Steuer-Fairness à la FDP: 2/3 Staat, 1/3 Bürger (vom Steuermehraufkommen)

Die FDP will von dem durch Wachstumsgewinne zusätzlichen Steueraufkommen von 2021 (110 Milliarden Euro) ca. 1/3 beim Bürger belassen (35-40 Milliarden Euro), 2/3 sollen weiterhin dem Staat zustehen. Und: hier geht's nur um's zusätzliche Steueraufkommen.

© Steffi Loos/Getty Images

Durch den Beitrag über die steuerpolitischen Vorstellungen der FDP im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 (S. 63-65, 75) sah sich die FDP missverstanden und es entwickelte sich ein reger Austausch mit einem ihrer führenden Finanzpolitiker über den tatsächlichen Inhalt des Programms. Aufgrund der Erläuterungen und Klarstellungen ergibt sich nunmehr folgendes Bild:

Die FDP will eine steuerliche Entlastung von mindestens 30 Milliarden Euro, die sie aus dem „zusätzlichen Steueraufkommen von mehr als 110 Milliarden Euro bis zum Ende der Wahlperiode 2021“ finanzieren will. So schreibt sie es in ihrem Wahlprogramm. Trotz des Bezugs auf die vierjährige Wahlperiode versteht die FDP jedoch unter dem zusätzlichen Steueraufkommen nur das des Jahres 2021 und nicht das der gesamten Wahlperiode. Dementsprechend versteht die FDP den Betrag von 30 Milliarden auch als jährliches Entlastungsvolumen.

Das Steuerprogramm der FDP
FDP: eine Partei, die nicht rechnen kann
Obwohl der genannte Betrag von 30 Milliarden Euro in einem allgemeinen Abschnitt über die Steuer- und Abgabenentlastung enthalten ist und die einzelnen Steuerarten in gesonderten Abschnitten dargestellt sind, soll er sich nur auf die Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag beziehen. Dazu kommen laut FDP die übrigen Steuerentlastungen zum Beispiel bei der Strom-, Grunderwerb- und Erbschaftsteuer. Die muss die FDP aber erst noch rechnen lassen. Vorläufig geht sie von 5-10 Milliarden Euro aus. Das ergibt dann ein jährliches Gesamtentlastungsvolumen von geschätzt 35-40 Milliarden Euro.

Dieses Entlastungsvolumen käme aber nicht für jedes Jahr der Wahlperiode zum Tragen, sondern erst ab 2020. Denn für 2018 hängt eine etwaige Entlastung vom rechtzeitigen Abschluss etwaiger Koalitionsverhandlungen und notwendiger Gesetzgebungsverfahren ab, und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags mit einem Volumen von jährlich ca. 17 Milliarden Euro sieht die FDP erst nach dem Auslaufen des Solidarpakts Ende 2019 als zwingend erforderlich an.

Im Ergebnis will die FDP von dem aufgrund der Wachstumsgewinne zusätzlich entstehenden Steueraufkommen des Jahres 2021 (110 Milliarden Euro) aufgrund der Wachstumsgewinne ca. 1/3 beim Bürger belassen (35-40 Milliarden Euro), 2/3 sollen weiterhin dem Staat zustehen. Wohlgemerkt: hier geht es nur um das zusätzliche Steueraufkommen. An das bereits schon bestehende Steueraufkommen traut sich die FDP gar nicht erst ran.

