Neue Löschungs- und Zensurwelle bei Facebook

In genialem Opportunismus’ stimmte die Kanzlerin im Bundestag gegen die „Ehe für Alle“. Wer sich sachlich gegen diese ausspricht, fängt sich eine 30-Tage-Sperre bei Facebook. Schöne neue Welt. Zeit für eine gerichtliche Prüfung dieses Wahnsinns.

© Getty Images

Durch Facebook rauscht aktuell ein Profillöschungs-Welle. Zurecht eliminiert das soziale Netzwerk dabei offenkundige Fake-Profile, z.B. von den Bikiniträgerinnen, die zum Anklicken irgendwelcher dubioser Seiten animieren wollen und ein bis drei aktuelle Facebook-Freunde, aber ansonsten eine leere Pinnwand haben. Wie auch sonst und schon lange beim „overblocking“, dem Löschen zulässiger Inhalte also, als auch beim unterlassenen Löschen eindeutig rechtswidriger Inhalte, herrscht hier völliges Chaos beim sozialen Netzwerk (umfangreich dokumentiert auf der “Wall of Shame“). Es werden nämlich auch massenhaft und völlig anlasslos Profile ganz normaler Nutzer gelöscht. So traf es vor ein paar Wochen Dr. Naftali Neugebauer, den Geschäftsführer des österreichischen Start-ups „Prikk.World“.

Albern und würdelos
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Der studierte Politikwissenschaftler hatte sich stets nur mit sachlichen und moderaten Postings zu Wort gemeldet. Nach anwaltlichen Schritten gab Facebook das Profil wieder frei, nur um es ca. 10 Tage später erneut zu sperren, um es dann nach erneuter anwaltlicher Kontaktaufnahme erneut freizugeben (und sich immerhin zu entschuldigen). Facebook-Opfer, die sich keinen Anwalt leisten können (denn Facebook trägt nicht gern die Kosten für die Beseitigung der eigenen Fehler) geht es häufig anders. Da wird man mit der lapidaren, rot hinterlegten Information „Konto gesperrt“ konfrontiert und erhält die herablassende Mitteilung:

„Leider können wir dir aus Sicherheitsgründen keine zusätzlichen Informationen zur Sperrung deines Kontos mitteilen. Wir hoffen, dass du für diese endgültige Entscheidung Verständnis hast.”

Diese herablassende Arroganz, mit der Facebook (soweit, wie oft, kein begründeter Anlaß für die Löschung besteht) den Nutzer abfertigt, stellt nicht nur einen Vertragsbruch dar. Denn bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zur Nutzung der Facebook-Dienste handelt es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag mit miet-, werk- und dienstvertraglichen Elementen. Es ist auch bodenlos, dem betroffenen Nutzer das rechtliche Gehör abzuschneiden und ihm nicht mitzuteilen, warum diese Schritte erfolgt sind. Grundrechte, von der Meinungsfreiheit ganz abgesehen, sind die Sache dieses sozialen Netzwerks nicht.

Auch ansonsten gibt es bei Facebook überaus interessante neuere Entwicklungen. Als Frau Merkel kürzlich auf dem Forum einer Frauenzeitschrift dem Bundestag in einer Art Gnadenakt der Exekutive gestattete, über die „Ehe für Alle“ abzustimmen und die Parlamentarier diese Erlaubnis dankbar wahrnahmen, ermannten sich immerhin 226 Abgeordnete der Union dagegen zu stimmen. Darunter wohl auch, in einem Akt genialen Opportunismus’, die Kanzlerin. Bei Facebook ist man da schon einen Schritt weiter. Wer sich dort in sachlicher Form gegen die „Ehe für Alle“ ausspricht, fängt sich eine 30-Tage-Sperre. Schöne neue Welt. Es wird Zeit, diesen ganzen Irrsinn endlich einmal einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen.

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Kommentare ( 10 )

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Johannes Firzlaff
6 Jahre her

Es ist schon jetzt das größte „Die Welle“-Projekt aller Zeiten.
[Wenn …….?, dann https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Welle_(1981) !]

