„Geschichte wiederholt sich nicht – von wegen!“

Vielleicht verspüren insbesondere wir Deutschen aufgrund der Strapazen der vergangenen Jahrzehnte eine gewisse Müdigkeit und die Sehnsucht nach Ruhe. Wenn es sein muss, auch auf Kosten der Freiheit.

imago images / ITAR-TASS

Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts reiste ich durch die Staaten des Baltikums. Kreuz und quer durch Litauen, Lettland und Estland. Alles Staaten im Umbruch mit neuen demokratischen Strukturen auf dem mühseligen Weg zur Marktwirtschaft mit einem, im Vergleich zum satten Westen Europas, unvergleichlichen Optimismus, hoher Leistungsbereitschaft und beeindruckender Neugier auf die Welt von Morgen.

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Überall wurden westliche Investoren gesucht. Alle möglichen Angebote kamen auf den Tisch. So bot mir in einem Strandlokal an der litauischen Ostseeküste ein Waldbesitzer ein gehörig großes Stück Kiefernwald für einen vergleichsweise niedrigen Preis an. Die Formalitäten könne man in kürzester Zeit abwickeln. Ich erbat mir eine Zeit des Nachdenkens zu gestatten, um mich dann wieder zu melden. Zurückgekehrt nach Berlin berichtete ich einem hohen russischen Diplomanten von dieser Idee. Dieser lachte laut auf und sagte: „Machen Sie das, und verwalten Sie es für uns ordentlich. Das Baltikum war russisch und wird wieder russisch. Genauso, wie über die Ukraine noch nicht das letzte Wort gesprochen wurde“. Ich war gelinde gesagt geschockt darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit er mal so eben die Landkarte Europas umschrieb – Völkerrecht, Selbstbestimmung und all das, hin oder her. Eine extrem nationalistische und aggressive-offensive Haltung die ich in den darauffolgenden Jahren bis heute immer wieder besonders von Vertretern des Putinschen Russlands zu hören bekomme.

Mittlerweile ist die Geschichte schon weitergegangen: Russland hat zwei große Provinzen des mit dem Zerfall der Sowjetunion auch unabhängig gewordenen Georgien-Abchasien und Südossetien einfach besetzt und zu einem Teil Russlands erklärt. Westliche Protestnoten und der bloße Wille eine Verständigung zu erreichen sind ergebnislos geblieben.

2014 kam dann die Insel Krim an die Reihe: Mit Gewalt zurück zu Mütterchen Russland. Die rohstoffreiche Ostukraine folgte auf dem Fuß. Wieder gab es Proteste, ja sogar Sanktionen. Bewirkt haben auch diese nichts. Wenn man sich an die Worte des neuen Zaren, Wladimir Putin erinnert, dass für ihn die Auflösung der Sowjetunion die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts gewesen sei, folgt das russische Vorgehen einer klaren Logik – scheibchenweise Fortsetzung nicht ausgeschlossen. Zumindest die andauernde Hochrüstung lässt nichts Gutes ahnen. Entsprechend beunruhigend sind die baltischen Staaten, aber auch Polen. Alles Länder, die in ihrer Geschichte grausame Erfahrungen mit beiden Nachbarn im Osten wie im Westen gemacht haben.

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Unwillkürlich muss man dabei an die 30er Jahre zurückdenken. Hier war es das Regime Adolf Hitlers, das in der Revision von Grenzen und der Eroberung neuen Lebensraumes das Ziel deutscher Politik war. Wie damals reagierten die westlichen Demokratien, vor allem Frankreich und Großbritannien defensiv und ängstlich. Erst das Saarland, dann das Rheinland, 1938 der Anschluss Österreichs bis hin zur Preisgabe des Sudetenlandes und der Okkupation der Tschech(oslowak)ei. Immer wieder hat man Hitlers Worten vertraut, ihn zu besänftigen versucht, um auch im eigenen Interesse den Frieden zu bewahren. Was für die Einen kluge Diplomatie war, wurde von den Nationalsozialisten als Schwäche ausgelegt, die zu weiteren Raubzügen ermunterte. Heute, als habe man nichts aus der Geschichte gelernt, ähneln sich die Verhaltensmuster des Westens auf tragische Weise. Wieder ist man sich über die richtigen Reaktionen nicht einig, viel mehr noch als damals, dominieren ökonomische Motive und wieder verhindert die Angst vor einer militärischen Auseinandersetzung konsequentes Handeln. Die meisten Historiker sind sich einig, 1937/38 hätte man mit beherzten Schritten dem dritten Reich noch Einhalt gebieten können. Die deutsche Wehrmacht hatte noch nicht die kriegsnotwendige Stärke erreicht. Nur zwei Jahre später war es soweit.

