Kirchentag mit Barack Obama und Angela Merkel vor dem Brandenburger Tor

Auf der Veranstaltung des Kirchentags zweifelt niemand. Der Präsident a.D. sagt etwas auf die Frage des Studenten. Die Kanzlerin ist einverstanden. Nachhaken ist nicht vorgesehen. Benedict nickt, das Publikum klatscht, die Kirche segnet ab. - Dann ist ja alles gut.

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, nachdem ich mir die Festveranstaltung zum Kirchentag mit dem „ehemaligen Sozialarbeiter“ Barack Obama (er soll kürzlich 400.000 Dollar für einen Vortrag erhalten haben) angeschaut habe. Das Groß-Event vor dem Brandenburger Tor mit dem Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm und unter Gejohle und Gekreische junger Leute wie auf einem Popkonzert.

„Kirchentage vorzubereiten macht viel Arbeit, aber auch viel Spaß“ wird die Veranstaltung eingeleitet. Man freut sich, dass Obama Deutschland „ganz gut findet, und wir werden das natürlich wieder zurückspiegeln – wir finden ihn auch gut, sonst hätten wir ihn ja auch nicht eingeladen“. Der Präsident a.D. gesteht seine Liebe zu Berlin und lobt „one of my favourite partners throughout my Presidency, Chancellor Angela ‚Mökel‘, who has done outstanding work“.

Um mich nicht im Dschungel der Aussagen zu verlieren, möchte ich im Folgenden nur auf eine Frage, die der Student für „Computer Science“ Benedict Wichtelhuber auf dem Podium stellen durfte, eingehen: „Mich beschäftigt der Einsatz von Drohnen im Krieg. In Ihrer Amtszeit, Herr Präsident und Frau Bundeskanzlerin, hat diese Technologie einen neuen Aufschwung genommen. Zwischen 2009 und 2015 starben ca. 2.600 Terroristen durch Drohnen. Gleichzeitig starben aber auch bis zu 116 Zivilisten. Manche sprechen sogar von bis zu 900 Toten. Wie gehen Sie als Mensch und Friedensnobelpreisträger mit diesen ungewollten Opfern um?“

Hier Obamas Antwort. Zuerst in Kurzform auf Deutsch. Und dann – da ich wörtliche Aussagen immer sehr aufschlussreich finde –  im Original auf Englisch.

Obamas Antwort in Zusammenfassung auf Deutsch

Die größte Herausforderung für einen Präsidenten der USA sei es, beginnt Obama seine Antwort, sein Land und seine Bürger vor dem zu schützen, was in Manchester und vorher schon in Berlin, Paris oder Nizza geschehen sei – und zwar im Einklang mit den Werten des Westens. Es ginge nicht an, sich auf dasselbe barbarische Niveau mit denen zu stellen, die bekämpft werden müssten. Der Kampf gegen terroristische und extremistische Ideologien sei nicht der Krieg eines Staates gegen einen anderen, denn in diesen Gebieten operierten Terroristen verdeckt im Schatten. Er habe deshalb in seiner Amtszeit versucht, diejenigen, die unschuldige Menschen töteten, in Übereinstimmung mit den Werten und Rechtsvorstellungen seines Landes zu bekämpfen. Natürlich gab es da auch Opfer – Irrtümer wolle er nicht ausschließen. Doch es habe oft keine andere Möglichkeit gegeben. Drohnen hätten die Opferzahlen im Vergleich zu von Schiffen oder Flugzeugen abgeschossenen Tomahawk-Marschflugkörpern deutlich gesenkt. Nicht Drohnen seien das Problem, behauptet Obama. Das Problem sei der Krieg, der immer schmutzig sei (Beifall). Er gibt zu, dass der, der die Drohnen lenkt, das mit einem Videospiel verwechseln könnte. Doch während seiner gesamten Amtszeit habe er sich dafür eingesetzt, dass man die Menschlichkeit nicht aus den Augen verliere – in der Überzeugung, sich für ein gerechtes Ziel einzusetzen. „Ich möchte alle Kritiker daran erinnern“, mahnt er, „dass die Terroristen bereit sind, genau hier und jetzt eine Bombe detonieren zu lassen. […] Ich möchte euch und eure Kameraden vor sinnloser Gewalt beschützen, meine Töchter und alle Menschen auf der Erde.“ (Beifall)

