DDR-Verklärung als Regierungsprogramm

Für die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit ist in Mecklenburg-Vorpommern jetzt die Linke zuständig. Deren Vorsitzender war selber tief in die SED-Diktatur verstrickt – und unterstützt bis heute Kreise, die die DDR verherrlichen.

IMAGO / Chris Emil Janßen
Torsten Koplin, Landesvorsitzender Die Linke Mecklenburg-Vorpommern

Es kommt nicht mehr allzu oft vor, dass der Staatssicherheitsdienst bundesweit in die Schlagzeilen gerät. Die SPD-Politikerin Manuela Schwesig hat es geschafft, dass sich mehrere große Medien in diesen Tagen mit dem seit über 30 Jahren aufgelösten DDR-Geheimdienst beschäftigten. „Schwesigs Regierung hat ein Stasi-Problem“ titelte das reichweitenstarke Portal t-online. Und die Tageszeitung DIE WELT sekundierte: „Lange Stasi-Schatten auf Schwesigs rot-roter Koalition“. Grund dafür ist Schwesigs Entscheidung, die Koalition mit der CDU aufzugeben und stattdessen mit der Linken zu regieren. Deren Landesvorsitzender Torsten Koplin war zu DDR-Zeiten ein Informant des Staatssicherheitsdienstes. Erstmals in der Geschichte des ostdeutschen Bundeslandes war damit ein früherer Stasi-Mitarbeiter federführend an den Verhandlungen über das künftige Regierungsprogramm beteiligt.

In der DDR war Koplin ein überzeugter Anhänger des SED-Regimes. Nach seinem Dienst im Stasi-Wachregiment arbeitete er zunächst als Kfz-Schlosser und FDJ-Sekretär. Sein Betrieb bescheinigte ihm 1985 einen „ausgeprägten Klassenstandpunkt“ und „völlige Abgrenzung“ zur westlichen Ideologie. Bereits mit 23 Jahren wurde ihm deshalb erlaubt, dienstlich in den Westen zu reisen, wenig später wurde er hauptamtlicher FDJ-Sekretär in Neubrandenburg. Im Januar 1987 warb die Kreisdienststelle Neubrandenburg Koplin als Inoffiziellen Stasi-Mitarbeiter (IM) an. Unter dem Decknamen „Martin“ bespitzelte er in der Folgezeit Kollegen und Mitarbeiter. „Die inoffizielle Zusammenarbeit verlief effektiv und der IM berichtete in guter Qualität“, resümierte sein Führungsoffizier im Oktober 1988. Bei der Erarbeitung von Informationen, die vorrangig in handschriftlicher Form erfolgt seien, habe es keine Anzeichen auf Zurückhaltung gegeben. „Auch was Personen betraf, berichtete er offen und ehrlich.“

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In Koplins Stasi-Akte kann man nachlesen, was der heutige Linken-Politiker über die Demokratie der Bundesrepublik und über Kritiker der SED-Diktatur damals dachte. Einen Genossen schwärzte er bei der Stasi an, weil dieser „die westlichen Verhältnisse verherrlichte“. Über den oppositionellen Liedermacher Stephan Krawczyk schrieb er: „Seine Auftritte sind eindeutig gegen unseren Staat und vor allem gegen die führende Rolle der SED gerichtet.“ Und über die Streiks der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc in Polen belehrte er seinen Führungsoffizier, es wären „härtere Haftstrafen angebracht als nur Geldstrafen“. Die Zusammenarbeit mit der Stasi endete, weil Koplin im Herbst 1988 an die SED-Parteihochschule nach Berlin ging. Nach dem Abschluss seines Studiums sollte er FDJ-Chef von Neubrandenburg werden, wo ihn die Stasi erneut als Informant nutzen wollte.

Doch die Friedliche Revolution im Herbst 1989 machte diese Pläne zunichte. Nach der Wiedervereinigung verbreitete Koplin, er habe sich noch zu DDR-Zeiten zu seiner Stasi-Tätigkeit bekannt und auch dafür entschuldigt. In den Medien galt er deshalb als geläutert. Zudem habe er sich in den letzten 30 Jahren als Demokrat bewährt. Die Tatsache, dass ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter in den letzten Wochen den Koalitionsvertrag in Schwerin mit aushandelte, erregte deshalb kaum noch Anstoß.

