Vor einem Jahr begann der Kampf um die Meinungsfreiheit

Im Januar 2017 schrieben wir, gegen Fake-News reichen bestehende Gesetze aus und fragten: Was steckt hinter den Vorhaben der Regierung zur Netzzensur? Hier zum Nachlesen.

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„Die Kanzlerin ist alarmiert“, wußte die FAS zu berichten. Jetzt soll Ernst gemacht werden mit dem Kampf gegen Fake-News. Ich freue mich schon auf den Gesetzesentwurf von Justizminister Maas (SPD), der die Forderungen seines Parteikollegen Oppermann und von CDU-Fraktionschef Kauder umsetzen und Plattformen wie Facebook „empfindliche Bußgelder bis zu € 500.000,00“ androhen soll, wenn „fake news“ nicht „binnen 24 Stunden gelöscht“ würden. Die einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichts gegen diesen Rechtsunsinn liegt auf dem Tisch, bevor das Frühstücksei gekocht ist.

"Die Kanzlerin ist alarmiert"
Fake-News: Der Kampf um die Meinungsfreiheit beginnt
Obwohl sich der Vergleich unserer demokratischen Institutionen mit dem Unrechtsstaat DDR verbietet, fühlt man sich angesichts dieser Gesetzgebungsvorhaben an den Straftatbestand „Staatsfeindliche Hetze“ erinnert: Ein in der DDR als Staatsverbrechen eingestuftes Delikt (§ 106 StGB), das mit möglichst vage gehaltenen Rechtsbegriffen u. a. den Angriff oder die Aufwiegelung gegen die Gesellschaftsordnung der DDR durch „diskriminierende“ Schriften und Ähnliches unter Strafe stellte. Unter dem Vorwurf der „staatsfeindlichen Hetze“ wurden viele Oppositionelle der DDR verhaftet. Die Formulierungen des Paragraphen waren so unbestimmt, dass fast jede kritische Äußerung strafrechtlich verfolgt werden konnte. Noch schlimmer ist, dass der Gesetzentwurf aus dem Hause Maas auch so lauten könnte:

„Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl der Bundesrepublik oder eines Landes oder das Ansehen der Bundesregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbänden schwer zu schädigen, wird … bestraft.“

Dieses Gesetz stammt aus der Nazizeit, vom 20. Dezember 1934, bekannt unter dem Begriff Heimtückegesetz. Es schränkte das Recht auf freie Meinungsäußerung ein und kriminalisierte alle kritischen Äußerungen, die angeblich das Wohl des Reiches, das Ansehen der Reichsregierung oder der NSDAP schwer schädigten.

„Hate Speech“ und „Fake News“, was soll das sein? Wahlkampfversprechen wie „Die Rente ist sicher?“ oder „Wir schaffen das?“

NetzDG
Netzwerkdurchsetzungsgesetz - Meinungsfreiheit in Gefahr
Die Verwendung des Begriffs „Wirtschaftflüchtling“, den eine mit Millionen von Steuergeldern subventionierte linksextreme Stiftung als „rechte Hetze“ brandmarkt? Oder die offizielle Pressemitteilung der Polizei, wonach es in Köln vor einem Jahr eine ruhige Silvesternacht gegeben habe? Wer verwendet diese Begriffe und warum? Die Formeln sind ungenau, schwammig und Instrument von Akteuren, die jenseits der Gesetze auf den Trichter gekommen sind, zulässige Meinungsäußerungen, die ihrer politischen Ausrichtung zuwider laufen, zu kriminalisieren. Das permanente Operieren mit unbestimmten Rechtsbegriffen wie „Hate Speech“ oder „Fake News“ ist deshalb so geschickt, weil es Verunsicherung in die öffentliche Debatte trägt und zur Verängstigung der Menschen bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte führt.

Wir brauchen keine neuen Gesetze!

Facebook und Konsorten sowie die dort Agierenden können auch nach aktuellem Recht hinreichend zur Verantwortung gezogen werden. Das Zivilrecht gibt mit den §§ 823 ff. BGB bei Beleidigungen, unwahren Tatsachenbehauptungen oder Schmähkritik ein hinreichendes Instrumentarium, das auch gegenüber sozialen Netzwerken ohne weiteres eingesetzt werden kann. Es wird ergänzt durch die strafrechtlichen Vorschriften von Beleidigung, übler Nachrede, Nötigung, Bedrohung, Volksverhetzung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Bei einem Strafmaß von bis zu fünf Jahren Haft ist jegliche weitere Gesetzgebung völlig entbehrlich. Hass mag man aus moralischen Gründen ablehnen. Meinungen und Überzeugungen sind aber straffrei. Wir haben – und brauchen – kein „Gesinnungsstrafrecht“.

Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Frontalangriff von Heiko Maas auf die Meinungsfreiheit korrigieren
Was die Politik von Facebook an Löschleistung verlangt, ist ebenfalls abwegig. Was leicht zu belegen ist: Die renommierten Pressekammern der deutschen Landgerichte verfügen über ca. 3,5 Richterstellen und müssen pro Jahr 800-1.000 Verfahren bewältigen. Wenn man in einem Eilverfahren schon einmal 14 Tage auf die einstweilige Verfügung wartet, sagt das alles über das, was professionelle Richter bei sorgfältiger Arbeit zu leisten vermögen. Und jetzt sollen Amateure bei Facebook am Tag so viele Fälle bearbeiten, wie drei bis vier Berufsrichter im Jahr? Oder soll Facebook mehr Juristen einstellen, als der deutsche Staat seinen Bürgern zur Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes zur Verfügung stellt? Wollen Maas & Co., die sonst gerne gegen Privatisierung zu Felde ziehen, die Entscheidungen über die Verletzung deutschen Rechts von den Fachgerichten an anonyme Löschkommandos in Irland oder Pakistan outsourcen? Tatsächlich würde hier mit gesetzgeberischem Zwang ein rechtliches Paralleluniversum implementiert, das faktisch Unmögliches leisten soll. Um die drakonischen Strafen zu vermeiden, wird Facebook im Zweifel die Löschtaste heiß laufen lassen. Womit über einen eleganten Umweg die freie Ausübung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt würde. Rechtzeitig zur Bundestagswahl. Und nur darum geht es Kauder, Oppermann, Maas und Co.

Willkürjustiz
NetzDG: Das Ende von Meinungsfreiheit und Rechtsstaat
Aber nicht nur deswegen ist das groteske Gesetzesvorhaben, schon aus verfassungsrechtlichen Gründe, zum Scheitern verurteilt. Es diskriminiert Facebook gegenüber anderen Medien und verletzt auch den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung (Art. 3 GG). Anders als bei Zeitungen, beim Radio oder beim Fernsehen stammen die beanstandeten Meldungen oder Äußerungen nicht einmal von der Plattform selbst. Facebook aber soll nach Kenntnis in 24 Stunden löschen, während andere Medien, von der Yellow Press bis zu „Bild“, vom „Deutschlandfunk“ bis zum „ZDF“ in der Regel mindestens 1-2 Wochen haben, bis die einstweilige Verfügung auf dem Tisch liegt. Und das sind angesichts von tausenden von presserechtlichen Verfahren in Deutschland pro Jahr nicht wenige falsche Tatsachenbehauptungen oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Ein befreundeter Anwalt nannte die „Bild“-Zeitung einmal eine „Persönlichkeitsrechtsverletzungsmaschine“. Auch die Rechtsabteilungen anderer „Qualitätsmedien“ haben gut zu tun.

Das Vorhaben ist also nicht nur nicht umsetzbar, sondern auch diskriminierend. Es ist auch argumentativ nicht zu rechtfertigen, warum Facebook hier genötigt werden soll, so viel schneller zu reagieren, als eine beliebige Tageszeitung. Und es ist auch nicht plausibel, warum Bußgelder von bis zu € 500.000,00 in Rede stehen, während der gesetzliche Höchstrahmen bei Verstößen gegen einstweilige Verfügungen, der der Presse maximal droht, lediglich die Hälfte beträgt.

Zensur durchgewunken
NetzDG: Löschorgie von Kai aus der Kiste
Die angekündigten Gesetze wären in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig, sie sind überflüssig und dienen lediglich dem Zweck, der Politik die Herrschaft über den entgleitenden zivilgesellschaftlichen und politischen Diskurs zurück zu verleihen. Bei all seinen erheblichen und selbstverantworteten Schwächen ist Facebook das Forum Romanum des digitalen Zeitalters und verdient im Kampf um die Bewahrung der Meinungsfreiheit Unterstützung.

Nur bei zwei bislang nicht erörterten Punkten gäbe es Handlungsbedarf. Den sozialen Netzwerken sollten aufgegeben werden, eine im Inland liegende Zustelladresse im Impressum zu benennen, an die Abmahnungen, einstweilige Verfügungen und Klagen gerichtet werden können. Dies würde jegliche Verfahren ganz massiv beschleunigen, vereinfachen und die Justiz entlasten. Und auch wenn die Klagemöglichkeit gegen ungerechtfertigte Sperrungen jetzt schon gegeben ist, wäre eine klare Regelung hilfreich, die Sperrungen untersagt und Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche einräumt, wenn sich der Betroffene im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 GG bewegt hat. Vermutlich werden wir darauf angesichts der fachlichen Qualität des Justizministers aber noch lange warten dürfen.

 

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Kommentare ( 31 )

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Ed Sax
6 Jahre her

Typisch SPD. Einen „Nachteil“ entdecken und maasgeschneiderte Lösungen durch Unternehmungen von Gesinnungsgenossen (Anette Kahane, Ex-Stasi Mitarbeiterin/Amadeu Stiftung als Subunternehmer von fb & Co.) – vorzugsweise auf Staatskosten – etablieren um „mehr Gerechtigkeit“ zu schaffen. Anstatt das existierende Instrumentarium sach- und -pflichtgemäß einzusetzen -ach jeh, geht ja nicht, ist ja kaputtgespart – wird mal kurz ein Verfassungsprinzip über Bord geworfen. Im Gesinnungsstaat á la NS- oder auch DDR-Zeit ist die Gewaltenteilung auch völlig überbewertet. 1755, Montesquieu? Das ist ja ganz altes Zeugs aus der Aufklärung, wir sind ja in der Moderne (außer man ist Muslim dann lebt man gesellschaftlich noch vor… Mehr

