Gabriels USA-Kritik ist unglaubwürdig

Sigmar Gabriels Grundsatzrede zur Außenpolitik zeigt die Unehrlichkeit und Heuchelei der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.

© Mandel Ngan/AFP/Getty Images
US Secretary of State Rex Tillerson shakes hands with Germany's Foreign Minister Sigmar Gabriel ahead of a bilateral at the State Department in Washington, DC on November 30, 2017

Der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat in einer Grundsatzrede eine Wende in der deutschen Außenpolitik gefordert, hin zu mehr Unabhängigkeit von den USA. Gabriel sagte am Dienstag beim „Berlin Foreign Policy Forum“ der Körber-Stiftung, Europa müsse „ein neues Verhältnis zu den USA zu finden“ und „kühler analysieren, wo wir plötzlich, oder möglicherweise auf Dauer, mit den USA über Kreuz liegen“. „Kühl analysieren“ und „eigene Interessen vertreten“ – das klingt immer gut. Aber was steckt dahinter und wie glaubwürdig ist Gabriels US-Kritik?

TTIP-Gegner

Gabriels Kritik an den USA ist schon deshalb unglaubwürdig, weil seine eigene Partei und Donald Trump sich in der Ablehnung des Freihandelsabkommens TTIP einig sind. Wie überzeugend ist es, wenn jetzt jemand kritisiert, dass die Amerikaner ökonomische Sonderinteressen verfolgten, der Ende August 2016 selbst die Verhandlungen um TTIP für „de facto gescheitert“ erklärte und dessen Partei sich an der bundesweiten Anti-TTIP-Kampagne beteiligte? Die SPD als Freihandelsgegner findet sich in trauter Gemeinsamkeit mit Trump.

Russland-Connections

Und wie glaubwürdig sind Gabriels Kritik an der amerikanischen Russlandpolitik und sein Eintreten für die Ostsee-Gaspipeline von Russland nach Deutschland, wenn man weiß, dass sein alter Hannoveraner Freund und Parteifreund Gerhard Schröder Cheflobbyist für russische Energieunternehmen in Deutschland ist? Wie kann jemand glaubwürdig die fragwürdigen Russland-Verbindungen von Trump kritisieren, der sich offensichtlich als Sprachrohr seines Freundes Schröder versteht, welcher kürzlich zum Chef des Aufsichtsrats des russischen Energiekonzerns Rosneft gekürt wurde?

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Es ist ja nicht anzunehmen, dass Putin Schröder nur wegen dessen überragender Fachkenntnisse zur Ölförderung, aus reiner Freundschaft oder aus Dankbarkeit dafür, dass dieser als Kanzler politisch den Grundstein für die Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Gas legte, seit Jahren hochdotierte Posten bei russischen Gasunternehmen andient. Sondern eben deshalb, weil er ihn wegen seiner SPD-Verbindungen als hochkarätigen Cheflobbyisten in Deutschland schätzt. Wie klug das von Putin ist, zeigt Gabriels Rede, die dem russischen Staatsoberhaupt doppelt gefallen haben durfte. Erstens entspricht sie Putins Langfristziel, einen Keil zwischen Europa und die USA zu treiben. Zweitens entspricht sie den wirtschaftlichen Interessen von Putins Öl- und Gasfirmen. Als entscheidenden Dissens mit den USA nannte Gabriel in seiner Rede nicht zufällig die von den USA verabschiedeten Sanktionen gegen Russland. Diese hätten, so Gabriel, Konsequenzen für deutsche und europäische Unternehmen, die sich an russischen Pipeline-Projekten beteiligen. Gemeint ist unter anderem die Nord Stream 2-Pipeline, die bis 2019 gebaut werden soll. „Das gefährdet unsere eigenen wirtschaftlichen Interessen“, sagte Gabriel. Wichtiger als die Gefährdung der deutschen Interessen ist ihm jedoch wohl die Gefährdung der russischen Interessen.

Einsatz für deutsche Wirtschaftsinteressen?

