Mietendeckel in Berlin – was ein Ex-Richter dazu sagt

Hans-Joachim Beck, früher Vorsitzender Richter am Finanzgericht Berlin ist empört und fassungslos über den Rechtsbruch, den die Berliner Linksregierung angekündigt hat.

Wohnmaschine

Hans-Joachim Beck war früher Vorsitzender Richter am Finanzgericht Berlin. Ich kenne ihn seit über 20 Jahren. Er ist ein renommierter Jurist mit zahlreichen Veröffentlichungen in Fachzeitschriften – ein sehr besonnener Mann, der immer juristisch argumentiert. Er hat jetzt einen Beitrag zum geplanten „Mietendeckel“ in Berlin geschrieben, der anders ist als alle anderen Texte, die ich von ihm kenne. Er ist empört und fassungslos über den Rechtsbruch, den die Berliner Linksregierung angekündigt hat. Ich veröffentliche seinen Beitrag unten im Wortlaut.

Er schreibt u.a.: „Eigentlich müsste man erwarten, dass die Bundesregierung oder zumindest die Abgeordneten des Bundestages ein Normenkontrollverfahren gegen das Gesetz einleiten und rügen, dass in ihre Gesetzgebungskompetenz eingegriffen wird. Wie man hört, wird dies aber wohl nicht passieren, weil man Angst hat, als mieterunfreundlich zu gelten.“

Das finde ich den eigentlichen Skandal. Der Berliner Senat hat ein Gesetz angekündigt, das eindeutig einen Verfassungsbruch bedeuten würde. Nicht nur, weil es sich faktisch um eine Enteignung handelt, sondern weil die Gesetzgebungskompetenz für dieses Thema gar nicht bei einem Land liegt, sondern beim Bund – wie der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages festgestellt hat.

25 Prozent der Mitglieder des Bundestages könnten beim Bundesverfassungsgericht ein Normenkontrollverfahren anstrengen, um die Verfassungswidrigkeit feststellen zu lassen. Finden sich noch 25 Prozent der Bundestagsabgeordneten, denen die Verfassung und das Eigentum wichtig sind?

Die Berliner Linksregierung ist davon überzeugt, dass Mietenstopp und Staatseigentum das Beste für die Mieter sind. Und viele Mieter in Berlin sehen das ähnlich. Dies war auch die Grundüberzeugung der SED, also jener Partei, der die heute in Berlin zuständige Senatorin Katrin Lompscher seit 1981 angehört (die sich mehrfach umbenannt hat und heute „Die Linke“ heißt).

Die Ergebnisse der Wohnungspolitik dieser Partei waren ein Desaster:

  • 1989 wurden 65% aller DDR-Wohnungen (die 3,2 Millionen Nachkriegsbauten eingerechnet) mit Kohleöfen beheizt.
  • 24% hatten keine eigene Toilette.
  • 18% hatten kein Bad.
  • 40% der DDR-Mehrfamilienhäuser galten als schwer geschädigt, 11% waren gänzlich unbewohnbar.
  • 200 Altstadtkerne in der DDR waren akut gefährdet.

Die Bürger mussten viele Jahre warten, bis sie eine der begehrten Plattenbauwohnungen zugeteilt bekamen. Die Altbausubstanz in Mehrfamilienhäusern in Leipzig, Dresden, Ostberlin, Erfurt und anderen ostdeutschen Städten war so zerfallen, dass nach der Wiedervereinigung mit einem massiven Steuerprogramm – dem sogenannten Fördergebietsgesetz – viele Milliarden Euro in die Sanierung gesteckt werden mussten. Doch nicht nur alte Gebäude, sondern auch die DDR-Plattenbauten mussten im großen Stil saniert werden. Zusätzlich war ein erheblicher Neubau notwendig, um den Wohnungsmangel in Ostdeutschland zu beseitigen. Insgesamt wurden in den 90er-Jahren mithilfe steuerlicher Förderungen 838.638 Wohnungen in den neuen Bundesländern und Ost-Berlin fertig gestellt. Die Kosten beliefen sich auf 84 Milliarden Euro.

