USA: Sozialneid ist der tiefere Grund für die Stimmung gegen Asiaten

In den USA häufen sich in der Corona-Krise Angriffe gegen Ostasiaten. Dahinter steckt ein tiefes Ressentiment wegen deren Erfolg in Wirtschaft und Wissenschaft.

In Texas wurden ein burmesisch-stämmiger Amerikaner und seine zwei Kinder in einem Geschäft von einem Mann mit einem Messer attackiert und verletzt. Das FBI erklärte, der 19-Jährige Tatverdächtige habe die Familie wohl töten wollen, weil sie chinesisch aussah und seiner Meinung nach das Coronavirus verbreite.

In Brooklyn wurde eine 26-Jährige an einem Bahnhof von einem Mann angeschrien. Er rief ihr zu, sie solle den Zug verlassen, sie sei Chinesin. Er klaute ihr das Handy und sagte weiter: „Geh‘ zurück nach China! Lass deine Temperatur messen. Verschwinde!“ 

In jeder Krise brauchen die Leute offenbar Sündenböcke, denen sie die Schuld geben können. In den USA werden seit Beginn der Corona-Krise zunehmend Übergriffe gegen Asiaten bzw. gegen Bürger mit asiatischer Abstammung gemeldet. Doch Vorurteile gegen Asiaten gibt es nicht erst seit der Corona-Krise. 

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Die Fakten: Der Anteil der Asiaten an der US-Bevölkerung liegt unter sechs Prozent und ist damit deutlich geringer als der der Hispanics (18,3%) und Schwarzen (13,4%). Unter allen ethnischen Gruppen der USA haben asiatische Amerikaner die höchste Lebenserwartung, die niedrigste Kriminalitätsrate und auch das höchste Durchschnittseinkommen: Das Haushaltseinkommen von Amerikanern mit asiatischer Herkunft liegt im Median bei 74.829 Dollar und damit 39 Prozent über dem nationalen Medianeinkommen von 53.657 Dollar. 

Diskriminierung von Asiaten 

Einwanderer aus dem asiatischen Kulturraum sind höchst erfolgreiche Highschool- und College-Absolventen, 49 Prozent besitzen einen Bachelor-Abschluss, im Vergleich zu 28 Prozent in der Gesamtbevölkerung. Sie stellen ein Drittel der Teilnehmer bei nationalen Mathe- und Physikwettbewerben. Während schwarze Amerikaner beim Zugang zu Hochschulen durch „Affirmatice Action“-Maßnahmen bevorzugt werden, werden „Asian-Americans“ massiv benachteiligt. Sie müssen deutlich bessere Ergebnisse bei den Zulassungstests für Spitzenuniversitäten erzielen als weiße Bewerber, werden also negativ diskriminiert.

Minderheiten, die als wirtschaftlich und akademisch erfolgreicher gelten, wurden schon häufig in der Geschichte diskriminiert und verfolgt – besonders die Juden. 

Stereotype Content Model

Nach dem von Susan Fiske u.a. entwickelten „model of (often mixed) stereotype content“ wird die emotionale Wahrnehmung von anderen sozialen Gruppen durch zwei Dimensionen bestimmt: 

Die erste Dimension ist warmth (Wärme, Herzlichkeit): Fremdgruppen können als warm und freundlich oder als kalt und unfreundlich stereotypisiert werden. Die zweite Dimension ist competence (Fähigkeit, Tüchtigkeit, Kompetenz). Es gibt vier mögliche Kombinationen für die Wahrnehmung einer Fremdgruppe:

  1. Warm und kompetent 
  2. Warm und inkompetent 
  3. Kalt und kompetent
  4. Kalt und inkompetent

Empirische Untersuchungen haben belegt, dass diese Stereotype mit verschiedenen sozialen Gruppen assoziiert werden. In mehreren Versuchen wurden die Personen gebeten, andere soziale Gruppen auf einer Skala von 1 bis 5 hinsichtlich der Dimensionen „Wärme“ und „Kompetenz“ zu beurteilen. 

Als warm und kompetent wird meist die eigene Gruppe wahrgenommen – bei den Untersuchungen waren das in der Regel weiße Angehörige der Mittelschicht. Als kalt und sehr kompetent werden Juden, Asiaten und Reiche wahrgenommen:

Untersucht wurde auch, welche Emotionen sich aus der Stereotypisierung dieser Gruppen ergaben. Gruppen, die als kompetent, aber nicht so warm wahrgenommen wurden (Reiche, Juden, Asiaten etc.),  wurden gemischte Gefühle von Bewunderung und Neid entgegengebracht, wie die Experimente zeigten. 

