Macron triumphiert und Merkel führt den deutschen Steuerzahler zur Kasse

Angela Merkel geht von dem Kalkül aus, dass die Deutschen nie protestieren werden, auch wenn sie noch so viel bezahlen müssen. Den Dammbruch verkündet sie daher wie eine Banalität.

imago Images/Hans Lucas

Der Auftritt am Abend des 18.5.20 im Rahmen einer Telefonkonferenz sollte das Verbindende zwischen Deutschland und Frankreich unterstreichen. Die Verkündung der Großtat – der Einstieg in Gemeinschaftsschulden der Europäischen Union – brachte die Kanzlerin aber in doppelte Erklärungsnot. Zum einen, weil sie zuvor stets Gemeinschaftsschulden – in welcher Form auch immer – abgelehnt hatte und zum anderen, weil offensichtlich die gemeinsame Erklärung Präsident Macron zum strahlenden Sieger eines Duells erklärt hatte, das von deutscher Seite nie als Duell, sondern als ein schrittweises Zurückweichen vor französischen Positionen betrieben wurde. Wie die Kanzlerin in ihrem vorletzten Regierungsjahr der deutschen Öffentlichkeit – einschließlich den Eurobond-Gegnern in der eigenen Partei – erklären will, dass dieses Diktat Frankreichs im deutschen Interesse läge, werden die nächsten Wochen zeigen. Jedenfalls ist die deutsche Kanzlerin aufgrund ihres Diktums „Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa“ Gefangener ihrer eigenen Fehlprognose. Wohl wissend, dass infolge der Corona-Krise die Eurozone an den südlichen Rändern zerbröckeln könnte und eventuell die gesamte EU ins Wanken kommt, greift sie noch einmal zu dem zur persönlichen Machterhaltung seit Jahren bewährten Mittel: Dem deutschen Scheck.

Alles war seit Wochen bis ins Kleinste vorbereitet worden. Dabei stand auf beiden Seiten fest, dass man einen Schritt in die gemeinsamen EU-Schulden wagen wolle und müsse, um der Erpressung der Südländer – angeführt von Frankreich, das sich hinter den italo-spanischen Notschreien versteckt – „auf europäische Weise“ zu weichen.

Das Problem war nur: Wie sag’ ich’s meinem Kinde? Die deutsche Öffentlichkeit nahm das sogenannte PEPP-Programm der EZB bereits als Eurobonds durch die Hintertür wahr. Auch die Kredite des ESM ohne die rechtlich unverzichtbare Konditionalität wurden kritisch beäugt. Genauso wurde das „europäische Kurzarbeitergeld“ – das Deutschland überhaupt nicht braucht, aber von Deutschland mitfinanziert wird – in unserem Land einer geharnischten Kritik unterzogen. Nunmehr soll wegen der wirtschaftlichen Folgen einer mittelschweren Pandemie vor denjenigen kapituliert werden, die – wie die EU-Kommission – immer schon davon geträumt haben, mit einem großen Sack voll Geld die Mitgliedsländer disziplinieren zu können. Das wäre ihr, sollte der Wiederaufbaufonds Wirklichkeit werden, wahrhaft gelungen. Die Kommission würde danach schlagartig über ca. 500 Milliarden Euro verfügen und willkürlich festlegen, in welchem Land und welcher Region „Corona-Schäden“ eingetreten sind und daher die jeweilige Gebietskörperschaft Zuschüsse braucht. Auf diese Weise kann die Europäische Kommission auf Jahre hinaus ein Wohlverhalten ihr gegenüber erzwingen, das jede Kritik an ihrem Finanzgebaren im Keim erstickt.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Die rechtliche Konstruktion ist nicht – wie einige Medien schrieben – problematisch. Es gibt vielmehr für Gemeinschaftsanleihen dieser Dimension keine Rechtsgrundlage. Art. 311 AEUV stellt klar, dass die EU sich ausschließlich aus Eigenmitteln finanziert. Diese werden ihr durch Zuweisung der Mitgliedsstaaten zugewiesen. Sie kann auch nicht in Notlagen – noch dazu in dieser Größenordnung – an den Kapitalmarkt gehen. Zwar hat es bereits in der Vergangenheit Gemeinschaftsanleihen kleineren Umfangs gegeben. In der Ölkrise 1973 erhielten die hiervon besonders betroffenen Länder einen Zahlungsbilanzkredit, der durch eine Gemeinschaftsanleihe refinanziert wurde. Auch Italien 1974, Irland 1976, Frankreich 1983 und Griechenland 1985 sowie Portugal 1986 profitierten von sogenannten Community Loan Mechanisms.

Deren Volumina waren überschaubar. Dies hielt die Kontroverse über die fragwürdige Rechtsgrundlage in Grenzen. Nach Einführung der Eurozone wurden Zahlungsbilanzhilfen nur noch für Nichtmitglieder der Währungsunion zugelassen. Derartige Hilfen schieden für Mitglieder der Währungsunion wegen des Bail-out-Verbots in Art. 125 AEUV per se aus.

