Maaßen – Musterbeispiel, wie Skandale inszeniert werden

Der Fall Maaßen läuft geradezu lehrbuchmäßig nach den Regieelementen von Skandalen ab – und wird voraussichtlich damit enden, dass er zurücktreten muss.

Odd Andersen/AFP/Getty Images

Es ist ein typisches Merkmal von inszenierten Skandalen: Wenn sich einer oder sogar mehrere Vorwürfe als offensichtlich falsch herausstellen – wie das beispielsweise auch bei dem Skandal um den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff der Fall war -, lassen die Medien und die Politiker, die sich vorgenommen haben, jemanden zu Fall zu bringen, nicht etwa von ihrem Opfer ab, sondern suchen nach weiteren angeblichen ‚Beweisen’ auf ganz anderen Feldern, um ihr Ziel zu erreichen.

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„Erweist sich im Skandal die zentrale Behauptung als falsch, wird auf andere Sachverhalte verwiesen, die das Verhalten der Angeprangerten skandalös erscheinen lassen. Auf diese Weise werden Sachverhalte, die im Vergleich zur zentralen Behauptung unerheblich sind und alleine kaum Beachtung finden würden, zum Beweis für die Richtigkeit des zentralen Vorwurfs“, so der Publizistikwissenschaftler Hans Mathias Kepplinger in seinem wissenschaftlichen Standardwerk zum Verlauf von Skandalen.

Die Skandalberichterstattung gewinnt schließlich eine solche Eigendynamik, so der Wissenschaftler, dass selbst dann, wenn der ursprüngliche Vorwurf eindeutig widerlegt wurde, neue Vorwürfe erhoben werden, die der Berichterstattung weitere Nahrung bieten. Bei Lichte betrachtet bzw. bei nüchterner Distanz handele es sich bei diesen neuen Vorwürfen zwar um sehr geringe Verfehlungen, die normalerweise toleriert oder kaum beachtet würden, die jedoch vor dem psychologischen Hintergrund der Skandal-Dramatik auf einmal eine hohe Brisanz gewinnen, weil sie vermeintlich das negative Bild von der Verwerflichkeit und Schlechtigkeit der skandalisierten Person bestätigen. Genau das ist jetzt bei den angeblichen „Informationen“ der Fall, die Maaßen an die AfD weitergegeben haben soll und die in das – für Skandale ebenfalls sehr wichtige – Deutungsschema passen, das die Skandalisierer zuvor geprägt haben (in diesem Fall: Maaßen als klammheimlichen AfD-Sympathisanten bzw. – Helfershelfer darzustellen).

Technik der Skandale: Scheibchenweise neue „Vorwürfe“ platzieren

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Jeder große Skandal müsse, so zeigt Kepplinger in seinen Analysen, damit er sich voll entfalten könne, immer wieder neu angeheizt werden. Erfolgreiche Skandalisierer publizierten ihre Verdächtigungen deshalb nicht auf einmal, sondern verteilten sie auf mehrere Tage oder Wochen. Man kann davon ausgehen, dass die „neuen“ Vorwürfe gegen Maaßen, die jetzt vorgebracht werden, schon in der Schublade der Skandalisierer gelegen hatten und jetzt sukzessive vorgeholt wurden bzw. werden, weil dies viel effizienter ist, als wenn man sie gleich publiziert hätte.
Und was ist die letzte Stufe, wenn dann auch die „neuen“ Vorwürfe entkräftet sind?

Auch dazu gibt es Erfahrungswerte aus anderen Skandalen. Kepplinger weist darauf hin, dass, wenn die Divergenz zwischen Anlass und der Aufgeregtheit der Berichterstattung allzu offensichtlich wird, die Skandalisierer die Erklärung nachreichen, der Angegriffene sei nicht über die ursprünglich kritisierten Verfehlungen, sondern über seine Fehler bei der Verteidigung gefallen – „er sei sozusagen wie das Wild bei der Treibjagd selbst Schuld daran, wenn es einen falschen Haken geschlagen und in die Schussbahn geraten sei“. Bis auf diese letzte Wendung ist bislang der ganze Skandal um Maaßen prototypisch so verlaufen wie andere Skandale.

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Angefangen hat alles damit, dass Maaßen es wagte, eine nicht belegte Behauptung des Regierungssprechers der Kanzlerin anzuzweifeln, nämlich, dass es eine „Hetzjagd“ in Chemnitz gegeben habe und dass das in den Medien immer wieder gezeigte Sekunden-Video genau dies beweise. Merkel hat sich inzwischen wieder einmal billig herausgeredet: Es sei ja egal, ob es „Hetze“ oder eine „Hetzjagd“ gegeben habe, so Merkel. Das sei eine „semantische Debatte“. Ansgar Graw schreibt dazu heute in der WELT: „Das sei eine ’semantische Debatte‘ behauptet die Kanzlerin. Doch das ist falsch und geradezu gefährlich. Die Begriffe müssen stimmen, will man öffentliches Vertrauen verteidigen oder zurückgewinnen. Ebenso wie Medien (von denen auch einige vorschnell über die vermeintliche Hetzjagd berichteten) muss sich auch die Regierung eng an Fakten halten, nach den Krawallen beim G-20-Gipfel in Hamburg ebenso wie jetzt in Chemnitz.“

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Kommentare ( 107 )

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Kasper
5 Jahre her

Da macht jemand seinen Job und das ist nunmal nicht mehr angesagt heutzutage! Aus – Ende – Die Sozis haben mal wieder jemanden den sie fertigmachen können.

