Nach dem Anschlag ist vor dem Anschlag

Die Show muss eben weitergehen, auch wenn längst nicht alle Fans sicher sind, ob sie das Spiel so kurz nach dem Anschlag im Stadion anschauen wollten: Stimmen, die nur sehr leise im Durchhalte-Getöse der Medien zu vernehmen sind. Aber sie sind da.

© Patrik Stollarz/AFP/Getty Images

Als Kritiker der Einwanderungspolitik und des Appeasements gegenüber dem radikalen Islam hierzulande ist man es durchaus gewöhnt, gelegentlich den Eindruck zu gewinnen, man befände sich bezüglich seiner Wahrnehmungen im krassen Widerspruch zur restlichen Gesellschaft. Ganz ähnlich ergeht es einem, wenn man die jüngsten Bilder aus Dortmund sieht. Da wäre zum Beispiel ein Bild von Marc Bartra. Jenem Innenverteidiger des BVB, der bei dem Bombenanschlag am Dienstagabend an der Hand verletzt und operiert wurde. Lächelnd blickt er in die Kamera und zeigt mit der linken Hand ein „Daumen hoch“. Etwa gleichbedeutend mit: „Mir geht es gut. Macht euch keine Gedanken.“ Dass seine rechte Hand hingegen komplett verbunden ist?

Eigentlich ist nicht alles gut. Eigentlich sollte jedem von uns nach der gestrigen Pressekonferenz der Bundesanwaltschaft klar sein, dass die Mannschaft nur mit Glück einer riesigen Katastrophe entgangen ist. Drei Sprengsätze hatten die oder der Attentäter in einer Hecke in unmittelbarer Nähe zum Bus platziert. Die Sprengkraft betrug, wie man inzwischen erfahren konnte, rund 100 Meter. Die Sprengsätze selbst waren gespickt mit Metallstiften, von denen sich einer sogar in einen Sitz des Busses bohrte.

Das ist wohl auch der Mannschaft des BVB bewusst. Schnell wurden  auch kritische Stimmen laut. Trainer Thomas Tuchel beklagte, es sei kurz nach dem Anschlag eigentlich nur darum gegangen, ob sie spielen könnten oder nicht. „Wir hatten das Gefühl, dass wir behandelt werden, als wäre eine Bierdose an unseren Bus geflogen.“ Eine halbe Stunde später wird dennoch bereits der neue Spieltermin festgelegt: Mittwoch, 18.45 Uhr. Nicht einmal 24 Stunden nach dem Bombenanschlag. Nicht nur der BVB zeigt sich in Teilen empört, auch einigen Journalisten und Fans scheint der schnelle Übergang zur Normalität selbst im Deutschland der zunehmenden Verdrängung ausnahmsweise ein wenig zu schnell zu gehen. Der BVB verliert das Spiel später zu Hause 2:3. So einen Anschlag auf das eigene Leben verarbeiten selbst Fußballprofis nicht von heute auf morgen.

Dass bei dem Anschlag in Dortmund von den konkurrierenden „Bekennerschreiben“ bis zu den Umständen der Tat vieles anders aussieht als bisher, soll nicht unerwähnt bleiben. An der Frage, um die es mir geht, ändert das nichts. Der öffentliche Umgang mit Anschlägen ist ignorant, rücksichtslos und hilflos.

Kampf gegen den Terror
"Bekennerschreiben" 2: Neue Fragen
Der Fall Dortmund zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie zynisch unser Umgang mit dem Terror ist. Dass wir in Deutschland im Bestreben, uns bloß nicht unterkriegen zu lassen, uns bloß nicht einzugestehen, dass wir uns im Fadenkreuz islamistischen Terrors befinden, regelmäßig bereit sind, über alles hinweg zu sehen. Und Terror scheint mittlerweile auch von anderen Gruppen auszugehen. Wir wissen es nicht. Die Behörden auch nicht. Wir sollen uns daran gewöhnen, sagt der Innenminister. Wie an Regen an Ostern. Was macht es schon. Hier ein paar verletzte Fußballer, da ein paar totgefahrene Bürger. Wichtig ist nicht, ihnen und ihren Angehörigen durch eine angemessene Zeit des Trauerns ein wenig ihrer Würde, die ihnen die Attentäter auf so perfide Weise genommen haben, zurückzugeben, sondern das Weitermachen um jeden Preis. Innehalten und durchatmen – bitte nicht. Den Terroristen darf nicht gegeben werden, was sie wollen oder: „Wir lassen uns unsere Freiheit nicht nehmen.“

