Von der Leyen: Eine Günstlingswirtschaft ungekannten Ausmaßes

Der Abgang von Ursula von der Leyen wird nicht ausreichen. Das Verteidigungsministerium braucht einen radikalen Neuanfang.

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Die öffentliche Diskussion über den Zustand der Bundeswehr hat sich bislang auf die zahlreichen hinkenden Projekte – insbesondere den surrealen Fall der Gorch-Fock-Sanierung – konzentriert und die operativen Einsatzmängel problematisiert. Dabei geriet der kürzlich unter strikter Geheimhaltung von Generalinspekteur Zorn an den Bundestag weitergeleitete Bericht zur Einsatzbereitschaft der verschiedenen Waffensysteme in den Mittelpunkt des Medieninteresses. Denn einerseits war verwunderlich, dass dieses Dokument dem Bundestag, wo es im Verteidigungsausschuss beraten werden sollte, zugeleitet wird, aber wegen  seiner Vertraulichkeit die im Brennpunkt stehenden Fragen gar keiner Diskussion zugeführt werden dürfen. Andererseits sind die bekannt gewordenen Zahlen zur Einsatzbereitschaft so problematisch, dass sie im Interesse der Bündnisfähigkeit Deutschlands und seiner Glaubwürdigkeit der öffentlichen Aussprache bedürfen. Wie konnte es überhaupt passieren, dass unter der langjährigen Ministerin ein Leistungsabfall der Streitkräfte stattgefunden hat, der nur noch mitleidiges Lächeln bei Freund und Feind sowie Frust und schließlich Zorn bei der Truppe auslöste?

„Bürokratiemonster“ Bundeswehr
Von der Leyens Himmelfahrtskommando
Für die organisierte Intransparenz des Einsatzfähigkeitsberichtes sorgte mit Generalinspektor Zorn ein Militär, der als rechte Hand des langjährigen Generalinspekteurs Wieker die faktische Suspendierung der Funktion des Generalinspektors hautnah erlebte, um nun diesen institutionellen Niedergang dadurch fortzusetzen, dass er voller Demut gegenüber seiner Ministerin und mit vorauseilendem Gehorsam die – um es höflich zu sagen – bedingte Einsatzbereitschaft der deutschen Streitkräfte verschleierte. Wenn es nicht den hellwachen, ewig kecken, sehr westfälischen Vorsitzenden des Verteidigungsausschuss MdB Hellmich gegeben hätte, wäre der Verschleierungsvorgang – wie von der Ministerin angestrebt – gar nicht weiter aufgefallen. Damit wird eine institutionelle Pathologie offenbar, die sich erst mit der autokratischen Regime der Ursula von Leyen im Verteidigungsministerium  breitgemacht hat: die Instrumentalisierung und damit Degradierung des Generalinspekteurs.

Hatten die Vorgänger Dr. von der Leyens noch dafür gesorgt, dass der  Generalinspektor hierarchisch aufgewertet wird, um international mit seinen opposite numbers gleichzuziehen und innerhalb der Bundeswehr gerade gegenüber dem Egoismus der Teilstreitkräfte mit ihren Inspekteuren für Streitkräftebasis, Marine, Luftwaffe und Heer durchzugreifen, so fand bereits unter dem dauerhaft amtsmüden Zorn-Vorgänger Wieker der institutionelle Niedergang statt. Von der Leyen hatte dessen Willfährigkeit schnell erkannt und machte ihn mit viel Elogen – „unser Generalinspekteur“ – zu ihrem Büttel.

Erden bitte
Einsatzbereitschaft - aber kein Rüstungswahnsinn
Die Vertuschungspolitik von General Zorn könnte auf dieselbe Willfährigkeit schließen lassen. Dabei sollte der Generalinspekteur der unbestechliche militärische Ratgeber der Ministerin sein und nicht ihr Erfüllungsgehilfe. Doch Zorn, der sich vor seiner Ernennung vor allem Personalfragen gewidmet hatte, ist kein Einzelfall. Willfährigkeit oder höflicher formuliert „Loyalität“ ist unter von der Leyen zum entscheidenden Beförderungskriterium geworden. Der für Beschaffungsfragen von Ihr ernannte Brigadegeneral Benedikt Zimmer hat es mittlerweile zum beamteten Rüstungsstaatssekretär geschafft.  Angesprochen auf die Bemühungen der französischen Rüstungsdiplomatie, in Belgien das eigene Heeresrüstungsprogramm Scorpion der Generalität und dem flämischen Verteidigungsminister erfolgreich schmackhaft zu machen, zeigte sich der  Herr Staatssekretär völlig überrascht. Aber nicht nur hier ist der falsche Mann in wichtiger Position.

Auch bei der Ernennung zum Inspektor der Luftwaffe galten Loyalität und Nähe zur Leyen-Truppe mehr als Meriten. Der jetzige Amtsinhaber, Inspekteur der Luftwaffe Ingo Gerhartz, war noch 2013 Referatsleiter dann später Büroleiter des GI. Von dort führte der Weg direkt zur jetzigen Position im Rang eines Generalleutnants. Der einstige, nicht gerade langjährige  Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr Stawitzki – schon in dieser Position mangels akademischer Bildung  nicht unumstritten – darf sich nun in der ultra-wichtigen Position des Abteilungsleiters Planung im Verteidigungsministerium üben.

