Sechs Jahre Realsatire im Berliner »Kreuzhain«: Grüne Bürgermeisterin Monika Herrmann

Die gute Nachricht: Monika Herrmann, grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg und bekannt für ihre Görli-Angst bei Nacht, will aufhören (erst in zwei Jahren, aber immerhin). Da sie schon runde sechs Jahre im Amt ist, hat sie der »taz« ein unglaublich lustiges Interview gegeben.

imago images / Piero Chiussi
Gleich am Anfang des Interviews mit Bert Schulz, auf die Frage nach Vorzeigbarem in ihrer sechsjährigen Amtszeit, steht eine Bescheidenheitsadresse. Etwas zögerlich gibt Herrmann zu: »Aus meiner Zeit als Jugendstadträtin habe ich eine Menge vorzuweisen. Als Bürgermeisterin war es nicht immer einfach.« Nachdem es ein bisschen um Herrmanns Politikstil (polarisierend, große Schnauze, angstfrei) ging, muss der Tazler natürlich auf das Stichwort »Gentrifizierung« kommen, jenen nicht ganz imaginären Vorgang, der besonders das links-alternative Establishment einiger Berliner Stadtteile umtreibt. Und, in der Tat, die Aufwertung ganzer Nachbarschaften ruft schwere Verwerfungen in einer auf verstetigtes Mittelmaß angelegten Polit-Arena hervor.

taz: Um das Stichwort Gentrifizierung kommen wir nicht herum: Wie hat sie Ihren Bezirk verändert?
Herrmann: Wir sind im Sozialindex hochgerutscht, das Durchschnittseinkommen ist gestiegen. Die Folge sind ganz andere Auseinandersetzungen im Jugendamt mit gut situierten Familien.
taz: Sie haben jetzt eher ein Wohlstandsproblem?
Herrmann: Genau. Wir sind inzwischen wohl der Bezirk mit den meisten Lerntherapien in Berlin. Die Eltern fordern das ein. Gleichzeitig haben wir aber weiterhin Gebiete mit einer hohen Armutsquote, am Moritzplatz zum Beispiel, am Kottbusser Damm oder am Platz der Vereinten Nationen im Friedrichshain.

Es folgt das Beispiel einer neunköpfigen arabischen Familie mit schwer krebskrankem Vater, die in einer Anderthalb-Zimmer-Wohnung lebt, anscheinend ohne eigenes Einkommen. – Was sind übrigens die Lerntherapien, die wohlhabende Familien für ihre Kinder verlangen? Laut Wikipedia handelt es sich um eine »spezielle pädagogisch-psychologische Förderung für Menschen mit Lern- und Leistungsstörungen«. Also wohl doch eher der neurotische Versuch alternativ Lebender, sich der eigenen Unverwechselbarkeit zu versichern.

Von Gentrifizierung, Kirchenasyl und linker Ideologie

Dann geht es um den Oranienplatz, neben der Gerhart-Hauptmann-Schule über Monate Schauplatz eines Migranten-Aufstandes im Herzen der Hauptstadt. Herrmann: »Da war ich nicht immer so erfolgreich, wie ich es mir gewünscht habe.« Rückfrage des Tazlers: »Wieso?« (Schon das zwei stille Pointen.) Warum also zweifelt Herrmann an ihrer Effizienz?

Herrmann: Wir haben es nicht geschafft, dass die Menschen vom Oranienplatz Asyl bekommen haben, und dass der ganze Prozess reibungslos und ohne Elend über die Bühne geht. […] Gleichzeitig haben wir immer gesagt, wir lassen den Oranienplatz und die Schule nicht räumen! Letztlich sind auch nicht alle durch das Raster gefallen. Einige sind ja im Kirchenasyl untergekommen.

Da kann man auch als agnostische Linke drei Kreuze machen. Amüsant scheinen auch die Auseinandersetzungen im eigenen Lager, die sich an die dann doch erfolgte Räumung des Oranienplatzes und der Schule anschlossen. Herrmann wäscht sich noch heute die Hände in Unschuld. Die ›Schuld‹ für diesen letzten Akt einer halbwegs intakten politischen Moral trug offenbar der damalige Baustadtrat Hans Panhoff (auch Grün), der sie im Alleingang als verantwortlicher Stadtrat fällte.

