Rechtfertigungsdruck und Bekenntniszwang unterdrücken Meinungsfreiheit

Zur Meinungsfreiheit gehört auch ein akzeptierendes Klima, in dem ein breites demokratisches Spektrum an Meinungen sagbar ist und von Andersdenkenden nicht diffamiert wird. Kommentiert Ralf Schuler die Reaktionen auf Stefan Kretzschmar.

Lars Moeller/AFP/Getty Images

Die von dem Handballer Stefan Kretzschmar angestoßene Debatte über Meinungsfreiheit in Deutschland trifft einen Nerv. Und das nicht etwa, weil die Meinungsfreiheit durch eine staatliche Zensurbehörde oder gar Haftstrafen für „falsche“ Meinungen bedroht wäre, sondern weil zur Meinungsfreiheit auch ein akzeptierendes Klima gehört, in dem ein breites demokratisches Spektrum an Meinungen sagbar ist und von Andersdenkenden nicht diffamiert wird.

Man muss andere Meinungen nicht akzeptieren oder unkommentiert lassen; auch das Recht zur freien Gegenrede gehört zur Meinungsfreiheit. Es kann aber nicht sein, dass etwa die Ablehnung von Gewalt gegen einen AfD-Politiker ausschließlich mit dem Nachsatz akzeptabel ist, dass man die Ansichten von „Rechten“ oder gar „Nazis“ selbstverständlich nicht teile oder die Absage an Gewalt mit dem Schlagwort „Nazis raus“ garniert, um zu insinuieren, dass es ja irgendwie schon doch auch den Richtigen getroffen habe oder zumindest in diesem Fall minder schwer wiege.

Auch Rechtfertigungsdruck und Bekenntniszwang gehören zum Instrumentarium illiberalen Denkens und autoritärer Systeme. Stefan Kretzschmar hat ganz Recht: Es muss auch möglich sein, mit gängigen Slogans wie „Refugees welcome“ oder „wir sind bunt“ zu fremdeln, diese zu kritisieren oder in ihrer Plattheit gar abzulehnen.

Zur Meinungsfreiheit gehört darüber hinaus übrigens auch, dass man nicht jede – rechts wie links – absichtslos verunglückte Wendung unter den Totalverdacht absichtsvollen Hetzens stellt.


Ralf Schuler, Journalist

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Kommentare ( 40 )

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Bummi
5 Jahre her

In der DDR wurde dann offen nur noch in der Familie geredet. Oder mit wenigen engen Freunden, Bekannten. Hat an den Zuständen der Meinungsbildung nichts geändert. Es gab eben dann immer 2 Meinungen: In der Schule, am Arbeitsplatz und im Privaten. Geschichte wiederholt sich.

country boy
5 Jahre her

Durch die staatlich organisierte Propaganda bei Maischberger & Co wird der enge Meinungskorridor doch vorgegeben.
Solange wir an den wichtigsten Positionen Journalisten haben, die außer Propaganda nichts können, sind wir keine richtige Demokratie. An Fehlbesetzungen, wie Illner, Lanz und Co krankt unser Staatswesen viel mehr als an der AfD, gegen die ja jetzt mit repressiven Maßnahmen vorgegangen wird.

bfwied
5 Jahre her

Die Zerstörung der Meinungsfreiheit, der Freiheit überhaupt kann nur Einhalt geboten werden, wenn die Konservativen, die sich auf das Grundgesetz berufen und ihre Freiheit der Meinung wahrnehmen wollen, dies lautstark tun. Erst wenn sie sich wehren, offensiv juristisch, wenn sie beginnen, die Debatte unter die Bürgerschaft zu tragen, erst dann müssen die Links-Grünen Position zu den einzelnen Punkten, den juristischen zuerst, dann zu den faktischen, beziehen. Aggression kann man nicht mit Appeasement begegnen, denn die überrennt, zertrampelt, will niedermachen. Ihr kann nur mit Macht, mit Standhalten, Gegenstößen, juristisch und faktisch, begegnet werden. Dazu sehe ich zarte Ansätze, es gilt, diese… Mehr

Regenpfeifer
5 Jahre her

Man kann es auch noch komprimierter ausdrücken, wie das Walter Scheel getan hat:

„Demokratisch ist es, dem anderen zuzuhören, seine Meinung zu erwägen, das, was einem selbst einleuchtet, zu akzeptieren und gegen das übrige, unter ständiger Wahrung des Respektes vor der Person des anderen, seine Gegenargumente hervorzubringen“ -Walter Scheel

pm
5 Jahre her

Aus jeder Krise erwächst auch eine Chance. Es gibt zwar die derzeitige Bedrohung durch Merkels DDD 2.0, aber es gib stimme mehr freiheitlich denkende Autoren (Tichy et al., **und viele, viele mehr) – somit entsteht mit der Zeit ein kritische Masse, die eine Gegenbewegung anführen kann. Es is natürlich wichtig, eine finanzielle Unterstützung zu haben, die auch von den vielen freiheitlich gesinnten Menschen erreicht werden kann. Ein einfaches Beispiel: ich habe vor Jahren mein Spiegelabo gekündigt und unterstütze nun stattdessen z.B. TE und Die Achse des Guten durch mein Abo!

