Frontalangriff von Heiko Maas auf die Meinungsfreiheit korrigieren

Seit 1. Oktober gilt das von Heiko Maas (SPD) durch den Bundestag gepeitschte Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Was angeblich gegen „Hass und Hetze“ im Internet helfen soll, ist nach Meinung von Experten europarechts-, völkerrechts- und verfassungswidrig.

© John MacDougall/AFP/Getty Images)

Vor ein paar Wochen moderierte Stefan Aust in der „Hamburg Media School“ eine Diskussion über das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“. Teilnehmer waren neben Justizminister Heiko Maas unter anderem der Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, Giovanni di Lorenzo, und die Chefredakteurin von „Spiegel Online“, Barbara Hans. Maas verkauft sein Gesetz mit einem rhetorischen Trick, der ebenso irreführend wie erfolgreich ist: Wer gegen sein Gesetz opponiert, sei offenbar für „Hass und Hetze“ auf Facebook.

Zensur durchgewunken
NetzDG: Löschorgie von Kai aus der Kiste
Das funktioniert. Meistens. Keine Rede davon, dass der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags das Gesetz in Gutachten für europarechts- und verfassungswidrig erachtet hat. Kein Wort davon, dass acht der zehn von den Parteien (!) ausgesuchten Sachverständigen dem Entwurf in der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags „schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken“ attestierten und von dem Versuch einer Einebnung der Meinungsfreiheit sprachen, den Karlsruhe sich nicht werde bieten lassen.

Kapitulation des Rechtsstaats

Und dass der Sonderbeauftragte für Meinungsfreiheit der Vereinten Nationen, David Kaye, die Bundesregierung wegen dieses Gesetzes anschrieb, zur Stellungnahme aufforderte und seine völkerrechtlichen Bedenken deutlich machte, scheint im nationalen Diskurs keiner Beachtung wert. Normalerweise schickt Kaye seine Post an Nordkorea, Weißrussland oder die Türkei.

Maas’ Gesetz ist nicht nur europa- rechts-, völkerrechts-, und verfassungs- widrig. Es stellt einen Frontalangriff auf die Meinungsfreiheit dar, wie ihn die Republik seit der „Spiegel-Affäre“ oder Adenauers vor dem Verfassungsgericht gescheiterten Versuch, ein „Staatsfernsehen“ einzurichten, nicht mehr erlebt hat. Es steht auch für eine Kapitulation des Rechtsstaats vor der Aufgabe, geltendes Recht durchzusetzen.

Wenn bei Facebook und Konsorten strafbare Inhalte auftauchen, ist es, wie bei jeder anderen Straftat auch, die Aufgabe von Ermittlungsbehörden und Justiz, die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Wenn man Heiko Maas hört, könnte man den irrigen Eindruck gewinnen, Beleidigung und Volksverhet- zung könnten erst mithilfe seines neu- en Gesetzes verfolgt werden.

Es geht nicht um „Hass und Hetze“ – Es geht um die Rückeroberung der Herrschaft über den politischen Diskurs

Skandalös, wenn die Länder die Justiz nahezu handlungsunfähig sparen und die Grenzen der Meinungsfreiheit zukünftig von Mindestlohnakteuren bei Facebook bestimmt werden sollen. Die löschen werden, was das Zeug hält („overblocking“), weil dem Unternehmen und dessen leitenden Mitarbeitern sonst absurd hohe Geldbußen bis zu 50 Millionen Euro drohen.

Das ist das wirkliche Gesicht von Maas’ Gesetz. Es geht nicht um „Hass und Hetze“. Es geht um die Rückeroberung der Herrschaft über den politischen Diskurs – der zu erheblichen Teilen von den öffentlich-rechtlichen Medien und den großen Tageszeitungen abgewandert ist zu Facebook, Twitter und auch zu neuen Medien wie „Tichys Einblick“ oder Blogs wie „Die Achse des Guten“. Während man sich über die Gremien von ARD und ZDF dort erheblichen Einfluss gesichert hat, soll dies in den sozialen Medien über blanke Erpressung mit unverhältnismäßigen Sanktionen erfolgen.

