Kirche: Über das Spannungsverhältnis von Politik und Verkündigung

Einer „rollenden Frittenbude“, die „Glaube, Liebe, Currywurst“ anbietet, will ich nicht angehören, denn die folgt nicht Christus, sondern einer neuheidnischen Ersatzreligion.

© Sean Gallup/Getty Images

Nicht die taz, noch die Süddeutsche Zeitung, nicht die ZEIT, auch nicht die FAZ, weder die WELT, noch die Verlautbarungen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks sind bindend für den Christen, sondern allein die Bibel. Es gelten spätestens seit Martin Luther die Forderungen sola scriptura, sola gratia, sola fides. Allein die Heilige Schrift als Wort Gottes, allein die Gnade, allein der Glauben. Deshalb beginne ich meine Überlegungen über das Spannungsverhältnis von Politik und Verkündigung mit einer Episode der Heilsgeschichte, die in Vergessenheit geraten zu sein scheint.

Im Evangelium des Johannes lesen wir, dass Pontius Pilatus von Jesus Auskunft verlangt, ob er der König der Juden sei. Jesus fragt zunächst zurück, denn er will wissen, wessen er beschuldigt wird: „Sagst du das von dir aus, oder haben dir’s andere über mich gesagt?“ Jetzt wird es wichtig, denn die Behauptung der Juden, der Gesalbte der Messias zu sein, bedeutet für die Römer ein Staatsverbrechen, für die Juden aber Frevel und Gotteslästerung. Wer sich dem Römer gegenüber als König der Juden benennt, wird zum Aufrührer gegen Rom. Wer sich den Juden gegenüber als König, als Gesalbter des Herrn, als Messias betitelt, lästert Gott. Denn derjenige kann in ihren Augen nicht der neue David sein, nicht der Messias, der am Ende aller Tage kommt, weil alle Tage noch nicht vorüber sind. Beides allerdings, der Aufruhr und die Blasphemie, stellen den Tatbestand des Majestätsverbrechens dar:

Vom Fährmann zum Schlepper
EKD-Chef Bedford-Strohm: charakterlich in Seenot
In dem einen wird der Kaiser, in dem anderen JHWH, der der wahre König Israels ist, beleidigt. Zunächst stellt Jesu Rückfrage nicht auf eine philosophische oder religiöse, sondern auf eine juristische Ebene ab. Pilatus entzieht sich der Diskussion, zumal es ihm herzlich egal ist. Bin ich ein Jude, fragt er schmallippig zurück, als wollte er sagen, was interessieren mich eure Streitereien. Einzig womit Jesus die Juden gegen sich aufgebracht hat, möchte der Prokurator erfahren, auch um herauszufinden, welche Handlungsoptionen er besitzt: „Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet. Was hast du getan?“ An diesem Punkt jedoch wechselt Jesus die Ebene der Diskussion, denn es geht weder um Aufruhr, noch um Blasphemie, weil Aufruhr und Blasphemie nur in dieser Welt stattfinden können. Die Heilszusage, die Jesus gegeben hat, geht eben nicht in dieser Welt auf, sie besitzt eine universelle Perspektive. Das versucht er dem Römer zu erklären, indem er sagt: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von hier.“ Jesus sagt eben nicht: befreit mich, er sagt nicht, schickt ein Schiff ins Mittelmeer, auch ruft er nicht zu Friday for Future Demonstrationen auf. Um aber zum Christus zu werden, um den Menschen den Weg in das andere Reich zu ermöglichen, muss er den Juden überantwortet, hat er gekreuzigt zu werden, bleibt ihm nur, den ganzen Weg zu gehen, den Menschen zum Vorbild. Denn: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.« (Johannes 14,6–7)

Die Heilszusage bedarf des Kreuzes. Ohne Kreuz kein anderes, kein wirkliches Reich, sondern die Verhöllung des Diesseits. So wird das Kreuz zum Symbol des Wegs zum Vater, zur Erlösung, die niemals innerweltlich stattfinden kann, zur Heilszusage, zum Zeichen des Sieges über den Tod, wie Paulus feststellt. Wer das Kreuz jedoch ablegt – ohne Not, vielleicht sogar aus schierem Opportunismus -, der hat sich von Christus losgesagt und mithin auch vom Vater. Doppelt schwer wiegt der Verrat, wenn ausgerechnet im Nahen Osten, wo Christen sterben, weil sie nicht bereit sind, das Kreuz abzulegen, der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, im Jahr 2016 das Kreuz versteckte, um muslimischen Würdenträgern zu gefallen, dann hat damit hat der Ratsvorsitzende der EKD auf dem Tempelberg seine christlichen Brüder und Schwestern vorort und auch Christus selbst verleugnet. Dass es für einen Vertreter der Kirchen durchaus möglich ist, auch an diesem Ort das Kreuz zu tragen, belegt ein Foto, das ein paar Jahre zuvor an der gleichen Stelle aufgenommen worden war, und auf dem das Kreuz vor der Brust Papst Benedikt XVI. leuchtet.

Ohne Gott
EKD: Staatskirchentag im Land der Pastorentochter
Verweilen wir auf dem Tempelberg. Jesus behauptet im Verhör nicht, dass er der König der Juden ist. Wie könnte er das auch sein, wo er doch Gottes Sohn ist? Wie kann er König in dieser Welt sein, wo seine Perspektive die andere Welt bildet? Wie kann er nach Reichtum und Herrschaft in dieser Welt streben, wo er dazu geboren wurde, die Wahrheit zu bezeugen? Wie können also seine Kirche oder ihre Pfarrer sich in dieser Welt um Reichtum und Herrschaft bemühen oder es mit den Reichen und Mächtigen halten, wo sie doch Christi Wahrheit zu bezeugen haben? Eine Wahrheit, die weit über und weit von der Politik steht? Christi Wahrheit und nicht ihre politischen Meinungen, parteipolitischen Vorlieben, Meinungen auch aus Eitelkeit. Christi Wahrheit ist keine juristische Kategorie, dennoch benötigen Amtsträger wie Pilatus irdische Kategorien.