Teilhaber
6 Jahre her

Heiko Maas wegen Hasspostings bei Twitter gemeldet-Höchste Zeit das dieser hetzer endlich gesperrt wird.
https://twitter.com/HeikoMaas/status/8183574054309888

Dragan
6 Jahre her

Der Kampf um die Meinungsfreiheit hat nicht vor einem Jahr angefangen, er wurde vor einem Jahr verloren. Das Gesetz kam durch, die MSM und ÖR haben es wohlwollend bis neutral kommentiert. Es gab keinen nennenswerten Widerstand.
Es fügt sich alles ein in das Bild einer zerfallenden Rechtsstaates, wo die Gesetze vom Wortlaut her noch in Kraft sind, aber nach belieben von den regierenden Parteien gebeugt werden können. Wenn sich die Politik nicht ändert, sehe ich da auch keinen Weg zurück, da alle Kontrollinstanzen bereits versagt haben.

Themrrroc
6 Jahre her

Herr Maas legt übrigens nach in seinem gegen Einheimische und Rechte (oder was er dafür hält) nach.
Der Spiegel berichtet von einer in Erarbeitung befindlichen Gesetzesvorlage, die Strafrabatt für „Verzweiflung“ oder ähnliche ungreifbare Umstände bei Mord gibt: Reduzierung des Strafmaßes auf 5 Jahre.

Der Mann ist eine Gefahr für den Rechtsstaat.
Eine Kanzlerin, die so eine Gefahr als Justizminister nicht entläßt, die macht sich zur Komplizin des Abbaus des Rechtsstaats.

Henryke
6 Jahre her

Ich habe eine Frage zum NetzDG:
Es gibt im Netz Videoaufnahmen und Texte zur Abstimmung im BT betreffs der Anzahl der teilnehmenden Abgeordneten.
Es sollen weit weniger als die Hälfte anwesend gewesen sein und damit hätte die Abstimmung nicht durchgeführt werden dürfen.
Gibt es belastbare Abstimmungszahlen?

Noname
6 Jahre her
Antworten an  Henryke

Sonderfall bei Abstimmungen:

Wenn Niemand gegen die Mindest-Teilnehmeranzahl protestiert kann trotzdem abgestimmt werden.

Henryke
6 Jahre her
Antworten an  Noname

Danke für Ihren Hinweis.
.Ich habe dazu folgende Klausel gefunden:

„Wird die Beschlussfähigkeit nicht von einer Fraktion oder von anwesenden 5 Prozent der Mitglieder des Bundestages bezweifelt, so wird die Beschlussfähigkeit vermutet.
Mit der Verfassungsmäßigkeit dieser Vermutungsregel beschäftigte sich das Verfassungsgericht in einer Entscheidung, die in der amtlichen Sammlung nachzulesen ist (BVerfGE 44, 308 ff.).“

Dem Verweis auf das Verfassungsgericht bin ich nicht gefolgt…
…langsam erschließt sich mir der Begriff Bananenrepublik.

Noname
6 Jahre her

Es wird immer kruder.

Fr. v. Storch ist nun wegen eines neuen Profilbildes gemeldet wurden.

Die Frage ist nun. Wann implodiert das System wegen zu vieler Meldungen?

Interessant bei Twitter: #Meldemuschi, #Meldemuschis und #Blockwart

Teilhaber
6 Jahre her

Das Gesetz funktioniert doch gut. 🙂
Ttianic-Satiremagazin Twitter Account gesperrt und endlich werden auch Zitate aus den Schriften des „Hasspredigers“ Schiller gesperrt.
https://twitter.com/abc/status/948450199256563713

Berndi
6 Jahre her

Ich finde, die Ironie, dass ausgerechnet die größten Verfechter eines Nanny State die Flucht ins Privatrecht antreten und so was dann qua Amt hierzulande doch implizit als ausgewiesener Rechtsexperte durchgeht, regelrecht greifbar.
Wer gern Dinge brennen sieht, kommt hier auf seine Kosten.

Sonni
6 Jahre her

Es ist schier unglaublich, dass der Bundestag dieses Gesetz durchgewunken hat.
Ich zweifle schon lange an den Fähigkeiten der dort schon länger Sitzenden, nun aber ist bestätigt, dass diese vorsätzlich gegen das Deutsche Recht entschieden haben.
Wie nennt man das? Staatsfeindlich? Diktatorisch? Zersetzend?

Jens Frisch
6 Jahre her
Antworten an  Sonni
Doris die kleine Raupe Nimmersatt
6 Jahre her

Ich denke. das Bundesverfassungsgericht wird den Fall abgeben an die EU. Da es inzwischen von der EU eine ähnliches Gesetz/Regelung gibt.
Mit anderen Worten, es wird nichts passieren. Das Gesetz werden wir erst mit einer ganz anderen Regierung los – so in 10 bis 20 Jahren …