Warum spricht Schulz von den „Vereinigten Staaten von Europa“?

Alle reiben sich die Augen: Was bringt SPD-Chef Martin Schulz dazu, von den „Vereinigten Staaten von Europa“ zu fabulieren, die in sieben Jahren verwirklicht werden sollen?

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Martin Schulz treibt selbst einen publizistischen Helfer zur Verzweiflung. Selbst DIE ZEIT kommentierte: „Wer jetzt eine europäische Verfassung fordert, ist entweder naiv, oder er handelt verantwortungslos. Die erste Variante dürfte im Fall von Martin Schulz ausscheiden. Er war lange genug Präsident des Europäischen Parlaments, um die Stimmungen in den Mitgliedsländern einschätzen zu können. Viel wahrscheinlicher ist, dass Schulz nach einem Vorschlag gesucht hat, mit dem er die Basis der SPD hinter sich bringen kann. Dazu passt, dass das Ziel nach seinen Vorstellungen im Jahr 2025 umgesetzt sein soll, 100 Jahre, nachdem die Sozialdemokraten einen solchen Schritt erstmals gefordert haben. Wenn die europäische Integration zum Instrument parteipolitischer Ränkespiele wird, dann wedelt der Schwanz mit dem Hund.“

Eine Verzweiflungsparole

Das mag eine Rolle spielen, aber die Erklärung ist eine andere: Schulz hat sich im Wahlkampf und in der deutschen Öffentlichkeit lächerlich gemacht. Er hat in den Fernsehtalkshows den verständnisvollen, stets mit dem Kopf nickenden Onkel aus Würselen gegeben und geglaubt, mit der alten Leier von der „sozialen Gerechtigkeit“ könne er die Mehrheit bekommen. Im Überschwang der Emotionen deutete er auf dem Höhepunkt des „Schulz-Hypes“ größenwahnsinnig als Alternative an, die absolute Mehrheit für die SPD sei in Griffweite oder Merkel könne unter seiner Kanzlerschaft Ministerin werden – um dann das historisch schlechteste Wahlergebnis seit 1949 einzufahren.

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Dann las man in den Medien, Emmanuel Macron habe mit einem dezidiert europafreundlichen Kurs die Wahlen in Frankreich haushoch gewonnen. Dass Macron zugleich auch ein Bewunderer der Schröder’schen Agenda 2010 ist und bei den Wahlen offensiv für Arbeitsmarktreformen in Frankreich geworben hat, die in eine ähnliche Richtung gehen, wurde dabei unterschlagen und wird von denen, die sich hierzulande auf Macron berufen, gerne vergessen.

Besonders „kluge“ deutsche Journalisten fragten nach Macrons Wahlsieg, warum der „ausgewiesene Europapolitiker“ Schulz sich als Bürgermeister von Würselen unnötigerweise klein gemacht habe, statt das Thema „Europa“ ganz, ganz groß zu spielen. Schulz ist jetzt so verzweifelt, dass er nach jedem Strohhalm greift. Im Hinterkopf hat er, dass es vielleicht sogar zu Neuwahlen kommen könne – für diesen Fall hofft er nun, mit dem Thema Europa zu punkten. Menschen, die unsicher sind in ihren Entscheidungen, sind stets umso offener für Einflüsterungen „guter Ratgeber“.

Steilvorlage für AfD und FDP

„Was halten Sie von der Forderung, die Europäische Union bis 2025 zu den ‚Vereinigten Staaten von Europa’ umzubauen?“, fragte jetzt das Emnid-Institut. Nur 30 Prozent der Deutschen sind dafür. Darunter dürften manche Grünen-Anhänger sein, die schon lange von einer Abschaffung von Deutschland träumen. Nehmen wir an, die GroKo-Gespräche scheitern und es kommt doch zu Neuwahlen: Wollte Schulz mit seiner Parole von den „Vereinigten Staaten von Europa“ in den Wahlkampf ziehen, dann wäre das eine Steilvorlage für AfD und FDP, denn die Wahlen könnten zu einer Abstimmung werden, ob man dafür ist, Deutschland abzuschaffen.

Die CDU will Deutschland auch in einem Euro-Superstaat aufgehen lassen, sagt es aber nicht so laut, weil sie weiß, dass sie damit ihre Wähler verschrecken würde. Aber die CDU könnte keinen dezidierten Wahlkampf für die Beibehaltung des Nationalstaates führen, ohne unglaubwürdig zu werden. Das könnten nur AfD und FDP. Und wenn mal ein Institut die Frage etwas anders formulieren würde, nämlich: „Sind Sie für die Abschaffung von Deutschland und für eine europäische Transferunion, in der deutsche Steuergelder verstärkt in die Südländer fließen?“, dann wäre außer den Linksextremisten von der „antideutschen“ Fraktion und ihren Gesinnungsfreunden um Claudia Roth keiner mehr dafür. Ich vermute, 90 Prozent würden sagen, „Nein, das wollen wir nicht“.

