Tichys Einblick
RBB-Dokumentation trotz Widerstand

Die erschütternde Wahrheit im „Sondervorgang MeToo“ – Der Fall Hubertus Knabe

Der RBB zeigte eine Dokumentation über den Sturz von Hubertus Knabe als Direktor der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen. Es ist eine enthüllende Dokumentation, die trotz aller Widerstände ausgestrahlt wurde. Sie sollte Pflichtstoff für „Gesellschaftskunde“ an allen Schulen sein.

© rbb/Marks & die Engel Media GmbH

Zweimal in ihrer Amtszeit hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Gedenkstätte im ehemaligen Zentralen Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen besucht. Immerhin war dieser Ort des Grauens ein besonderes Symbol der untergegangenen SED-Diktatur. Natürlich war der hohe Gast voller Lob für die Arbeit des Leiters der Einrichtung, Dr. Hubertus Knabe. Zum Abschied sagte sie ihm leise: „Wenn Sie einmal Hilfe brauchen, wenden Sie sich bitte an mich.“ Knabe, der schon zu diesem Zeitpunkt unter ständigem Druck der SED-Erben und der ewigen DDR-Schönfärber im Berliner Senat stand, empfand diese Aufforderung als eine Art Schutzschild und Motivation für sein Engagement.

Umso erstaunter war Knabe, als er sich auf dem Höhepunkt seiner Auseinandersetzungen mit der Staatsministerin für Kultur (CDU-Politikerin Monika Grütters) sowie Berlins Kultursenator (Klaus Lederer) mit der Bitte um Hilfe an Merkel wandte und die kühle Antwort erhielt: „Lassen Sie es mal sein, das hat schon alles seine Richtigkeit.“ Lederer als Mitglied und Repräsentant der immer noch existierenden SED, welche nach mehreren Umbenennungen heute als „Die Linke“ maskiert auftritt. Die Auseinandersetzungen endeten mit dem Rausschmiss Knabes.

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Was war geschehen? Im Jahre 2018 waren zum ersten Mal Vorwürfe von Volontärinnen über sexuelle Nötigung durch Knabes Stellvertreter Helmuth Frauendorfer laut geworden. Zuerst war es nur Getuschel, dann aber wurde eine Mitarbeiterin konkret: Der Betroffene sei zudringlich und durch sexistische Sprüche zur Belastung geworden. Diese Vorwürfe gelangten ohne Wissen von Knabe an die Spitze des Kultursenats und darüber hinaus zu Monika Grütters. Mag sein, dass Knabe dies nicht ernst genug genommen hatte, denn es handelte sich weder um sexuelle Nötigung noch um Straftaten gegen die Selbstbestimmung einer Frau. Knabe sprach mit dem Mitarbeiter und rief ihn somit zur Ordnung. Die betreffende Volontärin wurde seitens des Kultursenators aus Hohenschönhausen abberufen. Doch die Anwürfe gegen Frauendorfer verstummten nicht.

Einmal hatte er Mitarbeiterinnen zum Essen eingeladen, ein anderes Mal regte er eine Mitarbeiterin an, doch mal mit ihm gemeinsam zuhause zu kochen. Dann lud Frauendorfer eines Abends zum Abschluss eines sehr vertraulichen Personalgesprächs die nach seinen Aussagen in Tränen aufgelöste Dame zur Fortsetzung der Unterredung noch in seine Wohnung ein. Von da an gehen die Erinnerungen auseinander. Die 20-Jährige behauptete später, Frauendorfer habe versucht, sie betrunken zu machen, und schließlich vorgeschlagen, die Nacht gemeinsam zu verbringen. Die Kollegin wehrte die Idee ab und verließ postwendend Frauendorfers Gemächer, welcher sich an nichts Derartiges erinnern konnte. Nach einem kurzen Drink habe er die Dame verabschiedet, da er schlafen gehen wollte.