Entlastung á la FDP: statt 15 % „nur“ 10 % Erhöhung der Gesamtsteuerbelastung

Dies nennt die FDP dann wörtlich „einen fairen Anteil der Bürger an den Wachstumsgewinnen“ und die „Wiederherstellung der Balance zwischen Staat und Bürger“. Doch damit wird die aus Sicht der FDP gestörte Balance nicht wiederhergestellt, sondern im Gegenteil verfestigt. Statt einer Erhöhung der Gesamtsteuerbelastung um ca. 110 Milliarden Euro = ca. 15 % (bezogen auf das Jahr 2021 im Verhältnis zu 2017) also „nur“ eine Erhöhung um ca. 10 %: im Ergebnis wird der Bürger nicht entlastet, sondern nur etwas weniger zusätzlich belastet. Der FDP-Bundesvorsitzende Lindner sprach unlängst davon, dass die „Gier des Staates kleptokratische Züge angenommen“ habe. Und dennoch will er – um in seiner Diktion zu bleiben – diesem „Kleptokraten“ 2/3 des zusätzlichen „Diebesguts“ überlassen.

Es erscheint widersprüchlich, wenn die FDP einerseits beklagt, dass in der Vergangenheit (von 2005 bis 2015) das Steueraufkommen um 50 % gestiegen ist, das Lohnniveau hingegen nur um 23 %, und sie aktuell die Balance zwischen Bürger und Staat als gestört ansieht, andererseits aber die FDP nicht die Konsequenzen aus dieser zutreffenden Analyse zieht, die da wären: zumindest die künftigen Wachstumsgewinne vollständig dem Bürger zu überlassen (allenfalls Steuermehreinnahmen in Höhe der Preissteigerung zulassen) und gegebenenfalls zusätzlich den Status quo zugunsten der Bürger zu ändern. Letzteres würde voraussetzen, dass man auch an die Reduzierung der Staatsausgaben herangeht. Davon hat sich die FDP aber ganz verabschiedet, die den Staatsapparat lieber durch ein neues Digitalministerium noch weiter aufblähen möchte.

FDP-Obergrenze für direkte Steuern und Abgaben: kein Schutz der Mittelschicht

Hinsichtlich der angestrebten Obergrenze von 50 % bei den direkten Steuern (vor allem Einkommen- und Vermögensteuer) und Sozialabgaben stellt die FDP klar, dass sie hiermit insbesondere die Mittelschicht schützen wolle. Den Bürgern solle „genügend von ihrem Einkommen bleiben, damit sie sich ihre Wünsche erfüllen und eine eigene Altersvorsorge leisten können“. Mittelschicht ist nach Zahlen des DIW für 2014 der Bereich zwischen ca. 36.000 und 107.000 Jahresbruttoeinkommen. In diesem Bereich beträgt die Steuer-/Abgabenbelastung eines Arbeitnehmers zwischen 36 und 44 % des Bruttoeinkommens. Bis zur Obergrenze von 50 % bleibt somit genug Spielraum für Erhöhungen aller Art. Zudem besteht die Möglichkeit, die indirekten Steuern (zum Beispiel Umsatz- und Stromsteuer) zu erhöhen, die neben den unteren Einkommensschichten auch den Mittelstand besonders treffen. Die FDP-Obergrenze schützt somit die Mittelsicht nicht, weder vor drastischen Erhöhungen der direkten Steuern und Sozialabgaben noch vor Erhöhungen der indirekten Steuern.

Wem es tatsächlich darauf ankommt, die Belastung der Bürger zu begrenzen, der muss für eine Steuer- und Abgabenbremse plädieren, die sämtliche Steuern und Abgaben erfasst und sich an der heutigen Steuer- und Abgabenbelastung orientiert.

Fazit

Mit den ergänzenden Erläuterungen und Klarstellungen der FDP läßt sich der Widerspruch zwischen dem, was die Partei will, und dem, was ein Außenstehender dem Programmtext entnehmen konnte, auflösen. Die FDP nennt das Nachlässigkeit in der Formulierung des Programms. Man sollte eigentlich erwarten können, daß die FDP in der Lage sei, sich unmißverständlich auszudrücken, insbesondere in einem zahlenlastigen Bereich wie dem der Steuern.

