Kubicki stellt Hürden auf, die keine sind

Der FDP-Vize wirft Nebelkerzen, wenn er die größten Meinungsverschiedenheiten in der Migrationspolitik zur CSU ausmacht.

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Zwei Tage vor ersten Sondierungsgesprächen im Bund hat FDP-Vize Wolfgang Kubicki vermeintliche rote Linien deutlich gemacht. „Aus unserer Sicht geht es ohne Einwanderungsgesetz nicht, und es geht aus unserer Sicht auch nicht ohne eine Abschaffung des Soli“, sagte Kubicki am Montagmorgen im ARD-„Morgenmagazin“. „Wir werden in keine Koalition eintreten, in der nicht festgeschrieben wird, dass der Solidaritätszuschlag ausläuft.“ Die „größten Hürden“ sieht Kubicki indes in der Migrationspolitik. „Denn ich vermute, dass die CSU auf der Grundlage des österreichischen Ergebnisses jetzt völlig falsche Schlüsse ziehen wird. Und das wird der härteste Brocken werden.“

„Rote Linien“

Was Kubicki als „rote Linien“ bezeichnet, ist absolut lächerlich und zeigt nur, dass er Jamaika um jeden Preis will. Denn wer ist denn gegen ein Einwanderungsgesetz und gegen die Abschaffung des Soli? Das sind in Wahrheit keine Hürden, denn die Grünen sind für ein Einwanderungsgesetz und CDU/CSU sind es auch (bei ihnen heißt es nur ein wenig anders). Auch die Abschaffung des Soli ist keine Hürde – es gibt höchstens Meinungsverschiedenheiten darüber, bis wann der auslaufen soll, und da könnte man sich ohne große Probleme auf einen Kompromiss verständigen. Wer die Hürden so niedrig setzt, dass sie locker von allen Beteiligten übersprungen werden können, schwächt massiv die eigene Verhandlungsposition. Das ist eigentlich das 1X1 der Verhandlungskunst. Die echten Hürden liegen im Bereich der Flüchtlings- und Europapolitik, aber aus ganz anderen Gründen als Kubicki dies vermutet.

CSU der schwerste Brocken?

Denn der FDP-Vize liegt völlig daneben, wenn er die größten Meinungsverschiedenheiten in der Migrationspolitik zur CSU ausmacht. Die Positionen zu diesem Thema, die Lindner im Wahlkampf vertreten hat, sind sehr viel näher bei der CSU als bei den Grünen und bei Merkel. Viele Wähler haben die FDP gewählt, weil sie mit Merkels Politik nicht einverstanden sind, aber nicht AfD wählen wollten. Meinungsumfragen belegen, dass sich die Ansichten der FDP-Wähler nicht von denen der CSU und ihrer Wähler unterscheiden.

Jamaika-Koalitionsverhandlungen
Nebelkerze Einwanderungsgesetz
Kubicki „vermutet“, die CSU werde nach der Österreich-Wahl „völlig falsche Schlüsse ziehen“. Die Schlüsse sind in der Tat sehr naheliegend, nämlich dass der Wähler eine konsequente Haltung gegen eine ungebremste Zuwanderung honoriert. Zwei Drittel der Wähler in Österreich haben Parteien gewählt, die mit diesem Thema in den Wahlkampf gegangen sind. Und die CSU wird zu Recht die Folgerung ziehen, dass das, was in Österreich richtig war, in Bayern nicht falsch ist. So unterschiedlich sprechen und denken Bayern und Österreicher schließlich nicht. Zwischen den Positionen, die Lindner vertritt und denen von Kurz oder Söder gibt es aber keine unüberbrückbaren Gegensätze.

Das Schicksal der FDP hängt davon ab, ob Kubicki am Schluss auf die Lindner-Linie einschwenkt oder Lindner auf die Kubicki-Linie.

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Kommentare ( 29 )

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Ruhrpottlerin
6 Jahre her

Lieber Andreas Schmidt, aus jeder Ihrer Zeilen spricht ihre Wut und das kann ich sehr gut verstehen. Wenn ich ihren Glauben hätte, hätte ich auch die FDP gewählt, aber diesen Glauben habe ich nicht mehr und habe daher bei der BTW die AfD gewählt. Ich komme aus einem anderen Bereich, bin Sozialarbeiterin und habe in NRW Laschet gewählt, aber nur um rot-grün loszuwerden, und habe mich auch ein wenig über schwarz/GELB gefreut. Rot/Grün hat im sozialen und schulischen Bereich ein ähnliches Chaos angerichtet, wie Sie es für ihren Bereich beschreiben. Natürlich bin ich nicht für die CDU, aber bis vor… Mehr

Old_Europe_61
6 Jahre her

Ich bin zwar „im Westen“ aufgewachsen, war aber fast 20 Jahre lang mehrmals im Jahr „im Osten“ bei Verwandten. Ich habe dieses Gefühl sogar als Kind gespürt und geliebt.
Umso schmerzlicher ist es, jetzt die vorsätzliche Zersörung genau dieses hohen Gutes in Gesamtdeutschland erleben zu müssen.
Der Staat w i l l es nicht mehr gewährleisten, er könnte, wenn er wollte.

treu
6 Jahre her

Bitte, Herr Schmidt, so langsam wird der Realitätsverlust albern und peinlich!