Inzwischen mehren sich die Zweifel, dass Koplins Darstellung zutreffend ist. Misstrauisch machen konnte bereits ein Blick auf seine private Website, wo sich keinerlei Hinweis auf seine Stasi-Tätigkeit findet, geschweige denn eine Entschuldigung. Auch seine Rolle als Mitgründer des linksradikalen Zusammenschlusses „Antikapitalistische Linke“ und seine Rechtfertigung des Mauerbaus in einem Positionspapier aus dem Jahr 2011 deuteten nicht gerade auf eine Läuterung hin. Die aufschlussreiche Frage von t-online, wie der Linken-Politiker die Arbeit des Staatssicherheitsdienstes heute beurteile, ließ dieser unbeantwortet.

Gräbt man etwas tiefer, stößt man im Internet auf diverse Hinweise, dass Koplin auch nach seiner angeblichen Distanzierung von seiner Stasi-Tätigkeit enge Beziehungen zu ehemaligen Offizieren des Staatssicherheitsdienstes unterhielt. So traf er sich zwischen 2004 und 2018 immer wieder mit Vertretern eines Vereins, der als Sammelbecken ehemaliger Stasi-Mitarbeiter gilt: die „Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger der bewaffneten Organe und der Zollverwaltung der DDR“ (ISOR). Geschäftsführer des Vereins ist der langjährige Sprecher des sogenannten MfS-Insiderkomitees Wolfgang Schmidt, der bei der Stasi früher als Chefauswerter diente und auf seiner Internetseite seit Jahren die DDR-Geheimpolizei schönredet.

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Der Verein ist keine unbedeutende Alt-Herren-Runde, sondern ein immer noch schlagkräftiger Interessensverband. Vor einigen Jahren gab er die Zahl seiner Mitglieder mit 24.000 an. Während der ersten rot-roten Koalition in Mecklenburg-Vorpommern überschüttete er die Staatskanzlei in Schwerin mit Postkarten, in denen eine Bundesratsinitiative gefordert wurde, die Renten ehemaliger Stasi-Mitarbeiter massiv zu erhöhen. 2002 brachte SPD-Ministerpräsident Harald Ringstorff dann tatsächlich die gewünschte Initiative ein. In einer anderen Kampagne beklagten sich die Funktionäre beim UNO-Komitee für ökonomische, soziale und kulturelle Rechte über ihre angebliche Benachteiligung, sodass dieses der Bundesrepublik eine Rüge aussprach.

Prominenter Mitstreiter in diesem Kampf war Torsten Koplin. Im monatlich erscheinenden Verbandsblatt ISOR aktuell vom Mai 2009 wird zum Beispiel ein Auftritt des Linken-Politikers bei der Ortsgruppe Neustrelitz geschildert, wo er „von den anwesenden Mitgliedern herzlich begrüßt“ wurde. Dem Bericht zufolge versicherte er, „dass sich die Partei DIE LINKE für die Abschaffung des Rentenstrafrechts einsetzt“ – wie ehemalige Stasi-Mitarbeiter die Tatsache bezeichnen, dass sie heute „nur“ eine DDR-Durchschnittsrente erhalten. „In seinen Ausführungen und der anschließenden Diskussion“, so kann man weiter lesen, „wurde auf die zurzeit verstärkte Kampagne gegen die DDR und insbesondere auf die Diskriminierung der DDR als ‚Unrechtsstaat‘ eingegangen.“ Nach einer Distanzierung Koplins von der Stasi sucht man in dem Veranstaltungsbericht vergebens.

Im selben Jahr trat Koplin auch bei der Zeitschrift Rotfuchs auf – ein Blatt, das in besonderer Weise die DDR verherrlicht und gegen das westliche System hetzt. Der Verfassungsschutz bezeichnet das Blatt als „neo-stalinistisch“. Auf Einladung einer Regionalgruppe der Zeitschrift in Neubrandenburg sollte Koplin über das Thema referieren: „Worin könnte sich der Deutsche Bundestag am DDR-Erbe orientieren?“
Auch später nahm Koplin immer wieder an die DDR verherrlichenden Veranstaltungen statt. In seinem von ihm selbst veröffentlichten Terminkalender ist zum Beispiel für den 12. April 2018 vermerkt: „14.00 Uhr, Neubrandenburg, Beratung und Gespräch mit ISOR.“ Am 27. Oktober nahm er dann in Rostock an einer Gedenkveranstaltung zum 100. Jahrestag der Novemberrevolution und zum 200. Geburtstag von Karl Marx teil. T-online zeigt ein Foto, auf dem Koplin in der ersten Reihe sitzt, neben sich ein anderer ehemaliger Stasi-Mitarbeiter. Der Saal ist mit roten Fahnen und Blumen geschmückt. Einem Veranstaltungsbericht zufolge sangen die 170 Anwesenden zu Ehren „der DDR-Errungenschaften“ im Stehen die DDR-Nationalhymne.