Mit dem Macron/Merkel-Plan riskiert Deutschland seine Bonität, denn rückzahlbar sollen die gesamtschuldnerisch verbürgten Anleihen erst ab 2027 sein. Zu diesem Zeitpunkt ist die Politikergeneration Merkel, von der Leyen, Lagarde – hoffentlich – nicht mehr an der Macht. Dann wird sich Deutschland in einer Situation wiederfinden, in der die Kapitalmärkte die Bedienung ihrer Anleihen von Garanten-Ländern wie Zypern, Luxemburg, Rumänien, Griechenland – ganz zu schweigen von Italien, Spanien und Portugal – verlangen wird. Das Ausfallrisiko ist also total und schlägt sich spätestens dann beim Rating der Bundesanleihen und dem Gesamtschuldenstand der Bundesrepublik Deutschland nieder.

Natürlich wird der Bundestag hierüber befinden und die Regierungsparteien werden – der Kanzlerin und ihrem Finanzminister folgend – uniformiert dafür stimmen. Dies veranschaulicht den Irrtum des Bundesverfassungsgerichts, als es 2009 im Lissabon-Urteil die Integrationsverantwortung als Pflicht von Bundestag und Bundesregierung, den Integrationsprozess zu überwachen, präzisierte. Bundestag und Bundesregierung überwachen diesen Integrationsprozess nicht und achten auch nicht auf die Einhaltung der Ermächtigungsgrundlagen der europäischen Verträge, sondern sind Initiator und Dulder dieses von Frankreich im Namen Europas imperativ geforderten Vertragsbruchs.

Souveränität adé
500 Milliarden für einen Rettungsfonds - Deutschland zahlt doppelt
Wenn der Einstieg in EU-Schulden auf Betreiben der Bundesregierung und mit Zustimmung des Bundestages politisch ermöglicht wird, dürften sich die verfassungsrechtlichen Sicherungssysteme zur Einhegung der Europäischen Union – insbesondere der Europäischen Kommission – als endgültig untauglich erwiesen haben. Die verfassungsrechtliche Auflösung Deutschlands, sein „Aufgehen“ in der Europäischen Union, sein allmähliches Verschwinden als ein eigenständiges staatliches Subjekt sind das Ergebnis einer Politik der Großen Koalition, die mit Hingabe am „Finis Germaniae“ arbeitet.

Die Chuzpe, mit der Angela Merkel den deutschen Steuerzahler bezahlen lässt, geht von dem Kalkül aus, dass die Deutschen nie protestieren werden. Deshalb verkündet die Kanzlerin den Dammbruch mit der Banalität eines Sonntags-Podcast. Dieses Kalkül hat seit der überflüssigen Rettung Griechenlands bislang im Sinne der Machterhaltung Angela Merkels immer funktioniert. Ihre banale Rhetorik soll suggerieren: Mutti macht’s schon. Aber nunmehr könnte der Rubikon überschritten worden sein. Denn die Kanzlerin will nichts mehr gestalten, sondern nur noch das rettende Ufer ihres Mandatsendes erreichen, ohne dass es während ihrer Kanzlerschaft in Europa zum großen Knall kommt. Was sind da 500 Milliarden oder eine Billion Euro, die spätere Generationen zu tilgen haben werden?

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 87 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

87 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
carl
3 Jahre her

Wissen die Leser, warum die Mitglieder des Bundestags so handeln werden, wie Prof. Kerber es befürchtet? Weil es so im Koalitionsvertrag steht (Seite 175, Zeilen 8297 bis 8299): „Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“ (Anm.: Im vorangegangen Koalitionsvertrag (2013) stand nur etwas von „Abstimmung untereinander“ – eine solch präzise „Anweisung“ war da nicht niedergelegt. Diesmal, im Vertrag vom 07. Febr. 2018, gab man es den MdBs schriftlich, wie sie abzustimmen haben. M. E. ist dies ein… Mehr

Regenpfeifer
3 Jahre her

Dass Merkel & Co. hier vorsätzlichen Verfassungsbruch zum Schaden des deutschen Bürgers begehen, ist normal -im begrifflichen Sinne von „alltäglich, immer wieder passierend“. Dass sie damit aber durchkommen, ohne dass ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet würde, Massenproteste empörter Bürger auf den Straßen tobt, die Staatsanwaltschaften von Bergen an Strafanzeigen überflutet werden und eine Presselandschaft tägliches Zeter und Mordio rufen würde -DAS ist das eigentliche abnormale! -Niemals seit 1933 hatten wir in diesem Land eine dermaßen schlechte Regierung, welche die Rechtsordnung und die Prinzipien der freiheitlichen Demokratie dermaßen mit Füßen tritt, wie heute. Und niemals seit 1933 hatten wir in diesem Land ein… Mehr

tuppence
3 Jahre her

Wie kann ich auf Antworten anderer Foristen auf meinen Kommentar wiederum zurückantworten? Der Button „ANTWORTEN“ fehlt. Ist das so gewollt?