Deshalb erwidert Jesus klar und deutlich: Du sagst, dass ich ein König bin, weil du nur in diesen Kategorien denkst. Man muss dazu wissen, dass „Wahrheit“ das Thema des Späthellenismus schlechthin ist, das von Philosophen, Volksrednern und Religionsgründern, selbst ernannten Propheten wie kein anderes traktiert wurde. Alles dreht sich um die Frage des richtigen Lebens. Deshalb hebt Pontius Pilatus nur die Hände und wiegelt ab: Was ist schon Wahrheit? Drei Juden, fünf Meinungen, meint man ihn aufstöhnen zu hören. Auf diese Diskussion will sich der Prokurator nicht einlassen. Die Perspektive des Römers ist eine rein innerweltliche. Christi Heilszusage ist jedoch von einer ganz anderen Qualität. Sie weist den Menschen den Weg über sich und seine Welt hinaus, in die Ewigkeit, indem sie den sündigen Menschen mit Gott versöhnt. Christus ist die Mitte des christlichen Glaubens, Gottes Heilszusage, der Weg, dem alle folgen können. Ohne Eschatologie, ohne diese Heilszusage, ohne das Bewusstsein von Schuld und Sünde, aus dem die Hoffnung auf Vergebung, Gnade und Auferstehung fließt, gibt es keinen christlichen Glauben.

Sünde, Vergebung, Gnade, Tod und Auferstehung sind der Grund des christlichen Glaubens – in die Welt gebracht durch Gott selbst, indem er Fleisch geworden ist und unter den Menschen gelebt und ihnen so den Weg gewiesen hat. Gott begnadet uns, daran glauben zu können. Er verleiht uns die Fähigkeit dazu, allein weil wir Menschen sind, und er ermöglicht es uns, indem er uns den Heilsweg durch Jesus Christus vor Augen führt.

Chronik des laufenden Wahnsinns III
Abschlussbericht vom Grünen-Parteitag der EKD
Von dieser Vorstellung ging Martin Luther aus, als er die Zwei-Regimenten-Lehre aufstellte, die gemeinsam mit der Rechtfertigungslehre und der Formulierung der Priesterschaft aller Christen und der Begründung der „Freiheit eines Christenmenschen“ für mich zu den Grundtatsachen des christlichen Glaubens zählen. Bei Lukas 20,25 sagt Jesus eindeutig: „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ Für Martin Luther besteht kein Zweifel daran, dass zwei Regimenter bestehen, das weltliche und das geistliche. Für das weltliche Regiment, um das Recht aufrechtzuerhalten und durchzusetzen, hat Gott die weltliche Obrigkeit eingesetzt und ihr das Schwert gegeben, für das geistliche Reich, dafür den Tod zu besiegen, die Seelen zu retten, den Weg durch die Welt in die Ewigkeit, in das Reich nicht von dieser Welt zu gehen, dafür bestimmte Gott die geistliche Obrigkeit, dem Christen auf seinem Weg zu helfen. Übrigens kann man in der Zwei-Regimenten-Lehre den Ursprung der modernen Vorstellung von der Gewaltenteilung im modernen Staat erblicken. So heißt es bei Luther in der beachtlichen Schrift „Ob Kriegsleute auch im seligen Stande sein können“: „Ein jeglicher Herr und Fürst ist schuldig, die Seinen zu schützen und ihnen Frieden zu schaffen. Das ist sein Amt, dazu hat er das Schwert …“

Der Reformator geht ungewohnt weit, wenn er sagt, dass der Fürst noch nicht einmal ein Christ sein müsse, obwohl es gut wäre, wenn er es wäre, wenn er denn nur seine Aufgaben erfüllen würde. Er warnt davor, dass die weltliche Obrigkeit versucht, in den geistlichen, und dass die geistliche Obrigkeit versucht, in den weltlichen Bereich hineinzuregieren. Er warnt davor, die Gewissen der Gläubigen zu nötigen, wie das eine Vielzahl von Initiativen der EKD versuchen, wenn er schreibt: „Das wollen wir so klar machen, dass man’s mit Händen greifen solle, auf dass unsere Junker, die Fürsten und Bischöfe sehen, was sie für Narren sind, wenn sie die Menschen mit ihren Gesetzen und Geboten zwingen wollen, so oder so zu glauben.“ (Obrigkeitsschrift) „Denn wie streng sie gebieten und wie sehr sie loben, so können sie die Leute nicht weiter nötigen, als dass sie ihnen mit dem Mund und mit der Hand folgen; das Herz können sie ja nicht zwingen, und wenn sie sich zerreißen sollten.“

Wahlaufruf der deutschen Bischöfe
„Akt der politischen Exkommunizierung Andersdenkender“
Die Wahrheit ist ohnehin bei Gott und wird allein deshalb siegen. Andere Meinungen zu kriminalisieren oder mit Repressionen zu begegnen, bedeutet für Martin Luther Gotteslästerung, eine Blasphemie übrigens, die auf ihre Hervorbringer zurückfallen wird, denn: „sie treiben damit die schwachen Gewissen mit Gewalt dazu, zu lügen, zu verleugnen und anders zu reden, als sie es im Herzen meinen, und beladen sich selbst so mit gräulichen fremden Sünden. Denn alle die Lügen und falschen Bekenntnisse, die solch schwache Gewissen tun, fallen zurück auf den, der sie erzwinget.“ Luther fragt zurecht: „Was sind denn die Priester und Bischöfe?“ Und antwortet kurz und bündig: „Ihr Regiment ist nicht eine Obrigkeit oder Gewalt, sondern ein Dienst und ein Amt. Denn sie sind nicht höher noch besser vor anderen Christen.“ Insofern ist es dringend geboten, dass die Kirchenleitung nicht in einer irrigen Vorstellung ihrer Aufgaben, sich in die Parteipolitik verläuft.