Immerhin will die FDP die Bürger in etwa doppelt so viel „entlasten“ wie Finanzminister Wolfgang Schäuble und liegt damit auf der Linie der CDU-Mittelstandsvereinigung, während die SPD jede Menge mehr Staatsausgaben für dieses und jenes plant und Steuersenkungen nur will, „wenn dann noch was übrig bleibt„, so SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Dennoch bleibt bei der FDP der inhaltliche Widerspruch zwischen dem verbalen Bestreben, die übermäßige Umverteilung von Privat zum Staat beenden zu wollen, und den tatsächlichen Steuer“entlastungs“plänen. Und die FDP-Obergrenze für direkte Steuern und Sozialabgaben schützt niemanden, vor allem nicht die Mittelschicht.

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Kommentare ( 14 )

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F.Peter
6 Jahre her

Das mit einer Steuerentlastung à la FDP wird wieder so kommen wie bei der „Mövenpick-Steuerentlastung“. Einige Wenige werden profitieren und der größte Teil der Steuerzahler wird wieder in die Röhre schauen! Ich hoffe nur, dass die Wähler das nicht vergessen haben!

ichdarfdas
6 Jahre her

die mehr „netto vom brutto“ Kampagne der FDP bei der Wahl als sie an die Regierung kam ,hat ja gezeigt, was von dieser Klientelpartei und ihren Wahlversprechen zu halten ist. Die einzigen, die natürlich milliardenschwer entlastet wurden,waren die Hoteliers.

Sagittarius A *
6 Jahre her

80 Millionen rechtloser Steuersklaven, die zur Finanzierung von Schimären und dem gehobenen Lebensstandard der „Elite“ Geld heranschaffen. Da hätte jeder Pharao von geträumt.

Liebe FDP, dieser Vorschlag nennt sich wohl „dem Hund einen Knochen zuwerfen“. Aber immerhin, das kurze aufblitzen der Erinnerung daran, wer hier für wen arbeitet. Oder stammt es aus der Kategorie Geschenkversprechen für Wählerstimmen angesichts der anstehenden Bundestagswahl?

F.Peter
6 Jahre her
Antworten an  Sagittarius A *

An den 80 Millionen Steuerzahlern wird doch erst gearbeitet durch die Politiker!
Derzeit ist es doch so, dass man von den 80 Mio. ja erstmal die Kinder abziehen muss, dann noch die Harzer, die Aufstocker, die 1-Eurojober, die Mindestlöhner, eine große Zahl von Rentnern, die Hausfrauen und die Schwarzarbeiter. Wenn dann vielleicht 30 Mio. übrig bleiben, die Steuern in diesem Land zahlen, sind das viele!

Sagittarius A *
6 Jahre her
Antworten an  F.Peter

Sie meinen natürlich die Gruppe der tatsächlichen Leistungsträger. Allerdings jeder der konsumiert zahlt Steuern auch die Nicht-Leistungsträger.

Itzgründisch
6 Jahre her

Ob sich die FDP-Wähler darüber im Klaren sind? Zumindest in meinem Bekanntenkreis haben diese keine Lust/Zeit, sich mit Fakten, wie in o.g. Artikel erschreckend deutlich und allgemeinverständlich aufgeführt, auseinanderzusetzen. Sonst könnte ihnen aufgehen, daß die den Staat durch ihre Produktivität tragende Mittelschicht von der FDP keinesfalls adäquat entlastet werden soll und ihnen eine ähnliche Mogelpackung verkauft wird wie von der CDU, sh. frühere Beiträge des Autors zu Steuern und Abgaben.

Auf jeden Fall, danke für diesen Artikel! Ich hoffe, daß ein ähnlich ausführlicher
auch über die Steuerpolitik der AFD folgt.

Karl May
6 Jahre her

„Wir finanzieren die Steuerentlastung aus dem zusätzlichen Steueraufkommen.“ Allein diese Formulierung und die dahinter stehende Denkweise ist schon pervers. Das ist das Motto: Alles gehört erstmal dem Staat, und wenn der sich den Hals bis zum Überlaufen vollgestopft hat, können die Bürger mit dem Überfluss ein wenig entlastet werden. Diese Politiker betrachten den Staat vollends als ihr Eigentum, für das andere aufkommen müssen.

