Die Spaltung der CDU schreitet weiter voran

Der Kampf um die politische Ausrichtung der CDU ist mit den Wahlen in Thüringen inzwischen in die Phase der offenen Feldschlacht getreten und alles andere als entschieden.

Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Nachdem bei den Landtagswahlen in Thüringen das von Bodo Ramelow angeführte Bündnis aus Linken, SPD und Grünen keine Mehrheit mehr erhielt und die AfD hinter der Linken zur zweitstärksten Kraft avancierte, formierte sich bundesweit recht schnell eine partei- und medienübergreifende Einheitsfront für die Fortsetzung des rot-rot-grünen Bündnisses als eine von Union und FDP unterstützte Minderheitsregierung.

Ins Spiel gebracht wurde vom ehemaligen thüringischen CDU-Ministerpräsidenten Dieter Althaus in diesem Zusammenhang zuletzt eine von Ramelow geführte rot-rot-grüne „Projektregierung“ unter Beteiligung der CDU. Andere CDU-Politiker, allen voran der schleswig-holsteinsche Ministerpräsident Daniel Günther, plädierten sogar offen für eine Koalition der Union mit der Linken, die von der CDU-Führung im Bund aus Angst vor weiteren Stimmenverlusten Richtung AfD allerdings abgelehnt wurde. Präferiert wurde von ihr stattdessen die Duldung einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung und damit die Wahl Ramelows zum Ministerpräsidenten durch die Abgeordneten der CDU.

Der Parteienstaat entblößt sich
Thüringen – ein schwarzer Tag für die Parlamentarische Demokratie
Diesen von der Bundes-CDU empfohlenen Linksruck hat die thüringische CDU nun allerdings nicht mitgemacht und stattdessen gemeinsam mit der FDP und der AfD den Kandidaten der FDP, Thomas Kemmerich, zum Ministerpräsidenten gewählt. Dies war nur möglich, weil diesen drei Parteien von den thüringischen Wählern eine Stimmen-Mehrheit im Landtag verliehen wurde, die CDU und FDP allerdings ausdrücklich nicht für eine Regierungsbildung unter Einschluss der AfD nutzen wollen. So wie die CDU nicht nur im Falle einer Koalition mit der Linken in Thüringen, sondern auch schon bei der Duldung einer von Ramelow geführten Minderheitsregierung mit weiteren Stimmenverlusten Richtung AfD rechnen müsste, hätte sie im Falle einer Koalition mit der AfD mit weiteren Stimmenverlusten Richtung Grüne zu rechnen.

Im Konrad Adenauer Haus ist man angesichts dieser Zwickmühle offenbar der Meinung, dass eine weitere Stärkung der AfD einer weiteren Stärkung der Grünen vorzuziehen sei und plädierte deswegen für die Duldung und Unterstützung einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung in Thüringen. Das mag aus der Sicht der West-CDU nachvollziehbar sein, drohen ihr dort derzeit doch vor allem die Grünen den Rang als stärkste Partei abzulaufen. In Thüringen und einigen anderen neuen Bundesländern liegen die Dinge aber anders. Dort ist die AfD inzwischen stärker als die CDU und auf dem besten Weg, der Union nicht nur bei den konservativen Wählern den bisherigen ersten Rang streitig zu machen. Mike Mohring und seine Landtags-Kollegen handelten daher ebenso rational wie im gesunden Eigeninteresse, den von der Bundes-CDU favorisierten Linksruck nicht zu vollziehen und anstelle von Ramelow Kemmerich zum Ministerpräsidenten zu wählen.

Die AfD um Björn Höcke scheint diese insbesondere für die CDU höchst vertrackte Sachlage weit besser durchschaut und verstanden zu haben als die Matadore des rot-rot-grünen Bündnisses von Ramelow, die auf einige CDU-Überläufer in den ersten beiden Wahlgängen bzw. die Wahlenthaltung der CDU-Abgeordneten im dritten Wahlgang setzten. Der AfD ging es in erster Linie um den Vollzug des Wählerwillens der zurückliegenden Landtagswahl, bei der Rot-Rot-Grün keine Mehrheit mehr erhielt, sowie um die Demonstration ihrer numerischen Stärke im Landtag. Da weder die Union noch die FDP sich dazu bereit erklärten, über eine Koalition mit der AfD zu reden, blieb ihr nur noch der Weg, den Kandidaten einer dieser beiden Parteien zum Ministerpräsidenten zu wählen, um so die Wiederwahl Ramelows zu verhindern. Da die CDU sich weigerte, selbst einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken, fiel die Wahl schließlich auf den Kandidaten der FDP, die mit der Kandidatur von Kemmerich verhinderte, dass gegen den Kandidaten der Linken und den Kandidaten der AfD gar kein Vertreter der liberal-konservativen Abgeordneten im Thüringer Landtag antrat.