In dem Essay „Gehört Luther zu Deutschland“ habe ich es befürchtet, in der Streitschrift „Geht der Kirche der Glaube aus“ davor gewarnt, dass die Kirche, wenn sie sich politisch handsgemein macht, als parteipolitischer Akteur wahrgenommen wird. Genau das ist eingetroffen. Vor dem Evangelischen Kirchentag, der allen Parteien – auch den Nachfolgern der SED – mit Ausnahme der AfD ein Podium geboten hat, hat die AfD ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie die Evangelische Kirche für ihren Pakt mit den Mächtigen kritisiert.

Das Verstörende an der Kritik ist nicht, dass sie von der AfD erhoben wurde, sondern dass die AfD nur an die Kritik an der Politisierung der Kirche anschließen konnte, die von Theologen, von Publizisten und auch von Politikern wie Wolfgang Schäuble erhoben worden war und sogar noch durch die Ausladung der AfD zum Kirchentag beglaubigt wurde. Die Kirchenleitung wie auch die Leitung des Kirchentages haben erst die Flanke geöffnet, in die nun die AfD hineingestoßen ist. Das Argument, dass man der AfD kein Forum bieten möchte, ist allerdings eines Demokraten unwürdig, denn Auseinandersetzungen in einer Demokratie finden immer auf dem Weg des Disputs, des Wettbewerbs der Argumente statt. Wer etwas anderes will, will Diktatur.

Aber das ist eben nur die eine Seite der Medaille. Denn die EKD wird inzwischen von den Grünen wie eine Vorfeldorganisation ihrer Partei behandelt. So verwundert es dann auch nicht, wenn Karin Göring-Eckhard die Ausladung euphorisch begrüßt, möglicherweise auch daran hinter den Kulissen mitgewirkt hat, und wenn der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold, der praktischerweise auch Mitglied des Präsidiums des Kirchentags war, sich dafür einsetzte, dass in einer Resolution die Entsendung eines EKD-Schiffs ins Mittelmeer auf Kosten des Kirchensteuerzahlers gefordert wird. Sven Giegold verlangte von der EKD: „Es genüge nicht mehr, die Arbeit der NGOs bei der Seenotrettung finanziell zu unterstützen“ und befahl schließlich: „Die EKD und ihre Gliedkirchen müssen selbst aktiv werden und im Mittelmeer Flagge zeigen.“ Warum müssen sie? Weil die Grünen das so wollen?

Über den bejammernswerten Zustand des Kirchentages muss man sich nicht wundern, wenn man einen Blick auf die rotgrüne Präferenz im Präsidium selbst schaut. In seiner jetzigen Form ist der Kirchentag durchaus verzichtbar. Wenn der Bund mit den Mächtigen, das Bündnis von Kanzel und Kanzleramt oder ein inzwischen fast symbiotisches Verhältnis zu einer politischen Partei gepflegt wird, hat man die größtmögliche Entfernung zur Verkündigung erreicht. Der Journalist Hans Leyendecker als überforderter Präsident des Kirchentages dekretierte: „Wer nichts zu sagen hat und nicht zu einem Diskurs wirklich beitragen kann, bekommt keinen Platz auf einem Podium.“ Dieserart Sätze sind bekannt, wohl bekannt – aus Diktaturen. Denn wenn Leyendecker darüber entscheidet, wer etwas beizutragen hat und wer nicht, dann steht das nur allzu sehr in der geistigen Verwandtschaft zu dem Diktum: Jeder darf frei und öffentlich meine Meinung äußern.

Schlimmste Erinnerungen werden wach
Befördern Funktionäre der Kirche die Spaltung der Gesellschaft?
Der Kirchentag war ein Kirchentag der politischen Ausgrenzung – und das meint nicht nur die AfD -, sondern meinen im Grunde alle, die mit der herrschenden Ideologie, die auf den Dekonstruktivismus zurückgeht, nicht übereinstimmen, sondern wissenschaftliche, historische oder philosophische Argumente und Analysen vertreten, auf die man keine andere Antwort hat, als sie zu diffamieren. In der Predigt des Abschlussgottesdienstes sprach die Pastorin Sandra Bils, die den Hebräerbrief als eine Mischung aus „Trost und Arschtritt“ versteht, von den Christen als „Gottes Gurkentruppe“. Müssen wir uns die Texte der Bibel als „Arschtritte“ und Gott uns fürderhin als Gurke vorstellen?

Besteht Gottes Ebenbildlichkeit des Menschen nicht darin, dass jeder ein Held des Alltags ist, dass er tätig ist, eine Familie gründet, Kinder erzieht, sich im Beruf bemüht, seine Christenpflichten erfüllt, Erfolge erarbeitet und Misserfolge verarbeitet? Es zeigt die Dekadenz einer vollkommen politisierten Kirchenleitung, wenn das Niveau der Predigt des Abschlussgottesdienstes, die vulgär von Kurzschluss zu Kurzschluss funkt, nicht einmal für einen grünen Landesparteitag gereicht hätte. Die Vorstellung über die Kirche, mit der der Kirchentag endete, mag Wohlfühlprotestantismus sein, christlich ist sie nicht.