Hartwig Meier
6 Jahre her

Die Mövenpick Partei ist obsolet…sie wird einfach nicht mehr gebraucht. Der neue Anlauf von Lindner ist nur altes Zeug neu verpackt.
Seit Erich Mende ist bekannt, was die FDP letztlich nur ist. Ein Mehrheitsbeschaffer und Postenverteiler…wie zuletzt bei den Landtagswahlen wieder einmal erwiesen.
Sie gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.

Cornelius Angermann
6 Jahre her

Wann hören die Bürger endlich auf, auf die „Steuerentlastungspartei“ FDP reinzufallen? Das FDP-Thema ist doch genauso abgedroschen und für die Bürger folgenlos, wie es die „soziale Gerechtigkeit“ für die SPD ist.
Alter Wein in neuen Schläuchen. Na ja, dann wäre ja in den Schläuchen wenigstens was drin, aber es ist gar kein Wein in neuen Schläuchen! Inhaltsleer!

Der Hype, der jetzt um die FDP gemacht und offenbar von irgendwelchen Dunkelmännern finanziert wird, dient nur zwei Zwecken: der CDU einen neuen Koalitionspartner zu verschaffen und sie damit an der Macht zu halten und die AfD kleinzuhalten.

…………………..

Poco100
6 Jahre her
Antworten an  Cornelius Angermann

Dem Deutschen reichen oft schon 1,2 schöne Sätze u. ein schönes Lächeln, hier vom SpätYuppie Lindner u. schon wählt man eine Partei (wieder).
PS und glaubt (dieser) auch wieder alles……

Drnik
6 Jahre her

FDP und ihre Vorgängerpartei sind nur ein Liberallala. Zwischen einem Etatisten und der FDP geht kaum noch ein Blatt dazwischen, spätestens beim Verteilen von Posten. Wird Zeit, dass wir noch freien und produktiven Bürger die Hoheit zurückerobern und diese nicht weiter der nonproduktiven Negativauslese überlassen. Wir schwer das zu begreifen ist, erkannt man an dem immer noch zu guten Ergebnis von Rotgrün in NRW mit rd. 35%. Wer so wählt, hat einen Grund zu jammern.

Michel Rieke
6 Jahre her

Sorry, liebe FDP, aber da wird leider nichts draus. Da wir auch in einem anderen Bereich einen erheblichen Wachstumsgewinn haben, werden 3/3 der Mehreinnahmen für die Versorgung dieses Gewinnes gebraucht. Wenn die Gewinnsteigerung in diesem Segment sich auf dem heutigen Niveau stabilisiert, werden alleine die Kommunen von September 2017 bis September 2021 weitere 34 Milliarden zur Gewinnversorgung brauchen. Zusätzlich zu den bisherigen Kosten natürlich. Die Frage was wir mit dem vielen Geld machen sollen wurde also längstens beantwortet. Was sollen also diese Phantomdebatten?

P.S. Gewinnversorgung? Das ist doch mal ein korrekter Begriff.

Eugen Karl
6 Jahre her

Zunächst einmal wären Steuersenkungen der Programmpunkt einer liberalen Partei, nicht aber der FDP. Dergleichen bei der FDP zu suchen, bedeutet offenbar, daß man es für eine Marginalie hält, daß die FDP sich auf dem Magenta-Parteitag offiziell vom Namenszusatz „Die Liberalen“ verabschiedet hat. Dies ist aber keineswegs zu unterschätzen, sondern Programm: es ist der erklärte Abschied vom Liberalismus, zumindest was die entscheidende Mehrheit der Partei anbelangt. Damit das nicht so auffällt, leistet man sich den residualen „Liberalen Aufbruch“ in der FDP, der aber keinen Einfluß auf die große Parteilinie hat. Zudem weiß die FDP natürlich genau, daß sehr bald schon, vermutlich… Mehr