Erdogans falsches Spiel
Die Türkei und der IS – eine Kooperation zwischen Islambrüdern
Hier liegen viele Projekte seit Jahren auf Eis, weil die Ministerin nicht entscheiden will. Das gilt für das Taktische Luftverteidigungssystem genauso wie für die Eurodrone. Und beim neuen Kampfschiff der Marine, der Fregatte MKS 180, stolpert das Ministerium zum Gespött Europas in seinem internationalen Ausschreibungsverfahren weiter vor sich hin, um wahrscheinlich doch an deutsche Werften zu vergeben. Derweil werden Projekte angeschoben und durch von der Leyen und ihrer französischen Amtsfreundin Florence Parly lauthals verkündet, deren industriellen Beginn die beiden nicht mehr erleben werden. Das gilt für den neuen Kampfpanzer, das Main Ground Combat System (MGCS) sowie für zukünftige Kampfflugzeug FCAS. Und die Generalität singt das Lied der Ministerin inbrünstig mit.

Wer den Neuanfang im Verteidigungsministerium wagen will, der wird nach Abdankung der Ministerin auch die Leyen-Spielschar entlassen müssen. Denn die Truppe verdient endlich einen Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt (IBuKG),  der fähig und willens ist, das Risiko gewagter Entscheidungen und nicht etwa nur deren große Verkündung auf sich zu nehmen. Wer immer der gescheiterten Ministerin nachfolgen wird, es gilt für ihn die Maxime: Mehr Preußen wagen!


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Kommentare ( 71 )

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Alexander Wildenhoff
5 Jahre her

Herr Kerber, es gilt: Wie der Herr, so´s Gescherr.
Die systematische Günstlingswirtschaft über Jahre und die Strategie der Verwässerung der Verantwortungen hat dazu geführt, dass im Verteidigungsressort sowohl das Peter-Prinzip als auch Parkinsons Gesetz im höchsten Maße zutreffen.
Das Problem ist damit ein Zweifaches: Durch welchen Kompetenzträger soll von der Leyen an der Spitze ersetzt werden? Und wenn durch die jahrelange Misswirtschaft auf der zweiten, dritten und vierten Ebene auch keine Kompetenz mehr ist, wo soll die auf einmal herkommen?
Jetzt wird mir klar, warum die politische Hoffnung auf die Franzosen gerichtet ist.

Ulrich Bohl
5 Jahre her

Scheitern oder Unfähigkeit ist offensichtlich eine Voraussetzung um im Kabinett Merkel zu sitzen, unter den Blinden ist dann die Einäugige Königin. Uschi von den Unfähigen ist symptomatisch für das Kabinett Merkel das Einzige was sie gut können ist, Geld verbrennen und sich über Qualm als Erfolg freuen. Auf vielen Gebieten ist Deutschland heutzutage bereits abgehangen und die Verursacher fordern dann eine Offensive. Von wem eigentlich, wenn nicht von sich selbst, aber dazu gehört Qualität beim Personal und nicht Bäumchen wechsle dich wie wir es erleben. Z.B. U.v.d.L erst Bundesminister für Arbeit und Soziales und von da mit viel Fachwissen Verteidigungsminister.… Mehr

Jedediah
5 Jahre her

Wie immer hört der Artikel vor dem entscheidenden Schritt auf. Wer soll denn diese Dame abservieren? Es sollte doch wohl hinreichend klar sein, dass Uschi fester Teil des grünen Machtapparates ist, der sich inzwischen in jeden Winkel von Politik und Medien gefressen hat. Und wenn nicht Uschi, dann befördert dieser Apparat eben eine andere unfähige Quoten-Dame dorthin. So etwas ist denen doch ein Anliegen, von Militär verstehen die nichts. Weder Merkel noch irgendeiner der Journalisten, der das neue Deutschland an die unwissenden Wähler verkauft. Gibt es überhaupt noch irgendwelche halbwegs Vernünftige in höheren Rängen, die den Machtapparat aufsprengen könnten? Ich… Mehr

Rudolf Stein
5 Jahre her
Antworten an  Jedediah

Werte(r) Jedediah, Sie sollten sich mal mit Lenin beschäftigen. Dessen Politik war schmerzhaft aber lehrreich. Das zaristische Russland musste bei Null anfangen, vor allem beim Personal. Heute ist es eine Weltmacht, die sogar von den USA und China beachtet werden muss. Und die BRD? Im Nachhinein war die künstlische Implantierung des sog. Wirtschaftswunders ein Fehler historischen Ausmaßes. 1945 hätte die BRD, wie Russland und die DDR bei Null anfangen müssen, vor allem personell. Nichts davon ist passiert. Mit den Fehlern müssen wir uns heute herumschlagen: Islamisierung der Gesellschaft, Wehrunfähigkeit der Gesellschaft, überall nur Gejammer und Geheule auf der einen Seite… Mehr

