Her mit den Passwörtern – Was schert die Justizministerin unsere Verfassung

Was Justizministerin Lambrecht (SPD) unter dem Deckmantel der Extremismusbekämpfung und der Floskel der „Hassrede“ vorschlägt, ist ein Gesetz, das elementare Grundrechte schleift. Es ist verfassungswidrig und einer Demokratie unwürdig.

Michelle Tantussi/Getty Images

Historisch gesehen war das Justizministerium immer auch der Hüter der Werte unserer Verfassung. Dieses Vertrauen in die Institution wurde spätestens in der Regentschaft des aktuellen Außenministers Heiko Maas (SPD) schwer erschüttert. Wer miterlebt hat, mit welcher Kaltschnäuzigkeit sich das Justizministerium und dann die große Koalition in der letzten Legislaturperiode über die massiven verfassungsrechtlichen Bedenken hinweggesetzt und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verabschiedet hat, war sprachlos. Nie werde ich vergessen, was die ja von den Parteien selbst benannten Sachverständigen im Sommer 2017 im Rechtsausschuß des Bundestages auf die Frage der Abgeordneten zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes geantwortet haben. Sie erklärten den Gesetzesentwurf für: “verfassungswidrig, europarechtswidrig”, hielten “schwerwiegende Grundrechtseingriffe (für) denkbar”, “Das Gesetz wird in Karlsruhe scheitern. Das Bundesverfassungsgericht wird seine Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit nicht vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz faktisch einebnen lassen”, hieß es, “Facebook wird gedrängt, Richter über die Meinungsfreiheit zu sein, ohne dass dies rechtsstaatlich begleitet wird. Das Gesetz bedroht die Meinungs- und Pressefreiheit”, man habe “ausdrückliche verfassungsrechtliche Bedenken”, es sei “nicht verfassungsgemäß”.

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Kurze Zeit später passierte das Gesetz den Bundestag und die von mir schon im Vorfeld befürchtete „digitale Massenvernichtung freier Rede“ ist zwischenzeitlich Realität. Es geht bekanntlich so weit, dass der Wortlaut von Petitionen, die sich auf der Website des Deutschen Bundestages befinden, preisgekrönte ARD-Serien („Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“), Zitate von Robert F. Kennedy oder – im Prozeß vor dem LG Dresden eingestandenermaßen sogar vollautomatisch – Links zu Artikeln im Nachrichtenmagazin „Focus“ gelöscht und die Nutzer mit Sperren bestraft werden. Für das Gesetz mitverantwortliche Politiker wie der CDU-Abgeordnete Carsten Müller sprechen allerdings trotzdem noch im Mai 2019 im Bundestag davon, dass die Meinungsfreiheit nicht eingeschränkt werde, dass es kein Overblocking gebe und das NetzDG funktioniere.

Anscheinend wird aber immer noch nicht genug gelöscht, denn anstatt das verfassungswidrige Gesetz abzuschaffen, will die Bundesregierung es sogar noch verschärfen. Jetzt liegt der „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ vor. Dass nur Rechts-, nicht aber auch Linksextremismus bekämpft werden soll? Geschenkt.

Ich halte die Justizministerin Lambrecht (SPD) für eine perfide und gefährliche Frau. Ich habe Zweifel, ob sie noch eine Demokratin ist. Was ihr Ministerium hier unter dem Deckmantel der Extremismusbekämpfung und der untauglichen Floskel der „Hassrede“ vorlegt, ist ein Gesetz, das mit kalter Gleichgültigkeit elementare Grundrechte schleift. Ob ein Gesetz auf den ersten Blick erkennbar verfassungswidrig ist, interessiert die Justizminister der SPD und die große Koalition schon lange nicht mehr. Aber hier werden alle Grenzen überschritten.

„Soll hier unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Rechtsextremismus nun von den Sicherheitsbehörden Zugang zu Informationen erlangt werden, die man immer schon wollte?“ fragt selbst die Grüne Renate Künast.

