: Ein „platter Vorschlag …, der in üblem Rassismus gipfelt.“ Die WELT meinte: „Tönnies Satz gleicht einer moralischen Bankrotterklärung“.

Tönnies leistete per Twitter um Abbitte: „Ich möchte meine Aussage zum Thema Auswirkungen beim Klimawandel richtigstellen. Ich stehe als Unternehmer für eine offene und vielfältige Gesellschaft ein. Meine Aussagen zum Kinderreichtum in afrikanischen Ländern tun mir leid. Das war im Inhalt und Form unangebracht.“ Als Buße lässt er sein Amt Schalke vorerst ruhen.

Dabei steht seine Grundaussage weder der offenen Gesellschaft entgegen, noch ist sie gegen Afrika gerichtet. Denn sie lautet: Es gibt einen engen Zusammenhang von Demografie und Wohlstand. Dort, wo die wirtschaftliche Entwicklung stabil läuft, sinkt die Geburtenrate – und stabilisiert ein Land weiter. Das ist in jeder Hinsicht gut, humanitär, ökonomisch wie ökologisch. In Afrika liefert Botswana genau diesen Beweis, der in Europa von vielen Wohlmeinenden ignoriert wird.

Das Land zwischen Namibia und Simbabwe stieg seit seiner Unabhängigkeit 1969 von einem der ärmsten afrikanischen Staaten zu einem der wohlhabendsten in der Subsahara auf. In dem südafrikanischen Land herrscht Demokratie, die Gewaltenteilung funktioniert, auf dem Korruptionsindex von Transparency International rangiert es auf einem besseren Platz als Italien. Das Bruttoinlandsprodukt stieg von 1,175 Milliarden Dollar 1989 auf 18,61 Milliarden 2018.

Es existiert – für Afrika höchst selten – ein bescheidenes staatliches Rentensystem (Altersgrenze: 65 Jahre). Das Land entwickelt sich nicht nur trotz aller Probleme wie HIV ökonomisch erfolgreich, es zählt auch zu den liberalsten des Kontinents. Es gibt Meinungsfreiheit und Medienvielfalt; 2019 schaffte Botswana die Strafvorschriften gegen Homosexualität ab.

In den langen Jahren der Prosperität sank die Zahl der Kinder pro Frau kontinuierlich. Heute liegt sie bei 2,25, und damit nur knapp über der Bestandserhaltung (2,1).

Alles zusammen, Wachstum und Liberalität, führt dazu, dass praktisch kaum ein Einwohner Botswanas versucht, nach Nordafrika und von dort über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Im Gegenteil: in das Land flohen in den vergangenen Jahren Zehntausende aus dem ruinierten Nachbarland Simbabwe. Botswanas Migrationsrate liegt aktuell bei plus 4,4 pro tausend Einwohner.

Rückfall in die Zeit der Ketzer-Verfolgung
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Das kleine südafrikanische Land zeigt exemplarisch, dass überall dort die Geburtenrate auf ein vernünftiges Maß sinkt, wo Stabilität und wirtschaftlicher Aufschwung vorherrschen. Seine elektrische Energie produziert das Land ganz überwiegend durch Kohleverstromung (29 Prozent), 71 Prozent seines Stroms importiert es aus Südafrika. Allerdings gibt es auch größere Solarstrom-Projekte. Bis 2030 will Botswana 30 Prozent seines Strombedarfs aus dieser Quelle decken. Da sowohl Sonnenscheindauer als auch Strahlungsintensität um einiges höher liegen als in Europa, ist die Produktion von Solarenergie auch deutlich günstiger. Aber ein Land muss sich diese Investitionen auch erst einmal leisten können. Solarkraftwerke werden nicht in bettelarmen, zerrütteten Ländern entstehen. Übrigens kommt in Botswana aber niemand auf die Idee, grundlastfähige Kraftwerke durch Solaranlagen ersetzen zu wollen. Niemand plant dort einen Kohleausstieg.