Denn wenn es wirklich wichtig ist, merkt man gar nichts davon, dass sich Deutschland in den USA für die wirtschaftlichen Interessen unserer Schlüsselindustrie einsetzt. Gabriel meint, Deutschland müsse entschiedener gegenüber den USA auftreten. Einverstanden. Aber was ist von diesem entschiedenen Auftreten in der Diesel-Abgasaffäre zu spüren, in der ganz offensichtlich die USA versuchen, den unliebsamen deutschen Konkurrenten, die weit bessere Autos herstellen als die Amerikaner, maximalen Schaden zuzufügen? Stattdessen prügelt die SPD gemeinsam mit den Grünen auf die deutsche Automobilindustrie ein, deren Autos weitaus umweltfreundlicher sind als die der Amerikaner.

Vertragsbruch

Schließlich: Wie glaubwürdig ist Gabriel, wenn er und seine Partei das von seinem Vorgänger (und jetzigen Bundespräsidenten) Steinmeier beschlossene Ziel der Nato-Staaten, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung zu stellen, scharf kritisiert und Wahlkampf damit führt, sich nicht an diese Vereinbarung zu halten? Ist das die Basis für ein überzeugendes Auftreten gegenüber einem Bündnispartner, der die Hauptlast in der Nato trägt? Und wie logisch ist es, mehr sicherheitspolitische Eigenständigkeit Deutschlands und Europas zu fordern, sich aber gleichzeitig gegen eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben zu stellen? Und wie glaubwürdig ist Deutschland, dessen Armee sich in einem geradezu erbärmlichen Zustand befindet, wenn Gabriel erklärt, man wolle mehr Eigenständigkeit in der Sicherheitspolitik? Das klingt für mich, wie wenn jemand, der gerade krachend bei der Führerscheinprüfung durchgefallen ist, erklärt, er wolle künftig bei der Formel I mitfahren und Sebastian Vettel Konkurrenz machen.

Gabriel ganz auf Merkel-Linie

Gabriel hätte als nur geschäftsführender Außenminister eine solche Rede nicht halten dürfen, wenn er sich nicht in Übereinstimmung mit Angela Merkel wüsste. Dieser kann er sich jedoch sicher sein. Merkel hatte bereits Ende Mai ins gleiche Horn gestoßen, als sie kurz nach der ersten Europa-Reise Donald Trumps zum G7-Treffen und zum Nato-Gipfel erklärte: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt. Und deshalb kann ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“

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Kommentare ( 57 )

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Poco100
6 Jahre her

Frage: gibt es irgendwas, was bei Gabriel glaubwürdig ist, bis auf die Tatsache, daß er alle halbe Stunde die Meinung wechselt u. eine neue „Idee“ hat `?

spindoctor
6 Jahre her

„Who the f…“ is Gabriel?

Christian Döring
6 Jahre her

Sorry, ein etwas sehr wirrer Artikel bei TE. Bisher sah ich mich als den konsequenten
Siggi-Kritiker. Nach dem Lesen sehe ich mich an ähnlicher Stelle wie Herr Ganter.
Vielleicht Adresse verwechselt und der Artikel sollte aus Gewohnheit an „Die Welt“ gehen?

Marita_1
6 Jahre her

er wird wohl wegen der Kinder in Hannover oder Goslar wohnen bleiben, jedoch ‚Brückenkopf‘ spielen. Für Auskommen ist damit auch – neben den vielen Pensionen – gesorgt. denn nicht wenig wird von dem großen Geldhaufen auch für ihn abfallen. Siggi Pop war schon immer ein Opportunist. Und Schröder hatte eigens für ihn die Position Pop-Minister geschaffen, nachdem ihn die niedersächsische Bevölkerung aus dem Amt – in das er ja nur hineingewachsen war – gejagt hatte.