Kürzest-Zeit-Ministerpräsident Kemmerich
Thüringen: FDP beantragt Neuwahlen
Der von der CDU-Führung im Bund seit Jahren schrittweise vollzogene Linksruck wurde in Thüringen mit der Wahl Kemmerichs wider Erwarten mit Hilfe der Abgeordneten von CDU, FDP und AFD vorerst gestoppt. Das Geschrei ist bei den Betreibern und Befürwortern dieses Linksrucks innerhalb der Union, der SPD, den Grünen und der Linken entsprechend groß. Den Vogel hat dabei der abgewählte Ministerpräsident Ramelow abgeschossen, der die Wahl seines Konkurrenten Emmerich mit der Ernennung Adolf Hitlers durch Paul von Hindenburg zum Reichskanzler gleichsetzte. Das zeigt: Die Nerven liegen nicht nur bei der Linken, sondern bei allen etablierten Parteien blank, sobald sich abzeichnet, dass sich gegen die von ihren Führungsgremien gemeinsam betriebene, links-grün eingefärbte Politik oppositionelle Kräfte in die Parlamente gewählt werden, die sich dort sogar zusammenschließen, um liberal-konservativen Politikansätzen wieder mehr Geltung zu verschaffen.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist in Thüringen mit der Wahl von Thomas Kemmerich geschehen. Was daraus in Thüringen konkret wird, muss man erst noch sehen. Inzwischen hat der neu gekürte Ministerpräsident Kemmerich wohl auf Druck aus Berlin angekündigt, den Landtag auflösen zu wollen und Neuwahlen anzustreben, für die er im Landtag allerdings eine Antragsmehrheit von einem Drittel und eine Beschlussmehrheit von Zwei Drittel benötigt. Erneut steht damit in Frage, ob die Mehrheit der Thüringer Abgeordneten, allen voran der CDU, diesem Druck seitens der Bundes-Partei nachgeben werden.

Was auch immer in Thüringen die nächsten Tage und Wochen geschieht: Der Kampf um die zukünftige politische Ausrichtung der Union ist mit der Wahl von Kemmerich in die Phase einer offenen Feldschlacht getreten und alles andere als entschieden. Am Beispiel Thüringen zeigt sich, wie gespalten die CDU mittlerweile zwischen den Kräften ist, die ihre politischen Koordinaten weiter Richtung SPD, Grüne und mittlerweile sogar Linke verschieben, und denjenigen Kräften, die das liberal-konservative Profil ihrer Partei wieder schärfen möchten. Es wird immer wahrscheinlicher, dass dies die CDU über kurz oder lang zerreißen wird. Neuwahlen in Thüringen werden diesen Prozess voraussichtlich eher beschleunigen als verlangsamen.

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Kommentare ( 150 )

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Gisela Fimiani
4 Jahre her

Die Wählerverachtung hat in Thüringen ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die derzeitige Verfasstheit der politischen Klasse läßt für die Zukunft wohl deren vollständige Entlarvung als Un-Demokraten befürchten. Die fortschreitende diktatorische Un-Demokratie wird mit wachsender Deutlichkeit sichtbar.

Wolfgang Schuckmann
4 Jahre her

Trotz der Kümmernisse in Thüringen: Die Dame wird nach der nächsten Wahl 2021 laut auflachen und im stillen Kämmerlein sinnieren: Na, wer ist denn von all den Schlauen in meiner Blockpartei übrig geblieben? Ja, ich, wird sie für sich befinden und der Triumpfiratin wird ein Bildchen aus dem Spiegel entgegenlachen mit der Frage auf den Lippen: Na, wer ist die schönste im ganzen Land? Und den Rest kann sich jeder ausmalen.

magistrat
4 Jahre her

Das maßgeblichste Moment für ein weiteres Erstarken der AfD ist die wirtschaftliche Entwicklung. In dem Moment, in dem es zu einer deutlichen wirtschaftlichen Eintrübung kommt, die Futtertröge nicht mehr aufgefüllt werden und die Banken krachen gehen, dann geht es rund!

Regenpfeifer
4 Jahre her

Ganz ehrlich? Ich glaube nicht, dass die thüringische AfD so weit strategisch gedacht hat, wie es im Artikel anklingt. Wahrscheinlich war sie nur taktisch unterwegs, lieber einen FDP-Mann der Mitte als Landeschef etablieren zu wollen, als einen knallroten Socken. Dass es dann aber dazu kam, dass die CDU sich daraus jetzt selbst zerlegt und offen (!) für die Wahl Ramelows eintritt -dass war glaube ich nicht geplant, kommt der AfD aber sehr gelegen. AKK ist jetzt politisch jedenfalls ein Zombie: Schon tot, will es aber noch nicht wahr haben..

Ivan de Grisogono
4 Jahre her

Titel des Bildes ist sehr explizit , Mr. Bean zur Besuch bei CDU! Wird Mr. Bean die Damen die Gesetze brechen und Rechtsstaat aus persönlichem Interesse unterwandern jetzt abführen? Die Ereignisse der letzten Tage können nur ein Ende vor einem Gericht finden.