Peter Hoess
3 Jahre her

„Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa“ – was für ein Blödsinn. Eher „Europa ist der Ruin der BRD“ oder „Wenn die BRD nicht mehr weiter zahlt scheitert Europa“. Primitivste Gehirnwäsche durch sinnfreie Parolen funktioniert bei bestimmt 80% der Wähler. Propaganda hat immer funktioniert, wer die Medien beherrscht, bestimmt die öffentliche Meinung. Medien reflektieren nicht Meinung sondern geben sie vor. Propaganda wird durch Wiederholung war. Parolen müssen nur oft genug wiederholt werden, dann werden sie Dogmata. Merkel vertritt die Interessen der Gegenpartei, das ist Verrat im höchsten Amt. Die Logik ist: sich von Südstaaten erpressen und abzocken zu lassen ist im… Mehr

Thorsten
3 Jahre her

Söder macht doch nur den „Seehofer“. Erst laut und lange lamentieren und wenn es Ernst wird – knickt er ein …

Altchemnitzer
3 Jahre her

Wir werden weiter tributpflichtig sein. Warum? Wir haben keine Armee mehr.

Aegnor
3 Jahre her
Antworten an  Altchemnitzer

Stimmt. Ist das eigentlich bereits Verschwörungstheorie wenn ich feststelle, dass vdL erst die deutsche Armee (bzw. Das was.von ihr übrig war) ruiniert, dann Frankreich ein neues Kampfflugzeug mit deutschen Steuergeldern spendiert und am Schluss in seinem Auftrag die EU-Kommission übernimmt um dort französische Politik zu machen, während sie offiziell auf „deutschem Ticket“ unterwegs ist, was die Besetzung des EZB-Präsidenten mit einem Franzosen ermöglicht?

Oleron
3 Jahre her

Ich kann hier nur immer wieder den Rat geben, sämtliche Spar- und Bankkonten leerzuräumen, Versicherungen zu kündigen und so wenig Steuern zu bezahlen, wie irgend möglich.
Hier zu lamentieren ist völlig sinnlos, denn es interessiert kein Schw..n, am allerwenigsten unsere Politclowns.
Ein Bankrun gepaart mit millionenfacher Kündigungen von Staatsanleihenhaltern, nämlich Versicherungen pulverisiert das System sofort.

Ursula Schneider
3 Jahre her

A. M. geht nicht nur von dem Kalkül aus, dass die Deutschen nie protestieren werden. Sie kann sich zusätzlich darauf verlassen, dass der gesamte Staatsfunk ihr zu Füßen liegt. Würden alle Medien ihren Auftrag als 4. Gewalt ernst nehmen, sähe die Sache anders aus.

Harald Kampffmeyer
3 Jahre her

Zitat: „Großen Koalition, die mit Hingabe am „Finis Germaniae“ arbeitet.“

Ja, so ist es. Und die große Mehrheit hier im Lande fiebert erwartungsfroh dem „Finis Germaniae“ entgegen. Gute Nacht Deutschland.

Lucius de Geer
3 Jahre her

Merkel folgt einem altbekanntem Muster, das schon vor ihrer Regentschaft Deutschlands Wirtschaftskraft anzapfte und nach dem Zusammenbruch des Ostblocks zusätzlich die Wehrkraft zersetzte:
Versailles 2.0: Deutschland als größter Nettozahler der EU
Versailles 3.0: Kastration der BW nach der Wiedervereinigung (bspw. Verkauf Leo2 und MIG29)
Versailles 4.0: Abschaffung der D-Mark
Versailles 5.0: Haftung für Griechenland-„Rettung“
Versailles 6.0: Abschaffung der Wehrpflicht
Versailles 7.0: Öfnung der Grenzen für Millionen illegale Migranten aus „Failed States“
Versailles 8.0: Einführung dauerhafter Transfers an „ärmere“ EU-Länder
Mein Fazit: Deutschland wird in einer Generation nur noch als Siedlungsgebiet existieren, dann ist das Ziel Frankreichs erreicht.

Ivan Ivanov
3 Jahre her
Antworten an  Lucius de Geer

Siedlungsgebiet D? Sehr interessantes Gebiet. Normalerweise, alle normalen Siedler in allen normalen Siedlungsgebieten lebten von seiner schwersten Arbeit (trotz Gefahren) und machten aus diesen Gebieten Hochburgen von Vollstand und Fortschritt (z.B. USA, Israel oder deutsche Gebiete in Südrussland vor 1917).

Thorsten
3 Jahre her
Antworten an  Lucius de Geer

Trösten Sie sich damit, dass Frankreich auch existenzielle Probleme mit seinen Migranten in den Vorstädten hat. Es könnte sein, dass Frankreich vor Deutschland „kulturell implodiert“.

Irgendwann wird der Euro scheitern und es gibt die nächste Währungsreform. Wohl dem, der dann sein Vermögen in Dollar, Franken oder Gold angelegt hat….