Ede Kowalski
5 Jahre her

Mit der Meinungsfreiheit ist es wie mit einer Pilz-Mahlzeit. Man kann alle Pilze essen, aber manche nur einmal.

Harald Kampffmeyer
5 Jahre her

„… weil zur Meinungsfreiheit auch ein akzeptierendes Klima gehört, in dem ein breites demokratisches Spektrum an Meinungen sagbar ist…“ Und da ist schon der kardinale Fehler, der es erlaubt, jede Meinungsfreiheit zu beseitigen. Der ist das behauptete Erfordernis, Meinungen müssen in einem „demokratischen Spektrum“ liegen. Nein, müssen sie nicht! Meinungen (normative Aussagen) sind Wertungen / Bewertungen zu Tatsachenbehauptungen (deskriptive Aussagen). Nur Tatsachenbehauptungen unterliegen den Kriterien Wahr / Unwahr bzw. Richtig / Falsch. Sie können falzifiziert werden. Meinungen nicht. Meinungen können beliebig sein, weltfremd, absurd, von viele geteilt oder von allen anderen abgeleht. Eine aufgestelltes Erfordernis der Zugehörigkeit einer Meinung zum… Mehr

RubbeldieKatz
5 Jahre her
Antworten an  Harald Kampffmeyer

Sehr gute Erklärung! Leider wird Meinung und (Tatsachen)Behauptung zum Zwecke der Meinungseinschränkung bewusst in einen Topf geworfen.

bfwied
5 Jahre her
Antworten an  Harald Kampffmeyer

Das ist absolut richtig. Das erklärten auch das Bundesverfassungsgricht und der EuGH. Der demokratische Rechtsstaat MUSS auch Meinungen aushalten, die auf falsche Annahmen beruhen, sogar objektiv vorhandene Fakten leugnen. Wie abgerutscht in eine linksgrüne Diktatur wir bereits sind in diesem Land, kann man schon daran gut erkennen, dass diese Urteile, die sich natürlich im Wesentlichen auf das Grundgesetz Artikel 16 stützen, nicht beachtet werden, ja, sie schlicht beiseite geschoben worden sind, und das von höchsten Regierungsstellen.
Die einzige Ausnahme bildet die Leugnung des Holocaust, und das ist richtig.

Tom H.
5 Jahre her
Antworten an  bfwied

Warum ist es richtig, dass die Leugnung des Holocaust die einzige Ausnahme ist? Die Leugnung des Völkermords an den Armeniern ist dann, Ihrer Meinung nach, zulässig? In beiden Fälle werden historische Fakten geleugnet.

Kristallo
5 Jahre her
Antworten an  Harald Kampffmeyer

Sie haben das sehr richtig und gut dargestellt. Leider wird diese philosophische Binse von den wenigsten begriffen.

holdtheline
5 Jahre her

Wenn man Macht ausbauen will muss man mächtig unterdrücken.

linda levante
5 Jahre her

Da es um Meinungen geht, wollte ich auch mal meine Meinung dazu sagen, hier, hier unten bin ich, hallooo, aber ich stelle gerade fest, ich habe gar keine Meinung, was nun? Also, ich meine, wenn einer meint, er müsse seine Meinung sagen, dann soll er es tun. Mal sehen, was die anderen dazu meinen. Kretzschmar meint, dass man das Gegenteil von „Refugees Welcome“ sagen darf, dann ist das seine Meinung. Ich meine, die Meinung Kretzschmars wird das Problem lösen, einfach genial, das Gegenteil heißt „Refugees are not Welcome“, also das ist meine Meinung. Abgesehen von meiner Meinung, gibt es bestimmt… Mehr

holdtheline
5 Jahre her
Antworten an  linda levante

„…ich habe gar keine Meinung…“. „…also das ist meine Meinung.“ Bleiben Sie dabei.

Gerd Koerner
5 Jahre her
Antworten an  linda levante

„…, ich habe gar keine Meinung, was nun?“

Bleiben Sie bitte bei der nächsten Wahl zu Hause! Dann können Sie auch nicht viel verkehrt machen.

RauerMan
5 Jahre her

Die Unkenntnis und eingefleischtes Nichtinteresse befeuert durch jahrzehntelanges Wohlsein und linkes Erziehertum führen zu diesen z.Zt. nicht mehr umkehrbaren Zuständen.
Erst wenns ans Auslöffeln der Folgen der Indoktrination geht, kommt(vielleicht) das dann zu späte Erwachen. Politische Gegner welche den Finger in offene Wunden legen, versuchen „Alteingesessene“ loszuwerden. Argumente werden nicht mehr diskutiert, weil angeblich Staatsgefährdend. Genau das ist Staatsgefährdend, weil wir das schon einmal hatten.
Meinungsdiktaturen führen nicht zum Wohle eines Staatswesens, wenigstens das sollte bekannt sein.