Kubicki fällt Lindner in den Rücken

Christian Lindner schreibt einen Brief an alle FDP-Mitglieder, in dem er erklärt, warum Jamaika scheitern musste. Jetzt fällt ihm sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki in den Rücken.

© Odd Andersen/AFP/Getty Images

Kubicki sagte den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND, Mittwochsausgaben): „Eines ist doch klar: Scheitert die GroKo, haben wir eine andere Lage.“ Kubicki bezog sich dabei auf sich aufschaukelnde politische Forderungen bei der Union und SPD Vorfeld der Gespräche. „Selbstverständlich werden die Freien Demokraten im Licht der Entwicklung neue Bewertungen vornehmen. Wir sind schließlich keine Dogmatiker“, so Kubicki. Alle Medien melden, Kubicki schließe eine Neuauflage von Jamaika-Gesprächen für den Fall nicht aus, dass aus den GroKo-Sondierungen nichts wird.

FDP – Reserve-Reifen, wenn GroKo platzt?

Die Grünen, die genauso versessen auf Ministerposten waren wie Merkel darauf, Kanzlerin zu bleiben, werden sich über Kubickis Signale freuen. Aber mit solchen Äußerungen schadet Kubicki nicht nur Christian Lindner, sondern der FDP. Denn in der Tat haben viele Wähler nicht verstanden, warum die Jamaika-Verhandlungen abgebrochen werden mussten. Ich hatte an dieser Stelle von Anfang an vorausgesagt, dass die Gespräche scheitern werden, aber nach dem Scheitern auch vorhergesagt, dass die FDP in den Umfragen zunächst verlieren wird. Genau so ist es jetzt gekommen. In dieser Situation ist es verantwortungslos, wenn Kubicki den Eindruck erzeugt, die FDP wisse nicht, was sie wolle und stehe als „Reserve-Reifen“ zur Verfügung, wenn die GroKo-Verhandlungen scheitern. Dadurch werden Wähler und Mitglieder erst Recht verunsichert. Sollte die FDP weiter in den Umfragen verlieren, hat Kubicki eine Mitverantwortung.

Kubicki wollte Jamaika um jeden Preis

Der Dissens ist nicht neu. Während Lindner bei den Jamaika-Sondierungen von Anfang an immer wieder betonte, es sei keineswegs eine ausgemachte Sache, sondern höchst unsicher, ob Jamaika komme, vermittelte Kubicki während der Gespräche in einem SPIEGEL-Interview den Eindruck, als ob Jamaika bestimmt komme, wenn nur „Vertrauen“ zwischen Grünen und FDP aufgebaut werde. Dafür müsse man lediglich „gegenseitige Zerrbilder“ auflösen. Viele Grünen-Politiker hielten die FDP für „herzlose Neoliberale“ und viele Freidemokraten hielten die Grünen für „ideologiefixierte Verbotsapostel“, beklagte er. In der Europapolitik vertraten er und Lambsdorff exakt das Gegenteil dessen, was Lindner im Wahlkampf vertreten hatte und was im FDP-Programm steht. Zudem plädierte Kubicki für eine „Harmonisierung von Steuer- und Sozialsystemen“ in der EU, was nichts anderes bedeutet als noch mehr Umverteilung und Sozialtransfers. Ein Jamaika-Projekt, so Kubicki damals im SPIEGEL, könne es sein, sich gemeinsam zu überlegen, wie man „die Elektromobilität so fördern (könne), dass sie sich rechnet“. Subventionen für Elektroautos: Auch das war genau das Gegenteil dessen, was Lindner im Wahlkampf vertreten hatte.

Lindner dementiert

Kubicki war nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche scheinbar auf Lindners Linie eingeschwenkt und vertrat nach außen diese Position. Angesichts rückläufiger Umfragewerte wittert er jetzt jedoch die Chance, Jamaika wieder auf die Tagesordnung zu setzen und sich zum Sprecher derer zu machen, die dem geplatzten Jamaika-Traum nachtrauern. Er baut damit eine Gegenposition zu Lindner auf und kann sich sicher sein, dass er einige Anhänger in der FDP hat. Gut, dass Christian Lindner die Option einer Neuauflage von Jamaika sofort und sehr klar dementieret hat.

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Kommentare ( 119 )

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Franz Schmid
6 Jahre her

Es gab noch eine Partei , die klar Njet gesagt hat. Das war die SPD.
Warum ich vor vielen Jahren ausgetreten bin? Deshalb!

Ulrich
6 Jahre her

Wo ist eigentlich der Artikel im Grundgesetz, der es nur ein parlamentarischen Mehrheit in einer Koalition erlaubt, für eine Legislaturperiode die Regierung zu stellen? Hier geht es doch nur darum, einer Person, die sich offen gegen die Demokratie stellt („mein Handeln ist alternativlos“, „dieser Parteitagsbeschluss ist für mich nicht bindend“, …), einen Freifahrtschein für weitere 4 Jahre Diktatur am Parlament vorbei zu geben.

Kalle Wirsch
6 Jahre her

Man muss es noch einmal ganz klar sagen; AM bevorzugt eine schwarz-gruene Regierung. Und die FDP sass ausschliesslich nur als Mehrheitsbeschaffer mit am Verhandlungstisch. Lindner aber, ( man mag von ihm ja halten, was man will ) ist intelligent genug, den Braten zu riechen und festzustellen, das die FDP zwischen den anderen drei Parteien zerrieben werden sollte. Ich bin kein FDP-Waehler, aber fuer diese Chuzpe gebuehrt Lindner Anerkennung.

