„Hambi“: 50 Bäume gefällt – waren es „Baumschützer“?

Im März ist es schön im Wald, zumindest am Niederrhein. Die Luft weht mild, die Buschwindröschen blühen bereits, die Winterstürme sind vorbei. Wer hätte jetzt keine Lust, sich ein Baumhaus zu bauen?

Patrick Stollarz/AFP/Getty Images

Pünktlich mit den ersten milden Frühlingslüften sind sie wieder da, die Kämpfer für die gute Sache. Häufig sind unter diesen Kämpfern auch welche, denen eine sozialistische Gesinnung unterstellt werden könnte. Und unter Sozialisten bestand immer Einigkeit, dass ein wenig Kollateralschaden durchaus sein durfte – und darf. Und was sind schon 50 Bäume, wenn es um die Rettung der Welt insgesamt und schlechthin geht?

Nun, die illegalen Baumfällungen sind ein Zeichen – ob die Menschen, die hier ihr Unwesen treiben, Umweltschützer zu sein begehren, ist dabei irrelevant. Es sind Gesetzesbrecher. Die Baumfällungen sind ein Zeichen dafür, dass in diesem Wald Recht und Gesetz nicht gelten sollen. Gefällt wurden dabei junge Bäume, die mit einer Hacke oder eine Säge umgelegt werden können, ohne dass sich ein Nichtfachmann in direkte Lebensgefahr begibt. Von RWE wurden die Bäume nicht geschlagen – der Energiekonzern lässt Fachleute roden. Geht man dann von der Stelle des Waldfrevels hinüber zu den Baumhäusern, dann fällt etwas auf: Die tragenden Stämme der neuen Konstruktionen, in denen jeweils wohl ein Dutzend junger Bäume verbaut wurden, weisen frischen Schnittkanten auf – ein Schelm, wer Böses denkt. Polizeistreifen haben diese Beobachtung gemacht, aber die zuständigen Dienststellen halten sich auffällig zurück: „Wir unterstellen hier niemandem etwas, sondern beschreiben nur einen Zustand.“

Den Waldfreund in sich entdecken?

Doch es kommen nicht nur diejenigen, die den Schönwetter-Umweltaktivisten in sich entdecken. Die Polizei hat nach Angaben eines Sprechers rund 50 Holzkonstruktionen – komplette Baumhäuser oder einfache Plattformen – in den Bäumen des „Hambi“ gezählt. Bereits seit vergangenem Oktober ist an einigen von ihnen gebaut worden, und jetzt nimmt die Bautätigkeit offenbar wieder zu, pünktlich zum Frühlingserwachen. Von derlei Aktivitäten berichtet auch die Wochenzeitung „Die Zeit“ online, und sie lässt einen jungen Mann zu Wort kommen, der unter dem Decknamen „Cloud“ auftritt und in einer neuen Baumhaus-Kolonie im Hambacher Forst lebt, die von ihren Bewohnern Lluna genannt wird. „Cloud“ gehört dabei sogar zu denen, die wetterfest sind, denn seit Dezember baut er an seinem Baumhaus. Und jetzt, wo die Buschwindröschen blühen, ist auch er ganz entspannt: „Es ist ein wunderschöner Ort zum Leben. Irgendwie gehört der Wald zu mir und ich gehöre in diesen Wald.“

Interessant ist, was derweil das Verwaltungsgericht Köln urteilt. Eine der Kammern lehnte eine Pauschalgarantie für den Erhalt des Hambacher Forsts ab, weil es keine rechtliche Verpflichtung für die Bundesregierung und alle ihr nachgeordneten Organe gebe, den Braunkohletagebau zu stoppen. Das Gericht wies darauf hin, dass im Pariser Klimaabkommen zwar Ziele für die Verlangsamung der Erderwärmung vorgegeben worden seien, nicht aber der Weg dorthin. Hier sei die Politik in der Pflicht, ein Gericht sei dagegen nicht zuständig. Ein Umweltverband hatte argumentiert, dass im Hambacher Wald eine Kolonie der streng geschützten Bechstein-Fledermaus lebe und dass dieses Gebiet daher als europäisches Natura-2000-Gebiet nachgemeldet werden solle. Keines von beiden – also weder die allgemeinen Klimaziele noch die flatternden Nachtsäuger – war dem Gericht konkret genug.

Wann brennt der erste Bagger?

Genau wäre zu prüfen, ob es sich bei den „Waldmenschen“ im Hambacher Forst nicht doch eher um Hedonisten mit Robin-Hood-Komplex handelt. Denn die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ hat sich bereits Ende Januar für den Erhalt des Forstes ausgesprochen. RWE hatte daraufhin angekündigt, bis 2020 keine weiteren Bäume zu fällen. Die Pläne des Energiekonzenrs, die Hälfte des noch stehenden Waldes im Oktober zu roden, sind also längst ab acta gelegt. Die einzigen, die sich derzeit im Hambacher Forst mit Äxten und Sägen an Bäume vergehen, sind die selbsternannten Baumschützer. Kann das sein?

Offenbar ist es so. Woher die lauen Frühlingslüfte im Hambacher Forst wehen, war bereits bei DPA nachzulesen. Dort wird das NRW-Innenministerium zitiert, dessen Sprecher jüngst erklärte, die Besetzerszene im Hambacher Forst habe sich seit den letzten gewalttätigen Aktionen des dort aktiven Bündnissen „Ende Gelände“ im November 2017 nochmals deutlich verändert, sie habe sich radikalisiert. Demnach haben sich in diesem Wald am Rande des Tagebaus Hambach jetzt „Autonome aus dem ganzen Bundesgebiet und dem europäischen Ausland“ versammelt. Diese Gruppe „zeichne sich durch eine erhöhte Konfrontationsbereitschaft und Militanz aus“. Da werden Erinnerungen an den G-20-Gipfel in Hamburg wach. Nur, dass es diesmal keine Hausdächer in der „Schanze“, sondern Baumhäuser am Rande eines niederrheinischen Braunkohletagebaus sind. Wann wohl der erste Schaufelradbagger abgefackelt wird? Brennstoff genug ist ja ringsum vorhanden.

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