Stereotype über Asiaten

Wissenschaftler haben das oben beschriebene Modell für zahlreiche Studien angewendet, die Stereotype und Vorurteile über (in Amerika lebende) Asiaten untersuchten. Asiaten werden von Amerikanern als sehr kompetent, aber wenig umgänglich und gesellig (sociability) wahrgenommen. Besonders stark verbanden die 1.296 Teilnehmer einer von Lin u.a. durchgeführten Studie folgende Eigenschaften mit Asiaten:

– Sie sind ständig auf der Suche nach mehr Macht

– Sind besessen vom Wettbewerb

– Denken, dass sie klüger sind als alle anderen

– Streben danach, die Nummer eins zu werden

– Motiviert, zu viel Macht in der Gesellschaft zu erlangen

– Vergleichen die eigenen Leistungen mit denen anderer

– Um anderen voraus zu sein, sind sie übermäßig wettbewerbsorientiert 

– Haben einen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Erfolg.

Zugleich wurde Asiaten bescheinigt, sie hätten wenig Zeit für Geselligkeit und seien weniger „social“ als andere Gruppen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis: „Asiaten sind daher die Zielscheibe von nachtragenden, neidischen Vorurteilen: Sie werden widerwillig wegen ihrer vermeintlichen Kompetenz respektiert, aber wegen ihrer angeblich mangelnden Geselligkeit nicht gemocht.”

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Vorurteile gegen Gruppen wie Asiaten (aber auch gegen Reiche) unterscheiden sich also von Vorurteilen gegen Schwarze oder andere Minoritäten. Sie gehören zu der Gruppe, die einen Mix aus „Bewunderung, Ressentiment, Neid“ erfährt. Um die Ablehnung einer solchen Gruppe zu rechtfertigen, wird – weil ihr Fähigkeiten nicht abgesprochen werden können – auf angeblich geringer ausgeprägte „soziale“ Eigenschaften (also weniger umgänglich etc.) abgestellt. 

Vorurteile über Minderheiten werden meist in gesellschaftlichen Krisen mobilisiert. Das war schon immer in der Geschichte so: Im Mittelalter wurden in Europa „Hexen“ und Juden beschuldigt, sie seien Schuld an der Pest. In der Corona-Krise werden bereits bestehende Vorurteile und Stereotype über Asiaten mobilisiert. Sozialneid, weil Asiaten sowohl wirtschaftlich als auch in akademischer Hinsicht erfolgreicher sind, ist der tiefere Grund für das Ressentiment gegen Asiaten. 

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Kommentare ( 26 )

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Albert Pflueger
3 Jahre her

Während sich alle Welt an der (weltweit betrachtet) weißen Minderheit abarbeitet, die angeblich rassistisch, sexistisch, ausbeuterisch ist, ist es doch noch immer diese weiße Minderheit, die den technischen Fortschritt in die Welt bringt, allmählich ein-, bald vielleicht überholt von den nicht muslimischen Asiaten.

Eigene Beiträge aller Anderen bleiben weit dahinter zurück, so manche Ethnie kann nichts substantielles vorweisen.

Neid ist der Grund, weshalb die Weißen und Asiaten diffamiert werden.

Oneiroi
3 Jahre her

Der Neid zwischen Gruppen ist ein weiteres Argument gegen ungezügelte Migration und Vermischung diverser Ethnien. Wobei meiner Einschätzung nach die, global gesehen, Minderheit der „Weißen“ die toleranteste zu seien scheint, da sie als einzige unbegrenzte Aufnahmebereitschaft allen anderen Ethnien gegenüber zeigt und sogar bis zur Selbstaufgabe das eigene System zugunsten Zugewanderter ändert. Asiaten, Araber tendieren meiner Erfahrung nach zu extremsten Rassismus. Araber und Asitaten sehen Afrikaner eher geringwertig. Voran gehen da die Chinesen, die das offen zugeben und kein Problem damit haben. Afrikaner scheinen mir aufgrund ihrer historischen Opferrolle überall den „institutionellen“ Rassismus zu sehen.(erst die aus dem nahen Norden… Mehr

Cabanero
3 Jahre her

Der Beitrag sagt viel richtiges, aber auch nicht die ganze Wahrheit. Zur der gehört auch, daß auch eine erfolgreiche Minderheit erst einmal immer Minderheit bleibt – wenn sie das denn will. Dabei sollte man sich in Erinnerung rufen, daß die Masse der „Weißen“ also global der US-Amerikaner europäischer Abstammung, die heute von allen Minderheiten und auch aus eigener Sicht eine homogene Gruppe angesheen wird, bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eben nicht als erratischer Block galt, sondern als heterogene Masse, mit klar abgegrenzten Subkulturen. Da waren, als Spitze der Pyramide, die „Altamerikaner“ also rein britischstämmige Weiße, vornehmlich aus den… Mehr