Das ist das Mantra nach jedem Terroranschlag, dem sich jeder und jedes Gefühl unterzuordnen hat. Hinterfragt wird es bis jetzt kaum, weil Verdrängung ja irgendwie zunächst auch immer etwas Gutes hat. Und auch, weil die ewig gleichen Durchhalteparolen bereits kurze Zeit nach den Anschlägen in Dauerschleife durch sämtliche Medien rotieren. Dieses Mal sind es die BVB-Fans, die den Monaco-Fans einen Unterschlupf für die Nacht bieten, die für das Narrativ des Nicht-Unterkriegen-Lassens herhalten. „Das ist Fußball!“ und „Der Beginn einer wunderbaren Fußballfreundschaft“ titelt da etwa gleich DER SPIEGEL. Am nächsten Tag sitzen sie wieder alle gemeinsam im Stadion. Die Show muss eben weitergehen, auch wenn längst nicht alle Fans sicher sind, ob sie sich das Spiel so kurz nach dem Anschlag im Stadion anschauen wollen. Es sind Stimmen, die nur sehr leise im Durchhalte-Getöse der Medien zu vernehmen sind. Aber sie sind da. Stimmen der Unsicherheit. Menschen mit dem Bedürfnis danach, vielleicht doch einmal kurz innehalten zu dürfen. Irgendwann klappt das eben doch nicht mehr so ganz mit der Verdrängung.

Ist das nun der richtige Umgang mit dem Terror? Besiegen wir Menschen, die ohne mit der Wimper zu zucken bereit sind, andere zu töten, damit, dass wir immer einfach so weitermachen?

Stellt man die Frage so klar in den Raum, sollte eigentlich unübersehbar werden, wie naiv die bisherige europäische Antwort auf Terror daherkommt. Denn wenn wir ehrlich sind, interessiert es die Terroristen allenfalls marginal, was wir nach außen vorgeben zu fühlen. Am Ende geht es bei islamistischem Terror ohnehin zuvorderst um das Töten von „Ungläubigen“. Unsere Lichterketten, Lichtinstallationen und sonstigen „Zeichen“, die wir so gerne setzen, interessieren diese zu allem entschlossenen Männer herzlich wenig. Es ist lediglich unserer immer noch vorherrschenden europäischen Hybris geschuldet, dass wir davon ausgehen, es interessiere sie doch. Darüber hinaus hat sich in der Realität die Angst, oder zumindest die Verunsicherung, längst ihren Weg gebahnt, der Rückzug für einige aus dem öffentlichen Raum bereits begonnen. Denn auch wenn das Gefühl als das „Postfaktische“ aus dem Diskurs genauso verbannt wurde, wie jegliches Durchatmen und angemessene Trauern, heißt es nicht, dass es nicht da ist.

Das ewige „Weiter so!“ ist stattdessen nichts weiter als die große Lebenslüge der Europäer, die immer noch nicht wahrhaben wollen, dass der Wind sich gedreht hat. Dass, wer im Stadion „business as usual“ betreibt – sei es auf der Tribüne oder auf dem Platz – nicht hilft, den Terror zu besiegen, sondern die Politik dabei unterstützt, weiter in ihrer Untätigkeit und Inkompetenz gegenüber islamistischen Terror zu verharren.

Veränderung entsteht durch Druck der Gesellschaft und Druck entsteht wiederum nicht durch die Versicherung, es sei alles gut und wie immer. Deutschland benimmt sich wie ein Depressiver, der dies vor sich selbst verleugnet und dem deshalb nicht geholfen werden kann. Wie das im wahren Leben nur allzu oft ausgeht, wissen wir, und scheinen dennoch nichts gelernt zu haben. Soll am Ende der Depression nicht der Selbstmord stehen, gilt es jedenfalls, endlich nicht mehr so zu tun, als sei nichts gewesen. Als würde all das nichts mit den Menschen machen.

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Kommentare ( 107 )

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Robert Sabori
6 Jahre her

Auch wenn Sie den im Sitz steckenden Metallstift erwähnen. Der Bus sieht auf den Fotos nicht aus, als sei er von 3 Nagelbomben mit enormer Sprengkraft getroffen worden , der müsste doch „gespickt“ sein. Irgendwas stimmt nicht. Die wechselnden Bekennerschreiben Islamistisch>Antifa>Neonazis sind auch merkwürdig. Der BVB ist weltweit einer der beliebtesten Vereine im Fußballsport. Die Fans sicher nicht bei der Antifa oder im Moscheverein. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die übrige Analyse ist absolut treffend und angebracht.

aljoschu
6 Jahre her

Hallo? Das haben wir Deutschen doch drauf: Hart wie Krupp-Stahl, zäh wie Leder und flink wie Windbeutel – das hat man uns doch bereits in nicht allzu ferner Vergangenheit angezüchtet. Heute tragen wir die Früchte dieser Sozialisierung. Ein Deutscher jammert nicht, er trauert nicht um seine Angehörigen, er braucht kein Mitleid (schon gar nicht von einer Merkel, einem Gauck oder Gabriel), er baut seine zerbombten Häuser und Städte einfach wieder auf, ohne zu murren. Du spuckst ihm ins Gesicht, oder hältst ihm ein Messer an die Kehle – er bietet dir sein Haus, sein Geld, seine Kleidung, ja seine Freundin… Mehr