Ruhrpottlerin
6 Jahre her

Ich bin schon so miesepetrig, daß ich nicht mehr daran glaube, daß irgendwer die brutale Globalisierung verändern oder aufhalten kann. Ich verstehe ihre Botschaft ja, warum soll es an den Hochschulen auch anders sein als in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Leider fehlt mir die Phantasie die FDP noch als Heilmittel anzusehen, wobei ich es auch besser finde das in NRW jetzt schwarz/gelb regiert, aber es ist halt nur nicht ganz so katastrophal wie Kraft/ Löhrmann. Und über diesen Wechsel in NRW was positives zu schreiben, wird hier meist heftig von anderen Kommentatoren kritisiert und als naiv eingestuft. Ich bin schon mal… Mehr

Montesquieu
6 Jahre her

@ Achim reichert

*Wer der FDP vertraut, dem ist einfach nicht zu helfen.*

Yep. Ich habe allerdings ohne allzu großes Erstaunen das Ergebnis der FDP bei der Bundestagswahl zur Kenntnis genommen. Den deutschen Staatsbürger drängt es nach lauwarmen Alternativen. Und auf die FDP kann man so schön seine Sehnsucht nach kuschliger Korrektur politischer Fehlentwicklungen projizieren. Schon immer. Und schon immer vergeblich.
Ob allerdings grundsätzliche Unterschiede bezüglich der unkontrollierten Masseneinwanderung unserer Kultur gegenüber feindlicher, bildungsferner und zum größten Teil Sozialstaat abhängiger Menschen zwischen Lindner und Kubicki bestehen, wage ich zu bezweifeln. Machtopportunistisch sind beide. Bis ins Mark.

Armin Reichert
6 Jahre her

Wer der FDP vertraut, dem ist einfach nicht zu helfen. Genauso wenig wie denen, die die CDU nur deshalb wählen, weil sie immer schon CDU gewählt haben.

erwin z
6 Jahre her

Die FDP hat doch schon vergessen, dass sie in Migrationsfragen eine Begrenzung beworben hat. Längst geht es nur um Posten und die Umsetzung altbewährter Forderungen. Die FDP als Volkstribun des Normalbürgers zu betrachten, ist gelinde gesagt, mehr als lächerlich. Die Partei ursprünglich der Großkonzerne hat 2% Stammwähler. Der Rest ist Wechselstimmungen und Protest geschuldet. Die FDP ist ein relikt der Geschichte, das niemand in D braucht.

FS22
6 Jahre her

Völlig klar ist doch, daß die FDP mit einer Jamaika-Koalition endgültig Selbstmord begeht, nachdem sie sich damals während der Koalition mit Merkel offensichtlich nur Selbstverstümmelungen zugezogen hatte.

Aber was soll´s. Der potentielle Selbstmord der opportunistischen FDP ist das einzig Gute, was ich einer Jamaika-Koalition abgewinnen kann.

Endstadium
6 Jahre her

Es ist bzw war doch klar, daß es am Ende jedem der Beteiligten nur um einen gut dotierten Posten geht. Koalitionsgespräche finden bei Illner, WIll und Co. statt.Die abgezockte Merkel sagt wie immer nichts und bezieht keine Stellung. Sie wird die Jungs und Mädels von den Grünen und der FDP dann mit Ministerposten schon auf ihre Linie bringen, da sie weiss, das sie alle mehr an ihr eigenes Wohl denken als an das Land. Spielt es da wirklich eine Rolle welche Farben das zukünftige Kabinett hat? Ich glaube nicht.

Illusionslos
6 Jahre her

Das Schicksal der FDP hängt weder von Kubicki noch von Lindner ab, sondern einzig und allein von Merkel und ihrer Gefolgschaft. Sie will Jamaika unbedingt und weiter an der Macht bleiben und die FDP und die Grünen wollen auch an die Macht. Dafür verbiegen sie ihr Rückgrat, dass sie schon fast im Zirkus als Schlangenmenschen auftreten könnten. Merkel sagte in der Pressekonfererenz, sie sehe sich nach der Niedersachsenwahl keineswegs geschwächt. Auch sei man sich einig, der Wahlausgang sei kein Zeichen dafür, dass man die Probleme schon gelöst hat, wenn man es so macht wie in Österreich. Niemand hat behauptet, dass… Mehr