Einer „rollenden Frittenbude“, die „Glaube, Liebe, Currywurst“ anbietet, will ich nicht angehören, denn die folgt nicht Christus, sondern einer neuheidnischen Ersatzreligion. Woher weiß die Pastorin, dass Gott in der Welt „durch die Leute von Sea-Watch, SOS Méditerranée und Sea-Eye, durch Greta Thunberg und die Schülerinnen und Schüler“ wirkt. Man kann die Seenortrettung, so wie sie geschieht, für falsch halten, man kann die Klimadiskussion als vollkommen politisiert charakterisieren und belastbare wissenschaftliche Argumente dafür vorbringen, ohne, dass man deshalb ein schlechter Mensch, ein „Nazi“, ein Rechtsextremer ist und einem ein Podium auf dem Kirchentag versagt wird, weil man möglicherweise etwas zum Thema beizutragen hat. Aber vielleicht handelt es sich bei den Podien nicht um die kontroverse Diskussion von Themen, sondern um die Verfestigung der Gesinnung im eigenen Stuhlkreis, neudeutsch Filterblase.

Das Grundgesetz garantiert die Meinungsfreiheit und die Demokratie benötigt sie wie die Luft zum Atmen. Denn die Demokratie lebt durch das politische Engagement der Bürger, die als Bürger im öffentlichen Raum, in der res publica wirken. Und so, wie in der Demokratie ein Vielzahl von Meinungen existieren – im Gegensatz zur Diktatur -, so haben auch Christen unterschiedliche Vorstellungen, Erfahrungen und Ansichten. Man nennt es Reichtum und Vielfalt. Ausschlaggebend für die Übernahme eines Amtes in der Gemeinde sind daher nicht das politische Engagement, sondern einzig und allein der christliche Glaube und das Vertrauen der Gemeinde.

Wer aber, wie es die Kirchenleitung unternimmt und wie es der Kirchentag durchexerziert hat, eine parteipolitische Haltung als Gradmesser für das Christsein und zur Grundlage der Politik der EKD erhebt, der spaltet die Kirche, der wird am Ende nur noch Kirchenmitglieder haben, die den eigenen politischen Vorstellungen entsprechen. Das wird dann aber keine Kirche mehr sein. Der Kirchentag stand unter dem Motto „Vertrauen“, sehr zu Unrecht, er hat Vertrauen zerstört. Wenn Hans Leyendecker sagt: „Es gibt vieles, das wie eine Säure wirkt, die das Vertrauen in den Zusammenhalt der Gesellschaft zerstört“, dann hat er ein paar Tropfen Säure hinzugefügt.

Ich glaube an eine Kirche, die Jesus Christus gestiftet hat, und nicht an eine „Frittenbude“. Grundlage von Vertrauen sind Glaube, Liebe, Hoffnung. Wenn man jedoch die Hoffnung zur „Currywurst“ macht, dann wird die Zukunft bereits verwurstet.

EKD in schlechter Tradition
Die demokratie-zerstörende Schlusspredigt des Kirchentags
Es ist richtig, dass – und lassen wir mal alle Schuldzuweisung beiseite – die Gesellschaft immer mehr zerfällt, das Klima rauer wird. Mein Bild von der Kirche ist, dass sie in Zeiten, in denen alle Gewissheiten fallen und Gemeinsamkeiten, wie sie jede Gesellschaft benötigt, aufgekündigt werden, dass sie der große Integrator sein kann, weil sie eine weit über das weltliche hinausgehende Legitimation besitzt, dass gerade sie es sein wird, die alle an einen Tisch holt und neue Gewissheiten stiftet. Mein Bild hat historische Hintergründe. Ich nenne nur einen: Als das Römische Reich unterging und die administrative Struktur zerfiel, waren es gerade in Gallien die Ortsbischöfe, die diese Aufgaben übernahmen und die Gemeinden geistlich und weltlich zusammenhielten. Das widerspricht nicht Luthers Zwei-Regimenten-Lehre, weil das weltliche Regiment nicht mehr existierte. Das Christentum und die Kirche standen am Beginn Europas. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass es das Christentum und die Kirche war, die Europa geschaffen haben. Und es wird sich zeigen, leider, dass erst die Religion und dann die Kultur geht, die Art und Weise, wie wir leben.

Die Tragik unserer Zeit scheint gerade darin zu bestehen, dass wird die Bedingungen auflösen, aus denen wir heraus leben, dass die Kirchenleitung aus Angst vor der Säkularisierung sich selbst säkularisiert, dass sie den Glauben gegen Gesinnung, christliche Ethik gegen einen politischen Moralismus eintauscht und sie aus Furcht, die Kirche könnte bedeutungslos werden, die Kirche ihrer Bedeutung beraubt. Dietrich Bonhoeffer charakterisiert die christliche Ethik so: „Nicht, dass ich gut werde noch dass der Zustand der Welt durch mich gebessert werde, ist dann von letzter Wichtigkeit, sondern dass die Wirklichkeit Gottes sich überall als die letzte Wirklichkeit erweise. Dass sich also Gott als das Gute erweise, auf die Gefahr hin, dass ich und die Welt als nicht gut, sondern als durch und durch böse zu stehen kommen, wird mir dort zum Ursprung des ethischen Bemühens, wo Gott als letzte Wirklichkeit geglaubt wird.“ Gott also als letzte und als erste Wirklichkeit. So wie Jesus vor Pilatus sagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“.