In Deutschland gab es seinerzeit keine Abstimmung über die EU-Verfassung. In Frankreich und den Niederlanden scheiterte die Abstimmung über eine europäische Verfassung im Mai/Juni 2005. Das war wohlgemerkt lange vor der Euro- und der Flüchtlingskrise, als das Image Europas noch viel besser war. Heute würden solche Abstimmungen noch deutlicher ausgehen. Wenn Schulz – wie er auf dem SPD-Parteitag sagte – alle aus Europa rausschmeißen will, die gegen die Abschaffung der Nationalstaaten sind, dann kann man vermuten, dass mehr oder minder alle „rausgeschmissen“ werden.

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Kommentare ( 76 )

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Grumpler
6 Jahre her

Schulz’ Partei rast den Abhang hinab und er gibt noch Gas in dem Glauben, dadurch fliegen zu können.

Sven Busboom
6 Jahre her

Ein wichtiges Thema falsch transportiert. Angesichts der sich ändernden Kräfte in der Weltpolitik, ist eine gemeinsame europäische Haltung wünschenswert. Ja. Aber diese Haltung kann sehr wohl auch aus einem Europa der „Vaterländer“ heraus kommen, das die Souveränität der Nationen achtet und respektiert. Das schaffen wir! Der Unions-Gedanke und die faktische Auflösung der Nationalstaaten ist Nonsens. Das haben Sie in dem Artikel gut anklingen lassen und wird auch an anderen Stellen deutlich. Schade, am Ende leidet die gute Verständigung, die wir unter der Völkern Europas in den letzten Jahrzehnten genossen haben.

Karvo
6 Jahre her

Was diese politische Elite mit Europa vor hat,kann man sich bei der Rede von
Sarkozy 2008 anhören.Auch gegen den Widerstand der Bürger in Europa wollen sie das durchziehen. Googeln –Sarkozy 2008–

Mausi
6 Jahre her

Kürzlich habe ich mir zufällig zu diesem und ähnlichen Themen ein paar Notizen gemacht. Es waren nur ein paar Gedanken, aber bei Schulz‘ Forderung nach den Vereinigten Staaten von Europa musste ich die Notizen wieder rausholen. Politikern fehlt heute jede Demut, dafür haben sie jede Menge Hybris und verfallen immer mehr in Größenwahn (Weltrettung, Weltklimarettung, Flüchtlinge, Vereinigte Staaten von Europa etc.). Je mehr kleine Baustellen sich direkt vor der Nase auftürmen, desto stärker ist man geneigt, sich immer neueren Dingen zuzuwenden, neue Projekte zu starten und einen Neuanfang zu wagen, weil man sich dann mit den kleineren, offensichtlichen Problemen nicht… Mehr

Geraldine Halder
6 Jahre her

Es existiert in diesem EU-Verein ja nicht einmal eine Regelung für den Austrittsfall, siehe Brexit. Bevor also irrsinniger Weise noch mehr zusammengeschweisst und -gepfercht werden soll, doch bitte erst einmal einen geregelten Austrittsmodus definieren. Jeder Ortsverein hat auch Kündigungsregelungen und Austrittsmöglichkeiten.

Udo Kemmerling
6 Jahre her
Antworten an  Geraldine Halder

An dieser kruden Mischung aus Hybris und kompletter Realitätsverweigerung erkennt man unschwer wes Geistes Kind unsere „führenden Europäer“ sind. Schock nach dem Brexit, davor schon Ratlosigkeit beim Umgang mit dem Referendum in Schottland (Handlungszwang blieb dann zum „Glück“ für die Supereuropäer aus), und schließlich komplettes intellektuelles Versagen in der Causa Katalonien. NICHTS ist geregelt, außer der wahnhaften Annahme eines automatisch fortschreitenden Integrationsprozesses in eine Vereinigte FataMorganaUnion der zukünftigen Bürokratieopfer. Schulz, der Einpeitscher einer SPD auf dem geraden Weg ins Vergessen, getrieben von einem Versagen nach dem anderen, immer auf der Suche nach einer neuen noch größeren Utopie, die noch unmöglicher… Mehr