Schroedingers Katze
6 Jahre her

Da wäre ich skeptisch. Ein Terrorist überlegt, wen er mit dem zur Verfügung stehenden Wissen und dem geringsten Aufwand am ärgsten treffen könnte. Und der Fahnder überlegt als Erstes, was denn der Terrorist so gedacht haben könnte. Dabei ist natürlich eine echte Sprengfalle schon eine Nummer, die nur zwei beherrschen: Die Sprenggläubigen und die Tiefe Staatin, letztere muß man nach Buback, dem sog. Oktoberfestattentat, der Rocky-Horror-NSU-Show immer auf der Rechnung haben. Schließlich hat auch der IS nicht unbegrenzt Killer auf Lager, die die französische Nummer abziehen wollen und dabei draufgehen. Die Experten, die man hat, vergeudet man nicht. Ich als… Mehr

Schroedingers Katze
6 Jahre her
Antworten an  Schroedingers Katze

Oha! Geht doch schon los!
„Eine „offenkundig rechtsextreme Bekennermail“, die am Donnerstagabend an den „Tagesspiegel“ gesendet worden war, wird von den Behörden ernst genommen“, furzt der ‚Locus‘
http://www.focus.de/politik/deutschland/bvb-anschlag-im-news-ticker-erhebliche-zweifel-an-echtheit-des-bekennerschreibens_id_6961263.html
Oder hatte Beate Freigang? Mit hirnlosen „Bekennerschreiben“ kennt sie sich ja aus.

Uiuiui Höcke, lauf dich schon mal warm! Und KEIN Wohnmobil zum Abhauen nehmen, hörst du?

Illusionslos
6 Jahre her

Die Kopten, die zwei Anschläge auf ihre Kirchen erleben mussten, fordern nun eine Reform des Islams. Warum kommt niemand in Europa darauf, das zu fordern ?
Bei uns gibt es nur Durchhalteparolen , wie viele Menschen müssen noch sterben, bis bei der Elite im Hirn ankommt wie gewalttätig der Islam ist ?

Matt
6 Jahre her

Sie schreiben es ja so deutlich: Verdrängung, mag für den, der etwas erlitten hat für eine Zeit oder länger sinnvoll sein. Die Aufforderung zur Verdrängung ist zynisch und „Durchaltegetöse“ letztendlich feige.

Yvonne
6 Jahre her

ARD informiert heute aktuell im Teletext S.112 : „Terrorangst hält sich in Grenzen Auch nach dem Anschlag auf das Team des BVB hält sich die Angst der Deutschen vor Terror und Attentaten in Grenzen. 82 Prozent der Deutschen fühlen sich eher sicher, wie eine Umfrage des ARD- DeutschlandTrends ergab. Das waren neun Prozent mehr als zu Beginn des Jahres – nach dem Anschlag auf den Ber- liner Weihnachtsmarkt. 17 Prozent spra- chen von einem Gefühl der Unsicherheit. Ebenso hält mit 56 Prozent die Mehrheit der Befragten Deutschland gegen Terror- angriffe gut geschützt. Im Gegenzug reicht 42 Prozent der Schutz nicht… Mehr

Jörg Tippmann
6 Jahre her

Fußballspieler sind ersetzbar, also kein Problem! 😀

Johann Thiel
6 Jahre her

Im Falle von Toten hätte es maximal eine tolle Lichterkette oder ein Fußballspiel „gegen Rechts“ mit Flüchlingen und anschließender Prügelei gegeben. Wenn es Politiker der Willkommenskultur getroffen hätte, sähe die Sache möglicherweise anders aus. Aber die Islamisten wissen schließlich wer ihre Freunde sind.

Beteigeuze
6 Jahre her

Die Beschwichtiger und Beschöniger [Grüne, Linke, SPD, verwirrte CDUler, Multikulturalisten, Kulturrelativisten, politisierende Pfaffen, Leitmedienartikler, Grenzöffner, Willkommensjubler, Abschiebeverweigerer und -verhinderer …] sind unentrinnbar in ihren eigenen Erzählungen gefangen, wie die Figuren aus der Unendlichen Geschichte, die nur von aussen Hilfe bekommen können. Denn gäben die Beschwichtiger und Beschöniger zu, dass der islamische Terror eben doch mit genau der religiös verkleideten Hass-, Terror- und Totalitarismus-ideologie des Islams etwas zu tun hat, löste sich ihr Phantasien ins Nichts auf, und sie selbst vergingen im Orkus der Bedeutungslosigkeit. Zudem müssten sie mit dem Zorn der Bürger rechnen, die sie diesem Terror auslieferten und ausliefern,… Mehr

Pe Wi
6 Jahre her

Frau Schunke, Sie haben ja so recht. Zitat: „Wir lassen uns unsere Freiheit nicht nehmen.“ Mit jedem Terroranschlag, mit jeder Vergewaltigung, mit jedem Mord wird uns die Freiheit Stück für Stück genommen. Sie wird uns genommen, weil der Staat, dessen Aufgabe es ist, die innere Sicherheit zu verteidigen, nicht mehr in diesem Bereich sichtbar ist (um es vorsichtig auszudrücken). Merkel und Konsorten arbeiten nicht mehr im Sinne ihrer geleisteten Eide. Sie sitzen ja auch hinter Panzerglas und sind von Bodygards umgeben. Bei der normalen Bevölkerung sieht es leider anders aus. Viele meiden bestimmte Gegenden, Frauen gehen ab einer bestimmten Uhrzeit… Mehr