Nun wiederholt sich die Geschichte wirklich nicht eins zu eins. Eroberungen in der „näheren Nachbarschaft“ nicht eingeschlossen, plant Moskau heute keine Eroberungsfeldzüge Richtung Deutschland und Frankreich. Es reicht schon die Zerrüttung des Europäischen Verhältnisses zu den USA und die eigene nukleare Dominanz über den Rest Europas. Souveräne Staaten im vollwertigen Sinne werden die Länder westlich des neuen „groß Russlands“ aber nicht mehr sein.

Vielleicht verspüren insbesondere wir Deutschen aufgrund der Strapazen der vergangenen Jahrzehnte eine gewisse Müdigkeit und die Sehnsucht nach Ruhe. Wenn es sein muss, auch auf Kosten der Freiheit.

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Kommentare ( 29 )

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Pankratius
3 Jahre her

Der Autor blendet völlig aus, dass die USA und ihre edlen „Vermittler westlicher Werte“ Russland gegenüber durch Vormarsch der Nato nach Osten vertrauensbrüchig geworden sind, Raketen unter dümmstmöglichem Vorwand in Polen aufgestellt haben und Russland zunehmend von Südosten her einkreisen. Aus meiner Sicht waren sie im Begriff, Sewastopol zu einem amerikanischen Schwarzmeer-Stützpunkt umzuwidmen – unter Installation korruptester ukrainischer Pappkameraden, mit den US-Herren Biden vorneweg. Das hätte auch ich mir an Putins Stelle nicht bieten lassen. Die Russen widmen ja auch nicht Kuba oder Florida zu ihrem Stützpunkt um. Dass die Russen sich mit den US-gesteuerten Friedensvortäuschungen und anschließenden Tiefschlägen nicht… Mehr

schwarzseher
3 Jahre her

Ein für TE Verhältnisse sehr unseriöser Artikel. Nur ein paar kurze Anmerkungen zur Unseriosität, die ganze geschichtliche Entwicklung ist sehr unfangreich. 1. Die Ukraine war bis 1917 nie ein selbständiger Staat, das Gebiet gehörte bis dahin aufgeteilt zu verschiedenen, oft wechselnden Fürstentümern, Staaten etc. Nach 1917 wurde die Ukraine bis zum Ende der Sovietunion eine der vielen Sovietrepubliken und erst danch ein selbständiger Staat. Dessen gewählter, rußlandfreundlicher Präsident wurde durch einen vom Westen angefachten Aufstand zugunsten eines EU-freundlichen Präsidenten ersetzt. 2. Die Krim gehörte nach mehreren “ Vorbesitzern “ ab 1774 durchgehend zu Rußland und nicht zur Ukraine. Chrustschov war… Mehr

Johann Thiel
3 Jahre her

Das ist natürlich völliger Unsinn, Putin macht es genau richtig. Er ist im Gegensatz zur EU-Clique ein richtiger Staatsmann der sich für die Interessen seines Landes einsetzt. Putin ist kein Jelzin mit dem man machen kann was man will. Er hatte dem Westen insbesondere den Europäern die Hand ausgestreckt, ist aber zurückgewiesen und in Sachen Nato-Osterweiterung belogen worden, die Vorgänge in der Ukraine war eine Hinterhältige mit Geld der EU geförderte Aktion. Aber man hat sich halt verrechnet. Putin weiss, wie andere auch, wie man mit Europa umzugehen hat. Fakten schaffen und fertig. Das muss einem nicht gefallen, aber wenn… Mehr

Julian Schneider
3 Jahre her

„…aufgrund der Strapazen der vergangenen Jahrzehnte eine gewisse Müdigkeit und die Sehnsucht nach Ruhe“. Das ist doch etwas einfach. Ich würde es eher den Drang zum Sozialismus nennen, den das Volk in Deutschland offenbar immer wieder verspürt. Und nein – im Gegensatz zu einigen anderen Foristen kann ich dem Putin-Regime nichts abgewinnen. Ich würde mir stattdessen wünschen, dass Sozialismus und Kommunismus überall auf der Welt im Orkus der Geschichte verschwinden würden.

Niklas
3 Jahre her

„2014 kam dann die Insel Krim an die Reihe: Mit Gewalt zurück zu Mütterchen Russland.“

Maidan? Ukrainische Militäreinheiten mit Nazi-Symbolen auf den Uniformen Richtung Osten? Volksabstimmung der russisch-sprachigen und -stämmigen Bevölkerung in den Gebieten?