hassoxyz
6 Jahre her

Wir werden von Träumern und Spaßpolitikern regiert, die von der Realität nichts wissen wollen, sondern nur ihren wilden Fantasien von der Abschaffung Deutschlands in einem europäischen Superstaat nachgehen. Daß Grüne, Linke und große Teile der SPD das so wollen, ist schon lange bekannt und sollte keinen mehr wundern. Neu ist allerdings, daß auch die ehemals konservative Union mit ihrer Spaßvorsitzenden Merkel auf diesen Kurs eingeschwenkt ist. Darüber sollten sich alle CDU-Wähler im Klaren sein. Wer CDU wählt, wählt nicht mehr wie früher die Stabilisierung unseres Landes, sondern die Zersetzung und Beseitigung. Mit der rechtswidrigen Politik der offenen Grenzen von 2015… Mehr

petsto
6 Jahre her

Ich bin sicher in der Minderheit doch ich begrüße die Idee der Vereinigten Staaten von Europa.
Dennoch muss die EU demokratischer und transperanter werden. Zudem sollten wir kein Land dazu zwingen, wenn sie es nicht wollen.
Wenn Bundestage dieses Kontinents eine ähnliche Rolle wie Landtäge bekämen weiß ich nicht, was daran schlecht wäre.

Der Skorpion
6 Jahre her
Antworten an  petsto

Die Vereinigten Staaten von Europa werden sicher irgendwann kommen, aber nicht bis 2025 und schon gar nicht durch das Geunke eines Schaumschlägers wie Schulz. Europa ist tatsächlich der größte Wirtschaftsraum der Welt und könnte sich als einheitlicher Machtblock spielend mit den USA und China messen. Doch davon sind wir noch Generationen weg. Manchmal habe ich den Eindruck, dass durch die zugelassene Massenmigration der letzten Jahre die Denationalisierung der europäischen Staaten -vor allem in Deutschland – vorangetrieben werden soll. Da diese Migration aus vornehmlich muslimischen Ländern (c.a. 75%) stattfindet, halte ich das für ein äußerst gefährliches Sozialexperiment, denn ich kann nicht… Mehr

Teilhaber
6 Jahre her
Antworten an  Der Skorpion

Die Vereinigten Staaten werden nicht kommen, da einige EU- Länder in Zukunft mehr und mehr vom Islam verseucht sein werden und andere EU-Länder sich von diesen distanzieren werden um ihre eigene Bevölkerung vor dem Unglück zu bewahren.

Keno tom Brok
6 Jahre her
Antworten an  petsto

Ja, stimmt. Und wenn der Weihnachtsmann den Osterhasen heiratete, dann gäbe es märchenhaften Nachwuchs – natürlich gendergerecht. Man muss nur ganz fest daran glauben!
Toi, toi, toi!

josefine
6 Jahre her

„Die Flüchtlingswelle ab 2015 war perfekter Anlass, diese Ziel zu erreichen.“
Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Völkerwanderung sogar herbei geführt wurde, indem kein Staat bereit war, den Flüchtlingen in den Lagern im Libanon etc. mehr Geld zur Verfügung zu stellen, damit sie ein menschenwürdiges Leben haben konnten.
Lange genug hatte die UNESCO darauf hingewiesen, dass das Geld für die Versorgung knapp wurde. Deutschland (u.a.) hat das ignoriert und so dazu beigetragen, dass sich die Menschen in Gang setzten.
Ich denke oft, dass alles so gewollt war.

Felix Schmidt
6 Jahre her

Die EU zerfällt, konservative (böse rechte) Parteien gewinnen an Stärke und Schulz und die SPD haben nichts besseres zu tun, als über einen europäischen Superstaat zu phantasieren. Das geht an den Interessen der Wähler und Wählerinnen 100% vorbei. Es müssen die Krisen in Deutschland gelöst werden, allen voran die Migrationskrise. Es darf keine weitere Zuwanderung mehr geben. Deutschland ist finanziell und kulturell bereits über die Belastungsgrenze hinaus!

Burkhard Minack
6 Jahre her

Alkoholismus hat meist sehr viel Selbstzerstörerisches. Viele, die nach Therapie, „weg vom Stoff“ sind, landen bei anderen Abhängigkeiten, werden zum Beispiel starke Raucher, Marathonläufer und/ oder temporäre Fitnessgurus. Martin Schulz scheint in Großmannssucht Kompensation für sein tiefes Verlangen gefunden zu haben. Von Sucht Besessene bringen oft andere in Co-Abhängigkeiten und zerstören dabei ganze Familien. Dieser Großmannssüchtige könnte mit seinen realitätsfernen Visionen gar die älteste Partei Deutschlands pulverisieren. Bei VISIONEN fällt mir natürlich immer der dem Helmut Schmidt nachgesagte Spruch* ein… Nur, was nützt es noch? Bei 82% Zustimmung durch die Co´s hilft der Espede doch nicht mal mehr eine Roßkur,… Mehr