Tönnies hat auch in dem anderen von ihm angesprochenen Punkt Recht: Raubbau an der Natur ist in Afrika eine unmittelbare Folge von Armut und wirtschaftlicher Stagnation. In vielen Staaten verwenden die Einwohner Feuerholz als billige Energiequelle, was vor allem in Ländern mit starkem Bevölkerungswachstum zu Entwaldung und Bodenerosion führt.

Der Verfall traditioneller Bewässerungssysteme und der nachhaltigen Landwirtschaft in etlichen Staaten sind Folgen von Krieg und Zerrüttung und nicht von Klimawandel. Und am Beispiel Nigerias, dessen Bevölkerung von fast 200 Millionen Menschen bei einer Geburtenrate von 3,65 trotz einer Nettoauswanderung (minus 0,22 per Tausend) die der USA noch in diesem Jahrhundert überholen wird – freilich auf einem deutlich kleineren Territorium – kann jeder studieren, wie die demografische Explosion jede Chance auf Wirtschaftswachstum und Stabilität zunichte macht, Gewalt fördert und zur hoffnungslosen Übernutzung natürlicher Ressourcen führt.

Das katastrophale Bevölkerungswachstum in afrikanischen Ländern ist praktisch kein Thema für diejenigen in der ersten Welt, die Predigten zum „Erdüberlastungstag“ halten und von Klimakatastrophe sprechen. Gegen diesen Konsens hat Clemens Tönnies offenbar verstoßen.

Dabei trifft er den entscheidenden Punkt: Ja, statt in Deutschland über eine CO2-Steuer zu debattieren, wäre es ökonomisch vernünftig und ökologisch verantwortlich, mit Krediten und Bürgschaften moderne Kraftwerke in den afrikanischen Staaten zu fördern, die schon halbwegs stabile Bedingungen bieten. Denn die könnten dann mit etwas Glück dem Beispiel Botswanas und nicht dem Nigerias folgen.

Praktisch das gleiche Muster wie bei der medialen Erregung über Tönnies zeigte sich schon in der orchestrierten Empörung über den Afrika-Beauftragten der Bundesregierung Günter Nooke: der hatte gegen das linke Narrativ verstoßen, die Kolonialzeit und den Westen für alle Probleme Afrikas verantwortlich zu machen.

Eine Debatte über Sachverhalte kostet Anstrengung. Die leitartikelnde moralische Aburteilung für eine Wortwahl überfordert dagegen keinen Qualitätsmedien-Mitarbeiter. Das beste daran: Um in einem Kommentar Rassist! zu rufen, muss niemand etwas über Afrika wissen.

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Kommentare ( 129 )

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handwerk
4 Jahre her

Herr Tönnies hat einen Sachverhalt richtig beschrieben.
Die meisten Menschen haben Sex im Dunkeln.

Danton
4 Jahre her

Mit ihren Vorschlägen zerstören sie das finanzkräftigste Unternehmen das in vielen Afrikanischen Staaten, seit Jahrzehnten der Garant für Stagnation, Überbevölkerung und schlechte Politik ist. Die Entwicklungshilfe-Industrie. Wäre Afrika in der Lage eigenständig für seine Menschen zu sorgen, dann würde in Europa ein Milliardenumsatz verschwinden und viele tausende Menschen stünden ohne sinnvolle Beschäftigung da.

Karl Napf
4 Jahre her

Botswana bestätigt Tönnies?
Dann sind das logischerweise Rassisten.

Cethegus
4 Jahre her

„Es bleibt die Hoffnung, dass damit das Thema Bevölkerungswachstum endlich im breiten Diskurs angekommen ist.“

Nö, nicht wenn die Mainstreammedien es verhindern können!!!!

