Hamburg: Bericht aus einer verwunschenen Welt

Im Nivea-Shop noch Betrieb, drüben leuchtet das Alsterhaus, daneben Apple, es ist die edelste und teuerste Lage Hamburgs, und die Leute, die sich hier versammelt haben, sehen so aus, als würden sie normalerweise hier einkaufen.

Kein Durchkommen, und ich bin bereits zu spät. Hamburgs Innenstadt ist abgeriegelt. Blaulichter, Polizeiwannen, Hundertschaften mit Schlagstöcken an der Koppel. Und warum? Weil eine Dame aus dem Umland vor zwei Wochen begann, mit einem Schild auf Hamburgs Jungfernstieg auf- und abzulaufen. Auf ihrem rosafarbenen Schild stand: „Merkel muss weg“.

Letzte Woche waren es bereits 60, die sich dazugesellten, heute abend, das ist die Schätzung, als ich eintreffe, sind es rund 200. Flackernde Blaulichter rund um die Binnenalster. Bekannte Gesichter in dieser Gruppe aus Wintermänteln und Anoraks, die sich hier versammelt hat.

Ein Fotograf, den ich aus einem Gospelgottesdienst in St. Pauli kenne. Da ist ein Hochschulprofessor, daneben ein Psychotherapeut mit seiner Frau, ein Anwalt mit Seidenschal. Sie umringen die schmale Frau mit den großen braunen Augen, die diese Sache initiiert hat: Uta Ogilvie, sie ist in Begleitung ihres alten Vaters.

Sie ist nervös und hat allen Grund dazu. Letzte Nacht wurde ihr Haus angegriffen, Parolen wurden geschmiert, Steine flogen durchs Fenster ins Kinderzimmer. Heute abend passt ihr Mann auf die Kinder auf, ein Wachdienst ist aufgestellt, sie demonstriert.

Brüllkonzerte von jenseits der Polizeikette. Die Antifa hat mobil gemacht. Kurz vorher, so ist zu hören, haben die Aktivisten das SPD-Haus am Berliner Tor gestürmt und ein Banner aufgehängt mit dem Spruch: „Blut an euren Händen.“ Das ist keine Fiktion, das ist Realität, die mir ein Polizeisprecher bestätigt.

Uta Olgivie erzählt, dass sie mit ihrem Vater Spießruten gelaufen ist, als antifaschistische Kampfeinheiten sie und ihren alten Vater mit dem Plakat entdeckt haben. „Merkel muss weg“ – ganz klar, eine Naziparole. Dann sind sie geflohen.
Während wir dort stehen, in Höhe des Nivea-Flaship-Stores, reicht einer die Schlagzeile der Hamburger Morgenpost herum. Da steht tatsächlich, gewaltsüchtig, gewaltinhalierend, gewaltschlürfend: „Knallt es heute in Hamburg? 300 Linke demonstrieren friedlich – Rechte starten bald.“

Das ist deutsche Realität: Eine Frau ist mit der Regierung unzufrieden und protestiert, indem sie ein Schild hochhält. Dann kommen die linken Schlägertrupps, die über verschiedene Gegen-rechts-Töpfe von verschiedenen Ministerien subventioniert werden, mit Kapuzen und krawallsüchtiger Dummheit im stieren Blick. Dazu die Zeile des Boulevardblattes „MoPo“, das tatsächlich die Frechheit besitzt, von „friedlichen Linken“ und „Rechten“ bzw. „Neo-Nazis“ zu texten.

Das alles gleichzeitig wie in einem kubistischen Bild von Picasso, Türme aus Bedeutungen und Zeichen, nichts passt zusammen, jedes Bauteil rennt mit der eigenen Wahrheit davon.

Wenn ich es nicht selber erlebt hätte, würde ich es nicht glauben. Die ganze Sache ist so schamlos verdreht, so offen gelogen, dass das ehrwürdige Wort von der Lügenpresse hier zu kurz greift. Das geht schon in Richtung Anstiftung zur Gewalt.
Wir unterhalten uns. Was sich da entlädt, frage ich den Psychotherapeuten? „Wo jetzt? Da hinten?“ Er deutet in Richtung Gegröle.

„Da würde ich sagen, die sind auf dem Entwicklungsstand von Vierjährigen stehengeblieben.“

„Aber sie sorgen dafür, dass die halbe Stadt abgeriegelt wird, sie haben Macht“.

Der Therapeut nickt. Was nützen solche Diagnosen. „Mein Kollege Maaz hat das ja sehr gut beschrieben, aber da hört ja keiner hin.“

Tatsächlich spüre ich deutlicher als je zuvor, wie sich eine ideologische Folie über die Wirklichkeit gelegt hat, unverrutschbar. Die „Neonazis“ sind keine, genausowenig wie die prügelbereiten „Antifaschisten“ tatsächlich welche sind, und der Protest einer Dame aus dem Umland gegen die Regierung ist alles andere als rechts.