Muensteraner
4 Jahre her

Ich finde auch, nach der SPD ist nun erstmal die CDU mit einem Niedergang dran und es freut mich, dass das noch zu Zeiten Merkels als Kanzlerin passiert und sie rein gar nichts dagegen unternehmen kann (außer zum Parteiwohl früher anzutreten (aber das kommt ja nicht infrage)).

Jo_01
4 Jahre her
Antworten an  Muensteraner

Wenn Sie sich da mal nicht irren. Eher wird die AfD vom BfV verboten, als dass die Blauen der herrschenden Klasse wirklich gefährlich werden könnte.

schukow
4 Jahre her

Tja, da war die offene Feldschlacht auch schon wieder vorbei, kaum daß sie erst begonnen hatte. Also war das alles nur Kasperletheater. Kemmering hatte für seine Kandidatur zur Bedingung gemacht, daß auch die AfD-Fraktion einen Kandidaten aufstellen müsse. Auf die Idee, daß diese dann im 3. Wahlgang ihn selber wählt, sind sie wohl nicht gekommen, diese Anfänger; wo haben die ihren Verstand? Also waren sie auf die Schlacht überhaupt nicht vorbereitet; nun, dann verliert man sie halt. Die AfD ist jetzt endgültig die einzig verbliebene Oppositionspartei in Deutschland. Schau’mer ‚mal, wie’s ausgeht. In 100 Jahren steht’s im Geschichtsbuch. Schade, daß… Mehr

Lars Baecker
4 Jahre her
Antworten an  schukow

Seien Sie froh drum.

walter werner
4 Jahre her

Viele deutsche Mitbürger stellen immer wieder die Frage, wie es zum 3.Reich und einer
Diktatur mit Adolf Hitler kommen konnte? Hier erleben und erhalten wir auf diese Frage die Antwort. Und das Volk schläft noch immer !

Silke Behr
4 Jahre her
Antworten an  walter werner

Dass der Hitler-Vergleich von Ramelow keine Empörung ausgelöst hat, zeigt, wie wenig Geschichtskenntnisse heute nur noch vorhanden sind. Und genau dieser Umstand bildet die Basis, auf welcher ein uneingeschränktes AfD-Bashing beinahe widerspruchslos geführt werden kann. Man hat es ja nicht einmal mehr nötig, ein Argument mitzuliefern, wenn man derartige Vergleiche bzw. Diffamierungen anstellt. Das führt dazu, dass Menschen auf der Straße auf die Frage, warum sie die AfD für rechtsextrem halten, antworten: na, weil sie Hitler wiederhaben wollen. Vom tatsächlichen Parteiprogramm kennen sie hingegen kein einziges Wort. – Dieser Bildungsnotstand ist der Nährboden für ein viertes Reich, unter schwarz-rot-grüner Führung.

Jo_01
4 Jahre her
Antworten an  Silke Behr

Erinnern Sie sich an Seehofers „Mutter aller Probleme “ ? Er meinte die Migration.
Ich sagte damals schon, dass er irrt.
Die Mutter aller Probleme hierzulande ist die fehlende Bildung. Daraus leiten sich alle anderen Probleme dann ab.
LG

Wolfgang Schuckmann
4 Jahre her
Antworten an  Jo_01

Und diese fehlende Bildung ist gewollt. Anders kann ich mir die Bildungspolitik dieser Föderation im Bildungswesen nicht erklären. Das Rezept stammt aus den Staaten. Da glaubte man 2003 auch der Irak läge direkt an der eigenen Grenze. Von wegen Massenvernichtung etc. Den Rest muss ich nicht erklären.

Sennekind
4 Jahre her

Nabend. Irgendwann wird auch das letzte CDU Mitglied merken, was die Bundeskanzlerin nicht merkeln will und wollte. Aber die älteren Bürger in der alten BRD können sich noch eventuell schemenhaft an die Jahre von Helmut Kohl und Franz Josef Strauss erinnern. Der bayrische Löwe wusste manchmal schon morgens genau was der Abend brachte. Er riet damals dringend dem Riesen von Oggersheim, er solle sich in der Zukunft mit seiner CDU bemüssigen den rechten Rand zu schliessen. Wenn er dies nicht schaffe, kein Problem, die CSU würde sich dann bundesweit ausbreiten. Nach der abzeichnenden Zwistigkeit gab Strauß nach, die Androhung von… Mehr

Wolfgang Schuckmann
4 Jahre her
Antworten an  Sennekind

Der größte Fehler von Strauss war sein Einknicken. Eine bundesweite CSU hätte einige Dinge des bürgerlichen Lagers zurecht gerückt, das steht fest. Und eine CDU in Bayern wäre wie Oktoberfest in Cuxhaven, oder so ähnlich.

mio27
4 Jahre her

Hubsi Eiwanger ist ein Schilfrohr im Wind. Auf seinen Touren durchs Bayernland erzählt er heute jedem das, was dieser hören will und morgen dem Landtag das Gegenteil davon. Opportunismus und Politik bedeuten eben dasselbe.