Gewerkschafter fordert GroKo, um Reformen zurück zu drehen

Der linke Hardliner Verdi-Chef Frank Bsirske, einziger Gewerkschaftsboss mit grünem Parteibuch, wirbt jetzt offensiv für eine neue GroKo. Er sieht sich seinem Traum nahe, die Agenda 2010 zurückzudrehen.

© Johannes Eisele/AFP/Getty Image

Bsirske, den meisten Deutschen dadurch bekannt, dass er gerne durch Streiks den öffentlichen Dienst lahmlegt, hat die SPD zu Koalitionsverhandlungen mit der Union aufgerufen. „Vielen Wählerinnen und Wählern wäre sicherlich nur schwer verständlich zu machen, wenn die SPD nicht ernsthaft sondieren würde, was sie in einer Koalition mit der Union an wichtigen Punkten realisieren kann“, sagte Bsirske der „Passauer Neuen Presse“. Natürlich müsse in einer solchen Koalition „die eigene Handschrift klar erkennbar sein“, sagte der Gewerkschaftschef vor dem Gespräch der Parteichefs von Union und SPD mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am heutigen Donnerstagabend. Sollte nach Jamaika auch Schwarz-Rot scheitern, müsse die SPD dennoch versuchen, eine stabile Regierung zu ermöglichen und dabei für mehr „soziale Gerechtigkeit“ sorgen, fügte Bsirske hinzu. Als wichtigste Baustellen nannte er die Rente, eine paritätische Finanzierung der gesetzlichen Krankenkasse, die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns und die „Stärkung des Tarifsystems“. Eindringlich warnte er eine künftige Regierung davor, dem Drängen der Arbeitgeber nach einer Lockerung der Arbeitszeitgesetze nachzugeben.

Schröder nannte ihn einen „Dummschwätzer

Bsirske ist schon immer ein linker Hardliner, dessen Hauptziel es ist, die von seinem Intimfeind Gerhard Schröder durchgesetzte Agenda 2010 zurückzudrehen. Er trieb Schröder, als dieser noch regierte, immer wieder zur Verzweiflung. In der letzten Gesprächsrunde vor Verkündung der Agenda 2010 – am 3. März 2003 – forderte Bsirske wieder einmal höhere Steuern für „Besserverdienende“, weitere Schulden und ein milliardenschweres Investitionsprogramm. Schröder, der auf mehr Markt statt auf mehr Staat setzen wollte, platzte schließlich nach der Kritik von Bsirske der Kragen: „Das ist das dümmste Geschwätz, das ich jemals gehört habe“, so Schröder zu Bsirskes linken Ideen. Wenige Tage später, am 14. März 2003, trat Schröder vor den Bundestag und hielt eine anderthalb Stunden lange Rede, in der er seine Reformen unter dem Schlagwort „Agenda 2010“ zusammenfasste. Später war Bsirske einer der schärfsten Kritiker dieser Agenda.

Grüner Merkel-Fan will Abkehr von Agenda 2010

Bekanntlich hat Angela Merkel mehr Anhänger bei den Grünen als in der eigenen Partei. Zu ihnen gehört auch Bsirske. Zuletzt lobte er Merkel dafür, dass sie sich „glaubwürdig“ gegen die Rente mit 70 ausgesprochen hatte, für die der Wirtschaftsflügel der Union wirbt. Bereits ein Jahr nach dem Start der letzten Großen Koalition hatte er Merkel über den grünen Klee gelobt. „Ich finde, dass sie bemerkenswerte Eigenschaften hat und eine kluge, reflektierte Politikerin ist“, sagte er dem Berliner „Tagesspiegel“. „Wo ihr Vorgänger autoritär wurde, beginnt sie zu argumentieren – das ist ein beachtlicher Fortschritt“, meinte Bsirske über Angela Merkel und Gerhard Schröder. Alles in allem bescheinigte der Chef der zweitgrößten deutschen Gewerkschaft der großen Koalition „beachtliche Tatkraft“. Die SPD habe die Rolle des Motors übernommen. „Das gilt für die Re-Regulierung auf dem Arbeitsmarkt, für die Frauenquote und die Schritte zu einer Marktintegration der Erneuerbaren Energien“, sagte Bsirske. „Aber auch Angela Merkel hat zu ihren Überzeugungen gestanden, etwa beim Thema Frauenquote.“

Die Beschlüsse zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, zur Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und zur Rente nach 45 Versicherungsjahren seien eine „Teilabkehr von der Agenda 2010“. Eine neue GroKo soll nun nach Bsirskes Vorstellung sein Lieblingsprojekt einer Abkehr von der Agenda 2010 vollenden.