Um den Weg aus der babylonischen Gefangenschaft der Politik, in der sich die Kirche befindet, zu nehmen, wird es erforderlich, dass Kirche wieder zur Verkündigung zurückfindet, der Verkündigung von Gottes Wort, denn es ist seine Kirche. Zuallererst hat sich Kirche auf ihre sechs Hauptaufgaben zu besinnen und zu konzentrieren, hätte sie das getan, wäre doch schon sehr viel erreicht:

1. Gottesdienst, 2. Seelsorge, 3. Bibellesung, 4. Diakonie , 5. Bildung und 6. Mission. Mission ist das wichtigste und alle anderen 5 Gebiete orchestrieren gemeinsam die Mission, denn es ist den Christen aufgegeben, die gute Nachricht der Erlösung allen Menschen zu bringen. In Worten und in Taten. In den Worten des großen Theologen Eberhard Jüngel besteht „das Geheimnis des Glaubens und als solches das Innerste der Kirche“, darin, dass in der Kirche „Gott und Mensch ein für alle Mal zusammengekommen sind, damit Gott unseren Tod und wir sein Leben teilen können.“ In einer großen Rede auf der sogenannten Missionssynode der EKD 1999 in Leipzig hat der Tübinger Theologe darauf hingewiesen, dass die 6. Barmer These, „der gemäß es zu den Konstitutiva der Kirche gehört, die Botschaft von der freien Gnade Gottes allem Volk zu überbringen … noch immer auf ihre ekklesiologische Rezeption“ wartet. Dieses Desiderat empfand Jüngel als umso schmerzvoller, weil für ihn Evangelisation und Mission die Zukunftsfähigkeit der Kirche ausmachen. „Wenn die Kirche ein Herz hätte, ein Herz, das noch schlägt, dann würden Evangelisation und Mission den Rhythmus des Herzens der Kirche in hohem Maße bestimmen.“ Er brachte das schöne Bild vom Ein- und Ausatmen. „Einatmend geht die Kirche in sich, ausatmend geht sie aus sich heraus.“ Das Einatmen sieht er im liturgischen Gottesdienst. „Da ist sie um Gottes Wort und um den Tisch des Herrn versammelt, da ist sie gesammelt und konzentriert bei sich selbst.“ In diesem Gottesdienst baut sie sich stets wieder von Neuem auf. Doch das Ausatmen wird für Jüngel zu einer nicht weniger existenziellen Handlung der Kirche. „Die Kirche muss, wenn sie am Leben bleiben will, auch ausatmen können. Sie muss über sich selbst hinausgehen, wenn sie die Kirche Jesu Christi bleiben will.“ Über sich selbst hinauszugehen verlangt auch, mit dem Glauben in die Welt zu gehen.

Plädoyer für eine Kirche der Freiheit
Geht der Kirche der Glaube aus?
Lassen Sie mich ein Letztes sagen: Im Begriff der Reformation oder in der tottraktierten Forderung ecclesia semper reformanda steckt auch die Forderung zu einer forma, zu einer Gestalt des Lebens, zum Glauben zurückzukehren. Luthers Re-Formation wurde doch vor allem von dem Willen angetrieben in einer Zeit, in der im Machtkampf und im politischen Engagement der Kirchenfürsten der Glauben verloren ging, den Glauben wiederzufinden, zum Glauben zurückzukehren. Zur Verkündigung. Kehrt die Kirche zur Verkündigung zurück, wird sie auch politisch sein, ohne sich jedoch parteipolitisch zu verkämpfen. Doch dazu bedarf es einer neuen Reformation. Ich fürchte inzwischen, mit dieser Kirchenleitung wird es nicht zu machen sein.

Die Erneuerung der Kirche kann nur von und aus den Gemeinden heraus erfolgen – oder man wird ihrer Vergebens harren und die Kirche als Institution wird enden. Die Kirche, der Glaube jedoch nicht, denn der wird neue Wege finden. Was Gott in die Welt gebracht, kann der Mensch nicht verlieren. Doch besser wär es, wir reformieren die Kirche.

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Kommentare ( 87 )

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F.Peter
4 Jahre her

Ob die beiden Kreuzverleugner diesen Artikel lesen werden?? Und wenn ja, ob sie überhaupt verstehen???
Auf jeden Fall eine datailierte Beschreibung der derzeitigen Missstände der großen christlichen Kirchen, mit deren Bodenpersonal kein Blumentopf in Sachen Religion mehr zu gewinnen ist!

Walter Knoch
4 Jahre her

Berichtigung: Der Autor hat ein Anrecht darauf, dass Kommentare zu seinem Beitrag in Grammatik und Rechtschreibung, so weit es möglich ist, fehlerfrei sind. Leider bin ich diesem Anspruch (zum wiederholten Male) nicht gerecht geworden. Ich habe, warum ist mir selbst ein Rätsel, nicht gegengelesen. Ich bitte deshalb meinen berichtigten Beitrag zu veröffentlichen: Vorab eine generelle Bemerkung. Die monotheistischen Religionen weisen in ihrer Historie allesamt eine hohe Affinität zur Gewalt auf. Auch die christlichen. Dass sich die christlichen Konfessionen für diese Gewalt nicht auf Jesus berufen können, dürfen, ist eine Binsenweisheit. Umso beklagenswerter, was im Laufe der Jahrhunderte dennoch geschah. Die… Mehr