Hier nun der Beitrag des Ex-Richters:

„Hans-Joachim Beck: Mietenstopp

Das Thema Enteignung ist vom Tisch, wohl weil wohl auch der letzte Journalist einsieht, dass es keinen Vorteil bringen würde, wenn man die Verwaltung unserer Wohnungen dem Staat überlässt. Stattdessen soll es der Mietendeckel richten. Dadurch soll das Privateigentum an Wohnungen formal erhalten bleiben, inhaltlich aber weitgehend ausgehöhlt werden. Der Eigentümer darf in Zukunft nur noch die Arbeit machen und muss seine Wohnungen nach Anweisung des Staates verwalten.

Denn die Einführung der Mietpreisbremse wird weitere Regulierungen nach sich ziehen müssen. Wenn man die Kosten einer Modernisierung nicht mehr umlegen kann, wird es einen Zwang zur (energetischen) Sanierung geben müssen. Wenn sich Neubau nicht mehr rechnet, wird es ein Baugebot geben. Wenn sich Vermieten nicht mehr lohnt und Eigentümer ihr Haus in Eigentumswohnungen aufteilen wollen, muss die Aufteilung verboten werden. Es wird einen Zwang geben, einen bestimmten Prozentsatz einkommensschwacher Mieter aufzunehmen. Während meiner Schulzeit musste ich einen Aufsatz zu dem Zitat aus Schillers Wallenstein schreiben „Das ist der Fluch der bösen Tat, dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären.“ Damals ist mir nicht viel eingefallen. Heute wüsste ich ein gutes Beispiel.
Wenn ich auf die fatalen wirtschaftlichen Folgen des Mietendeckels hinweise, bekomme ich den Vorwurf, warum, man den zuständigen Politikern* das nicht mal sagt. Dann müssten die Damen und Herren doch einsehen, dass der Mietendeckel die Wohnungsprobleme nicht lösen, sondern verschärfen wird. Die Wahrheit ist, dass man das alles weiß und sehr gut versteht. Denn die „Verantwortlichen“ wollen das  Wohnungsproblem gar nicht lösen, sondern zum Systemwechsel benutzen und den Markt abschaffen. Friedrich Engels hat gesagt, „erst wenn Wohnungen keine Ware mehr sind, kann das Recht auf Wohnraum für jedermann verwirklicht werden. Dass das Gegenteil richtig ist, hat die Geschichte bewiesen, nicht nur in der DDR, sondern auch in allen anderen Ländern, in denen es einen Mietenstopp gab. Es ist wohl kein Zufall, dass ein vergleichbarer Mietenstopp in Deutschland am 20. April 1936 eingeführt wurde und in  Spanien im Jahre 1939. Totalitäre Regime können eine Marktwirtschaft nur schwer ertragen, weil diese immer ein Teil individueller Freiheit ist.

Gegen die richtige Ideologie hat jedoch die Wirklichkeit keine Chance. Viele von uns können sich noch an den Satz erinnern: Ruinen schaffen ohne Waffen. Aber offenbar müssen nach 30 Jahren alle Fehler wiederholt werden.

Ob der geplante Mietendeckel verfassungswidrig ist, spielt bei denen, die die politische Macht derzeit innehaben, keine Rolle. Denn bis zur Aufhebung durch das Bundes- oder Landesverfassungsgericht wird sie jedenfalls ihre Wirkung entfalten. Das erinnert mich an den alten  Spontispruch „Legal illegal, scheißegal.“  Dass auch politisch Verantwortliche nach diesem Motto handeln würden, haben die Väter des Grundgesetzes nicht geahnt. Von „Verantwortlichen“ mag man eigentlich nicht sprechen. Denn Schadenersatz müssen sie ja für das Desaster, das sie anrichten nicht zahlen.

Eigentlich müsste man erwarten, dass die Bundesregierung oder zumindest die Abgeordneten des Bundestages ein Normenkontrollverfahren gegen das Gesetz einleiten und rügen, dass in ihre Gesetzgebungskompetenz eingegriffen wird. Wie man hört, wird dies aber wohl nicht passieren, weil man Angst hat, als mieterunfreundlich zu gelten.