War da was?
Und hat es einen Grund, dass in der gesamten deutschen – ach was: westlichen – Medienlandschaft kein Pieps zu vernehmen ist, wie sich die betroffenen Menschen dort damit fühlen, dass sie nun auf russischem Boden leben?

Unterfranken-Pommer aus Bayern
3 Jahre her

In einer anderen Realität hätten sich das Deutsche und das Russische Kaiserreich zu einer Zusammenarbeit auf allen Ebenen gefunden und ihre jeweiligen Stärken einbringen können (Erfindertum vs. Rohstoffreichtum, z. B.). Und um dieses Faß auch noch aufzumachen, ihre jeweiligen bedeutenden jüdischen Bevölkerungsteile hätten einen florierenden Handel und Spitzenleistungen auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet hervorgebracht.

Wäre dieser Weg gegangen worden, vor über hundert Jahren, es wäre der Welt viel Leid erspart geblieben (aber wahrscheinlich hätte es dann andere Holper- und Stolpereien gegeben.)

HGV
3 Jahre her

Das zentrale Problem der EU und Deutschlands ist, dass man keine geostrategische Politik macht, sondern sich auf die wirtschaftlichen Aspekte des Handels, den Ökosozialismus oder auch die Ökodiktatur und das Thema Migration und billige Arbeitskräfte konzentriert. Das ist aber alles EU-intern. Wer Obama für einen Friedensfürsten hält, der glaubt auch an den Osterhasen. Er hat alles dafür getan, um Russland und Putin zu schwächen. Mit dem arabischen Frühling hat er die Gesprächspartner Russlands in der arabischen Welt destabilisiert und mit China eine Politik des Appeasement betrieben. Die EU hat dabei für Obama nie eine Rolle gespielt. Im Gegenteil, die Migration… Mehr

Ralf Poehling
3 Jahre her

Zitat:“Es reicht schon die Zerrüttung des Europäischen Verhältnisses zu den USA und die eigene nukleare Dominanz über den Rest Europas.“ Das Problem ist doch ganz einfach: Zu viel Abhängigkeit macht schwach. Wer ewig und drei Tage am Rockzipfel der Amerikaner hängt, wird sofort zum Kanonenfutter, wenn die Amerikaner schwächeln. Und das tun sie gerade. Was wir brauchen, ist eine überaus starke Verteidigung Europas, die der der Amerikaner ebenbürtig ist. Inklusive nuklearer Abschreckung. Und so lange das nicht der Fall ist, sind wir Spielball fremder Interessen. Frieden geht nicht ohne, sondern nur mit Waffen. Ein Kontinent ohne eigene Abschreckung, lädt zur… Mehr

Pankratius
3 Jahre her
Antworten an  Ralf Poehling

Moment. Zur Ausplünderung Europas wird nicht eingeladen, sondern sie wird am Deutschen Beispiel aktiv durchgeführt und zwar von innen, von einer grauen Maus namens Merkel.

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her

Stichwort Nato-Osterweiterung, war das den Russen nicht anders versprochen worden? Putin hat Anschluss an den Westen gesucht und wurde arrogant zurückgewiesen. In Tschetschenien tobte sich der radikal-islamische Mob aus, und von der Ukraine fangen wir besser gar nicht erst an. Dämliche Farbrevolution, Academi-Söldner, CIA-Agenten, Bidens Sohnemann… Au weia. Putin macht seine Sache gut. Ein Patriot. Schon klar, dass der Westen das nicht versteht, hier wo man lieber islamisch umvolkt, weil wir uns ja soo schämen. Für was auch immer. Für unsere Geschichte, unsere Sitten und Gebräuche, unsere Ethnie. Für erfundenen Rassismus, erfundene unterdrückte Minderheiten, erfundene gläserne Decken für unsere ach… Mehr

Britsch
3 Jahre her

dies Informationen habe ich aus „Berichten“ des ÖRR nach und nach zusammenbekommen, zusammengetragen. !. Genscher war damals bei der „Entlassung“ der DDR, der „Öffnung“ des Ostblocks bei den Verhandlungen dabei . Er sagte es wäre als Bedingung vereinbart worden, daß sich die EU und Nato nicht weiter nach Osten gen Rußland ausbreiten würde. 2. sowohl die EU als auch die Nato haben dies nicht eingehalten und bestreiten das was Genscher als Teinehmer der Verhandlungen bezeugt. 3 Sowohl die EU als auch die Nato haben versucht durch Versprechungen und Geld staaten im Osten an sich zu binden, geghen Rußland. 4. Auf… Mehr

Moses
3 Jahre her
Antworten an  Britsch

Ah, so. Deswegen wurde also ein Stück Georgian vom Russland abgebissen.
Europäer sind nicht müde, die leider gar nicht damals gelernt haben.