Riffelblech
5 Jahre her

Aber wird mit der Politikführung der Frau V.d. Leyen nicht die systematische und deckungsgleiche Politik der Frau Merkel weitergeführt ? Aushöhlung von Verantwortung , Abschiebung von Entscheidungen und Höhle Phrasen in ÖR und MMM . Denke man nur an den unsäglichen Ausspruch vdL. “ Ich mache mir große Sorgen um die Gorch Fork “
Damit ist die komplette Hohlheit und Phrasenhaftigkeit einer Ministerin dargestellt ,welche für die nationale Verteidigung zuständig ist .
Flachbodenboote sind dagegen Tiefwasserschiffe .

Wolodja P.
5 Jahre her

Aus der Zeit, als Generale noch Soldaten ** waren, berichtet Otto v. Bismarck: >>Einmal war [General von] Rauch von Berlin in Sanssouci erschienen mit dem mündlichen Auftrage des Ministerpräsidenten Grafen Brandenburg, von dem Könige die Ent- scheidung über eine Frage von Wichtigkeit zu erbitten. Als der König, dem die Entscheidung schwer wurde, nicht zum Entschluß kommen konnte, zog endlich Rauch die Uhr aus der Tasche und sagte mit einem Blick auf das Zifferblatt: »Jetzt sind noch zwanzig Minuten, bis mein Zug abgeht; da werden Ew. Majestät doch nun befehlen müssen, ob ich dem Grafen Brandenburg Ja sagen soll oder Nee,… Mehr

oneiros
5 Jahre her

Die westlichen Demokratien kranken durch die Bank weg an fehlender Verantwortung einzelner. Konstruktionsfehler in allen westlichen Systemen. Immer mehr Politiker/Abgeordnete/Minister/Berater teilen sich die Verantwortung, sodass am Ende alle fein raus sind und mit dem Finger auf andere zeigen können.
In einem funktionierendem System würde die Frau entlassen werde, ihr der Prozess gemacht werden, und man würde auch an ihre Pensionen und Vermögenswerte (Bankkonten, Häuser, Beteiligungen usw.) zur Schadenskompensierung ranziehen.
(die sie leider aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in Deutschland hat)

Andreas aus E.
5 Jahre her

Von der Leyen macht der „Job“ doch bestimmt schon längst keinen Spaß mehr.
Schon weil der weitgehend erledigt zu sein scheint, die Bundeswehr ist ja dem Vernehmen nach nur mehr unbrauchbares Gerümpel.

Da hätte ich einen Vorschlag: Der Posten beim DFB ist doch nun frei, den sollte sie übernehmen. Es gäbe noch allerlei zu tun dort: „Die Mannschaft“ hatte zuletzt sogar mal ein Spiel gewonnen und es gibt – erstaunlicherweise – noch zahlende Zuschauer, dem gilt es abzuhelfen.
Auch ist „die Mannschaft“ noch fernab jeglicher Genderquote und die Anpfiffzeiten sind alles andere als familienfreundlich.

Also, frisch ran ans Werk!

Klauspeter
5 Jahre her

Haltung zeigt die oberste Militärführung nur beim Tragen der Handtasche der Ministerin. Bei der Pflichterfüllung kommt diese aber immer häufiger zu kurz. Früher qualifizierte der Spiegel dies mit einem „Bedingt einsatzfähig“, heute gehört das fehlende Rückgrat wohl zur charakterlichen Grundausstattung beim Militär, der Politik und den meisten Medien.Letztere regen sich lieber über den Donald auf, der über die Einsatzfähigkeit seines NATO-Verbündeten gut informiert keine lobende Worte findet. Auch so kann der Wirklichkeit ausweichen.

H. Heinz
5 Jahre her

warum denn nicht? Sehen Sie sich das Frauenbild, welches nun schon seit Jahren allein durch die Film- und Werbelandschaft geistert einmal an. Die Frauen sind die guten, cleveren, härteren die Männer bestenfalls deren tumbe Erfüllungsgehilfen. Insofern dürfen Frauen gerne auch als Panzergrenadiere den Männern zeigen wo’s lang geht

kv
5 Jahre her
Antworten an  H. Heinz

Dürfen sie, wenn sie wollen und können.

In der BW haben wir inzwischen stolze knapp 20% Frauen.
Von 68 toten Soldaten in Afg. ist nicht einer eine Frau.
8 – 10 müssten es aber wenigstens sein, wenn es neben den gleichen Rechten auch die gleichen Pflichten gäbe.
Da redet keiner über die Quote.
Eine Armee mit 20% Soldaten, die wenns knallt und stinkt irgendwo im Hintergrund sind, braucht niemand.

Thorsten
5 Jahre her

An Merkel und ihrer Politik wird Deutschland noch sehr lange knabbern müssen. Das Politikversagen hat historische Ausmaße, denen nur EINZELNE Vergleiche mit den großen Kriegen gerecht werden…