Hübsch auch die Details zu Ideologie und Verblendung der links-alternativen Szene. »Weiße deutsche Aktivistinnen« hätten sich damals bei Herrmann beschwert: »Du hast uns die Bilder weggenommen.« Bilder – kann dies wohl nur heißen – von widerstehenden Schwarzafrikanern auf den Plätzen und Schulhöfen deutscher Hauptstadtbezirke, Bilder, die man weidlich ausschlachten wollte für das eigene ideologische Programm und die Propagierung der grünen Agenda von Multikulti und angeblichem »white privilege«.

»Einzubrechen und Leute mit dem Tod zu bedrohen ist für mich keine linke Politik«

Dass sie selbst von linken Protestlern verfolgt und bedroht wurde, kommentiert die Bürgermeisterin mit den Worten: »Wohnorte aufzusuchen, einzubrechen und Leute mit dem Tod zu bedrohen ist für mich keine linke Politik.« Für mich… für andere vielleicht schon? Immerhin bekennt Herrmann kurz darauf ebenso nachdenklich wie eindeutig, dass damals ein Ideal in ihr zerbrach. Dann aber die Krönung des Interviews:

taz: Ist die Tatsache, dass viele Geflüchtete aus Westafrika heute im Görlitzer Park Drogen verkaufen, nicht die Folge Ihrer damaligen Politik?
Herrmann: Natürlich gibt es da eine Verbindung. Trotzdem war es richtig, wie wir gehandelt haben, als die Flüchtlingskarawane auf den Oranienplatz kam. Damit hat alles angefangen.

Damit fing alles an – eine in der Tat aufregende Geschichte aus dem Berliner Großstadtdschungel. Dass man damals nicht fähig war, konsequent rechtsstaatlich zu agieren, hat also auch nach dem Dafürhalten der eigentlich Verantwortlichen den heutigen Zustand mit 800 bis 1.000 (!) Drogendealern im Gebiet um den Görlitzer Park erst ermöglicht. Erstaunlich bleibt, wie Herrmann seelenruhig Daten und Fakten vorträgt, die eigentlich ihre sofortige Demission auslösen müssten, wenn der politische Diskurs in dieser Provinz des Landes nicht vollkommen verbogen und deformiert wäre.

Aber vielleicht gehört eine gewisse Umstrittenheit auch dazu, wenn man heute als Politiker reüssieren will. In ihrem Bezirk wird Herrmann jedenfalls »garantiert angesprochen«, wenn sie sich in ein Café setzt. Und das findet sie auch selbst viel schöner, als irgendwo in Brüssel oder auch nur in Berlin-Mitte eine abstrakte Politik zu machen. Herrmann glaubt da eher an die fatale Konkretion des kleinen und auch schon etwas größeren Falschmachens in ihrem heimischen Kiez. Das war ja auch nicht immer einfach.


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Kommentare ( 31 )

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Fulbert
4 Jahre her

Was ist hier verwunderlich? Es ist das bekannte Schema der politischen Spitze: Fehler werden eingeräumt, aber Konsequenzen für die eigene Person nicht einmal in Erwägung gezogen. Man ist ja alternativlos (auch wenn das bei einer Alternativen komisch klingt).

Norbert Gerth
4 Jahre her

Erschreckend. Aber was immer deutlicher wird in diesem Land , die Dummheit und das Versagen ist WEIBLICH.
Alte weiße Frauen eben, Bildung und Fähigkeiten gleich NULL.
Ergebnis einer Jahrzehnte lange negativ Auswahl durch Quote.

StefanB
4 Jahre her

Monika Herrmann: Eine Bilanz des linksgrünen Schreckens, die ihresgleichen sucht. Und diese Bilanz wird sich wegen ihrer Nachwirkungen noch schrecklich verlängern. Aber die linksgrün-ökofaschistisch-multikulturellen Wähler_*Innen von „Kreuzhain“ wollten es ja zum Großteil so. Nun hamse den Salat. Gut so!

