Warum die Grünen so stark sind

Die Grünen bestimmen schon lange die gesellschaftlichen Diskussionen in Deutschland. Je mehr sich die anderen Parteien an sie angebiedert haben, desto stärker sind sie geworden: Die Bürger wählen jetzt das Original, nicht mehr die Kopien.

Adam Berry/Getty Images

„Bei vielen Fragen ist es heute schon so, dass die Grünen die Richtung vorgeben, dann die SPD nachzieht und schließlich die Union mit einem deutlichen Verzögerungseffekt nachhinkt … Die Einwirkungen der grünen Partei gehen weit über ihre Beteiligung an Landesregierungen und die in Wahlen dokumentierten Erfolge hinaus. Entscheidender ist, dass es den Grünen immer wieder gelang, politische Themen zu besetzen und die Meinungsführerschaft in der öffentlichen Diskussion zu übernehmen. Dies konnte jedoch nur geschehen, weil sie überdurchschnittlich viele Sympathisanten in den Medien hatten und haben und weil die Reihen ihrer natürlichen Widersacher, also parteipolitisch gesehen die CDU, bereits innerlich aufgeweicht waren und maßgebende Politiker der Union entscheidende Positionen der Grünen schon übernommen hatten.“

Diese Sätze habe ich nicht vor einem oder vor zwei Jahren geschrieben, sondern vor 24 Jahren (!), in meinem 1995 erschienenen Buch „Wohin treibt unsere Republik?“ In diesem Buch hatte ich versucht, längerfristige Entwicklungslinien für die politische Entwicklung der Bundesrepublik vorherzusagen. Der Befund aus dem Jahr 1995 zeigt, dass die Entwicklung, die gestern zu dem Ergebnis von 20,7 Prozent für die Grünen geführt hat, Folge einer langen Entwicklung ist. Freilich erfolgte diese Entwicklung nicht geradlinig – zwischendurch waren die Grünen manchmal so schwach, dass manche schon ihren Untergang vorhersagten.

Die Menschen wählen das Original und nicht die Kopie

Nach den Wahlen werden wir sehen, dass SPD und CDU/CSU uns erklären werden, sie müssten sich nun noch stärker für den Klimaschutz einsetzen. Dies sei die Lehre aus dem Ergebnis der Europawahl. Das ist natürlich absurd: Jemand, der den falschen Weg geht, meint, er müsse ihn nun noch schneller gehen, um ans Ziel zu gelangen.

Union und SPD haben doch schon seit Jahren das grüne Programm umgesetzt: Abschalten der Kernkraftwerke, Kohleausstieg, Umformung der Energiewirtschaft in eine Planwirtschaft usw. Jüngst haben sie begonnen, auch die Automobilwirtschaft planwirtschaftlich umzugestalten – mit sogenannten „Flottenzielen“ wird EU-weit vorgeschrieben, welche Autos produziert werden dürfen und welche nicht. Die Strategie der Anpassung an die Grünen und der Übernahme ihrer Themen hat jedoch langfristig nicht zur Schwächung, sondern zur Stärkung der Grünen geführt: Die Menschen wählen lieber das Original, statt die Kopie.

Never enough

Die Logik der Grünen ist jedoch: „Never enough“. Schaltet man die Kernkraftwerke ab, werden die Kohlekraftwerke zum Thema. Wie bei einer Weltuntergangssekte wird der bald bevorstehende Weltuntergang propagiert. Und wenn es sonst immer heißt, „Angst ist kein guter Ratgeber in der Politik“ (eine Standardformel in der Zuwanderungsdebatte), so wird „Panik“ vor dem Weltuntergang nun zur alles bestimmenden Emotion. Es ist wie bei der „sozialen Gerechtigkeit“, die die Grünen übrigens inzwischen auch als Thema belegt haben: Egal, was getan wird, es ist nie genug und es muss immer noch mehr sein, noch radikaler.

Die klassischen Medien, besonders das Fernsehen, sind schon längst in grüner Hand, wie wir aus Befragungen über die Parteiaffinität von Journalisten wissen. Inzwischen gelingt es den Grünen jedoch auch, die neuen Medien geschickt zu nutzen, wie zuletzt das Video von Rezo und die Initiative von 70 Youtubern zeigte.

Die Selbstzerstörung der Wirtschaft

Die gesellschaftlichen Institutionen werden längst von Sympathisanten der Grünen dominiert – vor allem die Medien und das Bildungswesen, aber auch die Kirchen. Dass 36 Prozent der Erstwähler inzwischen Grüne wählen (und in dieser Wählergruppe die CDU nur noch zwei Prozentpunkte vor der linken Satire-PARTEI liegt), ist auch eine Folge der Tatsache, dass in den Schulen grüne Glaubensbekenntnisse als Gewissheiten moderner Bildung propagiert werden.