G. J.
5 Jahre her

Auf Phoenix lief vor Tagen eine Diskussion zu dem Thema… Obwohl ich mir die Sendung nicht bis zum Ende anschauen konnte (meine Gesundheit war mir dann doch wichtiger), war es (scheinbar) eine jener Sendungen, die sich ein normaler, junger und gesunder Mensch noch einigermaßen anschauen konnte, ohne allzu ernsthafte Konsequenzen für die eigene physische und psychische Gesundheit befürchten zu müssen. Unter anderem versuchten ein paar Winkeladvokaten Licht ins Dunkel zu bringen, indem sie Maaßens Äußerung solange drehten, wendeten und kneteten, bis feststand, dass seine Aussage nicht bloß eine Richtigstellung der Ereignisse, sondern angeblich eine politische Bewertung darstelle, und diese ihm… Mehr

RedSam
5 Jahre her

Es ist auch interessant, dass es offenbar niemanden interessiert über welche Kanäle das „Hasi-Video“ von Antifa-Zeckenbiss zu Frau Merkel gelangt ist…
Das wäre doch mal eine Talkrunde wert…

RedSam
5 Jahre her

Ich würde an seiner Stelle auf keinen Fall zurücktreten! Ich würde klipp und klar sagen: „Ihr werdet mich schon rausschmeißen müssen!“ Und falls sie das dann tun, würde ich mich sofort an die Presse wenden und aus dem Nähkästchen plaudern…

Der Ketzer
5 Jahre her

Ihren Optimismus, dass die Leute langsam begreifen, teile ich nicht, außer vielleicht im Osten der Republik.

fralet
5 Jahre her

Merkel hat die gesamte Klaviatur der Meinungsmanipulation der Massen mit ausgezeichneten Ergebnissen in ihrer Zeit als „Agitatorin“ der Jugendorganisation der SED absolviert. Auch dürften ihr, als gefestigte Genossin, die in Dubna, dem damaligen sowjetischen Atomforschungsinstitut „forschen“ durfte, von der Stasi alle subversiven Mittel und Tricks der Diffamierung Andersdenkender, der Unterminierung von politischen Konkurenten und der Manipulierung von Medien beigebracht worden sein. Merkel ist ein SED-U-Bott der Überlebensklasse. Um unsere Demokratie und die Werte einer freien Welt zu sichern, muss dieses U-Boot samt seiner Besatzung solange von Demokraten und Bürgern, die für die Zukunft ihrer Kinder und Enkel kämpfen, unter Wasser… Mehr

Stony
5 Jahre her

Sehe ich genauso. Deutschland befindet sich auf dem Weg in eine linke Diktatur der etablierten Parteien, in der jegliche, irgendwie bedrohliche Konkurrenz einfach verboten wird. Sollte das Establishment wirklich diesen Weg weitergehen, so wird er für niemanden ein gutes Ende nehmen.

Stony
5 Jahre her

Es ist bewundernswert, wie cool Maaßen äußerlich angesichts dieser widerwärtigen Agitation des politisch-medialen Establishments gegen ihn bleibt. Dabei könnte er sicherlich zurückschießen, wenn er wollte, auch wenn sein Diensteid ihm dies verbietet. Denn als oberster Überwacher müsste er doch so einiges wissen, was das Volk auch wissen sollte. Das Establishment kann froh sein, wenn Herr Maaßen nach seiner absehbaren Entlassung nicht medial Amok läuft.

Stony
5 Jahre her

Die Hetzjagd auf Herrn Maaßen, offenbar ein aufrechter Beamter, der sich gern an die Wahrheit hält, geht am Sonntag Abend in der Runde von Anne Will weiter, für die wieder einmal eine ausschließlich linke Runde (Schulz, Habeck, Pau, Ziemiak, Mascolo) zusammengestellt wurde, die so einseitig besetzt ist, dass ich mir die Sendung sicherlich nicht ansehen werde. Die politische Opposition darf sich bei Will wieder nicht äußern. Und nächste Woche dürfte dann das von den Treibjägern angeschossene Opfer erlegt werden, auf dass sodann mit neuer Führung des Verfassungsschutzes die Jagd auf die AfD eröffnet werden kann, um die es letztendlich geht.… Mehr

Eugen Karl
5 Jahre her

Die Einheitsparteien suchen einen Verfassungsschützer, der ihnen bei ihrem Vorhaben mit der AfD ein wenig hilft. Und Maaßen wird in AfD-Nähe situiert, nicht weil er der AfD Informationen gesteckt oder auch nur mit ihr gesprochen hätte, sondern weil er den Einhweitsparteien nicht hilft, indem er die AfD unter Beobachtung des Verfassungsschutz stellt. DAS ist der entscheidende Punkt. Denn wenn Maaßen sich dieses Stück Neutralität weiter vorbehält, so will man eben einen Ersatzmann installieren, der tut, was man ihm aufträgt. Wir werden Zeugen der sukzessiven Politisierung des Verfassungsschutzes.