Warum lügt das Boulevardblatt so offenkundig, so schamlos? Was treibt die Redakteure? Was ist der Lohn für die Verdrehungen? Die Bestätigung des eigenen Weltbildes? Ein Schulterklopfen vom Ressortleiter? Und welches geschlossene Weltbild hat der?

Ich unterhalte mich mit dem Bauern aus Mecklenburg, der hier in Hamburg arbeitet. Tasächlich scheint es so, dass uns die im Osten eines voraus haben: ein Sensorium für das Falsche. „Wir haben das viel früher gemerkt“, sagt der Bauer, „weil wir trainiert sind im Umgang mit der Lüge durch Regierung und Presse.“

Der Anwalt nickt versonnen vor sich hin und zupft seinen Seidenschal zurecht. Vor einem schwarzen Holzkreuz, das ein Student hält, steht ein Lehrer mit seiner Frau, sie diskutieren über das Christentum, das keinen Halt mehr garantiert.

„Es wird ja schon seit einiger Zeit eine neue Ethik entwickelt…“, „so ein moralischer Universalismus“, ergänzt die Frau, „das hat nichts mehr mit dem Christentum zu tun, das dient nur noch als politische Waffe.“

„Dazu gehört die Umbenennung vetrauter Begriffe“ sagt der Mann, „aus Volk wird: Diejenigen, die schon länger hier leben.“ Man merkt ihnen an, dass sie schon oft darüber geredet haben, vielleicht bis zum Überdruss.

Es ist kalt. Atem steht vor den Mündern, im Nivea-Shop ist noch Betrieb, drüben leuchtet das Alsterhaus, daneben Apple, es ist die edelste und teuerste Lage in Hamburg, und die Leute, die sich hier versammelt haben, sehen so aus, als würden sie normalerweise hier einkaufen.

Und sie sehen aus, als käme es ihnen unwirklich vor, dass sie nun hier stehen und ja, dass sie protestieren gegen eine unendlich entfernte Regierung. Für viele dürfte es die erste Demo sein. Feines Hamburger Bürgertum. Sie reden über Merkels Auftritt im ZDF vom Vortag.

„Sie hat sich für weitere vier Jahre das Vertrauen ausgesprochen“, sagt einer sarkastisch. Verzweifeltes Gekicher.

„Die große Koalition ist jetzt bei 47 Prozent.“
„Die CDU bei 23, ohne CSU.“
„Und die islamischen Migranten strömen weiter über die Grenze.“
„Kohl hätte das nie gemacht.“
„Wer soll die durchfüttern, unsere Kinder?“
„Die haben doch schon genug zu stemmen.“
„Können die in Berlin nicht mehr rechnen?“
„Die Schulen packen das nicht mehr, in Berlin gibt es Drittklässler, die nicht lesen können.“

Sie stehen und reden, diese „Neonazis“ von Hamburg. Sie sehen aus, als wollten sie schreien und wüssten gleichzeitig, dass sie niemand hört. Als stünden sie hinter Panzerglas: Da ist kein Durchdringen zur Scheinwirklichkeit der politischen Klasse, die in Berlin mit ihren Glasperlenspielen beschäftigt ist.

Aber manchmal genügt ein einziges Protestplakat, um die halbe Stadt lahmzulegen.
Nach rund einer Stunde dieser demokratischen Freiluftübung wird die Bitte der Polizei durchgesteckt, dass sich alle sammeln, damit sie in Bussen unbeschadet aus der Gefahrenzone gebracht werden können. Ich lerne: Eine „Gefahrenzone“ besteht aus Bürgern, die mit der Regierung nicht zufrieden sind und sich versammelt haben.
„Bitte bleibt alle zusammen“, ruft die zarte Uta Ogilvie, „bitte, alle, folgt der Polizei!“
Demokratie in Deutschland.

Auf dem Weg zurück zu meinem Auto passiere ich vor dem „Vier Jahreszeiten“ ein älteres Paar, er in Kashmir, sie im Pelz mit einem kleinen Hündchen an der Leine. Ich frage: „Wissen Sie, warum die Polizei hier alles abgeriegelt hat?“ „Na wegen den Rechten“, sagt der Herr im Kashmir, „da drüben, da demonstriert Pegida!“

„Ich komm gerade von da, ich hab keine Rechten gesehen.“

Da mischt sich ein versprengter Antifa-Kämpfer ein, offenbar auf dem Weg in den Feierabend: „Doch, hundert pro, das sind die Pegidas, voll die Rechten.“

Aber das ist dann schon die Verfestigung für die Nachbearbeitung, die Mythenbildung.

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Kommentare ( 407 )

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407 Comments
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Karl Gross
6 Jahre her

Stasi 2.0. Verleumdung und Unterdrückung der Meinungsfreiheit.