Obamas Antwort wortwörtlich auf Englisch

„Well, one of the biggest challenges as President of the United States is: how do you protect your country and your citizens from the kinds of things that we just saw in Manchester, England, just a few days ago, or the things that we saw in Berlin or in Paris or in Nice, and how do you do it in a way that is consistent with your values and your ideals. Because if we degrade ourselves by thinking in the same savage ways with disregard for human life as those who we fight – then we’ve lost a piece of ourselves. And that’s not always easy because the nature of the battle of terrorist-ideologies and extremist-ideologies is not a State against a State. You have individuals who are living in communities. You have people operating in the shadows. And so what I tried to do throughout my Presidency is create a legal structure and architecture that would be consistent with our values, with law, with our principles and our humanity, but was also firm in defeating those who would kill innocent people. And in some cases I know for a fact that actions that I took might have resulted in civilian casualties, often times as a consequence of error. […] Those systems that were put in place resulted in very significant reductions in the kinds of tragic civilian casualties that we saw earlier on in this process. The one thing I would say for those who are concerned about this issue is, that when you look at drones versus other ways of fighting, it actually typically results in fewer human casualties and it actually tends to be more precise in targeting than the average launching of a Tomahawk missile. (Benedict Wichtelhuber nickt, obwohl das reine Behauptungen sind.) So the drones themselves are not per se the problem. The problem is war. (Klatschen, ohne sich zu fragen, wer diese Kriege denn angefangen hat.) Which is always tragic, always messy. […] What is dangerous about drones is because you can be removed from the theatre of war, leaders can become complacent and they can start thinking this is happening like a video game – as opposed to involving real people on the ground. […] And that means that – even we are justified (??) in taking this course, this is still something that we have to carry with us. I would caution people who are critics to remember though, that these are groups that would be willing to explode a bomb in this audience right now and we shouldn’t be too complacent in recognizing the need to fight against them. I want to protect you and your class-mates (Benedict nickt), my daughters and people around the world from senseless violence – and to do it in a way that wouldn’t encourage more violence over the long term.“ (großer Beifall)

Nachdem man Mühe hatte, den verschlungenen Sätzen mit höchst fragwürdigem  Inhalt zu folgen, wird es jetzt bei Angela Merkel etwas volkstümlicher.

Angela Merkels Bekräftigung

„Wir stehen wirklich vor der Aufgabe, dass wir es mit Gegnern zu tun haben, die unsere ganze Art zu leben zerstören wollen. Und dass das, was im Kalten Krieg funktioniert hat, dass Abschreckung schlimm genug, aber im Grunde manchen Krieg verhindert hat, weil beide Seiten am Leben gehangen haben, das haben wir bei den terroristischen Gruppen nicht. Die sind bereit, ihr eigenes Leben zu opfern, um das Leben anderer Menschen zu zerstören, wie wir das jetzt in Manchester geseh’n haben – mit jungen Leuten, mit Familien, mit ganz normalen Menschen. Und was wir, auch wenn es neue Möglichkeiten gibt wie die Drohnen, trotzdem nicht vergessen dürfen: Krieg, militärische Auseinandersetzung muss immer das letzte Mittel sein. Alles andere muss vorher versucht werden. Und Krieg bleibt immer Krieg. (Beifall) Und ich glaub‘ die Gefahr, die Sie auch sehen, ist, wenn es plötzlich so anonymisiert wird, wird es dann vielleicht verantwortungslos genutzt. Und deshalb sind die Werte, die uns leiten – wie Barack Obama auch gesagt hat – natürlich umso wichtiger, dass nicht irgendjemand da was entscheiden kann. Weil’s ja keiner sieht vermeintlich, sondern dass noch einmal mehr aufgepasst werden muss. Und noch mal ’ne neue Institution eingezogen werden muss und diskutiert werden muss, ist das notwendig, ist das verantwortbar. Was kann ich – äh – wie kann ich das rechtfertigen. Und das ist, glaub‘ ich, ganz ganz wichtig – das heißt, egal wie die technische Möglichkeit ist, unsere Werte, nach denen wir auch schwierigste Entscheidungen treffen, um gegen andere Menschen vorzugehen militärisch, ist immer eine schwierige Entscheidung, die müssen uns weiter und vielleicht noch mehr leiten als früher.“ (Originalton!)