Hoffnungslos
3 Jahre her

Europäer, ob in Europa oder USA müssen sich quasi ständig für ihre Erfolge entschuldigen. Alle Leistungen beruhen, so die heute gängige These, nur auf der Diskriminierung und Ausbeutung anderer Gruppen. Mit China erleben sie jetzt endlich wieder eine ernsthafte Herausforderung. Das wird hoffentlich zur mentalen Stabilisierung der europ. Gesellschaften beitragen.

hoho
3 Jahre her

Ob Ostasiaten durch die Weißen diskriminiert werden – bestimmt. Die beste Unis diskriminieren aber alle Gruppen die besser da stehen als die „Minderheiten“. Das führt zwar nicht zu einer gerechteren Gesellschaft dafür aber bring so ein gutes warmes Gefühl bei den meist weißen Kämpfer für soziale Gerechtigkeit (SJW). Keine ist dann wirklich zufrieden – die Quota-Schwarzen und Quota-Frauen nicht und die diskriminierten auch nicht. Die Ergebnisse sind dann auch nicht besser wenn man bei jeder Aktivität Inklusion erst berücksichtigen muss. Wenn sich Physiker mit solchem Blödsinn wie „Particles for Justice“ beschäftigen dann sind wir bestimmt auf dem falschen Weg. Das… Mehr

Hoffnungslos
3 Jahre her
Antworten an  hoho

Hören Sie doch auf mit dem ständigen „sich diskriminiert fühlen“. Das nervt! Leistungen wurden und werden anerkannt. Jammern hilft niemandem.

Ralf Poehling
3 Jahre her

Ein hochinteressanter Artikel, der sich weitgehend mit meinen Beobachtungen deckt. Dem Fazit, dass es sich schlussendlich um Vorurteile handelt, kann ich jedoch nicht zustimmen. Bestehende kulturelle Differenzen und die sich daraus ergebenden Inkompatibilitäten zwischen unterschiedlichen Kulturen bzw. Ethnien in denen bestimmte kulturelle Verhaltensweisen vorherrschen, sind keine Vorurteile, sondern in der Tendenz harte Realität. Asiaten sind in der momentanen geschichtlichen Epoche tendenziell strebsamer als andere Volksgruppen, was zu größerem Wissen, höhere Intelligenz, einem größeren Fokus auf das Arbeitsleben und damit zu einem geringeren Fokus auf Freizeit und Privatleben führt. Und genau das, wird in der im Artikel aufgezeigen Studie bestätigt. Bei… Mehr

Eloman
3 Jahre her

Und am meisten verbreitet ist diese negative Einstellung bei den Schwarzen.

Marcel Seiler
3 Jahre her

Deutschland sollte es sich um Ost- und Südostasiaten als Einwanderer bemühen, nicht um Schwarzafrikaner und Muslime. Diese Asiaten würden das Technik- und Wissenschaftsland Deutschland bewahren, unsere Produktivität erhalten und tatsächlich unsere Renten finanzieren.

Unsere links-grüne Herrschenden aber verachten Wissenschaft, Technik und Produktivität. Sie lieben Fastenbrechen, Trommeln und Homöopathie. Dass man mit Trommeln die Renten nicht zahlen kann, wird Deutschland merken, wenn es zu spät ist.

Karli
3 Jahre her
Antworten an  Marcel Seiler

Danke, sehr gut getroffen.

Hoffnungslos
3 Jahre her
Antworten an  Marcel Seiler

Deutschland sollte sich um sich selbst kümmern. Die Masse macht es nicht! Qualität vor Quantität!

eglogic
3 Jahre her

Herr Zietelmann übersieht, dass die „Vorurteile“ idR auf realen Erfahrungen beruhen, was in der Vorurteilsforschung aus politisch korrekten Gründen idR außen vor gelassen wird. Die modernen Sozialwissenschaften werden hier gewissermaßen von Ressentiments gegenüber der Mehrheitsgesellschaft getragen (oder gegenüber Gruppen, die von den Wissenschaften als mächtiger wahrgenommen werden), was der Agenda der Autoren meist nicht im Wege steht, weshalb diese Ressentiment auch nicht stören und man direkt zur Umerziehung des vermeintlichen Fehlverhaltens unter Berufung auf pseudowissenschaftliche Schlussfolgerungen übergeht. Das sieht man schön an den Ressentiments, die z.B. gegenüber Männern verbreitet werden, wenn es darum geht, die vermeintlichen Privilegien dieser Gruppe zu… Mehr

MarkusF
3 Jahre her

Apropos ‚Affirmative Actions‘; zu Deutsch ‚positive Diskriminierung‘ von Afroamerikanern, sprich gesetzlich vorgeschriebener Bevorzugung gegenüber Weisen. Das ist praktizierter Alltag in den USA.

Trotzdem habe ich letzthin Live mitbekommen wie der Lehrer einer ‚Integrationsklasse‘ seinen Schützlingen erklärte das in den USA Schwarze immer noch massiv diskriminiert würden …