Das alles funktioniert aber nur, weil die Wirtschaft opportunistisch ist und dem grünen Zeitgeist nichts entgegensetzt. Die deutsche Wirtschaft passt sich opportunistisch an, wie sie das schon immer getan hat. Ich erinnere mich noch, wie sich Daimler-Chef Dieter Zetsche als Grüner verkleidete und sich auf deren Parteitag anbiederte. VW-Chef Herbert Diess erklärt, wie er VW zu einem grünen Unternehmen umgestalten will.

In den Vereinigten Staaten gab und gibt es unter erfolgreichen Unternehmern überzeugte Marktwirtschaftler, die der auch in den USA erfolgten Linksentwicklung in Universitäten und Medien etwas entgegensetzen, besonders mit libertären und konservativen Thinktanks. In Deutschland ist davon kaum etwas vorhanden: Schaut man etwa auf Themen und Programm der liberalen Friedrich Naumann Stiftung, sieht man, dass der herrschenden Ideologie nichts Attraktives entgegengesetzt wird.

Die Linksentwicklung beginnt stets im geistigen Bereich, und wenn man sie umkehren will – wozu es einen langen Atem brauchen wird -, dann ist das auch nur möglich, wenn der grünen Ideologie etwas entgegengesetzt wird. Das Bewusstsein dafür, was Marktwirtschaft/Kapitalismus ist und sein sollte, ist in Deutschland inzwischen fast vollständig verloren gegangen.

Weckruf?

Die Grünen sind letztlich nur eine spezifische Form, in der sich der Antikapitalismus artikuliert. Die Weltuntergangspanik wird zum Vorwand dafür, die Wirtschaft planwirtschaftlich umzugestalten. Das wird natürlich zu schwersten wirtschaftlichen Verwerfungen führen – zu Massenarbeitslosigkeit und ökonomischem Niedergang. Und wenn diese Folgen eintreten, werden uns die Antikapitalisten erklären, all dies sei eine Folge „ungezügelter Märkte“ und jetzt gelte es, den Kapitalismus endgültig zu überwinden, um „soziale Ungerechtigkeit“ und „Klimakatastrophe“ zugleich abzuwenden. Ich hoffe, ich behalte mit diesen düsteren Prophezeiungen – anders als mit meinen eingangs zitierten Sätzen aus dem Jahre 1995 – Unrecht und die verbliebenen vernünftigen Unternehmer verstehen das 20,7%-Ergebnis der Grünen als Weckruf.

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Kommentare ( 90 )

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Joerg.F
4 Jahre her

Es zahlt sich nun für die Politik aus, dass sie über Jahrzehnte die Bildung vernachlässigt hat. Ein dummes Volk regiert sich eben leichter. Es ist doch kein Zufall, dass in Sachsen, dem Bundesland mit den besten Bildungsergebnissen, so komplett anders gewählt wurde.

Haerter
4 Jahre her

Eigentlich ist der Erfolg der Grünen inklusive der von ihnen betriebenen Politik und Meinungsvorgabe eine beispielslose Erfolgsgeschichte. Kommend von den 68ern haben sie heute zumindestens von der Denke her alle relevanten Positionen besetzt, bis hin in die Wirtschaft. Grün muss man sich leisten können. Wenn ich am ersaufen bin, frage ich nicht danach, ob das Rettungsboot aus zertifiziert angebautem Holz ist. Wir können uns es aber scheinbar noch leisten, mal sehen, wie lange noch.

Wolfgang Brennenstuhl
4 Jahre her

Und der größte Coup ist den Grünen gelungen, indem sie es verstanden haben, Greta einzuspannen. Damit haben sie zeitgenau die Erstwähler für die Europawahl mobilisiert. Genial. Ähnlich wie die Aktion in den 80ger Jahren: Der deutsche Wald stirbt ….

manfred_h
4 Jahre her

Zitat: „Ähnlich wie die Aktion in den 80ger Jahren: Der deutsche Wald stirbt ….“ > Jo, an dieaes „Grüne Untergangs-Szenario“ kann auch ich mich noch sehr gut erinnern. Demnach durfte in DE heute kaum noch ein Baum stehen bzw ein Wald vorhanden sein. Diese ganze Grüne Panikmache ist einfach nur irre und ich hoffe das wenn in wenige Jahre das letzte AKW und Kohlekraftwerk abgeschaltet wurde und dann u.a der Grüne Strom unermeßlich teu(r)er wird, dass das Volk zumindest dann den Grünen Irrsin und deren Panikmache erkennt und schlimmstens abstraft. DOCH die Realität wird vermutlich eher so sein, dass der… Mehr

Martin L
4 Jahre her

Wie es die „Neuen Rechten“ seit Jahren sagen: Metapolitik ist alles.
Und den alten Konservativen war das schon immer total egal. Für sie war das immer nur unwichtiger Kokolores.