Marc Hofmann
4 Jahre her

Diese Monika Herrmann wird in 2 Jahren nicht mehr in ihren Bezirk leben…warum….ganz einfach…es wird ihr einfach zu ungemütlich werden. Ihre Sünden werden ihr jeden Tag mehr und mehr auf die Füsse fallen und ihr das Leben in „ihrem“ Bezirk zur Hölle machen.

Sonny
4 Jahre her

Es ist mir einfach absolut unbegreiflich, wie solche Schwachmaten in solche Ämter gewählt werden können. Anstatt uns pausenlos über solche politischen Dilettanten und Heimgeleuchtete aufzuregen, sollten wir uns einmal ernsthaft mit dem „Wahlvolk Deutschlands“ beschäftigen.

StefanB
4 Jahre her
Antworten an  Sonny

Mir nicht: Solche Schwachmaten werden von wem gewählt? Von Schwachmaten natürlich! Das Ganze nennt sich dann Demokratie. Von den (linksgrünen) Schwachmaten gibt es in Berlin besonders viele. Die können nicht von der Wand bis zur Tapete denken, aber „Haltung zeigen“ das können sie wirklich gut.

Skadi
4 Jahre her
Antworten an  Sonny

Ihre Ressource: Sie spricht Deutsch.

Martin L
4 Jahre her

Im Grunde nichts Neues: Gute Linke voller Idealismus und die besten Menschen aller Zeiten, engagieren sich voller Empathie, um die Welt ein kleines oder größeres bißchen besser zu machen. Dann geben sie fremdes Geld aus. Sie kämpfen gegen viele Widerstände. Sie opfern sich für die gute Sache auf. Etwas von dem Geld bleibt auch bei ihnen hängen. Sie haben sich ja auch verdient. Am Ende sind sie von den undankbaren Menschen enttäuscht. Und dass all ihre tollen Ideen nicht funktioniert haben, weil die Menschen so böse und schlecht sind. Und sie ziehen sich verbittert zurück, weil die Menschen solche gute… Mehr

Schiffskoch
4 Jahre her

Ich hatte im Sommer ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Bundespresseamts:
Ich: Eure Stadt ist eine Kloake, schauen Sie sich mal Berlin – Neukölln an, ein versiffter Moloch, wer möchte dort leben? Das ist das Ergebnis eurer Einheitsparteien, die dort seid Jahren wüten…
Sie: (Mitfünfzigerin im Hosenanzug): Ich lebe dort, ich finde Neukölln schön!
Fehlt nur noch der „Faktencheck“ von Correctiv, der feststellt dass Neukölln eine super Lebensqualität hat…

Schiffskoch
4 Jahre her

Ich war im Sommer in Neukölln, so etwas habe ich bisher nirgendwo anders auf der Welt gesehen. Auf dem Balkan gibt es sehr sehr arme Gegenden, aber selbst die Roma – Lager sind dort nicht so versifft und verludert wie Neukölln, wo man alle 5 Meter über eine Fixer – Spritze stolpert. Was dieses Interview aber auch zeigt ist der Umgang , den man mit solchen politischen Totalversagern wie den“Grünen“ führen muss: Man muss IMMER den Finger in die Wunde legen, sprecht IMMER das Thema Antifa/linke Szene an, das ist ihr Wunder punkt. Die Medien verschweigen diesen Punkt, deswegen müssen… Mehr

Sachse fern der Heimat
4 Jahre her

Immerhin wurde die Dame (laut wiki) bereits 2014 zur „peilichsten Berlinerin 2014“ erkoren. Wenn das nichts ist, ja was denn dann? 😉

Contra Merkl
4 Jahre her

Mit Gefühlsduselei Politik gemacht und die Verwahrlosung macht sich breit.
Die Frau würde ich im Kaffee auch ansprechen, ob sie bei ihrem Versagen nicht gleich morgen früh zurücktreten will. Schlimm das sowas noch bis zu den nächsten Wahlen die Zeit im Sessel abbummelt, aber bei Berliner Verhältnissen scheint das normal.
Kein Wunder das dort alles verkommt.