Dirk Wolff-Simon
6 Jahre her

Es ist schon amüsant, was der ehemalige Berufsschullehrer aus Goslar da so im strotzenden Selbstbewusstsein vor der Körber-Stiftung herausbläst. Was die Politiker in (West-)Europa mit Blick auf eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in über 70 Jahren nicht geschafft haben, soll nunmehr Realität werden? Im übrigen: Haben die Mitgliedsländer der EU überhaupt (sic!) gemeinsame außen- und sicherheitspolitische Interessen? Wie kompatibel sind diese mit den Interessen Deutschlands? Analysiert man die Interessenverflechtungen und -gegensätze näher, kommt man schnell in den Nebel des politischen Tagesgeschäftes. Der gf Außenminister sollte wissen, dass eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsallianz beträchtliche finanzielle Anstrengungen zur Folge hätte, für die… Mehr

Frank in ZA
6 Jahre her

Ich traeume auch gerne von einer friedlichen Welt, wo alle auf Gegenseitigkeit zusammenarbeiten, aber ich weiss auch: Es ist ein Traum, die wird es nie geben. Nicht so lange es Menschen gibt.
Sind europaeische Politiker zu bloede, um das zu erkennen? Menschen sind eben vor allem Egoisten, und wenn man dabei nicht mit Fleiss alle anderen schaedigt, ist das einfach die natuerlichste Sache der Welt. Wir sind eben Tiere, auch wenn wir uns so gerne mit dem Begriff „Mensch“ vom Tierreich abgrenzen.

Donald Ganter
6 Jahre her

In diesem Artikel ist aber einiges durcheinander gegangen. Und ich war der Meinung, es gäbe nur Russland-Fraggles.: 1. Gabriel selbst war mal für TTIP mal dagegen und zuletzt wohl wieder dafür. 2. Bekanntlich sind wir aus der Kernkraft ausgestiegen. Der Ausstieg aus der Kohle steht bevor. Die alternativen Energieträger sind noch lange nicht in der Lage unser Land hinreichend mit ausreichend Energie zu versorgen. So wie ich es sehe bleibt dann erst einmal nur Öl und Gas übrig. Es sei denn man will unser Land genauso Gewissen- und Verantwortungslos in eine Fracking-Wüste verwandeln. Derzeit gibt es Gas im Wesentlichen von… Mehr

Marc Hofmann
6 Jahre her

Die USA hat sich noch nie dafür interessiert, was Deutschland meint oder sagt. Die USA hat immer ihr Ding gemacht…und unter Trump wird die USA erst Recht ihr Ding tun. Was Gabriel oder Merkel…Deutschland oder die EU meinen oder nicht meinen…interessiert in den USA überhaupt keinen…außer die noch übriggebliebenen Grün-Linken Medienblättern in den USA. Aber auch die sind auf den Rückzug….Trump ist über ein Jahr im Amt als US-Präsident….und er hat noch mind. 3 Jahre vor sich. Ende nächsten Jahr wird die USA so umgekrempelt sein, dass kein Grün-Linkes Denken mehr in der US-Medien Politik zu finden sein wird. Das… Mehr

Hans G. Hilbert
6 Jahre her

Was sich jetzt gerade um Israel und USA abspielt, man muss es so klar sagen, ist ABSURDES THEATER IN REINKULTUR. Seit der Gründung Israels durch Ben Gurion nach der 1948 von der UNO verfügten Zuweisung des Staatsgebietes auf dem Gebiet Palästina wird das jüdische Volk mit Vernichtung durch die es umgebenden arabischen Länder bedroht. Gerade der Ausrottung durch Hitler – Deutschland entgangen, muss es täglich um sein staatliches Überleben kämpfen. Mit Beginn der Obama -Administration – bekanntlich hatte der Friedensnobelpreisträger seine Probleme mit dem Staat der Juden – liegen die Bemühungen für eine dauerhafte Friedenslösung im Nahen Osten BRACH. Endlich… Mehr

Doris die kleine Raupe Nimmersatt
6 Jahre her

Deutschland lag bis zur „Osterweiterung“ des Westens an der Grenze zum „bösen“ Russland. Als Folge des WK II hatten die USA ganz andere Rechte in D als in anderen Sowjet-Grenzstaaten. Deutschland fühlte sich über Jahrzehnte gut beschützt von den USA. Alle Grundlagen änderten sich aber seit 1990. Die USA hat ein Interesse daran in den „neuen“ Russland-Grenzstaaten vertreten zu sein und versucht das über die Nato recht erfolgreich umzusetzen. Im gleichen Zug hätte Deutschland die eigene Wehrkraft stärken müssen. Es erfolgte aber das genaue Gegenteil. Deutschland baute seine Armee ab. Würde sich die USA von heute auf morgen komplett aus… Mehr