Sabine W.
6 Jahre her

Ömm, wat is‘ ene Dampfmaschin‘? Do stelle mer uns ma janz dumm, und dann saaren mer esu… (‚Feuerzangenbowle‘) Wer ist Facebook? Wer meint, dort sein Leben inkl. seiner politischen Meinung online stellen zu müssen, ist mittlerweile selbst schuld. Abgesehen davon: Man weiß es, man sollte es meiden (WENN man schon der Meinung ist, sein Leben mit Tausenden Unbekannten ‚teilen‘ zu müssen). Im Zweifelsfall weg von Facebook, die ja offensichtlich bereit sind, der deutschen Zensur in Vorleistung zu treten. Es werden sich schnell Alternativen ergeben, Facebook wird wirtschaftlich/finanziell ausgetrocknet, da sich diejenigen, die nicht zensuriert werden wollen, schnell auf andere Plattformen… Mehr

Ralf Jörg
6 Jahre her

Aus einem Buch von Eicke und Eicke
Ein Vater erklärt seinem Kind warum er keine Schuhe von Nike bekommt.
Während er spielt muss ein Kind in China arbeiten.
Darauf geht das Kind mit seinen Freunden vor die Nike Zentrale und sie rufen:
Wir haben euch Groß gemacht, wir können euch auch wieder klein machen.

Kinder sind einfach Intelligenter, wie Erwachsene !

Einmal zusammengehalten und für eine grosse Austrittswelle bei Facebook gesorgt, und das Thema ist gegessen.

Somewhere
6 Jahre her

Und wer hört dann bei diesen Reden zu (der 10% AfDler, denn die meinen Sie doch…)…?! – Niemand, nicht die Bürger, außer wenn bei der „Tagesschau“ 3 Sek. diffamierende Wortfetzen der Rede gezeigt werden und schon gar nicht die Politiker der anderen Parteien, warum auch, die spielen während der Redezeit am Smartphone oder gehen raus etwas essen…?! – Es wird sich nichts, aber auch gar nichts zum Besseren ändern, im Gegenteil! – Außer die Opposition bekäme 50% und wird dadurch Regierungspartei. – Doch vorher gefriert die Hölle zu…! Wer die Mehrheit hat, hat die Macht! – Und diese hat nach… Mehr

Rudi
6 Jahre her

Keine Angst. Hier wird an einem Kartenhaus mit Baugerüst gew(m)erkelt. Das hat doch was. Und die ganz große Kunst ist das neu erfundene Mikado rückwerts. Alles muss sich bewegen, nur das Hölzchen, welches sich nicht bewegt, wird zum Anzünden des Kamins benutzt, nur das Aussitzen ist natürlich regelwidrig erlaubt! Ob ich gerade resigniere? Nein, ich bleibe nur ruhig, denn auch meine Freude -damals in Hamburg- verflog ziemlich schnell. Und ich möchte das nicht nochmal erleben. Und das nennt man dann wohl erste Bürgerpflicht. Nämlich Ruhe bewahren! Und Facebook? Nicht Facebook m a c h t Probleme, Facebook i s t… Mehr

Nichtzufassen
6 Jahre her

Sehr gute Antwort. Ich schreibe auch immer, dass Ötzogutz Merkels Befehle ausführt, wenn sich Kommentatoren beklagen, weil Merkel Ötzogutz nicht zurechtweist.

Versteht aber offenbar niemand.

Die Deutschen glauben noch immer, sie leben in einer Demokratie, weil die Politiker ihnen das erzählen. So argumentieren die Deutschen, und so wählen sie.

Und dann kommen immer Sätze wie „aber da muss doch die Polizei einschreiten“, oder „das Bundesverfassungsgericht kann doch nicht“…

Doch. Aber wie gesagt, die Deutschen kapieren’s nicht. Und deshalb wird Merkel auch nicht abgewählt. Die Deutschen sind blöd und feige.

Christian Gerst
6 Jahre her

Sie haben hier über 11.000 Kommentare geschrieben. So ganz ohne soziale Netzwerke (in welcher Form auch immer) kommen auch Sie scheinbar nicht aus 😉 Und ja, auch auf Facebook und YouTube finden politische Diskussionen statt.

Wir lagen vor Madagaskar
6 Jahre her

Ja und? Was sind denn das für „Produkte “ für die „Masse“? Hühnerkram. Das Ganze ist sinnlos, infantil, absolut überflüssig, von der Duzerei bis zur Bevormundung.

Harry James mit Armbrust
6 Jahre her

Die Abgabe der Daten, auch die Rechte an Bildern und Texten, das ist die Gegenleistung!

John Galt
6 Jahre her

Danke für den Hinweis auf den Deutschlandfunk-Artikel.
Die Stellungnahmen des Präsidenten des Verfassungsgerichtes illustrieren den Niedergang von Rechtsverständnis und politischer Kultur in diesem bunten Land sehr eindrucksvoll.