Relais-Station Ramstein

Die Macht der schönen Bilder
Obama in Berlin - pünktlich zum Wahlkampf
Im Klartext: Ramstein, 10 Kilometer westlich von Kaiserslautern gelegen, ist die personalmäßig größte Militärbasis der US-Air-Force außerhalb der Vereinigten Staaten und Relais-Station für die Drohnenangriffe in alle Welt, die aufgrund der Erdkrümmung nicht von den USA aus gesteuert werden können. Das Motto: „Seek – Attack – Destroy“; Töten auf Knopfdruck über Tausende von Kilometern hinweg. Todesstrafe ohne Gerichtsverfahren. Nach Geheimdienst-Listen, die wöchentlich von Barack Obama abgesegnet wurden.

Der Aussteiger Brandon Bryant arbeitete sechs Jahre lang für das US-Militär als Drohnen-Pilot. Zum Abschied bekam er ein Zertifikat, in dem seine Erfolge aufgelistet sind: 6.000 Flugstunden, Hunderte geflogene Einsätze und 1.626 getötete Feinde. Das bleibt nicht in den Kleidern stecken.

Ob das im Einklang mit geltendem Recht geschehe – diese Frage wurde auf der Bundespressekonferenz vom 5.12.2016 von Journalisten gestellt und von Sawsan Chebli – zu der Zeit stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amtes –  positiv beantwortet. Das anschließende unbeschreibliche Hin und Her über die Einzelheiten der Problematik der Rechtmäßigkeit muss man sich einmal auf dem Video ansehen, um einen Eindruck von der Schwammigkeit und Aggressivität der Antworten zu gewinnen. Die abschließende Aussage von Frau Chebli: „Die USA sagen, sie halten sich an die Völkerrechte, und das finden wir gut.“ – Journalist Tilo Jung: „Gibt es am Völkerrecht orientierte Regeln der USA? Kennen Sie diese Regeln, und welche sind das?“ –  Antwort Chebli: „Die USA haben uns gesagt, dass sie sich bei ihrem Agieren an den von Ihnen angesprochenen Komplex, dass sie sich an das Völkerrecht halten. Das finden wir richtig und gut, und das nehmen wir genauso wahr. Wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln.“

Auch auf der Veranstaltung des Kirchentags zweifelt niemand daran. Der Präsident a.D. antwortet auf seine Art auf die Frage des Studenten. Die Kanzlerin ist einverstanden. Ein Nachhaken ist nicht vorgesehen. Benedict nickt, das Publikum klatscht und johlt, und die Kirche segnet es ab. – Dann ist ja alles gut.

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Kommentare ( 72 )

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jackhot
6 Jahre her

wenig hilfreich im „weltlichen“ Leben…

Luisa
6 Jahre her

Das Mercatore 59 ist eine krasse Aussage. Dummheit oder vorgeschickt?
Wir sind und bleiben ein besetztes Land. Also kein souveräner Staat.
Ob „Erika“ bleiben muß, bis alles ausgeführt ist. Kontrolle ist ja wohl das, was sie wirklich studiert hat.
Auch das 2+4 Abkommen ist dadurch ungültig. Vor den Russen hatten wir die größte Angst?
OMG