Stiller Ruf
4 Jahre her
Antworten an  Walter Knoch

Falsch und nochmal falsch!! Wer jetzt noch nicht erkennt, dass und warum der säkulare AtheISMUS gescheitert ist und nicht von ungefähr alle ISMEN (bzw. ISMUS) seine Kinder waren, denkt weiter in der symptomatischen Eindmensionalität des heutigen SäkulariSMUS. Wenn Sie die Religion per se „zur Gefahr“ erklären, ist das zwar legitim, aber völliger Nonsens, da die transzendentale Sinnsuche, die „Schwingungen der Ewigkeit“, frei nach einem unverdächtigen Kant, nun mal von je her ein „unhintertreibbares Bedürfnis des Menschen“ sind, uns also quasi irgendwo inhärent sein – bzw. sich daher IMMER ihre Bahnen suchen müssen und wenn es – wie heute – auf… Mehr

Walter Knoch
4 Jahre her
Antworten an  Stiller Ruf

Dass das Christentum durch die Aufklärung mittlerweile eingezähmt wurde, ist Gott sei Dank eine Tatsache. Die Verbrechen, die im Namen des Christentums begangen wurden bleiben dennoch eine Tatsache. Die Gefahr, die sich mittlerweile auftut, besteht auch und vor allem darin, dass die Kirchen und zwar allesamt, sich der Verharmlosung der großen, mächtigen Ideologie, die im Gewande einer Religion daherkommt, anschließen. Die Sinnsuche ist unbestritten. Ob es diesen Sinn tatsächlich gibt, ist eine andere Sache. Ich bin kein Atheist. Ich bin Agnostiker. Ich weiß es nicht, ob es diesen Gott gibt. Er kann, so er existiert, jedenfalls kein gütiger und barmherziger… Mehr

Stiller Ruf
4 Jahre her
Antworten an  Walter Knoch

Sorry, dass sind keine Absolutismen sondern nur entspr. Quintessenzen aus der Empirie, gestützt auf archäologischen Funden, Riten und Bräuche aus der Frühzeit, aus denen klar hervorgeht, dass sich der Mensch von Beginn an, auch u. explizit als religiöses Wesen mit einer Sehnsucht nach Transzendenz und Ewigkeit definierte. Eine weitere Tatsache: ohne Christentum GÄBE es gar keine Aufklärung; Im christl. Mittelalter war Forschung ein quasi-religiöser Akt. So waren die Klöster nach dem Zerfall des Römischen Reiches DIE Zentren und Oasen der Bildung, was auch dieses andere Klischee über die angebliche Fortschrittsfeindlichkeit des (damaligen) Christentums schnell ad absurdum führt, wenn man nur… Mehr

Walter Knoch
4 Jahre her
Antworten an  Stiller Ruf

Der Mensch ist hineingeworfen in diese Welt. Als einziges Wesen weiß er, seine Tragik, um sein Ende. Deshalb suchte er, sucht er Sinn, etwas das über ihn hinausweist, das Stütze gibt, das hilf, diese Unerträglichkeit, dieses Skandalon, sein Ende, ertragen zu helfen. Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde. So etwa sagt Feuerbach, dessen Philosophie ich nicht in Sympathie zugewandt bin. Ein letztes: Die erste Enttäuschung, so sagt man, war die Tatsache, dass die Erde nicht Mittelpunkt des Universums ist, sondern nur ein einziges Staubkorn inmitten Milliarden anderer. Die zweite Enttäuschung kam mit Darwin. Die Tatsache, dass der Mensch nicht… Mehr

Stiller Ruf
4 Jahre her
Antworten an  Walter Knoch

Ja meinetwegen, wenn’s denn ihr persönlicher „Glaube“ ist, dass da nix mehr zwischen Himmel u. Erde möglich ist, hoffe ich, dass Sie damit glücklichen werden. Gem. Ihrer Argumentation sind Sie allerdings alles andere als ein Agnostiker, der das Undenkbare nie ganz aus dem Radar verliert, sondern reiner Atheist.

Beobachterin
4 Jahre her

Herzlichen Dank, Herr Mai.

Ihr Beitrag hat mich tief beeindruckt.

Gott segne Sie.

Marco Mahlmann
4 Jahre her

Nach christlichem Verständnis ist Jesus die Offenbarung Gottes und die Bibel das Zeugnis dieser Offenbarung. Jesus ist als Aufrührer in einem ordentlichen Strafprozeß zum Tode verurteilt worden (ibis ad crucem).
Sie können davon halten, was sie wollen, aber der Opfertod Jesu ist der Kern des Christentums. Wer nicht glaubt, daß Jesus Gottes Sohn ist, der für uns am Kreuz gestorben ist, der ist kein Christ.

Stiller Ruf
4 Jahre her

Sie irren sich, ja, Sie irren sich! Ohne dem „dualen System“ von westl. Ratio- UND (christlich-transzendentaler) Meta-Ebene, keine Universitäten, keine Aufklärung, und z.B. wohl auch keine Mondlandung etc. etc. etc. denn selbst Amerika hat, wie Sie sicherlich wissen, seine Entdeckung nicht nur jenem zweidimensionalen Geist aus Ratio UND (christl.) Meta – respektive Vernunft UND Glaube (des „Alten Europas“) zu verdanken, es fußt auch darauf. Mit dem „institutionalisierten Christentum“ seine tatsächliche, geistig-spirituelle Dimension im Allgemeinen und die zu jener Zeit im Besonderen zu assoziieren, wird zwar häufig gemacht (= die typisch säkulare bzw. reine Ratio-Logik-Herangehensweise), es führt aber dennoch auf die… Mehr

Johann Thiel
4 Jahre her
Antworten an  Stiller Ruf

Bei diesem Thema irrt er sich ja immer.