Auch Anschuldigungen nächtlicher SMS-Nachrichten anzüglichen Charakters soll es gegeben haben. Mittlerweile waren aus den Gerüchten, den Gefühlen und Empfindungen jetzt schon mehrerer Frauen Feststellungen sexueller Straftaten geworden. Dies, obwohl es für Derartiges keinerlei Beweise gab.

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Inzwischen war das Geschehen Dauerthema im Hause Lederer, aber auch im kleinen Kulturreich der Grütters geworden. Briefe und Gesprächsprotokolle von sich genötigt fühlenden Mitarbeiterinnen wurden gesammelt. Mit Knabe allerdings sprach zu diesem Zeitpunkt immer noch niemand. Dafür legte der Kultursenator einen Vorgang unter der Bezeichnung „Sonderaktion Me Too“ an. Man muss wissen, dass auch die Staatssicherheit der DDR sogenannte „Operative Vorgänge“ so registrierte. Das Vokabular hatte man also herübergerettet.

Klaus Lederer hatte allen Grund, im Fall Knabe so zu verfahren. Hatte dieser doch einem alten Kumpel von ihm (Andrej Holm) die schon sicher geglaubte Karriere vermasselt. Der Genosse aus guten alten Tagen, ebenfalls SED-Mitglied, hatte es immerhin schon zum Staatssekretär im Senat von Berlin gebracht. Nur beiläufig hatte er bei seiner Bewerbung mitgeteilt, dass er für lediglich sechs Monate während seines Wehrdienstes Mitglied des Stasi-Eliteregiments „Felix Dscherschinski“ gewesen sei. In Wahrheit aber war er da schon längst Hauptamtlicher Mitarbeiter der Terrorgruppe Erich Mielkes. Wie schon sein Vater vor ihm, strebte er im Dienste der „Werktätigen der DDR“ eine verantwortliche Führungsposition als Offizier des MfS an.

Knabe wiederum, der zuvor mehrere Jahre in der Stasi-Unterlagenbehörde, „Gauck-Behörde“ genannt, gearbeitet hatte, bekam durch einen Vertrauten in dieser Behörde die Erkenntnisse über Holm zugespielt. Seinem Selbstverständnis entsprechend leitete er diese an die zuständigen Stellen im Sicherheitsapparat der Bundesrepublik weiter. Holms Träume von einem erfolgreichen neuen Leben in der Bundesrepublik zerplatzten. Immerhin hatte er etwas Substanzielles nicht nur verschwiegen, sondern sogar das Gegenteil davon behauptet. Sein alter Komplize Lederer war außer sich! So sehr, dass er deswegen disziplinarrechtliche Schritte gegen Knabe einleitete, weil er mit der Weitergabe der Information seine Zuständigkeiten überschritten habe.

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Man stelle sich einmal vor, ein ehemaliger Nazi-Richter hätte seine Zugehörigkeit zur Gestapo verschwiegen, die ein Dritter herausgefunden und bekannt gemacht hätte. Dieser wäre in der Folge gelobt und nicht bestraft worden – die Republik würde zurecht in heller Aufregung sein. Nicht aber in Deutschland im Jahr 2020.

Wie in diesen Kreisen üblich, wurde in aller Stille das Ausschalten Knabes als Leiter der Gedenkstätte beschlossen. Nur musste dazu noch die Zustimmung von Grütters eingeholt werden. Diese bekam Lederer sofort. In der Folge richteten sich die Vorwürfe in erster Linie nicht mehr gegen Knabes Stellvertreter Frauendorfer, sondern gegen Knabe selbst. In der Gedenkstätte herrsche ein struktureller Sexismus, was immer damit gemeint sein mochte. Entsprechend wurde auch die Operative Sonderaktion „Me Too“ um die Behauptung sexueller Übergriffe erweitert. Damit kam endgültig das Strafrecht ins Spiel. Die Vorwürfe selbst aber wurden nie durch ordentliche Vernehmungen der angeblich Betroffenen oder gar Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unterfüttert. Im Gegenteil! Eine Strafanzeige von Knabe wegen Verdachts sexueller Straftaten seiner Mitarbeiter wurde von der Staatsanwaltschaft abgelehnt.