Lambrecht will die Internetüberwachung massiv ausweiten. Anbieter sollen u.a. die IP-Adresse an das Bundeskriminalamt weitergeben müssen. Was allerdings deren Speicherung voraussetzt, ein Schritt, der weit über höchst umstrittene Vorratsdatenspeicherung hinausgeht. Noch wesentlich weitergehender ist das Vorhaben, alle Telemediendienste von Facebook bis zur Plattform der Katzenfans zu verpflichten, Strafverfolgern und Geheimdiensten „sämtliche unternehmensinternen Datenquellen“ herauszugeben. Zu diesen „unternehmensinternen Datenquellen“ gehören ausdrücklich auch Passwörter. Eine bloße Ordnungswidrigkeit soll genügen, um einen entsprechenden richterlichen Beschluß erwirken zu können. Das digitale Innenleben der Bürger wird dem Staat ausgeliefert.

Diese Gesetzesänderung wäre ein weiterer, großer Schritt in Richtung totaler Kontrolle, in Richtung Überwachungsstaat. Dass sich die Oppositionsparteien nicht dazu durchringen konnten, trotz einheitlicher Ablehnung des NetzDGs gemeinsam das Verfassungsgericht anzurufen, rächt sich jetzt. Ein schwerer politischer Fehler, der seine Gründe allein in parteipolitischem Opportunismus bei FDP, Bündnis90/Grüne und Linken hatte.

All das war absehbar. Justizminister Maas schrieb für die Broschüre der „Amadeu-Antonio-Stiftung“ zum Umgang mit „Hate Speech“ das Geleit- und die Ex-Stasi-IM Anetta Kahane das Vorwort. In dem Vorwort des früheren Stasi-Spitzels heisst es:

„Und weil Hass sich niemals verbraucht, nie aufhört oder von allein verschwindet, macht er immer so weiter, genau wie ein Tier, das zwar keinen Hass kennt, aber seinen Reflexen ausgeliefert ist. Menschen also, in denen ein tiefer Hass brennt, dessen eigentliche Ursache sie aber nicht verstehen wollen, sind am Ende dieser Kette eher animalisch als human. Das ist auch so, wenn sich dieser Hass politisch ausdrückt.“

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Der Andersdenkende wird von Kahane pathologisiert, kriminalisiert und schließlich entmenschlicht, mit einem Tier gleichgesetzt. Das ist Nazi-Jargon, die perfekte Definition von Hassrede: Die Entmenschlichung durch den Vergleich mit Tieren, Insekten, Ungeziefer, Krankheiten oder anderen nicht-menschlichen Dingen. Man findet Hassrede in einer steuerfinanzierten Broschüre gegen Hassrede. Und statt sein „Geleitwort“ zu dieser Broschüre zurückzuziehen, lässt Maas es bis heute online.

Das Gesetzesvorhaben seiner Nachfolgerin Lambrecht ist die perfekte gesetzliche Umsetzung dieser Ideologie. Er sieht ein Instrumentarium vor, dass einer Demokratie unwürdig ist.

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Kommentare ( 151 )

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Nordkopf
4 Jahre her

Hass ist eine menschliche Emotion. Diese verbieten zu wollen ist irgendwie krank. Zumal nirgendwo klar definiert ist was juristisch Hass ist. Es gibt genug Filme die fiktiv darstellen wie „toll“ es ist einzelne Emotionen zu unterdrücken. Ist Kritik schon Hass? Für die Zensoren sicherlich ja.

Wilhelm Cuno
4 Jahre her

Bisher hatte ich nicht das Gefühl, dass die SPD von der Mehrheit der Bürger gehasst wird; eher bemitleidet. Inzwischen tut sie viel dafür, dass Hass erst entsteht. Allerdings muss man fairerweise dazu sagen, dass in dieser Koalition drei Parteien regieren und die Kanzlerin nicht von der SPD gestellt wird. Ich wünsche mir hier wenigstens eine klare Ansage von FDP und Grünen, da diese im Gegensatz zur AFD in den Mainstreammedien wenigstens noch zitiert werden. Ansonsten steuert dieses Land auf Orwellsche Verhältnisse zu.

Helmut B.
4 Jahre her

Wenn man mitansehen muss, wie eine völlig heruntergekommene SPD im Todeskampf um sich schlägt, wünscht man sich fast noch eine CDU/Grüne-Regierung, nur damit man diese gefährlichen Deppen irgendwie los wird.

kv
4 Jahre her

Wer ist in letzter Konsequenz verantwortlich?
Wer hat in dieser Regierung die Richtlinienkompetenz?
Alles was nicht explizit im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, kann die Kanzlerin durch ein einfaches „NEIN“ stoppen.