Sonnenschein
4 Jahre her

Danke Herr Mai. Das Beste was ich bisher zum Thema (mein Thema z.Zt.) gelesen habe.

Walter Knoch
4 Jahre her

Vorab eine generelle Bemerkung. Die monotheistischen Religionen weisen in ihrer Historie allesamt eine hohe Affinität zur Gewalt auf. Auch die christlichen. Dass sich die christlichen Konfessionen für diese Gewalt nicht auf Jesus berufen können, dürfen, ist eine Binsenweisheit. Umso beklagenswerter, was im Laufe der Jahrhunderte dennoch geschah. Die Zwei-Reiche-Lehre geht originär nicht auf M. Luther zurück, sondern auf Jesus selbst: Gebt Gottes, was Gottes ist, und gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, sagte Jesus, nachdem er sich eine Münze hat reichen lassen, als die Pharisäer und Schriftgelehrten ihn in die Enge treiben wollten. Soweit, so gut. Martin Luther als… Mehr

Marco Mahlmann
4 Jahre her
Antworten an  Walter Knoch

Sie können Ihren Aufruf, für bestimmte Fragen das Netz zu konsultieren, durchaus selbst befolgen.

Walter Knoch
4 Jahre her
Antworten an  Marco Mahlmann

Geschätzter Herr Mahlmann, Sie dürfen sicher sein, dass ich mich mit dem Thema Martin Luther, Reformation, Geschichte des Protestantismus (und auch Geschichte der Kirche, die einmal eine allgemeine war) auseinandergesetzt habe. Nicht nur durch Informationen aus dem Netz, sondern auch durch die Lektüre diverser Bücher.

Aber, deshalb meine Formulierungen, bin ich die Wohlfahrt oder so, und nehme anderen die Arbeit ab. Schauen Sie selbst. Sie haben, nehme ich an Augen und bewegliche Finger.

Für meinen übergriffigen Sarkasmus bitte ich im voraus um Entschuldigung. Danke.

Johann Thiel
4 Jahre her
Antworten an  Walter Knoch

Auch ich bin kein Freund von Martin Luther und als Katholik lehne ich den Protestantismus insgesamt ab, der m.E. im wesentlichen für die Entspiritualisierung der Kirchen steht. Insgesamt möchte ich Ihnen, werter Herr Knoch, aber widersprechen. Das Problem unserer Gesellschaft sind nicht die Religionen, sondern die Abwendung davon, von Gott, Spiritualität und letztlich auch von den christlichen Kirchen. Eine Gesellschaft die den Glauben verloren hat, sucht Halt in Gender-, Klima- und Globalistenwahn. Den Weg zu Gott und Glauben wird man allerdings nicht finden, wenn man sich enttäuscht darüber gibt, dass die Schöpfung nicht den persönlichen Ansprüchen genügt. Ein geradezu klassisches… Mehr

Walter Knoch
4 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Sehr geehrter Herr Thiel, zunächst einmal, um das vorauszuschicken, bin ich kein Atheist, ich bin ein Agnostiker, der zudem rundum katholisch sozialisiert wurde. Der über lange Jahre und das auch heute noch in vielerlei Diskussionen die Positionen der – meiner, wenn es gestattet ist, – Kirche verteidigt. Den Glauben an einen barmherzigen Gott habe ich verloren, nicht weil die Natur, die Schöpfung meinen persönlichen Ansprüchen nicht gerecht werden würde, sondern weil mich, je länger ich auf das Leid der Kreatur, und dabei meine ich nicht unbedingt den Menschen, geblickt habe, ein unendliches Mitleid gepackt hat. Ein Mitleid, das mir bis… Mehr

Johann Thiel
4 Jahre her
Antworten an  Walter Knoch

Sehr geehrter Herr Knoch, vorauszuschicken möchte ich, dass die Katholische Kirche, so wie Sie sich heute darstellt, genauso kritikwürdig ist, wie Sie es anführen, jedoch vom Protestantismus grundsätzlich entfernt ist, und dies hoffentlich auch bleibt. Geschichtlich gesehen, wird natürlich die Kirche bzw. Religion im allgemeinen für sehr viel Unheil verantwortlich gemacht. Das ist in sofern sachlich falsch, als das die Kirche nur eine Komponente von vielen, in der menschlichen Entwicklungsgeschichte ist. Diese wäre in jedem Fall genau so blutig verlaufen, wie sie verlaufen ist, wenn man berücksichtigt wie die Menschen beschaffen sind. Man kann das Unheil welches die Menschen im… Mehr

Walter Knoch
4 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Lieber Herr Thiel, ich darf Sie hoffentlich so anreden, wir glauben alle. Der „Gläubige“, der Atheist, der Agnostiker, der Buddhist, der Christ, der Mohammedaner. Dem Mensch ist es nicht gegeben, hinter die Kulissen zu schauen. Die Physik hat riesige Fortschritte gemacht. Aber wie sagt Professor Lesch: Die Physik erklärt das Wie, was sie nicht kann, ist Warum? Ich habe vor ein paar Minuten in diesem Forum geschrieben, dass der Mensch ein Geworfener ist, in diese Welt als einziges Wesen hineingeworfen, das um sein Ende weiß. Diesem Skandalon, ich habe ein Ende, versuchte der Mensch von Anfang an mit Riten, mit… Mehr