Seit Anfang der Woche stellt Koplins Partei in der Regierung von Mecklenburg-Vorpommern nun die Justizministerin. Diese ist auch zuständig für den Bereich der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Die neue Ministerin Jacqueline Bernhardt bewegt sich seit zwölf Jahren im Dunstkreis von Torsten Koplin, erst als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Linksfraktion im Schweriner Landtag, dann als Abgeordnete, seit 2016 als Vizefraktionschefin und später Parlamentarische Geschäftsführerin. Es gehört nicht viel Fantasie dazu vorauszusehen, dass die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit in Mecklenburg-Vorpommern in Zukunft schwieriger wird.

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Kommentare ( 37 )

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H.Arno
2 Jahre her

SPD-Schwesig und SED/FDJ-Sekretär/STASI-Wachsoldat/STASI-Spitzel KOPLIN mit dem ausgeprägten sozialistischen Klassenstandpunkt (Bundesrepublik mit demokratischer Verfassung – als Klassenfeind der DDR) – da kommt zusammen, was zuammen gehört!

Danton
2 Jahre her

Wir kommen dem antifaschistischen Mauerbau, dort wo die alte Mauer stand, immer näher. Wollt ihr das sozialistische Paradies? Jaa. Wollt ihr den Einparteienstaat? Jaa. Wollt ihr die totale Überwachung, und seid ihr bereit zu Denunzieren, Auszugrenzen und den Klassenfeind in den Westen zu schicken? Jaa. Liebt ihr die Mangelwirtschaft und Spreewald Gurken statt Bananen? Jaa. Wollt ihr die Stasi die für ideologische Sauberkeit steht? Jaa. Dann lasst den Westen Westen sein und reiht euch schwesterlich beim Sozialismus ein. Jaa.

Kraichgau
2 Jahre her

ich verstehe nicht ganz,warum mein Vergleich der Ungleichbehandlung nach 1949 im Rentenrecht der BRD (Witwen-/Versehrtenpensionen) mit dem ungleich ungerechteren Verfahren nach 1989 hier zensurwürdig war?
es ist Fakt,das zb einfache Waffen-SS-Angehörige und DEREN Angehörige nach dem Krieg weder Versehrtenrenten noch Hinterbliebenenrenten bekamen,obwohl Sie Angestelltenverträge mit dem Reich hatten,waehrend DDR-Stasi/Grenzer volle Renten-Umwandlung ohne jede Einzahlung bekamen.
Ebenso wurden oben beschriebene Gruppen mit aktiven/passivem Wahlverbot belegt,waehrend die roten Killer/Spitzel alle Privilegien bekamen.
irgendwas hat Kohl da VÖLLIG falsch verstanden bei der Betrachtung der „Vergangenheitsbewältigung“

Mausi
2 Jahre her

Wunschpartner der SPD/Die Grünen-Richtung ist unverändert Die Linke. Daher Unterstützung, wo immer es geht.
Und dann noch für den Bereich Bildung (Kitas bis Lebensende) und Justiz.

tube
2 Jahre her

die Mentalität der Mecklenburger ist etwas anders als die der anderen Ostdeutschen. Unrechtsbewußtsein in politischen Fragen ist bei ihnen nicht vorhanden. Nach der Wende blieben die meisten SED-Bürgermeister, SED-Schuldirektoren, SED-Behördenleiter usw. ungestört weiter im Amt. Niemand hat sich darüber aufgeregt. Im Kulturbereich genauso: z.B. der Schauspieler Manfred Gorr, Jahrgang 1956, Mitglied des Schauspielerensembles am Rostocker Theater hat alle seine Kollegen bei der Stasi verpfiffen, war selbst IM. Nach der Wende gründete er mit gleichgesinnten „Künstlern“ ein neues Theater in Rostock und produziert sich dort als Stückeschreiber und Regisseur. Seine Werke sind gut besucht, und Beifall für seine Leistungen gibts auch… Mehr