Mit dem Vorwurf, „strukturellen Sexismus“ unter seinen Mitarbeitern geduldet zu haben, war Knabe nicht mehr zu halten. Befragungen wurden von Rot-rot-dunkelrot verweigert. Knabe wurde mit einem Jahresgehalt abgefunden und zum sofortigen Amtsverzicht verpflichtet. Wieder einmal hatte die wie schon unter Stalin in der frühen Sowjetunion bekannte Strategie „Behaupten, Zersetzen und Vernichten“ ihr Ziel erreicht. Ein Musterbeispiel für die Arbeit kommunistischer Geheimdienste gegen innere und äußere „Klassenfeinde“. Im dreißigsten Jahr nach der Wiedervereinigung ein beschämender Skandal.

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Erschütternd ist dabei auch, dass fast alle Medien des Landes in die Verdammung Knabes einstimmten. Dabei hätte nur eine kurze Recherche genügt, um die wahren Motive seiner Gegner von links zu entlarven. Knabe ist einer der letzten der nüchternen und gleichzeitig unerbittlichen Wissenschaftler und Publizisten, die die Erinnerungen an die Verbrechen im Unrechtsstaat DDR nicht zuletzt im Sinne der Opfer und der historischen Mahnung für unverzichtbar hielten. Schon 2005 hatte die Schröder-Fischer-Regierung versucht, durch eine Umstrukturierung der Gedenkstätten in den Zuständigkeiten, auch „Lex Knabe“ genannt, diesen einzubinden und seine Wirksamkeit zu schwächen.

Nur ein Brief, der im Büro Merkel einen Tag vor der geplanten Bekanntgabe dieser Entscheidung einging, rettete damals den unbequemen Gedenkstättenleiter. Geschrieben hatte diesen Brief kein geringerer als Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl. In wenigen Sätzen wies er seine Nachfolgerin Angela Merkel darauf hin, dass er im Falle der Entmachtung Knabes auf dem Gelände des ehemaligen Stasi-Gefängnisses eine internationale Pressekonferenz veranstalten werde, um diesen Vorgang als Verrat an den Idealen der Freiheit international zu brandmarken. Am nächsten Morgen teilte der damalige Kulturstaatsminister Bernd Neumann auf einer Pressekonferenz mit, dass die neue „Gedenkstätten-Konzeption“, die noch von der Vorgängerregierung in Auftrag gegeben worden sei, mit deren Ergebnissen für die jetzige Regierung keinerlei Bedeutung mehr hätte.

Interessant ist auch ein weiterer Fakt: Als die Berliner CDU bei ihrer Landesvorsitzenden und Staatsministerin im Kanzleramt Monika Grütters nachfragte, wie sich die Partei zur Causa Knabe verhalten solle, gab es kurz und knapp den Hinweis, dass in dieser Angelegenheit der „Ball ganz flach zu halten ist“. Dies sei eine Anweisung von ganz oben. Und wie sich die Union unter Merkel Stück für Stück entwickelt hatte, parierte sie auch an der Spree gehorsam und schwieg. Was konnte man auch von Merkel anderes erwarten? Immerhin ist ihr bis heute die Klassifizierung der DDR als „Unrechtsstaat“ noch nie über die Lippen gekommen.

Es ist der Verdienst des Dokumentaristen Maurice Philip Remy, dass dieses beschämende Vorgehen nachhaltig und unerschrocken recherchiert wurde und in einer Reportage des RBB – bis zum Ende gegen starke Widerstände – jetzt im dritten Programm der ARD der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden konnte. Zur Verwendung an den Schulen der Republik dringend empfohlen!

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