Hans G. Hilbert
6 Jahre her
Antworten an  Kalle Wirsch

In Lindners Bewertung gebe ich Ihnen recht. Aber ich bin nicht Ihrer Meinung, daß Merkel unbedingt mit den Grünen koalieren wollte. Sie wollte weiter mit den Sozis. Das hat ihr Schulz schon am Wahlabend mit seiner Oppositionsankündigung versalzen. Ich gehe auch davon aus, daß Cem und Katrin die Verhandlungen zum Platzen gebracht haben. Lindner hatte zum Schluss von dem Hickhack zwischen den Ökos und Seehofer die Nase voll und hat HINGESCHMISSEN. Merkel wird kaum eine Rolle gespielt haben. Die wird sich gesagt haben: Wenn es hier nicht klappt, lade ich mir die anderen nochmal ein. Auf Steinmeier kann sie nicht… Mehr

wolleus
6 Jahre her

Kubicki will endlich auch mal Milliardär spielen und einen Bundesministerposten. Da ist es ganz egal was es kostet und welche Last er auf das Volk lädt. Kubicki (Erinnerung: ein enger Freund vom eitlen Möllemann!) hat damit endgültig seine Reputation verloren. Weg mit ihm.

Bernd Blau
6 Jahre her

Merkwürdig, wie das FDP-Mitglied Zitelmann Herrn Lindner immer wieder hochhebt. Heute wird Lindner zitiert, dass die FDP-Fraktion ihren Antrag zum weitern Stopp des Familiennachzugs von Syrern zurückstellt, damit es eine Mehrheit im Bundestag dazu jenseits der AfD gebe. Also mit der SPD und/Oder Grünen, die aber einen entsprechenden Antrag kräftig verwässern werden. Es geht Lindner also mal wieder nicht um die Sache, sondern der Smartboy will nur Beifall von den linksgrünen Medien bekommen.

Hans G. Hilbert
6 Jahre her
Antworten an  Bernd Blau

VORSICHT! Wer hat gemeldet und wie lautet Lindners Aussage TATSÄCHLICH?
Es ist doch durchaus vorstellbar, daß der FDP – Chef Merkel für eine Zusammenarbeit gewinnen will. Was er dann nach Vereinbarung der Koalition machen wird (mit Söder an seiner Seite) kann heute noch keiner sagen. Lindner kennt die Bedeutung der AfD – Fraktion im Bundestag genau. Sein realistischer Umgang mit DIESER Kraft verschafft ihm gegenüber den anderen Vorteile, die er zu gegebener Zeit nutzen wird.

R.Maier
6 Jahre her

Bis zu diesem Fauxpas hatte ich Herrn Kubicki sehr geschätzt und weiß offen gesagt, was in bei dieser Aussage geritten hat. Die Sache war doch klar an jenem denkwürdigen Sonntag kommunziert worden; das bringt die FDP weiter in die Bredouille und damit in Stimmenverlust.

G.P.
6 Jahre her

Ich denke Kubicki ist noch einer der vom « links-liberalen » eines Baum oder einer Leutheusser-Schnarrenberger infiziert ist. Das tut der FDP nicht gut! Dieses Denken sollte man sich abschminken, denn eine weitere Variante des links/grünen Weltbilds braucht die Wählerschaft nun wirklich nicht! CDUCSUSPDGRÜNE ist ja die Einheitspartei der Ökologie. Das Land brauch aber eine Partei der ÖKONOMIE, da sollte die FDP ihren Platz suchen! Lindner soll bloß aufpassen dass niemand die FDP wieder zu Mutti in das grüne Bett zieht, das wäre ihr Ende!

Klaus Klinner
6 Jahre her

Ich vermute Christian Lindner war noch zu jung, als Wolfgang Kubicki vor gut 25 Jahren in Schönberg schon „in Müll machte“, dabei wohl Anlass zur Klage gab und seiner Ämter verlustig ging. Also, ich würde mich wohl in Kenntnis dieser Dinge auf ihn nicht verlassen.

Wolfgang M
6 Jahre her

Warum sollte nicht auch die FDP 10 zusätzliche unabdingbare Forderungen aufstellen. Wenn die ohne wenn und aber von Schwarz-grün akzeptiert werden, könnte die FDP weiter sondieren. Wenn Schwarz-grün die Gespräche nicht wieder aufnehmen würde, hätten die den schwarzen Peter. Merkel könnte sich überlegen, ob sie eher die SPD- oder die FDP-Forderungen akzeptiert.

Peter Gramm
6 Jahre her

Kubicki ist in einem Alter wo er noch einmal ein Pöstli haben möchte. Darum ist es ihm so wichtig Neuwahlen, deren ausgang sehr ungewiss wäre, zu verhindern. Lindner hat noch etwas mehr Zeit. In einer Jamaikakoalition würde ide FDP zerrieben werden und in der Bedeutunglosigkeit verschwinden. Man wird den Eindruck nicht los dass die BRD zum Spielball von Partikularinteressen von Parteibonzen verkommen ist. Die Bevölkerung und das Stimmvieh kann für die nächsten vier Jahre vernachlässigt werden. Nach dem Bimbeskanzler und dem SED Nachwuchsgewächs kommt jetzt die BeliebigkeitsFDP. Die abgwirtschaftete SPD und die konzeptlosen Grünen haben jetzt Zeit bekommen sich neu… Mehr