Blanke Erpressung sozialer Medien

Wenn sich 25 Prozent der Abgeordneten des neuen Bundestags ermannen, können diese gemeinsam eine Überprüfung des Gesetzes beim Verfassungsgericht erzwingen. Explizit gegen das Gesetz sind Die Linke, FDP und AfD, bei den Grünen finden sich harte Kritiker. Wird es eine Kooperation über diese scheinbar unüberwindbaren Hürden hinweg geben? Ist Parteiräson wirklich wichtiger als die Verteidigung des Freiheitsrechts unserer Verfassung?


Dieser Beitrag ist in Tichys Einblick 11/2017 erschienen.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 23 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

23 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Benjamin Goldstein
6 Jahre her

Damals ging es nur darum eine Hysterie gegen die halbkonservative Kohl-Regierung zu starten. Linken sind Inhalte doch egal.

Benjamin Goldstein
6 Jahre her

Interessant. Das sagt dann auch alles über Frau Beer.

alNamrood
6 Jahre her

Die Frage nach der politischen Gefälligkeit lässt sich bereits durch reine Logik beantworten:
>“Extremismus“ soll gesperrt werden
>Die Entscheider sind Linksextreme
>Das Zensur“fenster“ verschiebt sich nach links

Und ja, die Leute von politnahen Stiftungen wie der AAS SIND oftmals aus dem Linksextremen Spektrum.

Benjamin Goldstein
6 Jahre her

Beide Seiten achten auch penibel darauf, welche Kommentare veröffentlicht werden. Klar will die Regierung an einem Blogforum ein Exempel statuieren, dass das dann auch Netzwerke nach Definition des Gesetzes seien. Es ist eine Frage der Zeit. Allerdings sind die Disqus-Beteiligten auf Tichy nicht genug Leute für die Definition. Vielleicht is bei PI news was zu holen. Vielleicht bei Focus. Es geht einfach darum, die Reichweite der Bürger einzuschränken.

Ginge es um Hass und Hetze wäre Zeit online nicht mehr am Netz.

Benjamin Goldstein
6 Jahre her

Ja, auf Proxyseiten erreicht man keinen Menschen mehr. Ich komme mir vor, als Stünde ich in einem Walt, schreie mit voller Kraft und keiner hört es.

verum dicere
6 Jahre her

„Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das deutsche. Zwiespalt brauchte ich unter ihnen nie zu säen.
Ich brauchte nur meine Netze auszuspannen, dann liefen sie wie ein scheues Wild hinein. Untereinander haben sie sich gewürgt, und sie meinten ihre Pflicht zu tun. Törichter ist kein anderes Volk auf Erden.
Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden: die Deutschen glauben sie. Um eine Parole, die man ihnen gab, verfolgten sie ihre Landsleute mit größerer Erbitterung als ihre wirklichen Feinde.“ Napoleon

mc6206a
6 Jahre her

Daran erinnere ich mich auch noch gut. Deshalb ist es mir unverständlich dass so ein Gesetz überhaupt angedacht werden konnte ohne massiven Gegenwind aus allen Ecken.

mc6206a
6 Jahre her

Die Merkel Dimension ist bislang nicht genügend angesprochen worden. Ich vermute dass sie dieses Gesetz zumindest sehr billigt, denn sonst gäbe es das nicht.

Benjamin Goldstein
6 Jahre her
Antworten an  mc6206a

Dazu juckt mir ein Kommentar in den Fingern den TE nicht freischalten würde. Also nur: Der Fisch stinkt vom Kopf her.

Harry James mit Armbrust
6 Jahre her

„Ist Parteiräson wirklich wichtiger als die Verteidigung des Freiheitsrechts unserer Verfassung?“

Wir werden es erleben ….

Anna Martha
6 Jahre her

Noch dürfen wir zum Beispiel hier bei TE unsere Meinung schreiben und noch dürfen wir einfach so das Land verlassen. Für ehemalige DDR Bürger war das nicht möglich und in Nordkorea ist beides bis heute nicht möglich.

ichdarfdas
6 Jahre her
Antworten an  Anna Martha

die Betonung liegt auf „noch….“. Ausserdem kann man auf Hofnarrenblättern (meine ich jetzt positiv gegenüber TE!) wunderbar politisch Andersdenkende herausfiltern und beobachten. Wer „man“ ist, sollte klar sein.