Michael Koerner
4 Jahre her

Bleibt entspannt Leute, die ganze Sache läuft ins Leere. Moderne Betriebssysteme und Anwendungsprogramme speichern gar keine Kennworte, die man abfischen könnte. Sondern sie speichern nur sogenannte Hashcodes der Kennworte. Das ist so eine Art Prüfziffer. Wenn jemand sein Kennwort das erste Mal eingibt, wird es nicht gespeichert, sondern es wird der Hashcode errechnet und nur dieser wird gespeichert. Bei zukünftigen Anmeldungen wird vom eingegebenen Kennwort wieder der Hashcode berechnet und der wird mit dem gespeicherten Hashcode verglichen. Das Geniale an diesem Prinzip ist, dass die gespeicherten Hashcodes komplett wertlos sind als „Beute“ für Frau Ministerin. Rückschlüsse auf die zugehörigen Kennworte… Mehr

Helmut in Aporie
4 Jahre her
Antworten an  Michael Koerner

Man bräuchte also einen Trojaner, der die Eingabe mitbekommt?

JanAllemann
4 Jahre her

Man wird immer fassungsloser angesichts der zunehmend weiter fortschreitenden, antidemokratischen Entmündigung der Bürger in einem angeblich „freien“ Land!

Wenn jetzt schon die Passwörter zu E-Mail-Accounts abgefragt werden dürfen, dann kann man Begriffe wie „Privatsphäre“, „Datenschutz“ und das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ auch gleich aus dem Wörterbuch streichen!

Überwacht wird das alles dann womöglich von privaten Organisationen wie der Antonio-Amadeu-Stiftung unter Vorsitz einer ehemaligen Stasi-Mitarbeiterin. Passt ja perfekt!

Man fragt sich unwillkürlich, was uns in dieser Sache noch von Staaten wie China oder Russland unterscheidet! Aber wir sind ja auch in anderen Bereichen auf dem Weg zur DDR 2.0, siehe Klimawahn!

Krauti
4 Jahre her

Herr Steinhöfel, lassen Sie mich mal spinnen: wenn jetzt, wer auch immer, die Passwörter von einer ungeliebten Oppositionspartei hat, kann er in deren Namen in deren Account schreiben, was er will. Also ganz tolle Sachen, aber auch ganz böse, verfassungsfeindliche Sachen. Sehe ich das richtig? Kann man sich auf diese Weise die ungeliebte Partei vom Halse schaffen? Hassrede, Netzwerk DG…alles scheint geebnet.

chris
4 Jahre her
Antworten an  Krauti

das scheint mir in der Tat der einzige Grund zu sein, weshalb man an Passwörter kommen will. Um bereits verfasste Internet-Postings zu verfolgen braucht man keine Passwörter – hier reicht der bereits öffentliche Text und die zugehörige Adresse. Ein Passwort braucht man einzig, um neue Postings im Namen des Inhabers zu schreiben.

Cosa nostra
4 Jahre her
Antworten an  chris

Das ist doch, daß man in einem Rechtsstaat behaupten könnte, daß dieser einem bitte die Tat persönlich BEWEISEN möge, weil ja Kreti und Pleti an das Passwort kämen.

Ja, könnte man.
In einem Rechtsstaat könnte man das.

Helmut in Aporie
4 Jahre her

Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf, liebe Oppositionsparteien.

brigam_50
4 Jahre her

Der sogenannte Hass und die Hetze entsteht in Menschen, die ein Gefühl der Ohnmacht gzw. Hilflosigkeit im Laufe eines gewissen Zeitraums aufhäufen.
Schuld sind meist vorsätzliche politische Fehlentscheidungen die in DE gemacht werden
Schuld sind nicht Die die Hass+Hetze in sich tragen,sondern die sie auslösen. Merkel und Konsorten.
In Zukunft werden auch Gefühle zensiert und möglicherweise bestraft…armes vormals schönes DEUTSCHLAND

LadyGrilka55
4 Jahre her

Zu Tieren erklärt und damit entmenschlicht werden „Ungläubige“ auch in mindestens einer Religion. Da passt doch dann wieder alles zusammen. Die totalitären Geister finden zusammen und treten – um ihre Bösartigkeit noch zu toppen – als Verteidiger der Demokratie auf.