Bis das Gesetz verkündet wird, sollte man daher das geltende BGB anwenden und sich von Drohgebärden nicht beeinflussen lassen. Wie man sich verhält, wenn das Gesetz verkündet ist, wird man prüfen, wenn der Gesetzeswortlaut vorliegt.“

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Kommentare ( 43 )

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Gisela Fimiani
4 Jahre her

Worum es wirklich geht, ist in diesem Beitrag ausgesprochen: es geht um den Systemwechsel. Es geht um die (bereits weit fortgeschrittene) Umwandlung der freiheitlich bürgerlichen Demokratie in die paternalistische, despotistische, gelenkte Demokratie. Die beste aller Welten für Politiker und alle Staatsabhängigen (Medien, NGOs, Stiftungen und und und). Man verfügt über das Gattungswesen Mensch, ohne Verantwortung übernehmen zu müssen. Diese Orwellschen „Demokraten“, die den Geist der Aufklärung, den Geist der politischen Freiheit längst verraten und abgeschafft haben, werden sich nicht selbst schaden.

Sonnenstrahl
4 Jahre her

Preisvorschriften für Vermietungen gab es noch nicht mal in der DDR. Die Mietpreisbremse ist nicht nur rechtswidrig, sie erfüllt noch nicht mal ihren Zweck. Richtig ist: Investoren werden vergrault. Aber: Dann werden auch weniger Wohnungen gebaut (Investoren haben nämlich zB auch vergammelte Neubauten saniert). Und die genossenschaftlichen Bauträger jammern auch, die müssen nämlich auch wirtschaftlich arbeiten, die betrifft es auch. Ergebnis: weniger Wohnungen. Wenn Leute wie Andre Holm im Hintergrund die Fäden ziehen, wundert das nicht. Andre Holm war bei der StaSi und Wachsoldat, dorthin kamen nur die 120%ig Überzeugte, das heißt, er war bereit, Andersdenkende abzuballern. Innerhalb der StaSi… Mehr

W aus der Diaspora
4 Jahre her

Die Wiedervereinigung von 1990 wird immer mehr zu einer Einverleibung der BRD von den DDR-Netzwerkern.
Eine Frau, die nie in der Demokratie lebte hätte nie Kanzler werden dürfen!

NighthawkBoris
4 Jahre her
Antworten an  W aus der Diaspora

Ganz meiner Meinung! Vielleicht muss man ja noch einen Schritt weiter gehen und sagen: alle, die im Sozialismus sozialisiert wurden, hätten in der BRD keinen wichtigen Posten bekommen dürfen! Das wäre dann halt der Preis für die Freiheit gewesen.
Und was die Wiedervereinigung betrifft: diese hat Kohl zu verantworten, genau wie den bescheuerten Euro und die Vertiefung der EU. Dies alles bedeutete eine epochale Zeitenwende für die BRD, leider im negativen Sinne. Der unfähige Kohl hat definitiv unseren Untergang eingeleitet.

Petra Horn
4 Jahre her
Antworten an  NighthawkBoris

In der Politik geschieht nichts aus Zufall. Es war so gewollt. Die Frage ist von wem.

mmn
4 Jahre her

Recht scheint heute nur noch dann zu zählen, wenn es den Regierenden (und ihren Helfershelfern) in den Kram paßt. Ansonsten wird fleißig ignoriert, zweckkonform/regierungskonform ausgelegt (Gerichte, Verfassungsgerichte) und auch vor Anpassung der Gesetze an den Zeitgeist nicht haltgemacht. Im übrigen verfestigt sich leider auch der Eindruck, daß sich heutzutage viele Richter (ähnlich wie Journalisten) als eine Art Politiker oder Aktivist verstehen. Und wie auf vielen Feldern sind Korrektive nicht in Sicht.

DiktaDuR
4 Jahre her

Die Empörung des Ex-Richters Beck ist nachvollziehbar. Er vergisst aber zu erwähnen, dass die Marktwirtschaft inzwischen weitgehend von Planwirtschaft abgelöst wurde, dass Unrecht zum Recht erhoben wird. Da steht auch sein Berufsstand in der Verantwortung. Wenn die Suppe permanent versalzen ist, macht es wenig Sinn ein Salzkorn heraus zu fischen. Man muss dem Koch das Handwerk legen.

Wolf58
4 Jahre her

Überall wo sich der Staat eingemischt hat, hat es nie funktioniert, siehe zb. BER!