Johann Thiel
4 Jahre her
Antworten an  Walter Knoch

Lieber Herr Knoch, gern bleibe auch ich bei dieser Anrede, vielen Dank für die nochmalige Unterstreichung Ihrer Position mit Verweis auf Ihre anderen Kommentare. Ein kleines bisschen enttäuscht bin ich allerdings, dass Sie doch recht wenig auf meine Sichtweise eingegangen sind. Wir müssen das aber auch nicht unbedingt hier vertiefen, insbesondere die Frage der Theodizee, die ja ein wesentlicher Punkt Ihres Agnostizismus ist. Deswegen möchte ich Ihnen einen jüdischen Witz erzählen, den ich von dem Foristen Bozo-Zoo habe, mit dem ich dieses Thema diskutiert habe. Hintergrund dieses Witzes war die Frage, wie man nach der Shoah noch an einen allmächtigen,… Mehr

F.Peter
4 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Könnte es nicht daran liegen, dass die Menschen sich von den christlichen Kirchen abwenden, weil deren Bodenpersonal lieber Politik macht statt die Frohe Botschaft der Bibel zu verkünden, zu interpretieren und damit für die Allgemeinheit verständlich zu machen?
Wenn ich in die Kirche gehe, möchte ich keine „Nachrichten à la Tagesschau“ hören!

Johann Thiel
4 Jahre her
Antworten an  F.Peter

@F.Peter Nein, das ist nur die oberflächliche Begründung. Es liegt an einer Gesellschaft die seit Jahrzehnten Druck auf die Kirche, insbesondere die Katholische ausübt, sich dem Weltlichen zu öffnen. Eine Gesellschaft die sich durch Wohlstand, Konsum und linke Bildungsziele vom Glauben abgewandt hat, und im Grunde von den Kirchen erwartet ihr auf diesem Weg zu folgen, indem diese zu sozialen statt spirituellen Einrichtungen werden sollen. Die Kirchen haben diesem Druck nachgegeben und dadurch Leute wie Marx oder Bedford-Strohm hervorgebracht und letztlich auch einen Papst Franziskus. Es ist die Wechselwirkung zwischen gesellschaftlichen Anspruch an die Kirchen und deren Selbstverständnis, was zur… Mehr

Denis Diderot 2018
4 Jahre her

Eine sehr einseitige Sicht. Sie kann nur vertreten, wer in einem kommunistischen Land mit einem Rest an protestantischer Kirche aufgewachsen ist. In Südeuropa würden Sie nur Kopfschüttteln ernten. Alle Schriften der Antike, also auch arabische Philosophie wurden erhalten durch die römische Kirche. In den Klöstern wurden sie kopiert, glossiert, kommentiert. Gutenberg konnte mit seinen beweglichen Lettern Bildungsverbreitung stiften, weil es einen Inhalt gab. Die staatliche Vielfalt, die politische und kulturelle Konkurrenz kommt gerade durch die Konfessionen zustande. Mit der Eindämmung der Religion haben Sie Recht. Dennoch: Die Kirchen haben über Jahrhunderte die Gesellschaft organisiert. Kunst entwickelte sich vor alem durch… Mehr

Denis Diderot 2018
4 Jahre her
Antworten an  Denis Diderot 2018

Danke für die Literaturtipps. Dann habe ich zwischen den Jahren Lektüre.

Marco Mahlmann
4 Jahre her
Antworten an  Denis Diderot 2018

Wer hat Alexandrias Bibliotheken wiederentdeckt und nach Europa gebracht? Wer hatte Gelegenheit und Fähigkeit, die Schriften zu vervielfältigen und nutzbar zu machen?
In welchem westlichen europäischen Land spielte die KP über Jahrzehnte eine bedeutsame Rolle bis in die Industrie hinein? Welche Auto-Modelle des Westens wurden in Rußland nachgebaut?

Atheist46
4 Jahre her

Ihr Artikel kürzestmöglich zusammengefasst: Kirchen dieser Art braucht nicht nur kein Mensch – nein, sie sind für ein friedliches Zusammenleben zerstörerisch.

Johann Thiel
4 Jahre her
Antworten an  Atheist46

Das ist ebenfalls kürzestmöglich zusammengefasst, falsch.

Atheist46
4 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Sie haben Recht, Herr Thiel. Es gibt tatsächlich Menschen, die „Kirchen dieser Art“ brauchen, nämlich – hauptsächlich – Politiker, denen sie nach dem Mund reden getreu dem Motto: Sprach der König zum Priester „Halt du sie dumm, ich halt sie arm“. Ja, diese Menschen brauchen solche Kirchen, da haben Sie schon Recht.

F.Peter
4 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Ach nee, und warum ist das falsch?? Ein paar Argumente wären schon sehr hilfreich!

Stiller Ruf
4 Jahre her
Antworten an  Atheist46

Was für ein eindimensionaler Käse! Weil alle dem AtheISMUS entstammenden ISMEN-(bzw. ISMUS) -Systeme für ein „friedliches Zusammenleben“ schon so erbauend und prosperierend waren….

bfwied
4 Jahre her

Die Kirche war eine bestimmende Macht, gegründet auf Glauben, d. h. auf Nichtwissen – das wird verbrämt mit „Geheimnis des Glaubens“. Sie nimmt also Ausgedachtes als Wahrheit an, flüchtet sich jedoch, weil es nicht anders geht, in ein göttliches Geheimnis. Aber sie gründete die Ordnung , die Strukturen des Zusammenlebens. Ohne sie wäre die Strukturierung unserer europäischen Gesellschaften anders verlaufen, vielleicht besser, vielleicht schlechter. Allerdings übte die Kirche durchaus auch Gewalt aus! Heute haben wir organisierte Staaten außerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer, die Kirche als ordnungsgebende Macht ist nicht mehr notwendig, aber sie könnte alle Entwicklungsprozesse in Hinsicht auf technische… Mehr