Peter Cordes
6 Jahre her

„Die Hamburger Morgenpost wurde 1949 als Boulevard-Tageszeitung mit einer Auflage von 6000 Exemplaren von dem Hamburger Journalisten und SPD-Mann Heinrich Braune anfangs gegen Widerstand aus den eigenen Reihen der SPD gegründet“ (Wikipedia.de )

Kartoffel
6 Jahre her

Dem kann ich mich nur anschließen. Die Mehrheit dieses Volks ist nicht mehr zu retten. Bleibt nur noch die Frage, was der Ausweg für die unterdrückte und geschröpfte Minderheit ist. Ich persönlich liebäugele mit einer Sezession in Ostdeutschland, die Frage ist nur, wie ich mein Geld vor diesem Unrechtsstaat in Sicherheit bringen und mich gegen Zwangsbereicherung erfolgreich zur Wehr setzen kann.

oben
6 Jahre her

„Das ist deutsche Realität: Eine Frau ist mit der Regierung unzufrieden und protestiert, indem sie ein Schild hochhält. Dann kommen die linken Schlägertrupps“

Gibt es hier jemanden, der das Gerede von „rechten Schlägertrupps“ in Bezug auf die oben beschriebene Demo genau so satt hat wie das Gerede von „linken Schlägertrupps“ in Bezug auf die Gegendemo?

Rainer Franzolet
6 Jahre her
Antworten an  oben

Sie kennen offensichtlich nicht den Unterschied von Fakten zu benennen oder Lügen zu verbreiten? Oder sind sie selber einer dieser Linken Schläger?

Udo Kemmerling
6 Jahre her
Antworten an  oben

Gibt es nicht!!!

Marjellche
6 Jahre her

Einfach mal den Twitter Account des Berliner Kultursenators und stellvertretenden Bürgermeisters anschauen und dann runterscollen:
Aufruf zur Demo mit Poster der Antifa, Frau mit Kopftuch und brennende Fackel in der Hand…

https://mobile.twitter.com/klauslederer?lang=de

John Dowe
6 Jahre her

Die Mopo schaltet schon seit Wochen keines meiner Kommentare mehr frei. Dabei ist es egal ob ich einen Fatih Akin als Regisseur lobe oder die Wohnungspolitik in Hamburg kritisiere. Ich bin ein Nazi!

Margit Stix
6 Jahre her

Genau so ist es, gleich wie in Österreich! Wir haben die FPÖ-ob das gut ist, ist eine gute/andere Frage, sie – die FPÖ ist aber das Einzige, was uns genau vor diesen Zuständen, wie zB daß das Sozialsystem ausgelutscht wird für Personen – eh scho wissen – und das Analphabetentum von – eh schon wissen – unseren angefütterten gläubigen BMW, Audi und Mercedesfahrern aus der Mindestsicherung – „weiter“ verhindert wird!

Ulrich Lott
6 Jahre her

Stellungnahme von Frau Ogilvie: Am Aschermittwoch ist alles vorbei? Erst mal schon, ich gebe auf. Warum? In erster Linie, weil ich meine Familie nicht schützen kann. Wer meine Geschichte in den letzten zwei Wochen verfolgt hat, weiß, dass es in der Nacht von Sonntag auf Montag einen Anschlag auf mein Haus gab. Dahinter steckt die Antifa. Diese selbsternannten Anti-Faschisten haben nicht nur Autoreifen zerstochen, die Hauswand mit Schmutz beschmiert und ein Fenster zerschlagen. Diese Anti-Faschisten haben auch billigend in Kauf genommen, Leib und Leben meiner Familie zu riskieren. In diesem Fall Leib und Leben meiner Kinder, denn besagtes Fenster gehört… Mehr

Franz Horste
6 Jahre her
Antworten an  Ulrich Lott

Schade, dass es nicht mehr solcher mutigen Frauen gibt, die sich den Faschisten in den Weg stellen. Wo werden Menschen demnächst landen, wenn sie ihre Meinung frei äußern? Solange einem das Face-Book-Konto gesperrt wird, weil man sich gegen die Regierung auspricht, ohne Schimpfworte zu benutzen, ist was faul im Staate D…..
http://wort-woche.blogspot.de/2018/02/deniz-yucel-wurde-von-deutschland.html

James Cook
6 Jahre her

Inzwischen war zu lesen,dass Frau Olgivie mit Rücksicht auf die Sicherhei ihrer Familie ihre Aktivitäten einstellt.Fazit für die linken Gewalttäter: Ziel erreicht!-Und da phantasiert ein Filmteam des Staatsrundfunks von der“ Machtübernahme der Rechtsextremen“(„Aufbruch ins Ungewisse“,14.2. ARD)…perverser geht es nicht mehr!

Bummi
6 Jahre her

Das lief in Leipzig bei Legida genauso. Dort waren am Anfang ganz normale Bürger. Gegenüber standen die kriminellen Linken Antifa Trupps unterstützt von Linken, Grünen, Spd und CDU gegen Rechts. Am Ende standen sich dann nur noch die wirklich Rechten und die linken Kampftruppen gegenüber. Die Gewalt ging fast ausschließlich von den linken Kriminellen aus.