U.M.
4 Jahre her

lasst sie doch in Berlin den Wohnungsmarkt verstaatlichen und die Mieten deckeln. Dann dauert es auch icht mehr lange und die Zustände der Wohnungen werde so sein wie zu DDR-Zeiten. Aber Gelder für Instandsetzungen vom Bund oder anderen Ländern sollten die Berliner sich dann von der Backe putzen. ja, ja, der Sozialismus siegt!!!

AlfredJosef
4 Jahre her
Antworten an  U.M.

Eben. Die Hauptstadt geht kaputt? Na und.

Alexis de Tocqueville
4 Jahre her
Antworten an  U.M.

Von der Backe wird da gar nix geputzt. Die bekommen selbstverständlich die Gelder vom Bund, um zu beweisen, dass der Sozialismus super funktioniert. Die Medien werden diesen Fakt so zweifelsfrei feststellen, wie die CO2-Apokalypse – wehe dem Leugner.
Und dann wird der Sozialismus bundesweit eingeführt, weil er ja so gut funktioniert… Ziel erreicht.

Seneca
4 Jahre her

Ohne eine grundgesetzwidrige Masseneinwanderung (Art. 16a GG) und eine grundgesetzwidrige EZB-Politik (Art. 88 GG) gäbe es keinen grundgesetzwidrigen Mietendeckel (Art. 14 GG). Fortdauernde Erosion des Rechts oder „so was kommt von so was“. Gretchenfrage: Was ist das nächste, übernächste und überübernächste „so was“ ?

Alois Dimpflmoser
4 Jahre her

Die von Herrn Beck vertretene Auffassung entspricht exakt derjenigen, die der große Ökonom und Wirtschaftsphilosoph Ludwig von Mises in seinem opus magnum „Die Nationalökonomie“ vertreten hat. Und Mises sagt voraus, dass Alles, was der Staat mit einer Preisobergrenze unterhalb des Marktpreises belegt, nicht billiger wird, sondern vom (legalen) Markt verschwindet.
Aber Vorsicht: Im Gegensatz zu den Vorhersagen von Karl Marx pflegen die Vorhersagen des großen Vordenkers des Kapitalismus auch einzutreffen.

Biskaborn
4 Jahre her

Das Interessanteste an dem Artikel scheint mir, dass ein im Ruhestand befindlicher Richter den offensichtlichen Rechtsbruch anmahnt. Wo sind die im aktiven Dienst in Berlin befindlichen Richter mit ihren diesbezüglichen Wortmeldungen? Haben die ein gänzlich anderes Rechtsverständnis oder trauen Sie sich nicht aus der Deckung. Für mich ein erneuter Beweis, das sich in diesem Land niemand der in Lohn und Brot steht traut, die Wahrheit zu sagen. Schlimme Zustände.

Reinhard Peda
4 Jahre her
Antworten an  Biskaborn

Einige von den Beamten haben noch nicht begriffen, das zur Pensionszahlung und anderem, ein funktionierender Staat voraussetzung ist!

Johann-Thomas Trattner
4 Jahre her
Antworten an  Reinhard Peda

…..auch ein totalitärer Staat kann seine Pensionäre versorgen. In der DDR ging es dieser Kaste ziemlich lange ziemlich besser.

Johann-Thomas Trattner
4 Jahre her
Antworten an  Biskaborn

Nun, Richter sind Beamte. Bei Ausübung ihrer Aufgabe zwar Unabhängig, aber bei ihrer Laufbahn (Beförderungen, Dienstposten) abhängig von Politik und Verwaltung. Unerwünschte Meinungsäußerungen können beim aktiven Beamten genauso zum Karriereknick führen wie beim Laufbahnende von Maasen. Schönes Beispiel wie unleidige Richter schikaniert werden können: Der BGH-Richter Thomas Fischer; der sich allerdings nicht beugte sondern im Justizapparat kämpfte.

Und ja, Zivilcourage und Mut sind nicht die berufstypischen Eigenschaften von Beamten. Auch nicht von Richter. Leider.

wat nu
4 Jahre her
Antworten an  Biskaborn

Dazu ein Zitat:

„Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen.“

George Orwell