fatherted
4 Jahre her

Das nächste wird….das Fleisch sein. Die FFF Aktivisten haben es schon im TV öffentlich gesagt….das Veggie Day Desaster bei den Grünen ist vergessen….es gibt immer mehr Veganer….die Richtung ist vorgegeben. Mit religiöser Inbrunst wird hier das „Tierwohl“ vertreten und jeder der sich Fleisch genehmigt….wird jetzt nicht nur als Tierquäler sondern auch als Klima-Schädling verrufen sein. Ich bin nur gespannt, wie sich das im Zusammenleben mit der steigenden Anzahl von Migranten auswirken wird, die aus dem muslimischen Kulturkreis stammen….von dieser Seite ist wohl kein Verzicht auf geschächtetes Fleisch zu erwarten….also wird man von Seiten der Grünen wohl künftig unterscheiden….zwischen kulturbedingten Fleischessern….und… Mehr

schukow
4 Jahre her
Antworten an  fatherted

Halt! ich war doch noch gar nicht fertig…

Ist beim NAZI der Tierquäler und der Klimaschädling schon drin, oder muß ich das extra dazubuchen?
Was würde die Vollausstattung einschl. Menschheitsverbrecher und Kinderschänder kosten?

manfred_h
4 Jahre her
Antworten an  fatherted

Zitat: „Frau Nguyen-Kim verfolgen….in dem sie alle Klima-technischen Aussagen von Herrn Rezo durchging und als „approved“ adelte.“

> Dass völlig irre bei Rezo & Co ist meiner Meibzbg auch, dass diese „Gemeine“ ibkl deren Fans u. Anhänger den materiellen Wohlstand propagieren und dafür Werben – von teuren Markenartikel u. Kleidubg bis hin zu Batt./Akku betriebene Roller u. Fahrräder, und sich dann jedoch das Maul übers Klima und Klimaschänder zerreißen(z.B zu faul um mit/aus eigener Kraft einen Roller zu fahren/treten, aber auf grünen Klima-Freak machen).

Hier sollten sie und ihre Fans erstmal anfangen bei sich vor der eigenen Haustür zu kehren…!.

Gerro Medicus
4 Jahre her

So wie damals die KPD verboten wurde, muss man heute die Grünen verbieten. Fakten dazu gibt es genug, die belegen, dass die Grünen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und wesentliche Teile unseres Grundgesetzes abschaffen wollen.

Und gegen die grüne Gehirnwäsche bei jungen Leuten hilft wohl nur eins: Boot-Camps nach amerikanischem Vorbild. Dort kann man sehen, dass dies wirkt! Dann ist bald Schluss mit Antifa und Konsorten.

Dedaidn
4 Jahre her

Gute Analyse, so wie die damals von La Rouche angekündigte Probleme, wenn der Weg weitergegangen wird und auch die Analyse vom Schiller-Institut gegen die „Öko-Diktatur“, mit seinen Nebeneffekten, auf die wir gerade zusteuern. Mir ist auch schon klar, dass vor allem die Übernahme unseres Bildungswesens von den Grünen, der Ausschlag war, dass es so steil bergab ging/geht. Wir, also der Stand, der noch „normal“ denkenden Menschen, bräuchte jetzt auch schon langsam einen Plan, um das Paradigma wieder zu ändern. Wobei ich bei den „ungezügelten Märkten“ zugeben muss, dass diese den Grünen auch geholfen haben, wobei ich diese eher auf den… Mehr

mathilda
4 Jahre her

„Das Bewusstsein dafür, was Marktwirtschaft/Kapitalismus ist und sein sollte, ist in Deutschland inzwischen fast vollständig verloren gegangen.“
Das ist wohl so, aber warum ausgerechnet in meinem gar nicht mehr so schönen, weil völlig verspargelten und mit Sondermüll gepflasterten
(https://ruhrkultour.de/solarmodule-erzeugen-300-mal-mehr-giftige-abfaelle-als-kernkraftwerke/),
Heimat-Bundesland S.-H.?
Sind das alles Windkraft-PV-Anlagen-Profiteure, die sich die Wiederkehr der alten, goldenen, planwirtschaftlichen Subventionszeiten erhoffen?

ludwig67
4 Jahre her

„Von den Spätfolgen (wir werden den Müll der GRÜNEN Überstehen/-winden) oder Nachfolgen werden wir hoffentlich noch Hunderte von Jahren zehren (und dadurch gewarnt sein).“

Sollte man denken. Wie wir an der Enteignungsdiskussion sehen klappt das aber nicht. Die Wiedervereinigung ist gerade 30 Jahre her und schon blühen alle möglichen sozialistischen Phantasien munter auf. Der Sozialismus ist der Michael Meyers der Ideologien. Alle paar Jahre muss man ihn erneut totschlagen.

Hosenmatz
4 Jahre her

Was mich immer wieder wundert: Die GRÜNEN sind doch so für Natur und deren Schutz, aber dort leben wollen sie anscheinend nicht, denn gewählt werden sie vor allem in den Ballungszentren und Studentenhochburgen.

ludwig67
4 Jahre her
Antworten an  Hosenmatz

Je weiter man von der Natur weg ist, desto mehr wird sie romantisiert.