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Kommentare ( 26 )

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Gerhart
6 Jahre her

Die Gewerkschaften könnten sich ja auch für Mehr Netto vom Butto einsetzen. Dann fehlt natürlich Geld in der Umverteilungswaschmaschine, das insbesondere von Ver.Di benötigt wird

Teilhaber
6 Jahre her

Verdi? Ach ja, der Verein der auch mal zur Denunziation politisch Andersdenkender aufruft.

Luisa die Ältere
6 Jahre her

Danke Herr Zitelmann, dass Sie uns diese Hinterzimmer-Entscheider präsentieren. Wir alle sind verpflichtet, mehr zusammenzuhalten. Noch sind wir souverän (lese gerade Prof. Karl Albrecht Schachtschneider’s „die Souveränität Deutschlands“. Alles Unrecht, was diese Ehrenwerten Leute kungeln, ist ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Sie wissen das, aber kann man denn nichts tun?

Old-Man
6 Jahre her

Schröder nannte ihn einen „Dummschwätzer„

Ich gebe Gerhard Schröder uneingeschränkt Recht.
Wer die Jahre als Anführer der Gewerkschaft nachvollzieht,der sieht Grün,nicht Rot!
Gewerkschaften werden sich irgentwann selber überflüssig machen,man muss nur das „richtige“ Personal zum Führer machen.

karel
6 Jahre her

Von 1994 bis 2015 sank die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder von ca. 1o Mio. auf ca. 6 Mio. In der Ära Rot-Grün allein ca. 1,5 Mi . Lt. DGB-Mitgliederstatistik. Um streiken zu können, brauchen Gewerkschaften volle Streikkassen. Und die waren schlicht und einfach leer. Sogar Weihnachtsgeldzahlungen an Gewerkschafts-Mitarbeiter sollten Zeitungsberichten zufolge aufgrund von Liquiditätsengpässen eine Zeitlang gestundet sein. Die fehlende gewerkschaftliche Streikfähigkeit führte über Jahre zu geringen Lohnsteigerungen und trug damit entscheidend zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie bei. Auch die „Weichwährung“ EURO wirkte dabei mit. Aber nicht die Agenda 2010, wie es die Medien landauf, landab verkünden. Bsirske dagegen… Mehr

Heiner Schumann
6 Jahre her

@ sorgenvoll
Das liegt nicht an der Renteversicherung sondern am Euro der die deutsche Kaufkraft schmälert. 1000 € waren früher 2000 Mark zu DM Zeiten konnte man damit leben. Mit 1000€ hat man heute in der Tat Schwierigkeiten

SamsEye
6 Jahre her

Habe Anfang Oktober meine MG bei ver.di gekündigt. Leider wusste ich nicht von deren Kündigungsfristen, die da lauten: 3 Monate zum Quartalsende.
So komme ich aus diesem Verein leider nicht vor April 2018 heraus.
Es sei denn, ich würde meine wahren Gründe für den Austritt nennen, (bekam so ein Begleitschreiben, wo ich meine Gründe hätte anführen können, und ob ich mir es nicht doch anders überlegen würde… haha).

Luisa die Ältere
6 Jahre her
Antworten an  SamsEye

Hoffentlich geht alles nach Ihren Wünschen!!

Prissianer
6 Jahre her

Wir haben doch höhere Steuern und ein milliardenscheres Investitionsprogramm in den letzten Jahren bekommen. Trotz Rekordeinnahmen des Staates und Millionenfacher Einwanderer die am sozialen Tropf hängen , zahlen wir Milliarden. Dafür gibt als Ausgleich weniger Rente und schlechtere medizinische Versorgung.

Fitzibitz mit Armbrust
6 Jahre her

Es sind gerade einmal noch 30% des BIP, die in Deutschland durch Bau-, Land-, Forstwirtschaft, Fischerei und produktivem Gewerbe erwirtschaftet wird. knappe 70% kommen aus reiner Dienstleistung. Pflegekräfte, Friseure, Unternehmensberater, Versicherungsvertreter, Lehrer, Gutachter etc. Wo wäre das Problem, wenn die alle genug verdienen würden, um mit einem Ganztagsjob, über der Grundsicherung im Alter zu kommen? Dafür muss der Mindestlohn nun einmal ca. 12 Euro betragen. Es werden kaum plötzlich alle Deutschen ins Ausland fahren um sich die Haare schneiden zu lassen, nicht war? Ja, die Preise hierzulande würden anziehen, die Mittelschicht würde auch mehr verdienen wollen. Boah, dann könnte sich… Mehr

David X
6 Jahre her

Bsirske war auch der, der vor Jahren – im Aufsichtsrat der Lufhansa sitzend – Lufthansa-Streiks unterstützte, gleichzeitig aber natürlich die Annehmlichkeiten, die er als AR-Mitglied genoß, für sich und seine Familie ausnutzte (Ferienflüge, 1. Klasse natürlich). Ekelhaft. Dieser Mensch ist einer der grünen Verderber dieses Landes.