Thorsten
2 Jahre her
Antworten an  tube

Auf dem „platten Land“ wurde auch die Herrschaft der SED anders gehandhabt und mit Bauernschlaue in die Leere laufen gelassen.
Die übelsten Auswüchse gab es in den Großstädten. Wie heute – zb Berlin

Lotus
2 Jahre her

Bei den sog. „aufrechten Demokraten“ sind inzwischen alle Schamgrenzen gefallen. Open-Border-Politik also auch hier. Berührungsängste mit Kommunisten und SED gibt es nicht mehr, SPD, Grüne und CDU haben die SED hoffähig gemacht. Wie immer unterstützt vom ÖRR. Die SPD koaliert lieber mit der SED als mit der CDU, in Berlin herrscht seit Jahren rot-dunkelrot-grünes Chaos. Merkel hat durch die „Rückgängigmachung“ einer demokratisch einwandfreien MP-Wahl einem SEDler zum MP-Amt verholfen. Dort sitzt er immer noch, auch deshalb, weil das Versprechen baldiger Neuwahlen – natürlich – gebrochen wurde. Der Gipfel aber, dass sich diese Heuchler anmaßen, die AfD und deren Wähler permanent… Mehr

Hubi
2 Jahre her

Genau so wollen es die Wähler in Meckpom.
Hat bestimmt auch die Zustimmung von Merkel, ist ja auch ihr Wahlkreis.
Schlimm, was dort abgeht, und dann noch eine linksextreme Verfassungsrichterin, die mit Zustimmung der CDU ins Amt kam.
Meckpom ist der Test für ganz Deutschland, Merkelland Deutschland ist nun links, und für mich am unverständlichsten, in der CDU Basis findet keine Aufarbeitung der 16 Jahre Merkel statt.

Iso
2 Jahre her

Dieser Koplin ist in meinen Augen eine moralisch völlig verkommene Kreatur. Ihn möchte man nicht in seiner Nachbarschaft haben, und er wird heute mit Sicherheit nicht in den ostdeutschen Plattenbauten wohnen. Diesen Leuten hätte man mit dem Einigungsvertrag jegliche politische Betätigung untersagen, und alle Nachfolgeorganisationen der SED verbieten müssen. Ebenso muss man Schwesig ein mangelndes Verständnis für für unseren freiheitlichen Rechtsstaat vorwerfen. Der steht zwar in weiten Teilen nur noch auf dem Papier, aber mit Leuten wie Schwesig wird er eines Tages auch abgeschafft. Die BRD ist sowieso auf dem besten Weg in eine sozialistische Klimadiktatur mit Kommandowirtschaft.

Reinhard Schroeter
2 Jahre her
Antworten an  Iso

Was ist ein Koplin in Schwerin gegen eine IM “Erika” in Berlin.
Nicht nur das Beide von Grund auf verdorben sind eint sie. Man muss sie nur anschauen, wenn man ihre Gesichter denn ertragen kann.

Thorsten
2 Jahre her
Antworten an  Iso

Die CDU und Merkel haben da einen großen Anteil daran. Auch war der „Aufschrei“ der ach so aufrechten Demokraten sehr verhalten, als Wahlen „rückgängig“ gemacht wurden.
Messen Sie bitte nicht mit zwei Maßstäben.

Mocha
2 Jahre her

Seit gefühlt 30 Jahren geht der Blick nur nach rechts. Da darf man sich nicht wundern, wenn einem von links die Bude ausgeräumt wird.

RMPetersen
2 Jahre her

Den alten und neuen DDR-Nostalgiker in MV unterstelle ich volle geistige Zurechnungsfähigkeit, insofern gibt es keine mildernde Umstände für die Wählerschaft. Was auch immer die SED und die Stasi früher an Verbrechen begangen hat und was auch immer die Alt- und Neulinken heute betreiben – die Wähler in MV interessiert es nicht oder sie finden es gut. Was soll man noch danzu sagen. Das ist Demokratie und Meinungsfreiheit. Ein besonderes Thema ist mE das Geschick der Kommunisten bzw. Linksextremen, andere Parteien und Organisationen zu unterwandern bzw infiltrieren. Wer sich mit den Tricks und Strategien der DDR in Westdeutschland von der… Mehr