Thorsten
4 Jahre her

Ich habe das Thema auch gegenüber weniger nah Bekannten angesprochen und die meisten akzeptieren diese Argumente. Schon erstaunlich, wie sehr Medien und gelebte Wirklichkeit mittlerweile auseinanderklaffen. Es lässt sich nur noch mit „DDR 2.0“ bezeichnen…

Tinu
4 Jahre her

Tönnies hat einen Sachverhalt flapsig und richtig beschrieben. Was das mit Rassismus zu tun hat? Die Rassismus-Keule ist hier der Ausdruck purer Denkfaulheit und der Lust an der Diffamierung: Wie sich die Schweine im Dreck suhlen, so ergötzen sich die Gutmenschen daran, wieder einen vermeintlichen Rassisten erwischt zu haben. Tönnies hätte sich nicht entschuldigen, sondern noch eins draufsetzen sollen. Dieselben Leute, die Tönnies des Rassismus bezichtigen, finden es obercool, wenn Frauen in Europa auf Kinder verzichten und gar bereit sind, einen Balg abzutreiben, um die Erde nicht zu belasten. Die Wohlstandsgesellschaft schafft es also, Leute zur Minus-Geburtenrate zu motivieren –… Mehr

Thorsten
4 Jahre her
Antworten an  Tinu

Als ob Afrikaner eine „Rasse“ ist. Diese „Frömmler“ nerven nur noch. Es wird Zeit sie auf ihre Hofnarrengröße zurechtzuweisen.

Lizzard04
4 Jahre her

Normaler Weise freue ich mich, wenn Schalke die Hucke voll kriegt, aber diesmal ist es anders (auch wenn man das natürlich nicht 1:1 vergleichen kann, schon klar). Die Beschimpfung und Denunziation des Schalke Bosses beweist ein weiteres Mal, in was für einem vergifteten und verlogenen gesellschaftlichen Klima wir mittlerweile leben. Freie Meinungsäußerung wird nur denen zugestanden, die ständig moralisierend die einzig „wahre Haltung“ zeigen. Jegliche Abweichung wird bekämpft, sein Urheber an den vermeintlichen öffentlichen Pranger gestellt. Eine sachliche, auf Fakten basierende öffentliche Diskussion findet nicht mehr statt. Statt dessen Empörung und Stigmatisierung. Es ist nicht mehr zum Aushalten, vor allem,… Mehr

WandererX
4 Jahre her

Was früher die Welt um die Kirche war, die Welt der frömmelnden Lügen und Unterstellungen, das ist immer stärker in die Welt der Politik und der Medien abgewandert. Die Welt der kleinkarierten Vorteilsgewinner, Schleimer und Kriecher hält sich seit langem schon dort auf. Von daher wird auch jeder Mann mit einem klaren Wort sofort s Ketzer gebrandmarkt und an den Pranger gestellt! Dmait muss man natürlich rechnen,w enn man etwas Provokantes sagt. Ich verstehe Tönnies in diesem Sinne nicht, dass er dann sofort umkippt. Ist er so naiv? Sein Spruch war ja keineswegs erniedrigend oder ausgrenzend, er behauptet einfach, dass… Mehr

Piet L.
4 Jahre her

Natürlich liegt Tönnis nicht falsch. Falsch liegen die ewig verlogenen, linksgrünen Gutmenschen, die sich vehement feige drücken zum Problem Überbevölkerung Stellung zu beziehen.
Ständig treiben die mit Hilfe vieler Medien eine andere Sau durchs Dorf, jetzt ist wieder der Fleischesser und der Landwirt am Pranger. Das ist so verlogen.

Oblongfitzoblong
4 Jahre her

Nachdem die „Nazi-Keule“ durch allzu häufigen Gebrauch abgenutzt ist, kommt jetzt die „Rassismus-Keule“ dran. Die Kommunikation, oder gar eine inhaltliche Auseinandersetzung, muss unterbunden werden. Frau Roth wittert ja auch schon wieder überall Rassismus. Einschüchtern allenthalben.