Gernot Radtke
6 Jahre her

Und Kreuzfort-Ökostrohm ins neue Wahrheitsministerium und Kardinal Marxloh in das Bundesintegrationsamt für Dhimmis mit christlich-jüdischem Migrationshintergrund. Und Sie, verehrter Herr Hellerberger, sollten von Zeit zu Zeit den Hofnarren bei beiden Magnifizenz-Eminenzexzellenzen geben dürfen. – Komme gerade von einer Dreier-Taufe zurück (mein Großneffe dabei), sozusagen einem ‚Massenbetäufnis‘, in dem, welch wunderbarer Einfall des Christentums, in einem feierlichen Tauf- und Salbungsakt bei stellvertretend gesprochenem Glaubensbekenntnis der Paten und einiger der noch nicht theologisch entkernten Proselyten die Nicht-Abgetriebenen in die Gemeinschaft der Gotteskinder und also die der Rechtssubjekte mit dem unveräußerlichen Menschenrecht auf Leben und Freiheit aufgenommen werden – ein Vorgang, der sowohl… Mehr

Luisa
6 Jahre her

Dozoern, das trifft nicht immer zu. Manchmal wird sogar ängstlich überzogen.
Aber ist doch gut so, wenn nicht überall wo Verschwörungstherorie drauf steht, auch diese drin ist. Ich beobachte das perfide Spiel seit 30 Jahren. Leider ist’s dann doch drin – die Einschläge kommen immer näher. Bin mal auf die BTW gespannt, wer alles wieder reinfällt auf die Puppenspieler.
Schauen Sie sich im Freundeskreis oder in der Familie um – werden immer weniger, die Argumenten überhaupt zugänglich sind.

Andreas Donath
6 Jahre her

„Das nüchterne Auftreten von Angelika Merkel war schon besser.“

Bei dem, was diese Frau ihrem Land und seinen großartigen Menschen angetan hat, erhält sie bei mir nie mehr eine Gelegenheit, auf irgendeinem Sektor Pluspunkte zu sammeln. Ich will nur noch, dass sie aus der Politik verschwindet und benötige keinen Kirchentag, um dafür zu beten.

Andreas Donath
6 Jahre her

Seinen ausgesprochen miesen Charakter hat Obama in den letzten Tagen/Wochen seiner Amtszeit offenbart, als er im Eildurchlauf noch eine Reihe von Verfügungen und Verordnungen getroffen hat, von denen er wusste, dass sie von seinem Amtsnachfolger nicht geteilt würden. Ein Verstoß gegen ungeschriebene Gesetze nicht nur der US-Demokratie. Und nun intrigiert er munter weiter gegen Trump – armselig ….! Das gehört sich nicht für einen ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika – es ist stil- und würdelos …… Im Übrigen ist dieser Mann ein Heißluftgebläse wie Merkel, nur bei Weitem nicht so hölzern und viel eloquenter. Alles, was er von… Mehr

Luisa
6 Jahre her

Ja, Zustimmung. Aber unsere Großväter haben 2 WKs überlebt, unsere Väter einen. Wenn zwei oder drei ….. oder wie Luther sagt „Geh in dein Kämmerlein und bete“. Das mit dem Anti … hielt ich nie in der Form für möglich. Aber das Wort von Johannes trifft zu.
Alles Gute – Hartwig Meier!

Luisa
6 Jahre her

Kein Messi-Ersatz (nicht mal auf der „Kirchen“Bank).

Luisa
6 Jahre her

Ich stimme Ihnen zu. Nur, für die 200.000 Teilnehmer wäre es besser gewesen, ihn nicht nochmal hören zu müssen.
Nun denn – diese Art der Wahlhilfe gehört auch verboten, zumal dadurch die Lügerei noch verstäkt wird.

Luisa
6 Jahre her

Was soll man von diesen Spezial-Strohmern denn verstehen? Das ist doch eine ganz mieße P-R-Veranstatung, die mehr Schaden anrichtet als Aufklärung.