Urlaubsvielfliegen? Ja, bitte!

Der weltweite Flugverkehr war 2014 für zwei Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, eröffnet uns eine Studie der Universität Kaliforniens aus dem letzten Jahr. Was würde es also bringen, komplett auf Flugreisen zu verzichten?

Ich bin ein Vielflieger. Ich nutze das Flugzeug, weil es mir Spaß macht. Ich beschaue mir die Welt gerne von oben, bestelle mir auch einen Tomatensaft und freue mich, ein paar Stunden später an einem völlig anderen Ort der Welt aufzuwachen. Die Besatzungen auf meiner Stammstrecke grüßen mich, die Fluggesellschaft schickt mir aller zwei Jahre ein goldenes Plastikkärtchen, um meinen Flugfimmel zu honorieren. Ich bin also das, was nach dem Greta-Evangelium nicht mehr in den Himmel kommt, sondern direkt in die Hölle fährt. Zusammen mit Fleischessern, Glühbirnenbenutzern und Plastikbeutelträgern. Ich möchte, wenn mich der Teufel dann erwartet, wenigstens ehrlich Rede und Antwort stehen. Also öffne ich den CO2-Rechner des Umweltbundesamtes und schreibe mir die Zahlen auf. Vielleicht eröffnen sich dort unten damit neue Möglichkeiten, ein High-Mile-Club der negativen Umweltbilanzierer sozusagen.

Also: Mein kürzlicher Flug nach Istanbul: 1,8 Tonnen CO2. Die vielen Flüge nach Amerika: 23,11 Tonnen CO2. Die Kurztrips nach Malle: 1 Tonne. Der Spaßflug ins Legoland nach Billund. Der Ergebnisbalken auf der Seite wird immer roter. Einkaufen in Mailand. Dunkeldunkelrot. Wochenenden in Paris. Violett. Und und und. Irgendwo las ich neulich, wie viele Quadratkilometer Eis der Arktis für eine Tonne CO2, die jeder Mensch in die Atmosphäre pustet, schmelzen. Wenn ich mir nun das Ergebnis beim Bundesamt ansehe, weiß ich, dass ich mir mit den ganzen Flugreisen den Eintritt ins Devil’s Gate reichlich verdient habe. Ich fühle mich allerdings nicht schlechter als vorher. Und allein das reicht sicherlich, um sich die Gretianer zum Feind zu machen. Aber ich freue mich auch aus einem anderen Grund. Denn ich werde nicht alleine sein.

— Katja Leikert (@KLeikert) June 2, 2019

Weil Katja Leikert, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, für menschlichen Nachschub direkt nach unten sorgen möchte. In einem Tweet an Rezo, der sich abseits seiner Quatschvideos zum Sprachrohr einer entpolitiserten Jugend aufgeschwungen hat, bietet sie ihm ihre Unterstützung gegen “sinnlose Urlaubsvielfliegerei” an. Der Aufschrei liegt auf der Zunge: Welche Reise ist sinnlos, welche sinnvoll? Eine mögliche Erklärung passt zwar nicht mehr wegen der Zeichenbegrenzung in ihren Tweet. Aber es folgt auch später keine Begründung für diese steile These, als sie mehrere Nutzer darauf ansprechen. Wahrscheinlich, weil Leikert weiß, dass ihr Gezwitscher dummes Zeug ist. Der weltweite Flugverkehr war 2014 für zwei Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, eröffnet uns eine Studie der Universität Kaliforniens aus dem letzten Jahr. Was würde es also bringen, komplett auf Flugreisen zu verzichten? Fast nichts. Und doch hören wir immer wieder das neue Evangelium in den Ohren klingeln: Flugreisen sind einfach böse. Jongliert wird mit Begriffen, die religiöse und moralisierende Prägung besitzen. “Klimasünde” ist so ein Wort. “Klimafrevel” ein weiteres. Als die Fastenzeit dieses Jahr am 6. März begann, kam die Idee auf, bis Ostern auf Flugreisen zu verzichten. “Klimafasten” nannten das einige. Wenn die Diskussion inzwischen auf einem derartigen Level angekommen ist, läuft einiges nicht mehr ganz rund in diesem Land.

Flugreisen
Mit der Liberalisierung des Luftverkehrs in den späten Achtzigern sind Reisen mit dem Flugzeug für viele erschwinglich geworden. Gutbetuchte hatten nicht mehr das alleinige Privileg auf Erholung an fernen Stränden. Die Freigabe hatte den Urlaub fernab von Ostsee und Rimini endgültig demokratisiert. Fliegen eröffnet nicht nicht nur neue Sichtweisen auf die Welt, sondern auch von ihr. Es verbindet Kulturen und Menschen. Es hilft zu begreifen, wie vielfältig dieser Planet doch ist. Wer Urlaubsflüge nun in sinnstiftende und überflüssige kategorisieren möchte, würde dafür sorgen, dass sich am Ende doch wieder alle nur um sich selber drehen und keine Ahnung davon haben, wie es tausende Kilometer weiter aussieht. Er oder sie muss sich Fragen von jungen Türken, Griechen, Spaniern oder Portugiesen gefallen lassen, die vom Pauschaltourismus ihr Leben finanzieren und außerhalb der Saison meist arbeitslos sind, warum dann keiner mehr kommen darf. Er oder sie muss erklären, warum die Familie, die sich mit Müh und Not eine Woche Bulgarien vom Munde abspart, nun plötzlich wieder bei Großmutter im heimischen Garten sitzen soll. Und ganz speziell Katja Leikert muss den Beschäftigten in ihrem Wahlkreis der Fraport AG (Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt) irgendwann erklären, warum sie beim Amt inzwischen wieder Schlange stehen, statt Koffer von Urlaubern in die Laderäume zu wuchten, nur weil die CDU sich einem absonderlichen Hype angebiedert hat.

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